Globalisierung: Ist Politik noch möglich?

Alternative Theorieansätze, die mit der bloßen Selbstbeschreibung der Politik innerhalb der politischen Theorie brechen und den Blick auf den praktischen Sinn politischer Prozesse ermöglichen.

Aus dem sympathischen Motto der Friedens- und Umweltbewegung der 80er Jahre "Global denken, lokal handeln" ist mittlerweile ein ganzes Set von verschiedenen Globalisierungsdiskursen hervorgegangen, in denen die ursprünglich einmal artikulierten Inhalte jedoch kaum noch wiederzuerkennen sind. Das fällt insbesondere dann auf, wenn die wieder zahlreicher werdenden politischen Demonstranten im öffentlichen Raum als "Globalisierungsgegner" oder als "Anti- Globalisierungsbewegung" bezeichnet werden. Konnte das alte Motto noch als verantwortungsethischer Appell an die institutionalisierte Politik zur Bewahrung der Welt verstanden werden, so hat sich diese Politik wohl mittlerweile auf eigene Weise des Globalisierungsbegriffs bemächtigt. Hier bezeichnet er nun vielmehr eine Zäsur im Verhältnis von Ökonomie und Politik, nach welcher die Handlungsfähigkeit der Politik von einem ausschließlich ökonomisch und extern bestimmten Realitätsprinzip definiert wird. "Wir würden ja gerne eine andere Politik machen" - so der monoton reproduzierte Grundtenor -, "aber leider zwingt uns die Globalisierung, der Realität in die Augen zu blicken".

Doch nicht nur die institutionalisierten politischen Akteure, sondern auch die neuerdings geradezu aus dem Boden schießenden Kommissionen zur wissenschaftlichen Politikberatung, welche die ständig anwachsenden gestaltungspolitischen Defizite der parlamentarischen Regierung auffangen sollen, und selbst die großen Kongreß-Debatten der organisierten Politikwissenschaft kolportieren diesen Realitätsverlust der Politik gegenüber der Ökonomie. Globalisierung sei demnach eine "gewachsene grenzüberschreitende Mobilität privater wirtschaftlicher Aktivitäten und der daraus folgende höhere Anteil transnationalen Wirtschaftens am gesamten Sozialprodukt", welche "nationale Regierungen unter Druck setzt, ihre Politik den Gewinnerwartungen globaler Märkte anzupassen, um mobile Ressourcen im Lande zu halten bzw. neue anzuziehen."1

Die politische Dimension der Globalisierung reduziert sich also auf eine Standortlogik. Der Topos der Globalisierung referiert solchermaßen auf eine unhintergehbare ökonomische Rahmenbedingung, die der Regierungspolitik wohl oder übel einen bestimmten Politikstil aufzwingt. Dabei tritt die Globalisierung bezeichnenderweise in der Metaphorik einer Naturgewalt auf, die der Politik äußerlich bleibt, so daß politische Alternativen von vornherein dem ökonomisch interpretierten Natur- bzw. Realitätsprinzip unterliegen. Dieses ökonomistische Realitätsprinzip beruht dabei auf einem mechanischen Verständnis von Politik- und Machtprozessen, das sich innerhalb der physikalischen Kausalität von Druck und Stoß bewegt.

Gegen diese eindimensionale Interpretation von Globalisierung und Politik läßt sich jedoch eine Wissenschaftsperspektive geltend machen, die sich nicht darauf beschränkt, die empirische Perspektive institutionalisierter Politikakteure lediglich abzubilden und gegebenenfalls zu systematisieren, sondern darüber hinaus auch deren praktische Handlungssituation reflexiv zu erfassen trachtet.2 Dann lassen sich in dem als Globalisierung bezeichneten Prozeß mindestens drei zentrale Trends feststellen:

1. Die Tendenz zur ökonomischen Liberalisierung, die sich seit den 80er Jahren - ursprünglich vom Erfolg neokonservativer Politikmodelle in den USA und Großbritannien unter Ronald Reagan und Margaret Thatcher ausgehend - entwickelte und insbesondere nach dem Zerfall des Ostblocks von einem speziellen Politikstil zu einem universalen und global wirksamen Konzept geworden ist. Mit dem Wegfall der durch die Blockkonfrontation gegebenen administrativen Beschränkungen konstituierten sich freie Kapitalmärkte auf einer neuen Dimension, in denen multinationale Unternehmen über ehemalige Grenzen hinweg auf der Suche nach billiger Arbeitskraft und niedrigen Steuern ungehindert ihren Geschäften nachgehen. Anders als noch im 19. Jahrhundert steht hierbei jedoch der Massenkonsum und nicht mehr die Produktion von Industriegütern im Zentrum der ökonomischen Dynamik.

2. Die Tendenz zur globalen Akzeptanz der liberalen Demokratie als allgemeines Muster politischer Ordnung mitsamt ihren symbolischen Einsätzen: dem Eintreten für die Menschenrechte, den Umweltschutz und den Universalismus usw. Gleichzeitig wird die liberale Demokratie intern jedoch mit Krisenphänomenen konfrontiert, die sich in der zunehmenden Unmöglichkeit einer effektiven politischen und juridischen Regulierung der Gesellschaft äußern.3 Hintergrund hierfür ist nicht zuletzt die Tatsache, daß der Staat als lokaler politischer Akteur einen Großteil seiner politischen Autorität gegenüber dem global agierenden Kapital eingebüßt hat.

3. Schließlich die Tendenz zur Universalisierung der westlichen Kultur zu einer global wirksamen symbolischen Matrix, welche durch die Entstehung und Konzentration der Medien- und Kulturindustrie sowie die weltweite Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien befördert wird. Diese drei sich sowohl ergänzenden als auch widersprechenden Tendenzen bilden zusammengenommen eine strategische Situation, die weder einem eindeutigen Realitätsprinzip unterliegt noch sich im Sinne eines einzig möglichen Ausweges politisch eindeutig entscheiden ließe. Vielmehr ist sie politisch prinzipiell offen.

