Rifondazione Communista und die italienische Linke nach den Wahlen

Wir haben in diesen Wahlen ein wichtiges Ergebnis erzielt und das wird in unserer ganzen Partei so empfunden. Leider wurde es in einer Situation erreicht, die durch Sieg der Rechten gekennzeichnet.

Rifondazione Communista und die italienische Linke nach den Wahlen

in Z 47 vom September 2002

Wir haben in diesen Wahlen ein wichtiges Ergebnis erzielt und das wird in unserer ganzen Partei so empfunden. Leider wurde es in einer Situation erreicht, die durch den Sieg der Rechten gekennzeichnet ist. Unsere Genugtuung kommt aber nicht aus einer Unterschätzung der rechten Gefahr, auch nicht aus einer Gleichgültigkeit gegenüber dem Schmerz, den das Wahlergebnis in der gesamten Linken hervorgerufen hat, und schon gar nicht ist sie das Produkt eines Parteipatriotismus.

Sie resultiert vielmehr aus einer politischen Analyse, die fragt statt zu vergleichen. Unser Ergebnis zeigt, daß die Existenz einer antikapitalistischen Linken innerhalb der Institutionen nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist. Das hat die Möglichkeit eines autonomen politischen Projekts bestätigt. Im übrigen haben wir die Arbeit in den Institutionen nie getrennt von der Bedeutung der Bewegungen und der Bejahung der direkten Demokratie gesehen. Wir haben die Herausforderung, eine Alternative aufzubauen, mit Erfolg bewältigt. In diesem Sinn ist unser Resultat wichtig für uns, für die alternative Linke, aber auch für die heute infolge unterschiedlicher strategischer Optionen gespaltene Linke insgesamt. Deshalb begreifen wir die Auseinandersetzung und die Debatte unter den Linken als Öffnung von hegemonialer Bedeutung für sie selbst. Wir stellen unser Wahlresultat quasi zur Schau bzw. bringen es ins Spiel, weil es positive Auswirkungen auf das Schicksal der Linken nach der Niederlage haben kann.

Die Aktion der Rechten

Wir haben einen extrem schwierigen Wahlkampf geführt. Die Rechte hat eine bedrohliche Machtanhäufung hervorgebracht, die prinzipiell aus der Krise der Centrosinistra rührt. Aber die Rechte hat auch eine Tat vollbracht, die sich geradewegs als Modell für ganz Europa empfiehlt. Die besteht aus einem Mix von Neoliberalismus und Neopopulismus. Auf der Basis hat die Rechte an der Schaffung eines sozialen Blocks für sich gearbeitet und begonnen, die Bourgeoisie entlang einer einzigen politischen Achse, nämlich der der Rechten, zu vereinigen. Angesichts dieser Entwicklungen haben wir gefragt, wie man die Rechte schlagen kann. Darauf haben wir nur enttäuschende Antworten bekommen. Die Centrosinistra hat mit Argumenten des "gesunden Menschenverstandes", aber ohne Logik und politische Effektivität geantwortet.

Wir stellen eine Aushöhlung der Demokratie und eine tiefe Krise der Politik fest. Eine der tragenden Säulen unseres Wahlkampfes war die Frage der Verteidigung der Demokratie. Sie ist heute von oben und unten in die Zange genommen. Von oben, weil sie, wie Dahrendorf sagt, durch die Prozesse der Globalisierung erodiert ist. Von unten, weil, wie in unserem Land, bei den Regeln, mit denen die demokratische Vertretung bestimmt wird, eine schwere Krise zu Tage tritt (man denke an die "liste civetta"[1]). Die Krise der Politik wird außerdem von dem Versuch genährt, sie in einen "Fanclub" zu transformieren, d.h. die Menschen unter einem Banner zu scharen, das bar jeder sozialen und ideellen Motivation ist. Auf dieser Ebene bestätigt sich eine von der Idee des Eigentums dominierte Politik: Wer gegen irgend etwas ist, muß bedingungslos jener größeren Kraft zur Verfügung stehen, die sich diesem irgend etwas widersetzt. Wenn man, um eine eigene Niederlage zu rechtfertigen, sich einfach einen Sündenbock sucht, bedeutet das, die Krise der Politik und der Demokratie zu verstärken. In unseren Auseinandersetzungen z.B. hat eine politische und intellektuelle Schicht, die sich von uns und unserer Politik in ihrer Existenz bedroht fühlte, mit Aggression reagiert. Diese Reaktion war der Ausfluß der herrschenden Zustände. Im Endspurt des Wahlkampfs haben wir einer weiteren Veränderung der materiellen Verfassung des Landes beigewohnt. Ein Beispiel für viele: das Verhalten der Informationsmedien, insbesondere des Fernsehens, die sich zum totalen Propagandisten einer bipolaren Vision gemacht haben.

