Download ist Diebstahl?

Eigentum in einer digitalen Welt

in (01.02.2002)

Mit der Entstehung des World Wide Web ist auch die alte Grundsatzdebatte der bürgerlichen Gesellschaft über Rolle und Funktion von Eigentum wieder zu neuem Leben erwacht.

Insbesondere die Formen des geistigen Eigentums (Urheberrechte, Patente, Markenschutz) sind in ganz spezifischer Weise mit dem Internet verstrickt. Die Kombination von Digitalisierung und der (nicht ganz weltweiten) Vernetzung von Zentralrechnern und Personal Computern hat dazu geführt, dass Inhalte wie Ton, Text, Bild, usw. (im Fachjargon "Content"), als immaterielle Produkte, oder besser: als Informationsprodukte [1] mit geringem Aufwand und ohne Qualitätsverlust millionenfach kopiert und verbreitet werden können. Es ist zwar nicht neu, dass beispielsweise Musik kopiert und getauscht wird, auch in der analogen Welt konnte man Musikcassetten aufnehmen (und es wurden Abgaben auf Leercassetten- und Geräte eingeführt). Die digitale Ausdrucksweise von Information erleichtert die Verbreitung demgegenüber aber um ein Vielfaches: Das Band zwischen Form (Träger) und Inhalt (Daten) sitzt in der digitalen Welt lockerer als in der analogen. Dem technologischen Potential des Internet steht nun seit geraumer Zeit das Interesse der Verwertung der Bits und Bytes entgegen, wobei die Kontrolle dieser Informationsströme bislang noch an den spezifischen Eigenheiten digitaler Technologie seine Schranken findet. Generell ist umstritten, ob beispielsweise Kopierschutz von digitalen Gütern überhaupt möglich ist, da die Daten zum Konsum letztendlich immer in entschlüsselter Form vorliegen müssen, ergo immer irgendeiner anderen Art von Kopiermöglichkeit zur Verfügung stehen. Mitunter wird daher die Frage gestellt, ob mit einem solchermaßen freien Datenfluss im Internet "die alte bürgerliche Eigentums- und Rechtsordnung zur Disposition" stünde.[2]

In der Hauptsache sind es Akteure wie Unternehmen der "Content-Indu­strie" (Verlage, Musik- und Filmindustrie, Softwareindustrie), ihre Lobbyverbände, Verwertungsgesellschaften, Künstler, Publizisten, usw. und nicht zuletzt der Staat, die das traditionelle Property Rights Regime[3] auch auf die digitale Welt übertragen wollen. Mit verschiedenen Maßnahmen auf der Ebene der Legislative, der Technik und der Ideologie sollen Datenströme als geistiges Eigentum funktional gemacht werden (d.h. geschützt, abgrenzbar, anerkannt). Dem steht nun eine große Zahl an Internet-Nutzern gegenüber, die die geplanten Enclosures im Cyberspace[4] verurteilen und die traditionelle Eigentumssicherung für die spezifische immaterielle Welt für anachronistisch und technisch inadäquat halten. Zu diesen "Usern" gehören unter anderem Publizisten, Programmierer ("Hacker"), Künstler, Bibliothekare, Ökonomen, Informationswissenschaftler, Rechtswissenschaftler, kurz: Anbieter und Konsumenten von "Content" jeglicher Art.

Es können in dieser stellenweise sehr emotional geführten Debatte grob gefasst zwei Fronten unterschieden werden; das Interesse an privater Verfügungsgewalt über digitale Informationen steht dabei dem des öffentlichen Zugriffs darauf entgegen. Insofern ist die digitale Welt Projektions- als auch Kampffeld für höchst gegensätzliche gesellschafts- und wirtschaftspolitische Interessen geworden und der Streit entzündet sich maßgeblich an der Frage des Eigentums. Im folgenden sollen die theoretischen Annahmen zu Funktion und Bedeutung von Eigentum, die den sich bekämpfenden Positionen "Copyright" und "Copyleft"[5] zugrunde liegen untersucht werden. Darauf aufbauend lassen sich Aussagen darüber treffen, welche Rolle die Debatte um das digitale Eigentum im Kontext kapitalistischer Produktionsverhältnisse spielt und wie dieser Konflikt möglicherweise ausgehen wird.