Ich werde in der Folge daher der Frage nachgehen, weshalb der ökonomistische Globalisierungsdiskurs mit seiner Referenz auf politische Alternativlosigkeit trotz dieser prinzipiellen situativen Offenheit einen so hegemonialen Status innerhalb von Politik und Gesellschaft einnehmen kann. Dabei werde ich die ökonomistische Perspektive in die Genese des modernen Staats- und Politikdiskurses einbetten, um Kontinuitäten und Diskontinuitäten aufzuspüren, die den reduktionistischen Globalisierungsdiskurs mit dem modernen Staatsdiskurs verbinden oder trennen. Abschließend werde ich alternative Theorieansätze vorstellen, die mit der bloßen Selbstbeschreibung der Politik innerhalb der politischen Theorie brechen und dadurch den Blick auf den praktischen Sinn politischer Prozesse ermöglichen.

Die politische Realität der Moderne zwischen Ökonomie und Sozialphysik

Ist es nicht so, daß das politische Selbstbild der Moderne schon immer ein Realitätsprinzip beinhaltet, das alternativlose politische Entscheidungen erzwingt und sich gerade deshalb durch eine eigentümliche Distanz zu den symbolischen Sinngebungs- und Interpretationspraktiken auszeichnet? Konstitutiv für Politik und Gesellschaft sind solche symbolischen Praktiken demnach ausschließlich für traditionale Gesellschaften. Es ist daher gerade die Abgrenzung vom Symbolismus der Tradition, worüber sich die moderne Gesellschaft definiert. Aus diesem Grunde ist der Begriff der Modernisierung als Säkularisierung, Entzauberung, Rationalisierung und Entideologisierung gedeutet worden. Die symbolische Dimension von Politik und Gesellschaft erscheint daher ausschließlich als vormodernes - und das heißt nicht zuletzt auch: - ein primitives Phänomen.

Übereinstimmung hierüber läßt sich bemerkenswerterweise in ganz unterschiedlichen politischen Begründungsansätzen des modernen Denkens finden. So werden bei Marx und Engels die "religiösen und politischen Illusionen" bezeichnenderweise mit dem Machtantritt der Bourgeoisie im "eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt".4 Die bürgerliche Gesellschaft läßt nach dem Befund von Marx und Engels "kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig (...) als das nackte Interesse, als die gefühllose ›bare Zahlung‹".5.Als modernisierendes Subjekt muß die Bourgeoisie die Wirklichkeit des Menschen im homo oeconomicus enthüllen, indem sie die kulturelle Wahrnehmung der sozialen Realität revolutioniert: "Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen."6

Während Marx das Proletariat durch die Rationalisierungsleistung der Bourgeoisie zur unsentimentalen Einsicht in seine sozio-ökonomische Lage gezwungen sah, wodurch es nicht nur zur interessengeleiteten Politisierung kommen mußte, sondern auch mehr oder weniger automatisch zur politischen Klasse avancierte, war Max Weber in dieser Hinsicht zwar skeptischer, doch gleichwohl teilte er mit Marx die Ansicht, wonach die Modernisierung zuallererst Rationalisierung sei, in der das Politische als reine Sozialphysik beschrieben werden könne. Für Weber sind es die "Anwendung und Androhung physischen Zwangs", die eine beliebige gesellschaftliche Vereinigung zum "politischen Verband" qualifizieren.7 Das "Monopol legitimen physischen Zwanges (Hervorh. - A. R.)" ist demnach die entscheidende diferentia specifica, die eine beliebige Herrschaftsordnung zum modernen Staat qualifiziert.8 Ebenso wie für Marx ist die moderne Politik auch für Weber eine weltlich-säkulare Veranstaltung, die ihre Spezifik vor allem durch ihre Unterscheidung von den religiös geprägten symbolischen Praktiken der Kirche bezieht.

In beiden dieser einflußreichen Begründungsansätze der Moderne, so läßt sich feststellen, werden Politik und Macht innerhalb des rationalen Paradigmas formuliert, dessen Koordinaten durch die Newtonsche Physik und den ökonomischen Liberalismus bestimmt werden. Die Kausalität des Politischen wird demzufolge ausschließlich auf eine durch physischer Kraftanwendung und ökonomisches Interesse begrenzte Realitätsvorstellung beschränkt. Die Verweise auf die Alternativlosigkeit von "Realpolitik" und darauf basierenden "realistischen " Theorien in Politik- und Sozialwissenschaft, wie sie etwa in den ökonomischen Theorien der Politik von Joseph A. Schumpeter, Anthony Downs und Robert A. Dahl oder im logischen Positivismus innerhalb der empirischen Sozialforschung zur Anwendung kommen, beziehen ihre Plausibilität bis heute aus diesem mechanischen Paradigma, das den symbolischen Praktiken, jenseits von realistischer Abbildung und Evaluierung, keinen eigenständigen Wert einräumt.9

Die von den Regierungsinstitutionen der westlichen Hemisphäre forcierte und dominierte politische Globalisierungsdebatte der vergangenen zehn Jahre hat diesem modernen Realitätsprinzip, wie mir scheint, nicht viel wesentlich Neues hinzuzufügen. In gewisser Hinsicht scheint sich die Marxsche Situation zu wiederholen, wobei der Zerfall des religiös-feudalen Weltbildes jetzt durch das proklamierte Ende des ideologischen Zeitalters ersetzt wird. Mit dem Ende der Ost- West-Konfrontation, die wechselseitig in ideologischen Kategorien artikuliert wurde, schickt sich das realistische Selbstbild moderner Politik insofern an, seine endgültige Universalisierung zu propagieren.