Die bipolare Ordnung[2]

Der Ausgang des Wahlkampfes hat die bipolare Ordnung gefestigt. Was ihr fernsteht, wurde zerstört oder befindet sich in einem Prozeß der Auflösung. Ich denke dabei an die Kräfte, die wieder eine Mitte im politischen System des Landes schaffen wollten; an die, die sich mit den Grünen identifizieren; an die Zerstörung jener Linken, die sich als Hülle über die Auseinandersetzungen der Centrosinistra gelegt hat; und an die bezeichnenden politischen Realitäten in einigen Teilen des Landes. Diese Situation hätte auch uns vernichten können. Ermuntert durch die Zustimmung, die wir während des Wahlkampfes erfuhren, haben auch wir diese Gefahr unterschätzt.

Gerade aus diesen Gründen muß man die Frage stellen: Wieso haben wir es geschafft? Weil wir, wenn auch mit vielen Anläufen, die Politik mit einem anderen Inhalt ausgestattet haben. Der basiert auf einer Verbindung der Analyse der neuen sozialen Bedingungen und der politisch-kulturellen Kritik der bestehenden Verhältnisse, die auch in einer Art Wiedergeburt des republikanischen Geistes Gestalt annimmt. Die Verbindung zwischen diesen Elementen liefert die Basis für das, was wir die kommunistische Initiative genannt haben. Diese Verbindung kommt zum ersten Mal zustande. Das erste Element rührt aus der Tradition der Arbeiterbewegung, das zweite aus der Wiedergeburt des republikanischen Geistes, der sich dem Verlust des einheitlichen und laizistischen Charakters des Staates entgegenstellt, sowie den schwerwiegenden Prozessen der Privatisierung und der Vernichtung des öffentlichen Raumes.

Wir sind die einzige politische Kraft die, fern der beiden Koalitionen, das Quorum überwunden hat. In absoluten Zahlen haben wir im Vergleich mit den Europawahlen 1999 und den Regionalwahlen 2000 einen bedeutenden Stimmenzuwachs (über eine halbe Million). Die Zunahme kam zustande, obwohl die Erpressung mit der "nützlichen Stimme" bei dieser Wahl viel stärker war als bei den vorangegangenen. Der Vergleich mit 1996 ist unzulässig und ohne politische Bedeutung, da die Differenzen zwischen der aktuellen Situation und der damaligen enorm sind. Hier und jetzt haben wir die Alternative, vorwärtszukommen oder massakriert zu werden, positiv gelöst. Nicht nur für unsere Partei, sondern für die ganze antikapitalistische Linke haben wir damit die Zukunft garantiert.