Eigentumssicherung im Cyberspace

Die Verfechter von Copyright versuchen auf verschiedenen Ebenen, den Cyberspace mit einem Property Rights Regime zu versehen, als Voraussetzung für die Verwertung der Informationsprodukte. Zu den technischen Maßnahmen gehören u.a. Verfahren des Digital Rights Managements (DRM). DRM-Systeme sind Software-Lösungen, die auf spezifische Geschäftsmodelle jeweils abgestimmt, den Vertriebsweg digitaler Güter vom Hersteller bis zum Nutzer kontrollieren können. Beispielsweise hat IBM das sogenannte "Electronic Media Management System" (EMMS) entwickelt, es soll den Austausch von Musik über Peer-to-Peer-Börsen wie Napster[6] unmöglich machen. EMMS gibt dem Urheber die Möglichkeit, zu bestimmen, was der Käufer damit machen darf und was nicht. Er kann beispielsweise festlegen, wieviele Kopien einer Datei erzeugt werden dürfen und ob das Brennen auf eine CD-Rom erlaubt werden soll (vgl. Miedl 2001). Auch über die hardware werden Versuche der digitalen Vertriebskontrolle unternommen. In den USA wird derzeit ein Gesetz vorbereitet, welches den Einbau von Kopierschutztechnik in sämtliche PCs und Geräte der Consumer-Elektronik erzwingen soll (cÂ’t 9.9.2001). Aber auch Kopierschutz, wie beispielsweise das Einstreuen unnützer Informationen bei der Herstellung von Audio-CDs, damit der Computer Schwierigkeiten beim Lesen der CD hat, ist jüngst in die Schlagzeilen geraten, da mitunter auch CD-Player solche CDs nicht abspielen können (vgl. Schneider: 2001). Diese technischen Maßnahmen zur Sicherung des geistigen Eigentums werden auf der gesetzgeberischen Ebene unterstützt. Zu nennen ist hier für die USA der DMCA (Digital Millenium Copyright Act) und für Europa die noch ins nationale Recht umzuwandelnde Urheberrechtsrichtlinie, wobei zentral und beiden gemein ist, dass die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen unter Strafe gestellt wird (siehe zu diesen Maßnahmen ausführlicher den Beitrag von Rainer Kuhlen in diesem Heft). Zum anderen wird auf der ideologischen Ebene versucht, ein "Unrechtsbewußtsein" zu entwickeln, welches dem unbedarften Nutzer klar machen soll, dass er beim Downloaden und Verbreiten von Dateien, deren Informationen urheberrechtlich geschützt sind, eine kriminelle Tat begeht. Die Lobbyverbände betreiben diese Bewußtseinsbildung sehr eindringlich, wenn z.B. Jay Berman, Chairman der International Federation of the Phonographic Industry sagt:

"Den Diebstahl geistigen Eigentums unterstützen Verbrecherorganisationen. Er nährt den Drogenhandel und andere Schwerverbrechen. Der heutige Kampf gegen Musikpiraterie ist ein Kampf gegen ein riesiges, organisiertes, illegales internationales Geschäft" (aus: Günther 2001: 13).

Entsprechend wird eine Ideologie gefordert, die dieses Vorgehen als un(ge)recht klassifiziert:

"Hier muss in der Tat zunächst ein spezifisches Unrechtsbewußtsein kulturell entwickelt werden, etwa dergestalt: ‚Wer illegal kopiert, klaut, wer unrechtmäßig vervielfältigt, ist ein Dieb!‘" (Lehmann 1997: 27).

Die Medienkonzerne und die Softwareindustrie - also in der Hauptsache Rechteinhaber an geistiger Schöpfung, machen sich in der Regel unter Hinweis auf ihre hohen Investitionskosten für Entwicklung (bei Software) oder für Vorschusshonorare und Marketing (bei Musik und Literatur) für schärfere Schutzmaßnahmen im digitalen Sektor stark; unter den Künstlern ist die Heavy Metal Band Metallica als Beispiel für den Kampf um traditionelle Eigentumssicherung zu nennen. Metallica hatte frühzeitig die Musiktauschbörse Napster und einige Napster-User verklagt (Frank 2000: 3). Damit hat sich die Band zwar zum Unsympath der Netz-Community gemacht, aber recht eigentlich hat sie "das Prinzip des Urheberrechts" eingefordert, das da lautet: "Bezahlen".[7] Musikindustrie und Künstler vertreten somit individuelle Verwertungsinteressen. Diese aber, so die Argumentation, kommen insofern der Gesellschaft zugute, als sie zu Wachstum und Wohlstand führen. In der Urheberrechtsrichtlinie bringt die EU dies folgendermaßen auf den Punkt:

"Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substantielle I