Dies erklärt die Aufmerksamkeit, die in der westlichen Welt den Thesen Francis Fukuyamas zu Beginn der 90er Jahre entgegengebracht wurde, die das Ende der Ideologie mit dem der Geschichte gleichsetzte.10Wiederum ist es der homo oeconomicus, der nun vermeintlich endgültig über alle übrigen politischen Individualisierungsformen triumphiert, welche in den - zumal unter zunehmendem Realitätsverlust leidenden - Bereich des Fiktiven abgedrängt werden. Es ist aus dieser Sicht der Dinge nur konsequent, wenn der einzig noch verbliebene ernsthafte Rivale im "primitiven Rest" der Welt gesucht wird.11

Folgt man allerdings inhaltlich den Topoi der neoliberalen Globalisierungsdebatte, so werden hier die Brüche und Diskontinuitäten viel stärker betont als es uns bisher scheint. Dies betrifft insbesondere die Funktion des Staates als des zentralen politischen Akteurs im modernen Politikdiskurs des 19. und 20. Jahrhunderts sowie dessen Regulationsleistungen. War der klassische Diskurs der Moderne zweifellos wesentlich auf den Staat fixiert, so nimmt der Globalisierungsdiskurs hier eine wichtige Verschiebung vor, indem das Konzept des national agierenden, regulativen Wohlfahrtsstaates zugunsten einer deregulierten Wirtschaftsgesellschaft fallengelassen wird. Manche sprechen deshalb von einer postnationalen oder gar poststaatlichen Konstellation. 12

Um das Verhältnis des neoliberalen Politikdiskurses zu Staat und Regierung jedoch etwas kritischer zu beleuchten, möchte ich stichprobenartig die Phänomenologie des modernen Staatsbegriffes etwas näher untersuchen.

Die politische Substanz des Staates zwischen kapitalistischem Betrieb und Marktmodell

Aus politischer Sicht war der moderne Staat für Marx zuallererst ein "Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet".13Der Staat als zentraler politischer Akteur ist insofern unmittelbar identisch mit der bürgerlichen Wirtschaft. Bestritten wird diese Identität von Weber - nicht jedoch, um das Verhältnis von kapitalistischer Ökonomie und politischem Staat völlig aufzulösen, sondern um deren kausale Beziehung in Form einer Homologie darzustellen. Der moderne Staat wird von Weber deshalb als eine Parallelform des "kapitalistischen Betriebs" analysiert, in welchem die "Verwaltungsarbeiter" von "den sachlichen Betriebsmitteln " allerdings ebenso getrennt sind wie die Industriearbeiter in der bürgerlichen Ökonomie.14

Analog zu der von Marx analysierten monopolistischen Konzentration der Produktionsmittel in der Ökonomie (ursprüngliche Akkumulation) entsteht der moderne Staat nach Weber durch die Monopolisierung der politischen Gewalt- und Verwaltungsmittel und die Umwandlung persönlicher Herrschaftsverhältnisse in rationale Anstellungsverhältnisse. Während Marx und Weber jedoch übereinstimmend die Produktion und Akkumulation von Machtverhältnissen als gemeinsame Schnittmenge von Ökonomie und Politik betrachten, verschieben Schumpeter und Downs in ihren ökonomischen Theorien der Politik, die das politische System analog zum ökonomischen Marktmodell konzipieren, diese Schnittmenge auf die Ebene von Zirkulation und Distribution. Der Markt ersetzt dadurch den von Weber beschriebenen politischen Betrieb. Trotzdem steht auch noch die ökonomische Theorie der Politik in einer gewissen Kontinuität zu Marx, insoweit sie das auch von ihm verwandte Modell einer interessengeleiteten Politisierung, die zur politischen Klasse qualifiziert, verwendet - allerdings füllt nun der politische Markt die Funktion des rationalisierenden Mediums aus. Hier wie da kann die politische Entscheidung als eine rational choice beschrieben und legitimiert werden, die dem modernen Realitätsprinzip folgt.

Bereits mit der Anwendung des Marktmodells auf die Politik durch Schumpeter und Downs verschwimmt allerdings die Vorstellung vom Staat als einem politischen Akteur, der aufgrund seiner monopolistischen Stellung innerhalb der politischen Machtverhältnisse zur effektiven Regulation der Gesellschaft in der Lage wäre. Der neoliberale Globalisierungsdiskurs braucht diesem Interpretationsmodell nur wenig Neues hinzuzufügen, um die Legitimität des Sozialstaates in Frage stellen zu können. Auch hier läßt sich also entgegen dem ersten Anschein eine Kontinuität unter der behaupteten Diskontinuität entdecken. Die postmodernen Gebärden des Neoliberalismus gegen traditionelle Autoritäten sind im Kern alte Hüte.

Von der rationalistischen Substanz des Staates zur relationalen Logik der Politik (Pierre Bourdieu)

Gegen diese bisher beschriebene Reduktion des Sozialen auf die ökonomische physis in der Selbstbeschreibung der Moderne ist jedoch immer schon Einspruch erhoben worden. Und zwar nicht nur aus dem Unbehagen heraus, daß konservative Ideologen sie mit dem Verlust ihrer symbolischen Pfründe im traditionellen Weltbild verbinden und als Untergang von Kultur überhaupt beklagen. Nein, oft kam diese Kritik an der instrumentellen Verkürzung der modernen Rationalität auch von Autoren, welche an der rationalen Legitimation der Moderne selbst mitgewebt haben. Tatsächlich geht die bisher fokussierte diskursive Ebene der rationalen Begründung moderner Politik eben nicht in der subjektiven Intention der Kritik auf. Es ist dies jener Sachverhalt, den Max Horkheimer und Theodor W. Adorno als Dialektik der Aufklärung beschrieben haben.15Demnach emanzipiert und unterwirft die moderne Rationalität in einem Zuge. Weder Marx noch Weber lassen sich daher, entgegen dem bisher erweckten Eindruck, auf bloße Modernisierungstheoretiker, die eine einfache Selbstbeschreibung des rationalen Herrschaftstyps liefern, reduzieren. Bei Marx - daran sei noch einmal erinnert - steht dem mechanischen Ökonomismus immerhin das Phänomen des Warenfetischismus gegenüber, das sich keineswegs mechanisch erklären läßt, und Weber unterscheidet in seiner Herrschaftssoziologie die ökonomische "Herrschaft qua Interessenkonstellation" strikt von der politischen "Herrschaft qua Autorität", die sich aus dem Legitimationsglauben der Verwaltung speist.16Weber, der Marx für die Darstellung der kapitalistischen Ökonomie als eine essentialistische Superstruktur kritisiert, geht statt dessen von der homologen Existenz verschiedener Kapitalismen in Ökonomie, Politik und Gesellschaft aus. Dabei kommt er der Dialektik des modernen Rationalismus auf die Spur, die darin besteht, eine apolitische und wertfreie Verwaltungstechnik und zugleich eine zutiefst politische Legitimationslogik zu sein.17