Die Zeit des Säens

Trotzdem bleibt eine kritische Frage, die auch von vielen maßgebenden Persönlichkeiten wie etwa Rossana Rossanda gestellt wurde: Wieso ist es uns nicht gelungen, die Stimmen der ex-PCI zu bekommen? Das ist ein reales Terrain, auf dem man Vergleiche anstellen kann. Die Antwort, die ich gebe, ist, daß wir es noch nicht können. Die Gründe dafür liegen, so glaube ich, in der Tatsache, daß das durch die Auflösung der PCI hervorgerufene Erdbeben nicht allein die Sphäre der Politik ergriffen hat, sondern auch einen lebenden Körper, das "Volk der Linken". Da hat ein Prozeß der Auflösung, der genetischen Veränderung stattgefunden. Jetzt sind wir von "Bolognina"[3] weit genug entfernt. Wenn ich von der Existenz zweier Linken gesprochen habe, dann auch mit der Absicht, die kulturelle, ideologische, politische Spaltung und die in den sozialen Beziehungen zwischen den Linken zu unterstreichen. Für die eine ist die Modernisierung ein neuer Tiger, den es zu reiten gilt, während sie die andere veranlaßt, die kapitalistische Gesellschaft zu verändern, da sonst ein genereller gesellschaftlicher Rückschritt stattfinden würde.

Deshalb kann man nicht in Kategorien einer Wanderung von der moderaten zur antagonistischen Linken denken. Die typischen Prozesse aus der Vergangenheit der Arbeiterbewegung sind nicht wiederholbar. Die Spaltungen traten zwischen Parteien auf, die den gleichen Bezugspunkt und das gleiche soziale Umfeld hatten, so daß sie zur Verwirklichung dieses oder jenes politischen Projektes zusammengehen konnten. Heute stehen wir vor einer Implosion des "Volkes der Linken", da gibt es keinen magnetischen Effekt. Unsere Aufgabe ist es, die Theorie und die Strukturen eines Pols der Linken wieder aufzubauen. Die Bibel sagt, daß es eine Zeit des Säens und eine des Erntens gibt. Wir sind in der Zeit des Säens und die erste Bedingung dafür war zu überleben. Das ist uns gelungen.

Der Zustand der Partei

Wir haben Zustimmung gefunden trotz unserer Schwachpunkte, die man genau untersuchen muß. In erster Linie ist deutlich, daß wir noch nicht einmal für unsere eigene Partei in allen Aspekten unserer politischen Linie einen Konsens erreichen. Natürlich kann man sagen, so etwas geschieht nie. Aber ich möchte hier darauf verweisen, daß dadurch unsere spezifischen Bedingungen verschlechtert werden. Wir erzielen Übereinstimmung über eine politische Initiative oder interpretieren soziale Anliegen, die wir vertreten, aber unsere Träger erkennen sich oft in den Lösungen nicht wieder, die wir vorschlagen. Unsere politische Linie ist mehr verkündet als praktiziert und gebilligt. Der Konsens, den wir erreichen, ist im Gegensatz zu unserem Streben, eine moderne Massenpartei zu werden, noch wesentlich Ansichtssache und unbeständig.

In zweiter Linie müssen wir den Zustand der Partei selbstkritisch bewerten. Darauf haben wir viele Male hingewiesen, aber mit wenig Effekt. Während der letzten politischen Entwicklungen haben wir richtiger Weise das Moment der Einheit in den Vordergrund gestellt. Wehe, wenn wir jetzt die Unterschiede verschweigen, denn nur die offene Auseinandersetzung unter uns kann vorwärts führen. Von Seiten unserer Genossinnen und Genossen erleben wir ständig eine außergewöhnliche Selbstlosigkeit. Es reicht, an die Organisierung der Feste der "Liberazione" zu denken. Aber gleichzeitig können wir unsere unzulängliche Kapazität für Aktionen nicht verbergen, die dazu führt, die Parteiorganisation zu überfordern. Damit sind wir noch nicht bei den Beziehungen zwischen Partei und Gesellschaft. Ich will an drei Elemente erinnern: 1.) Unsere Verankerung in der Gesellschaft, in der Klasse und in den Betrieben ist unzulänglich; 2.) die Beziehung zu den Bewegungen ist oft durchdrungen von Integralismus, Argwohn, Oberflächlichkeit und plebejischem Verhalten; 3.) es besteht eine absolute Schwäche zu einer adäquaten kulturellen Öffnung. Ich würde geradezu sagen, daß der Widerstand gegen die kulturelle Erneuerung und die Öffnung hin zur Gesellschaft einen negativen Mix schaffen, von dem man sich befreien muß. Auch das Thema der Auswirkungen von Livorno[4] auf die Geschichte der Arbeiterbewegung und die der Kommunisten, ist nicht so behandelt worden, wie es nötig und möglich gewesen wäre.

