DL21 vor neuen Herausforderungen

Auf der ersten Tagung der organisierten Parteilinken nach der BT-wahl 2002 wurde am 5. Oktober im Willy-Brandt-Haus das Wahlergebnis analysiert und Anforderungen an den Koalitionsvertrag formuliert

Auf Einladung von DL 21 traf sich am 5. Oktober das Forum DL21 in Berlin, um über die Konsequenzen des Wahlausgangs zu beraten. Sowohl die Sprecherin der Parteilinken, Andrea Nahles, als auch die Entwicklungshilfeministerin Wieczorek- Zeul waren sich einig: Die SPD hat es in den letzten Wochen des Wahlkampfes geschafft, mit einem klaren sozialdemokratischen Profil ihre Mitglieder und Sympathisanten zu mobilisieren. Die Debatte über Solidarität in der Gesellschaft, nach der Flutkatastrophe auf der Tagesordnung hat ebenso geholfen sozialdemokratisches Profil zu entwickeln, wie die Diskussion über die Zukunft des Sozialstaates.
Trotz des Erfolges wurden in der lebhaften Debatte auch kritische Töne zum Verlauf des Wahlkampfes deutlich. Die Mobilisierung sei zu spät gekommen und die Partei zu Beginn der Kampagne demobilisiert und stellenweise sinnentleert erschienen. Die Entfremdung zwischen Regierungspolitik auf der einen und der Partei auf der anderen Seite, konnte erst in der Endphase des Wahlkampfes überwunden werden.
Neben der Kritik an der Wahlkampfführung wurde aber auch deutlich: Es geht nicht allein um den Wahlkampf, sondern um eine ehrliche Bilanz der letzten vier Jahre. So hätten selbst Funktionäre der Partei nicht benennen können, warum diese Regierung eine "zweite Halbzeit" verdient habe. Bei vielen Abgeordneten war nicht einmal die eigene Regierungsbilanz bekannt. Es habe der "rote Fahden" gefehlt, der die einzelnen, durchaus erfolgreichen Projekte von rot-grün verbunden und sichtbar hätte machen können.
Von vielen Teilnehmern wurde die Sorge formuliert, die Position der SPD zum drohenden Krieg im Irak stünde nach der Wahl zu Disposition. Eine Sorge, die sowohl Heidemarie Wieczorek- Zeul als auch im späteren Verlauf der Diskussion der künftige SPD-Generalsekretär Olaf Scholz als unbegründet zurückwiesen.
Für die laufenden Koalitionsverhandlungen stellte die DL21 klar, dass die im Wahlkampf erfolgreichen Themen ihren Ausdruck in den nächsten vier Jahren rot-grüner Politik finden müssten. Der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Michael Müller, hob zudem insbesondere die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wirtschaftsmodells hervor.
Die Anforderungen der Parteilinken, zusammengefasst in dem Papier "Sozialdemokratie nach der Wahl" stehen für einen Neubeginn sozialdemokratischer Regierungspolitik. Die anhaltenden wirtschaftliche Flaute, die hohe Arbeitslosigkeit und die europäische Diskussion über den Stabilitätspakt zeigen: Wir brauchen eine andere Politik. So wurden die Länder-Initiativen zur Wiedereinführung der Vermögens- und Erhöhung der Erbschaftssteuer erfreut aufgegriffen und der gegenwärtige Sparkurs von Hans Eichel z.T. heftig kritisiert.
Lebendige Partei
Im zweiten Teil des Tages ging es um die zukünftige Rolle der Partei und der Parteiorganisation. Besonderer Aufmerksamkeit konnte sich der designierte Generalsekretär, der Hamburger Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordneter Olaf Scholz gewiss sein, der sich dem Forum vorstellte und seine Politik für die SPD skizzierte.
Olaf Scholz unterstrich die Notwendigkeit einer lebendigen Partei mit realen Mitwirkungs- und Diskussionsmöglichkeiten. Dabei räumte er dem Ortsverein als einen Ort, an dem Parteimitglieder unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Erfahrung an gemeinsamen Themen arbeiten könnten, eine nach wie vor wichtige Funktion ein.
Die strategische Ausgangslage für die SPD nach der Bundestagswahl beschrieb Olaf Scholz als sehr gut. Ziel müsse eine strukturelle Mehrheitsfähigkeit sein. Besondere Bedeutung kämen auf diesem Weg Wählergruppen wie Frauen, ostdeutsche Wählerinnen und Wähler, aber auch Gruppen wie den sog. "neuen Inländern" zu. Auch müsse man analysieren, warum die SPD gerade bei den Arbeitern verloren habe.
Zum Verhältnis der SPD zur PDS äußerte sich der zukünftige Generalsekretär vorsichtig. Die SPD dürfe nicht den Fehler politischer Anfänger machen und glauben, in dem man möglichst viel von der Programmatik anderer übernähme, könnte man auch deren Anhänger übernehmen.
Linke gestärkt
Die DL21 Tagung zeigt: Die Parteilinke geht inhaltlich gestärkt in die nächsten vier Jahre rot-grün. Soziale Gerechtigkeit steht oben auf der politischen Agenda und der Wahlkampf wurde von klassischen linken Themen dominiert. Dennoch gibt es keinen Grund sich selbstgefällig zurückzulehnen. In den Koalitionsverhandlungen gilt es Profil zu beweisen und mit dem Streit um die Konsolidierungspolitik des Finanzministers steht ein Grundsatzkonflikt am Anfang der neuen Legislatur. Die Erfahrungen aus dem Wahlkampf zeigen außerdem: Die Erneuerung der Partei steht erst am Anfang. Wie können wir eine Generationenaufbau bewerkstelligen, der nicht nur auf Karrierenetzwerken aufbaut? Wie können wir neue Arbeits- und Anspracheformen entwickeln. Mit welchen Bündnispartnern arbeitet die Linke in Zukunft zusammen? Viel Arbeit für das Forum Demokratische Linke.