Aus seiner Analyse der Herrschaftstypen geht klar hervor, daß der moderne Rationalismus wissenschaftlich keineswegs als universale Substanz der politischen Logik, sondern nur als eine kontingente politische Logik mit universalem Anspruch unter anderen zu betrachten ist. Demzufolge muß der Sozialwissenschaftler - da ja bekanntlich in der Nacht alle Hunde grau sind - Wege finden, sich der essentialisierenden Logik des Rationalismus zu entziehen, um diese überhaupt erst beschreiben zu können.

Auf diesen Punkt, an dem Weber seine Methode des Idealtypus ansetzt, hat nach ihm wohl auch eine jede ernstzunehmende kritische Theorie Bezug zu nehmen. Neben der bereits erwähnten älteren Frankfurter Schule trifft dies, so meine These, vor allem für die Strukturalismus- und Poststrukturalismusdebatte in der Sozialwissenschaft zu, insofern sie sich wesentlich um den konsequenten Bruch mit der bloßen Selbstbeschreibung moderner Politik und die Ersetzung essentialistischer durch relationale Interpretationsmodelle drehte und dreht, die es erlauben, kontingente Artikulationen politischer Logiken zu beschreiben. Ich werde daher abschließend sehr skizzenartig auf drei im weitesten Sinne poststrukturalistische Theorieansätze eingehen, insoweit sie zur politikwissenschaftlichen Beschreibung der politischen Bedeutung des neoliberalen Globaliserungsdiskurses herangezogen werden können.

Die von Pierre Bourdieu vertretene Sozialpraxeologie bricht mit der abstrakten Perspektive des modernen Rationalismus, welche die Logik der Sache durch die Sache der Logik ersetzt, indem er an Stelle der Frage nach der Legalität bzw. Normativität der Erkenntnisgegenstände den eigentlichen Praxissinn jenseits jeglicher versteckter politischer Evaluierung in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses rückt.18 Dazu muß er der eigenständigen symbolischen Artikulation der sozialen Akteure ebenso Beachtung schenken wie den übrigen praktischen Handlungen innerhalb eines objektiv bestimmten Terrains. Eine Zentralkategorie in Bourdieus Sozialpraxeologie ist dabei der Begriff des sozialen Feldes. Das Feld ist weder ein System im Sinne Niklas Luhmanns noch ein Apparat, der zur ideologischen Instrumentalisierung einlädt, sondern ein relationales Terrain mit spezifischen Produktionsverhältnissen ohne klare Begrenzung.19 Ein Feld reicht genau so weit, wie seine Feldeffekte reichen. Es hat demzufolge auch keine klaren Grenzen und besitzt statt dessen dynamische Konturen. Felder konstituieren sich im Kampf um spezifische Machtressourcen, die sich als feldspezifische Kapitalformen begreifen lassen.20 So verdichtet sich das politische Feld zum Staat durch die Monopolisierung der physischen und - wie Bourdieu Weber ergänzt - durch die symbolischen Gewaltmittel.21

Bourdieu ordnet sein methodologisches Vorgehen diesbezüglich ideengeschichtlich folgendermaßen ein: "Wider die Illusion vom neutralen, unparteiischen Staat hat Marx den Begriff vom Staat als Herrschaftsinstrument entwickelt. Gegen die von der marxistischen Kritik vollzogene Entzauberung muß nun aber mit Weber gefragt werden, wie es denn dem Staat gelingt, daß seine Herrschaft anerkannt wird, und ob dem Modell nicht wieder eingefügt werden muß, gegen das es entwickelt wurde: die spontane, unreflektierte Vorstellung vom Staat als legitimen."22 Mit der Wiedereinführung der symbolischen Dimension in die Politik sucht Bourdieu, die Naturalisierungseffekte der rationalen Legitimationslogik außer Kraft zu setzen und als eine strategische Disposition der Herrschaft zu beschreiben. Die symbolische Gewalt des Staates basiert auf der Übereinstimmung der objektiven sozialen Strukturen von Herrschaft mit den subjektiven mentalen Strukturen der politischen Akteure (Habitus). Dort, wo diese Übereinstimmung gegeben ist, wird der politisch-arbiträre Charakter symbolischer Gewalt zum blinden Fleck. Der Habitus - die subjektiv inkorporierte Sozialordnung - vermag sich aus diesem Grunde in der objektiven Herrschaftsordnung mehr oder weniger wiederzuerkennen und mit dieser zu identifizieren.