Jetzt ist genau der Moment für die maximale Öffnung gekommen. Man muß den Zustand der Partei einer Prüfung unterziehen, aber nicht mit organisatorischen Kriterien, sondern im Zusammenhang mit der politischen Kultur, die wir verwirklichen wollen. Diese Anforderung erwächst auch aus den Wahlresultaten auf Verwaltungsebene. Für uns ist die Artikulation der politischen Linie wesentlich, d.h. die lokale Ebene ist von strategischer Bedeutung. Deshalb, aber differenziert nach einzelnen Städten und Orten, wie es richtig und notwendig ist, müssen wir auf den gemeinsamen Rahmen blicken. Und da stellen wir fest, daß auf lokaler Ebene die Erpressung mit der "nützlichen Stimme" effektiver gewesen ist als bei den Wahlen zum Parlament. Natürlich mindert das nicht unseren Einsatz bei den Stichwahlen. Jene unserer Anhänger die Zweifel an unserem Aufruf hatten, möchte ich beruhigen: Wir unterstützen Veltroni und Iervolino[5] voll und überzeugt, weil es ein programmatisches Einverständnis gibt.

Wir haben bei Kammer und Senat prozentual gleichviel Stimmen bekommen, aber es gab eine Differenz in absoluten Zahlen. Es ist ein wichtiges Resultat, das niemand erwartet hatte, weil beim Senat die Konkurrenz mit der anderen Linken offen und ausdrücklich war. Es zeigt außerdem, daß man die Stimmen nicht summarisch betrachten kann, denn die Wähler sind Menschen aus Fleisch und Blut. Bei der Kammer haben wir eine relevante Quote von jugendlichen Wählern gehabt. Dieses Resultat spiegelt nicht nur ein Element des Widerstandes wider, den harten Sockel. Der ist es auch, aber es ist noch viel mehr: Da existiert ein antagonistisches Universum, das eine politische Vertretung sucht; eine Realität der Bewegungen, die nach einer Perspektive der Veränderung fragen.

Wir und die Bewegungen

Neuerdings stellen wir ein Tauwetter in den Bewegungen fest. Es ist klar, daß dieses Tauwetter sich nicht unmittelbar in einer größeren Zustimmung uns gegenüber niederschlägt, aber es hat die Situation herbeigeführt, in der es möglich war, ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Wir haben eine wachsende Teilnahme von Jugendlichen an unseren Wahlveranstaltungen registriert. Ich würde sagen, daß gerade das eines der Erkennungszeichen unserer Wahlkampagne gewesen ist. Es hat gezeigt, daß die Durchdringung der jungen Generation seitens der Rechten signifikante Elemente einer Gegentendenz kennt. Es gab eine große Lebhaftigkeit in den Schulen, bei den Lehrern und Studenten, die auch das Klima des Wahlkampfes positiv beeinflußt hat. Gleichzeitig hatten wir, ganz anders als erwartet, eine neue und günstige Resonanz in den Fabriken, und unsere Initiative gegen die befristeten Arbeitsverhältnisse war erfolgreich. Das Treffen, das wir im Theater Argentina in Rom abgehalten haben, hat ein ganz neues Interesse an uns, d.h. an unserer Alternative, von seiten der Kulturwelt gezeigt, und wir haben eine gefühlsmäßige Verbindung zwischen Kultur und Volk hergestellt. In der Welt der Kultur hat sich so, neben den dominanten Erscheinungen, ein positiver Geist der Abspaltung von den herrschenden Gedanken manifestiert, womit neue und sehr reichhaltige Möglichkeiten der Begegnung entstehen. Schwieriger zu bewerten ist das Resultat im Mezzogiorno, aber zweifelsohne zeigen sich dort Zeichen der Zustimmung und eines Wiederaufschwungs bei den Wählern. Das können wir wahrscheinlich in Zusammenhang bringen mit unseren Initiativen, wobei ich insbesondere an den Marsch für Arbeit und einen sozialen Lohn denke.

Die Krise der Centrosinistra

Ich glaube, wir können sagen, in der Stimme für die PRC drückt sich eine grundlegende Frage aus, die wir beantworten müssen und die von uns einen Sprung nach vorne verlangt. In welche Richtung?

In erster Linie geht es um eine große Öffnung. Die besteht aus einer politischen und kulturellen Aktion, um den Ausstieg der Linken aus der Krise der Arbeiterbewegung - nicht auf undifferenzierte Weise, sondern präzise in der Richtung - einzuleiten, d.h. erneut die Frage der Veränderung der kapitalistischen Gesellschaft zu stellen. Die Situation, in der wir stehen, ist die des Sieges der Rechten und der Niederlage der Linken. Diese beiden Elemente gehören in dem Sinne zusammen, daß das Zufällige dabei die Niederlage der Cen­trosinistra ist. Deshalb haben wir gesagt, daß der Sieg der Rechten ein Übel ist, daß aber der Sieg der Centrosinistra für sich kein Glück gewesen wäre. Um diese Behauptung zu verstehen, muß man einen langen Zeitraum, zumindest die letzten zwanzig Jahre, analysieren. Dann sieht man sehr gut, wie die Offensive der Rechten den Bezugspunkt der Linken, die soziale Welt, zerstört hat. Und das mit ihrer Komplizenschaft, da sie der Rechten auf deren eigenem Feld nachgelaufen ist. Aus diesen Gründen ist die Frage der Alternative der Gesellschaft nicht zu verschieben und stellt selbst das Feld des Kampfes gegen die Rechte dar. Die gesamte Linke ist gezeichnet von der Niederlage, aber während die moderate Linke eine der Ursachen des Sieges der Rechten war, muß sich die antagonistische Linke den Vorwurf machen, daß es ihr nicht gelungen ist, die moderate Linke zu verändern.

Die Rechte hat sich mittlerweile umstrukturiert. Die Niederlage der Lega darf uns nicht in unserem Urteil beirren: In Wirklichkeit haben ihre Themen, vom Neopopulismus über den Föderalismus bis zur Xenophobie, die gesamte Rech­te durchdrungen. Gleichzeitig bewegt sie sich im internationalen Kontext: Während sie mit einem Auge auf Tony Blair schielt, entwickelt sie enge Beziehungen zur gegenwärtigen Führung der USA. Im Grunde zielt die Rechte auf die Schaffung eines neuen sozialen Blocks um eine neu formierte Front der Bourgeoisie. Die Entscheidung von Fiat ist nicht allein aus seiner traditionellen Haltung konsequent, als der große Autokonzern Freund der bestehenden Regierungen zu sein, sondern sie repräsentiert auch eine entschiedene Investition in Richtung Rechte und deren Regierung, die bis zur Auswahl und zum direkten Aufzwingen der Figur des Außenministers vorangetrieben wird.

Diese Prozesse schaffen enorme Schwierigkeiten für jene, die sich in der Mitte zwischen Rechten und Centrosinistra einzurichten dachten, und bringen die Gewerkschaften in eine Krise. Das Bild ist das einer nicht mehr umkehrbaren Krise der Centrosinistra. Die DS erscheint unfähig zu einer Antwort, während die CGIL sich aus der tödlichen Umarmung durch die Unternehmer befreit, ohne jedoch die Fähigkeit zu einer strategischen Neuorientierung zu haben. Im Lager der Centrosinistra ist die "Margherita"[6] erfolgreich, was einen weiteren Verlust des Gewichts, aber auch des Konsenses innerhalb der DS zur Folge hat. Noam Chomsky hat Recht: Es ist ein dramatischer Punkt erreicht, das Fehlen der Hoffnung überragt alles.