Die symbolische "Hauptmacht des Staates" besteht nun vor allem darin, die rationalistischen "Denkkategorien zu produzieren und durchzusetzen (...), die wir spontan auf jedes Ding der Welt und auch auf den Staat selbst anwenden.".23 Dies erfolgt im rationalen Staat vor allem im Bereich der politischen Kultur, insbesondere im Bildungswesen, den Massenmedien und nicht zuletzt in der Wissenschaft. So ist nach Bourdieu der moderne Diskurs der Sozialwissenschaft "von Anfang an ein integraler Bestandteil dieses Bemühens um die Konstruktion der Darstellung des Staates gewesen, die Teil seiner Realität selbst ist".24

Die meisten wissenschaftlichen Schriften und Diskurse, die scheinbar nur passiv über Staat und Politik reflektieren, tragen daher, bedingt schon durch ihre soziale Perspektive, die von der Universität als akademisches Selektions- und Ausbildungsmedium für das administrative Personal bestimmt ist, tatsächlich aktiv zum Aufbau und zur Reproduktion des Staates bei.25 Gerade ihre gesellschaftliche Autorität und ihre spezifische Wirksamkeit auf dem bürokratischen Feld machen sie somit zu direkten "politischen Aktionsprogrammen zur Durchsetzung einer bestimmten Auffassung vom Staat".26

Wissenschaftliche Ansätze, die sich hierüber nicht selbstreflexiv Rechenschaft ablegen und dies in ihre Erkenntnisperspektive einbauen, verwenden ihre performativen Effekte gerade aus diesem Grunde bewußt oder unbewußt zur bloßen Selbstbeschreibung von politischer Autorität. Sie werden dabei ganz im Hegelschen Sinne von einer staatlichen Macht gedacht, von der sie zu denken meinen. Diese staatliche Macht unterscheidet sich dabei natürlich radikal von der geläufigen staatlichen Substanz in den institutionellen Selbstbeschreibungen. Sie ist oft genau dort zu finden, wo man am wenigsten mit ihr rechnet. So muß die private Wirtschaft keineswegs außerhalb des Staates stehen, nur weil sie dies behauptet.27

Welche konkrete Auffassung über die Ziele und Formen von Staat und Politik dominieren, hängt wesentlich vom Legitimitätshorizont der verschiedenen politischen Verwaltungen und deren internem Kräfteverhältnis ab. Als Rechts-, Parteien-, Sozial- und Steuerstaat verfügt der moderne Staat über eine differenzierte Verwaltung, deren Mitglieder untereinander auf dem bürokratischen Feld um politische Profite konkurrieren. Während die eng mit den Wirtschafts- und Finanzressorts verflochtenen administrativen Felder aktuell mit der neoliberalen Doktrin verflochten sind, waren es vor allem die Ressorts für Soziales und Bildung mitsamt ihrer politischen Korona aus der Interessenvertretung lohnabhängiger Arbeit, welche bisher den klassischen Sozialstaat stützten und legitimierten. Bourdieu spricht in diesem Zusammenhang von der "linken Hand des Staates" und meint damit "die Gesamtheit derer, die im Auftrag der - wie man so sagt - Ausgaben- Ministerien handeln, die innerhalb des Staates die Spuren der sozialen Kämpfe der Vergangenheit bewahren."28 Diesen steht, um im Bild zu bleiben, mit der hohen Verwaltungsbürokratie des Finanz- und Wirtschaftsministeriums, der öffentlichen und privaten Banken und der Ministerialkabinette einschließlich ihrer technokratischen Kommissionen, die mehrheitlich mit neoliberalen Ökonomen besetzt sind, die "rechte Hand des Staates" gegenüber. Der gegenwärtig zu beobachtende Siegeszug des Neoliberalismus etwa in der Bundesrepublik Deutschland geht einher mit der Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen den beiden politischen Polen des staatlichen Machtfeldes.29 Die neoliberale Erzählung wird erst durch diese sozio-politische Voraussetzung zu einem "Mythos im starken Wortsinn", einem "Machtdiskurs ", einer "Ideenmacht", einer "Vorstellung, die gesellschaftliche Macht besitzt, die Glauben auf sich zieht".30

Dabei nimmt diese Verschiebung im politischen Kräfteverhältnis in bestimmten Bereichen durchaus die Tendenz zur ökonomistischen Gleichschaltung aller selbständigen Handlungsbereiche (Kultur, Bildung, Medien, Politik etc.) an, deren relative Autonomie unzweifelhaft eine der großen zivilisatorischen Errungenschaften des keynesianischen Sozialstaates bildete. Insofern sind es weniger die anonymen, externen Prozesse des Welthandels, sondern ganz konkrete sozio-politische Kräfteverhältnisse innerhalb der Gesellschaft, die dafür sorgen, daß der neoliberale Globalisierungsdiskurs vom marginalen Mythos zum vermeintlichen politischen Logos mutierte und "die entscheidende Waffe der Kämpfe gegen die Errungenschaften des welfare state" wurde.31

Gouvernementalität und diskursive Artikulation (Michel Foucault und Ernesto Laclau)

Bourdieus Befund wird durch eine Reihe anderer politiktheoretischer Ansätze gestützt, die von alternativen Ausgangspunkten zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen. Wie die Sozialpraxeologie vermögen auch Michel Foucaults Theorie der Regierung und die Diskurstheorie von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe aus antiessentialistischer Perspektive Licht auf die politischen Kämpfe der Gegenwart zu werfen, da ihre Autoren methodologisch in der Lage sind, der mythologischen Ideenmacht politischer Diskurse zu widerstehen.32

Analog zu Bourdieus Dekonstruktion des metaphysischen Staatsbegriffes verbindet Foucault im Begriff des modernen Staates die Genese einer politisch-juristischen Institutionalisierung von Machtprozessen mit der Herausbildung von konkreten Subjektivierungsformen und politischen Logiken. Aus der politischen Synthese, der auf den Körper gerichteten Disziplinarmacht und der auf den Geist zielenden Deutungsmacht, die in der Terminologie von Weber und Bourdieu auch als Monopolisierung von physischer und symbolischer Gewalt beschreibbar wäre, geht eine komplexe Machttechnologie hervor, die Foucault als Regierung (Gouvernementalität) bezeichnet.33 Sie zielt auf das menschliche Individuum in seiner Einheit als körperliches und geistiges Wesen. Auch innerhalb von Foucaults Regierungslehre stehen sich Staat und Gesellschaft nicht als selbständige Substanzen gegenüber, ihre jeweilige Demarkationslinie ist vielmehr von der Regierungsmacht politisch verschiebbar.