Die plurale Linke

Wie auf diese Situation reagieren? Die Antworten, die von der moderaten Linken kommen, sind enttäuschend. Die Alternative zwischen einer bürgerlich-demokratischen Partei oder einer im Kreis des europäischen Sozialismus, erscheint insgesamt gehaltlos. Die erste Perspektive ist aufgebraucht. Die zweite hat kein Fundament. Um eine Sozialdemokratie zu schaffen, muß man für ein starkes soziales Sprachrohr unter den abhängigen Beschäftigten sorgen und für ein neues Grundsatzprogramm. Beides existiert nicht in unserem Land. Wir müssen daher an diesem Disput nicht teilnehmen, aber wir müssen versuchen, die Krise der DS zu beeinflussen. Dabei gilt es, die Frage der pluralen Linken in den Vordergrund zu rücken. Wir müssen es verstehen, die Frage der Strategien und die eines Regierungsprojektes für unsere Gesellschaft und für Europa als Herausforderung für die ganze Linke zu führen. Warum kommt von der DS keine Antwort? Weil sich dort eine neozentristische Strömung manifestiert. Nicht einmal die Offensive des Industriellenverbandes Confindustria hat sie aufgerüttelt. Die Gewerkschaft spielt eine wichtige Rolle in der Diskussion, doch der entscheidende Punkt ist, daß sie ihre Vertragsautonomie zurückgewinnt. Damit das geschieht, muß die Linke die Politik der konzertierten Aktion, deren Krise offensichtlich ist, verlassen. Der Kongreß der CGIL bietet dazu eine gute Gelegenheit, und die Gewerkschaftslinke kann da viel machen. Der Kontrakt der Metallarbeiter hat den Widerspruch zwischen dem Ausmaß sowie der Festigkeit der Massenkämpfe und der Abgehobenheit der konzertierten Aktion deutlich gemacht. Aus diesem Grund sind eine radikale Kritik an der Gewerkschaftslinie, ein Vorantreiben der Praxis alternativer Kämpfe von Seiten der Gewerkschaftslinken und das Sammeln konkreter Erfahrungen beim Wiederaufbau einer Klassengewerkschaft notwendig. Wie ihr seht, lautet die Frage nicht, ob Cofferati[7] der neue Sekretär der DS werden soll oder nicht. Das ist eine Falle. Das Problem ist, die Position der Gewerkschaft in der Gesellschaft neu zu diskutieren, anderfalls bleiben auch die Metallarbeiter Gefangene.

Aufschwung der Kämpfe

Welches ist der Punkt, der uns erlaubt eine neue Initiative zu starten? Ich denke, die entscheidende Frage ist die Analyse der gegenwärtigen Phase. Deshalb ist es gut, daß, wenn es hier verschiedene Meinungen gibt, diese geäußert werden. Wir befinden uns in einer Situation die eine Umkehrung derjenigen von 1996 darstellt. Damals gewannen "L'Ulivo" und "Rifondazione" die Wahlen, aber die Rechte hatte die Gesellschaft erobert. Jetzt hat die Rechte gewon­nen, aber ihre Herrschaft über die Gesellschaft bricht auseinander. Wir stehen vor einer großen Unsicherheit. Die Globalisierung kennt eine strategische Unsicherheit. Doch die lange Welle dieser einzigen Idee zerschellt nun auch auf kulturellem Gebiet. Auf der ökonomischen Ebene zeigen sich Elemente einer bedeutsamen Krise. Deshalb verlangt die Rechte freie Hand, doch ihre Aktionen lösen die Widersprüche nicht.

Auf der anderen Seite registrieren wir ein Wachstum der Bewegungen jeden Typs. Wir machen uns keine Illusionen: Von allein lösen sie die Situation nicht - die Schaffung einer ausreichenden, kritischen Masse ist das Problem, das wir vor uns haben -, doch seit Seattle ist ihr Wachstum eine Realität. Die militärische Reaktion auf die angekündigten Demonstrationen in Genua, gegen die von der G8 repräsentierte oligopolistische Weltregierung, verweist auf eine reale Angst.

Es gibt überall einen Aufschwung der Arbeiterkämpfe, in Frankreich wie in Turin. Die Lehrer sind nicht gezähmt. Unter den Beschäftigten mit Zeitverträgen gibt es neue Formen des Kampfes. Das sind keine isolierten Episoden, das ist eine neue Tendenz. In den Schulen gehen die Kämpfe weiter, auf dem Gebiet des Umweltschutzes verbreitern und vertiefen sich die Bewegungen, ungeachtet der Krise der Grünen. Über die Frage des laizistischen Charakters des Staates entwickelt sich neues kritisches Bewußtsein. Gruppen von Intellektuellen opponieren gegen das bipolare Regime. Wir befinden uns in einem Tauwetter, angesichts dessen wir unsere Aufgaben definieren müssen. Nehmen wir als Ausgangspunkt das Treffen von Genua, daß wir nicht nur als Bestandteil des Kampfes betrachten wollen, sondern auch als politisches Laboratorium für die ganze Linke.

Unsere Leitlinien

Zusammenfassend können wir fünf Leitlinien für die Arbeit umreißen:

1.) Wir müssen eine Art programmatische Versammlung der alternativen Linken ins Leben rufen, ohne damit organisatorische Formen oder Verpflichtungen zu verbinden. Ins Zentrum dieses Vorschlages stellen wir die Analyse der italienischen Gesellschaft. Die könnte nach dem Modell des Treffens über den europäischen Kapitalismus von 1965 erfolgen oder nach dem Beispiel der Recherche über das Schicksal der gegenwärtigen Gesellschaft, die Franco Fortini im selben Jahr koordiniert hatte.[8]

2.) Wir müssen eine ökonomisch-soziale Plattform definieren und Gemeinsamkeiten für eine entschlossene und effiziente Opposition gegen die Regierung der Rechten suchen. In den Mittelpunkt wollen wir die soziale Frage stellen. Unsere Initiativen werden wir öffentlich erläutern. Nach der Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeit werden wir wieder Gesetzesinitiativen zur Lohnfrage einbringen: zum Thema einer neuen scala mobile, eines sozialen Lohns, eines allgemeinen Mindestlohns und zum Problem der Mindestrenten. Insgesamt wollen wir einen wirkungsvollen Raum schaffen, der zum Wachstum der Bewegungen beiträgt, weil wir der Überzeugung sind, daß die Rechte nicht unbesiegbar ist.

3.) Wir müssen den Diskurs über die Schaffung einer alternativen Linken wieder aufnehmen. Mit unseren 5% sind wir nicht zufriedengestellt. Doch wir sehen auch die Schwierigkeiten. Wir haben es mit der "Consulta" versucht, mit der kritischen Unterstützung des Vorschlages von Luigi Pintor[9], aber wir können nicht behaupten, daß diese Versuche befriedigend waren. Wir wollen jedoch nicht locker lassen und vor allem können und wollen wir nicht den Widerständen, die unter uns auf diesem Gebiet existieren, nachgeben. Die Notwendigkeit eines neuen politischen Subjekts links von der DS, das uns einschließt, aber sich nicht mit uns erschöpft, besteht. Deshalb muß eine Phase der Beratung eröffnet, eine Begegnung und ein Dialog mit allen geführt werden, um zusammen Wege und Möglichkeiten für dieses Ziel zu suchen. Die politischen Bezugspunkte sind die Kritik an der Globalisierung, dem Krieg und der "freien Wirtschaft". Gleichzeitig verlangt die Krise der Grünen und all jener, die dachten, die Centrosinistra von innen entscheidend beeinflussen zu können, das Tempo der Auseinandersetzung zu beschleunigen.