Während die Gouvernementalität des klassischen Liberalismus von der autonomen Äußerlichkeit zwischen Politik und Ökonomie ausging, in welcher der Markt lediglich als politisches Prinzip der Selbstbegrenzung der Regierung fungierte und die Selbstführung der Wirtschaftssubjekte vor allem durch Sicherheitsdispositive, d. h. im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit, reguliert wurde, setzt erst der Neoliberalismus das Marktprinzip auch als internes regulierendes und organisierendes Prinzip von Politik und Staat ein. Unter den Bedingungen der Krise des sozialliberalen Wohlfahrtsstaates seit den 1970er Jahren gewinnt der neoliberale Diskurs in dem Maße an Macht, wie er es versteht, sowohl die rechte und linke Kritik an der bürokratischen Verstaatlichung der Gesellschaft sozial wirksam zu artikulieren und dadurch den Begriff der Freiheit neu zu besetzen.34 Mit seiner Intervention zugunsten von privater Initiative, Eigenverantwortlichkeit, Deregulierung etc. wird die politische Demarkationsline zwischen Privatem und Öffentlichem sukzessive zuungunsten der Öffentlichkeit verschoben.

Diese vermeintliche Entbürokratisierung führt jedoch keineswegs zum Abbau politischer Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Ganz im Gegenteil führt der Abbau der öffentlichen Verwaltung mitsamt der kritischen Öffentlichkeit letztlich nur dazu, daß die rivatisierten Risikoindividuen mit geringerem administrativen Aufwand effektiver funktionieren. Öffentliche Bürokratien werden dabei lediglich durch private ersetzt. Der neoliberale Abbau des Staates beinhaltet also keinen adäquaten Rückzug der Regierungsmacht, sondern verschärft diese erheblich.35 Genaugenommen wird also auch nicht der Staat abgebaut, sondern er nimmt, wie Laclau/Mouffe betonen, eine neue diskursive Form an, die von der Desartikulation des in den politischen Kämpfen der demokratischen Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts entstandenen Bandes zwischen Liberalismus und Demokratisierung gekennzeichnet ist. Der Sozialstaat als signifikantester Ausdruck dieser Synthese wird wirksam zur Disposition gestellt, indem etwa die sozialen Anspruchsrechte auf Chancengleichheit (Bildung, Eigentumserwerb etc.), also der juristische Ausdruck des politischen Konnexes von Liberalismus und sozialer Demokratie, durch negative Freiheitsrechte ersetzt werden, die im Kern ökonomisch definiert sind.36

Da der neoliberale Diskurs - wie alle politischen Diskurse - nicht in der Lage ist, das diskursive Feld des Sozialen vollständig zu fixieren und für sich zu vereinnahmen, muß er die alternativen Diskurse in einer antagonistischen Operation ausgrenzen und nach innen als das Andere repräsentieren. Kritiker aller Richtungen sowie Betroffene finden sich dementsprechend unter der metaphorischen Klammer des reformunwilligen Traditionalisten oder des Sozialbetrügers (Stichwort "Miami-Rolf") wieder. Gleichzeitig nimmt der Neoliberalismus mit der Substitution der politischen Logik durch das Marktmodell eine entscheidende Verschiebung vor, die selbst das liberale Modell der durch politische Anspruchsrechte geschützten privaten Individualität unterwandert. Der neoliberale homo oeconomicus bezeichnet eben nicht mehr die äußere Grenze und den unantastbaren Kern des Privaten, wie das noch im klassischen Liberalismus der Fall war, sondern ein ökonomisch vollständig konsumierbares und konditionierbares Wesen. Mit der Doktrin des "Humankapitals" wird dabei die unterschwellige Illegitimität instrumenteller Arbeitsverhältnisse ebenso unterlaufen wie das hieraus abgeleitete Recht auf soziale Kompensation durch Unternehmer und Öffentlichkeit, wie es das Prinzip der Sozialpflichtigkeit des Eigentums noch formuliert. Der ehemals abhängig Beschäftigte wird so zum autonomen Unternehmer ("Ich-AG") mit eigenverantwortlichen Investitionsentscheidungen. Die Gewerkschaften können dementsprechend durch die Einführung eines privaten Insolvenzrechtes ersetzt werden.

Angesichts dieses Befundes fragt es sich, ob es nicht an der Zeit ist, die Bedeutung der Dialektik der Aufklärung für die Erklärungskraft kritischer Theorie ebenso wie für die Handlungsfähigkeit kritischer Politik neu zu überdenken. Anstatt des aussichtslosen Unterfangens, den neoliberalen Ökonomismus in Theorie und Praxis mit orthodoxen, gleichfalls auf ökonomistischen Grundannahmen der einen oder anderen Schule basierenden Konzepten auf der Innenkurve zu überholen, ist es vielmehr geboten, ganz undogmatisch mit der essentialistischen Logik des modernen Rationalismus zu brechen, ohne zugleich die Fundamentaldemokratisierung der Gesellschaft - das eigentlich kritische Projekt der Moderne - aus den Augen zu verlieren. Die hierdurch mögliche Perspektive auf die Politik ermöglicht nicht nur Aufklärung über Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die in der neoliberalen Befreiungssemantik suggestiverweise enthalten sind, sondern auch eine politikwissenschaftliche Methodik zu entwickeln, die den Übergriffen außerwissenschaftlicher Autoritäten nicht ungewappnet gegenübersteht, den Selbstbeschreibungen der Politik nicht blind hinterherläuft und sich gerade deshalb auch erst der Logik des Politischen wissenschaftlich nähern kann.