4.) Wir müssen das Ziel verfolgen, eine plurale Linke zu schaffen, denn diese ist für unser Projekt wesentlich. Nicht nur wir reichen nicht, auch die alternative Linke, die viel breiter ist als wir, reicht nicht, um die Herausforderung - eine neue Regierung für die Gesellschaft - zu lancieren. Natürlich mutet diese Aufgabe noch sehr schwierig an. Die DS scheint anderswohin zu blicken, aber man muß als Handelnder in die Entwicklung ihrer Krise eingreifen: Wir müssen in der Tat beharrlich Wege suchen, die uns heute versperrt scheinen.

5.) Wir müssen auch am Ausbau und an der Vernetzung der Bewegungen mitwirken. Sie sind eine von dem Weg, den wir als Partei, als alternative Linke, als plurale Linke vorschlagen, unterschiedene Sache, aber eine unbedingt notwendige. Wir dürfen nicht handeln wie ein Löschpapier, das alles aufsaugt, sondern wir müssen von Sympathie und Kritik geprägte Beziehungen zu den Bewegungen unterhalten, in der Überzeugung, daß dort der Lebenssaft für die Wiedergeburt der Ideen der Linken zu finden ist.

* Rede vom 26. Mai 2001 vor dem Nationalkomitee von Rifondazione Communista; Übersetzung und Anmerkungen: Karl Unger.

[1] Das italienische Wahlsystem ist gemischt, d.h. 75 Prozent der Parlamentarier werden nach dem Mehrheits- und 25 Prozent nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt. Um die Proportionen auch faktisch zu wahren und eine doppelte Berücksichtigung zu verhindern, werden die Stimmen für den Wahlkreiskandidaten (Mehrheitssystem) von den Stimmen seiner Partei (Verhältniswahl) abgezogen. Doch der Wahlkreiskandidat kann sich mit einer anderen Partei, der er gar nicht angehört oder mit einer Scheinliste (die sogenannten "liste civetta") verbinden. Dort werden die Stimmen aus dem Mehrheitswahlsystem noch einmal voll gezählt und das geht zu Lasten von Parteien, die nur zur Listenwahl antreten, wie die PRC.

[2] Die Wahlrechtsreform von 1993 hatte das erklärte Ziel, "US-amerikanische Zustände" zu schaffen, d.h. zwei große Parteien, die miteinander konkurrieren. Dies ist so nicht eingetreten, vielmehr sind zwei Parteienbündnisse enstanden, "Polo" und "L'Ulivo".

[3] Am 12.11.1989 hatte PCI-Sekretär Occhetto in einer Rede vor ehemaligen Partisanen in Bologna einen neuen Namen für die Partei angekündigt.

[4] In Livorno spaltete sich 1921 auf ihrem 17. Parteitag die Sozialistische Partei und der PCI wurde gegründet.

[5] Beim zweiten Wahlgang der Bürgermeisterwahlen hat die PRC die Kandidaten der Linksdemokraten (DS) Walter Veltroni in Rom und Rosetta Iervolino in Neapel erfolgreich unterstützt.

[6] Während 1996 die bürgerlichen Parteien des "L'Ulivo" 11,1% erzielten und die DS (bzw. PDS) 21%, hat die vor den Wahlen 2001 gegründete "Margherita" 14,5% erreicht, die DS 16,5%.

[7] Sergio Cofferatti ist Vorsitzender der CGIL.

[8] Franco Fortini ist quasi eine Symbolfigur, der für die Tradition eines kritischen Marxismus steht, der seine Wurzeln in der Arbeiterbewegung hat und im Dialog mit der "neuen Linken" steht.

[9] Mit dem Vorschlag einer "konstituierenden Versammlung" für die alternative Linke hatten Pintor und "il manifesto" bereits im Mai 2000 eine breite Diskussion über die Perspektiven in Hinblick auf die Wahlen initiiert.