Axel Rüdiger - Jg. 1964; Dr. phil.; Studium der Geschichtswissenschaft, der Politischen Ökonomie und der Pädagogik; Forschungsstudium am Institut für Politikwissenschaft der Martin-Luther- Universität Halle/Saale; 1994-1998 wiss. Mitarbeiter am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung in Halle; 1999 Dr. phil. mit einer Dissertation über die Geschichte der halleschen Staatswissenschaft im 18. Jh., 1999-2002 wiss. Mitarbeiter, seither wiss. Assistent am Institut für Politikwissenschaft, Lehrstuhl für politische Theorie und Ideengeschichte der Universität Halle/Saale; Studienaufenthalte an der University of Essex; Mitarbeit am International Ideology and Discourse Analysis Network.

1 Stefan A. Schirm: Wie Globalisierung nationale Regierungen stärkt. Zur politischen Ökonomie staatlicher Antworten auf Globalisierung, in: Christine Landfried (Hg.): Politik in einer entgrenzten Welt. 21. wissenschaftlicher Kongreß der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Köln 2001, S. 133-149; hier S. 133 f.

2 Zum problematischen Verhältnis zwischen Politik und Politikwissenschaft aus erkenntnistheoretischer wie ideengeschichtlicher Hinsicht vgl. Axel Rüdiger: Die Utopie der Politikwissenschaft, in: Walter Reese-Schäfer, Martin Kühnel, Axel Rüdiger (Hg.): Modell und Wirklichkeit. Anspruch und Wirkung politischen Denkens. Festschrift für Richard Saage zum 60. Geburtstag, Halle 2000, S. 99-117.

3 Signifikant für diese Diskussion sind die Beiträge in: Richard Saage/Gunnar Berg (Hg.): Zwischen Triumph und Krise. Zum Zustand der liberalen Demokratie nach dem Zusammenbruch der Diktaturen in Osteuropa, Opladen 1998.

4 Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, in: Karl Marx, Friedrich Engels Werke (MEW), Bd. 4, Berlin 1983, S. 459-493; hier S. 464 f.

5 Ebenda., S. 464.

6 Ebenda., S. 465.

7 Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5., rev. Aufl., Studienausg., Tübingen 1980, S. 29.

8 Ebenda.

9 Zur ökonomischen Theorie der Politik: Joseph A. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. Einleitung von Edgar Salin, München 1975; Anthony Downs: Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968; Robert A. Dahl: Vorstufen zur Demokratie-Theorie, Tübingen 1976. Kein anderer als Popper hat das instrumentelle Verständnis des empirizistischen Positivismus besser beschrieben: "Die Theorie ist das Netz, das wir auswerfen, um ›die Welt‹ einzufangen, - sie zu rationalisieren, zu erklären und zu beherrschen. Wir arbeiten daran, die Maschen des Netzes immer enger zu machen." Karl R. Popper: Logik der Forschung, 10., verb. u. verm. Aufl., Tübingen 1994, S. 31.

10 Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir? München 1992.

11 So bei Samuel P. Huntington: Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München u. a. 1996. Siehe zu den Hintergründen Stuart Hall: Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht, in: Ders., Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften, Bd. 2, Hamburg 1994, S. 137-179.

12 So etwa Jürgen Habermas: Die postnationale Konstellation. Politische Essays, Frankfurt/M. 1998.

13 Marx, Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, a. a. O., S. 464.

14 Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, a. a. O., S. 824 f.

15 Vgl. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt/M. 1993 (1947).

16 Vgl. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, a. a. O., S. 542.

17 Um dieses Thema kreisen seine sämtlichen Überlegungen zur Frage der Werturteilsfreiheit in der Wissenschaft.

18 Dies zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk. Signifikant hierfür sind solche Titel wie Pierre Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt/M. 1979; Ders.: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt/M. 1997; Ders., Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt/M. 1998.

19 Es ist klar, daß die eklektische Systemtheorie von Luhmann zur Kritik der rationalen Essenz der Moderne nichts beitragen kann, da sie komplett innerhalb der Alternativlosigkeit der modernisierungstheoretischen Differenzierungsmetaphysik verbleibt. Die technokratische Arbeitsteilung - darüber kann die pluralistische Ausfächerung der sozialen Systeme nicht hinwegtäuschen - bleibt die zugrundeliegende Superstruktur, die als Essenz der gesellschaftlichen Entwicklung fungiert. Bourdieu selbst hat aus diesem Grunde seine Feldtheorie scharf von Luhmanns Systemtheorie abgegrenzt. Siehe hierzu etwa: Pierre Bourdieu, Loïc J. D. Wacquant: Reflexive Anthropologie, Frankfurt/M. 1996, S. 132-135.

20 "Die sozialen Felder bilden Kraftfelder, aber auch Kampffelder, auf denen um Wahrung oder Veränderung der Kräfteverhältnisse gerungen wird. Und das - praktische wie gedankliche - Verhältnis der Akteure zu diesem Spiel ist noch Teil desselben - unter Umständen Grundlage seiner Transformation." Pierre Bourdieu: Sozialer Raum und ›Klassen‹. Leçon sur la leçon. 2 Vorlesungen. Frankfurt/M. 1995, S. 74.

21 Vgl. insbesondere hierzu: Pierre Bourdieu: Praktische Vernunft, a. a. O., S. 96-136.

22 Pierre Bourdieu: Rede und Antwort, Frankfurt/M. 1992, S. 52.

23 Ders., Praktische Vernunft, a. a. O., S. 93.

24 Ebenda., S. 97.

25 Vgl Pierre Bourdieu: Homo academicus, Frankfurt/ M. 1992. Auf historischem Terrain anhand einer konkreten Fallstudie der preußischen Staatswissenschaft im 18. Jahrhundert wird diese These erhärtet bei: Axel Rüdiger:Staatslehre und Staatsbildung. Die Geschichte der Staatswissenschaft an der Universität Halle im 18. Jahrhundert, Tübingen 2004.

26 Pierre Bourdieu: Praktische Vernunft, a. a. O., S. 97.

27 Für Bourdieu besitzt der politische Staatsbegriff einen metaphysischen Charakter: "Man tut so, als wäre der Staat eine klar definierte, fest umrissene, einheitliche Realität, die ein Außenverhältnis mit externen Kräften eingeht, die ihrerseits klar definiert sind (...). Worauf man in Wirklichkeit stößt, ist konkret ein Ensemble von bürokratischen und administrativen Feldern (...), in denen staatliche und nicht-staatliche Akteure und Gruppen von Akteuren persönlich oder stellvertretend um eine besondere Form von Autorität kämpfen, um die Macht nämlich, eine besondere Sphäre von Praktiken (...) durch Gesetze, Bestimmungen, Verwaltungsmaßnahmen (...) zu regeln, kurz alles, was unter den Begriff Politik fällt." Bourdieu, Wacquant: Reflexive Anthropologie, a. a. O., S. 143.

28 Pierre Bourdieu: Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zur Politik und Kultur 1, Hamburg 1992, S. 151. Ausführlich untersucht hat Bourdieu dieses Thema in: Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen des Leidens an der Gesellschaft, Konstanz 1997.

29 Ein signi.kanter Indiator hierfür ist die Eingliederung des Arbeitsministeriums unter die Ägide des als neoliberaler "Macher" bekannten Wirtschaftsministers Clement im zweiten Kabinett Schröder.

30 Pierre Bourdieu: Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des Widerstands gegen die neoliberale Invasion, Konstanz 1998, S. 43.

31 Ebenda.

32 Grundlegend zur Rekonstruktion der Regierungstheorie Foucaults: Thomas Lemke: Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität, Berlin/Hamburg 1997. Siehe darüber hinaus auch: Ulrich Bröckling, Susanne Krasmann, Thomas Lemke (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, Frankfurt/M. 2000; Graham Burchell, Colin Gordon, Peter Miller (Hg.): The Foucault Effect. Studies in Governmentality, Hemel Hampstead 1991; Marianne Pieper, Encarnaci Gutierriez Rodriguez (Hg.): Gouvernementalität. Ein sozialwissenschaftliches Konzept im Anschluß an Foucault, Frankfurt/New York 2003. Grundlegend zur politischen Diskurstheorie: Ernesto Laclau, Chantal Mouffe: Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus, Wien 1991.

33 Foucault greift hierbei auf einen von Roland Barthes geprägten Neologismus zurück, der begrifflich den Zusammenhang von Regierungstechnik ("gouverner ") und Subjektivitätsform ("mentalité") verbindet. Er zeigt, daß der Gegenstand der Regierung nicht von seiner Logik getrennt werden kann. Vgl. Thomas Lemke: Eine Kritik der politischen Vernunft, a. a. O., S. 146.

34 Archetypisch hierfür Friedrich August von Hayek: Die Verfassung der Freiheit, Tübingen 1971.

35 "Die Gouvernementalitätsperspektive erlaubt es also, das neoliberale Programm des ›Rückzug des Staates‹ als eine Regierungstechnologie zu dechiffrieren. " Thomas Lemke: Neoliberalismus, Staat und Selbsttechnologien, in PVS, Heft 1/2000, S. 31-47, hier S. 39.

36 Vgl. Laclau, Mouffe: Hegemonie und radikale Demokratie, a. a. O., S. 234-239.

 

in: UTOPIE kreativ, H. 164 (Juni 2004), S. 509-518

 

aus dem Heftinhalt:

VorSatz Essay JÖRG ROESLER DDR - Bundesrepublik: Der verweigerte Vergleich; China heute WANG LIYONG Chinas Außenpolitik im 21. Jahrhundert - wohin?: ZHANG MINJIE Arbeitsmigration in China; Gesellschaft - Analyse & Alternativen AXEL RÜDIGER Globalisierung: Ist Politik noch möglich?; JOCHEN WEICHOLD Umweltpolitik in den Zeiten des Neoliberalismus; LOTHAR SCHRÖTER Die militärische Machtentfaltung der Europäischen Union; Neunzehnhundertachtundsechzig WOLFGANG FRITZ HAUG Gedanken zum 2. Juni 1967; FLORIAN HAVEMANN 68er Ost; Standorte LOTHAR RATAI Gedanken zu Otto Lacis: "Woran ist de KPdSU gescheitert?"; Konferenzen & Veranstaltungen HANNO PAHL, CHRISTOPH ENGEMANN Gesellschaft im Widerspruch. Konferenz zum 100. Geburtstag Theodor W. Adornos; Bücher & Zeitschriften Matthias Steinle: Vom Feindbild zum Fremdbild. Die gegenseitige Darstellung von BRD und DDR im Dokumentarfilm. Band 18 der Reihe: CLOSE UP Schriften aus dem Haus des Dokumentarfilms Stuttgart. (DETLEF KANNAPIN); Dieter Klein: Zukunft statt "Reformen": Arbeit für alle. Ein realistisches Konzept, Reihe Texte der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bd. 14 (ARNDT HOPFMANN); Jochen Gerlach: Ethik und Wirtschaftstheorie (ULRICH BUSCH): Michel Reimon, Christian Felber: Schwarzbuch Privatisierung. Was opfern wir dem freien Markt? (JÜRGEN LEIBIGER); Tomás Diez Acosta: Octubre de 1962: A un Paso del Holocausto. Una Mirada Cubana a la Crisis de los Misiles (Oktober 1962: Ein Schritt vor dem Abgrund. Die Raketenkrise aus kubanischer Sicht) (HARALD HILDEBRANDT)