Die Existenz des Staates Israel mit aller Kraft verteidigen!

zur Konferenz stop-the-wall im Juni 2004 in Köln

Anfang Juni fand in Köln die einseitig pro-palästinensische Konferenz "Stop the Wall" statt, die insbesondere innerhalb der Linken eine Debatte rund um den Nahostkonflikt ausgelöst hat.

Bereits im Vorfeld sah sich die "internationale Konferenz für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel", die am 5. Juni im Bürgerzentrum "Alte Feuerwache" stattfand, vielfältiger Kritik ausgesetzt. So wies Alfred Schobert vom "Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung" darauf hin, dass man unter den Veranstaltern und Unterstützern der Konferenz "lebende Fossile des dumpfen Antiimperialismus und Antizionismus in relevanter Zahl" entdecke; verschiedene Organisationen hatten zu einer Gegendemo aufgerufen; und auch in den "Lokalberichten" fand sich bereits ein kritischer Beitrag.

Zu den Veranstaltern der Konferenz gehörten u.a. IPPNW, die Attac-AG "Globalisierung und Krieg", die "Kampagne gegen die Apartheitsmauer in Palästina", das "Komitee für Grundrechte und Demokratie" und diverse palästinensische und deutsch-palästinensische Gruppen. In verschiedenen Diskussionsrunden wurde thematisch zwar ein weiter Bogen geschlagen, trotzdem blieb die Konferenz auffallend einseitig. Dies schlug sich vor allem in der Auswahl der ReferentInnen nieder, bei denen ein ausgeprägtes Übergewicht an entschiedenen Gegnern der israelischen Politik und glühenden Eiferern für die palästinensische Sache bestand.

Dass zahlreiche RepräsentantInnen diverser palästinensischer Organisationen in ihren Vorträgen ein grelles Bild der israelischen Besatzung, der Einschränkungen durch den Sicherheitszaun und der vielfältigen Benachteiligungen der PalästinenserInnen zeichneten, war nicht verwunderlich. Allzu bekannt sind auch die Auftritte von Jüdinnen/Juden, die dazu auffordern, sich für die Sache der PalästinenserInnen zu engagieren. An diesem Tag hatten diese Aufgabe u.a. die Autorin Felicia Langer und Fanny-Michaela Reisin, "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost", übernommen. Sie haben bei solchen Konferenzen eine doppelte Aufgabe: Sie sind glaubhafte Anklägerinnen der israelischen Politik und springen ihren deutschen AnhängerInnen bei einer spezifischen "Last" helfend zur Seite: der deutschen Geschichte. So beklagte Langer die "Antisemitismuskeule", die die deutschen AktivistInnen der Bewegung lähme, und behauptete, die Antisemitismusdebatte diene der "Einschüchterung" dieser AktivistInnen. Aus ihrer Sicht besteht die Pflicht der Deutschen darin, sich überall einzumischen, denn: "Wer schweigt, macht sich mitschuldig!"

Hier sind wir am kritischen Punkt der Konferenz. Diejenigen, die sich in Deutschland für die Sache des "palästinensischen Volkes" stark machen, sind von ihrer eigenen Lauterkeit offenbar so überzeugt, dass sie für kritische Anfragen und Hinweise auf die Gefahr, dem Antisemitismus Vorschub zu leisten, nicht das geringste Verständnis aufbringen. Dabei gibt es Anlass genug zur Nachdenklichkeit über das eigene Tun. Drei Beispiele:

* Die Journalistin Sophia Deeg beklagte eine "Instrumentalisierung der Erinnerung" und sah die israelische Regierung gegenüber der palästinensischen Seite im Vorteil, weil es ein "Ungleichgewicht der Erinnerungen" gebe. Als einer der Saalordner sich zu Wort meldete und die israelische Politik mit Auschwitz verglich, schwieg das Podium dazu.

* Andreas Buro vom "Komitee für Grundrechte und Demokratie" sah sich zu der Klarstellung genötigt, er lehne eine Zusammenarbeit mit Antisemiten ab. Diese Aussage wurde jedoch sogleich um die Feststellung ergänzt, man lehne ebenso die Zusammenarbeit mit "antipalästinensischen Kräften" ab. Die Überflüssigkeit dieser Ergänzung illustriert, wie verständnislos Buro und andere mit dem Antisemitismus umgehen. Der Antisemitismus hat seinen grauenhaften Höhepunkt im Holocaust gefunden, und bis heute müssen sich Jüdinnen und Juden überall in der Welt Beschimpfungen anhören oder werden sogar tätlich angegriffen. Mir ist nicht bekannt, dass sich die PalästinenserInnen in einer ähnliche Lage befinden. Warum also meint Buro diese Doppelung vornehmen zu müssen?

* Breite Unterstützung genießt die Forderung nach der Aussetzung des Assoziationsabkommens zwischen der EU und Israel wegen der fehlenden Kennzeichnung der Waren aus den israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. Es ist nicht Bedenkenlosigkeit, die hinter dieser Forderung steht, denn dafür ist die Kritik an einer Kampagne, deren Motto sich mit dem unsäglich "Kauft nicht bei Juden!" zusammenfassen ließe, schon zu oft vorgetragen worden. Ich muss denjenigen, die solche Vorschläge immer wieder unterbreiten, zumindest unterstellen, dass ihnen der antisemitische Beigeschmack ihres Treibens völlig egal ist.

Zudem litt die Konferenz an einem eklatanten Ungleichgewicht: Dem Leiden der PalästinenserInnen galt die volle Aufmerksamkeit, für das Leiden der Jüdinnen/Juden blieb da (fast) kein Platz. Daher sind m.E. die TeilnehmerInnen der Konferenz zu fragen: Warum bekräftigen so wenige RednerInnen das Existenzrecht Israels? Warum benennt z.B. der "Deutsch-Palästinensische Frauenverein" aus Bonn in seinem Flugblatt das Ende der (Selbstmord-)Attentate gegen Zivilisten in Israel nicht als eine seiner Forderungen? Und warum murren so viele im Saal, als eine Rednerin aus dem Publikum für ein Ende eben dieser Selbstmordattentate plädiert?

Mein Fazit: Tatsächlich sollten aus "Auschwitz" Konsequenzen gezogen werden, jedoch andere, als sie auf dieser Konferenz gezogen worden sind.

Der Einsatz für die Wahrung der Menschenrechte ist eine notwendige Konsequenz aus Auschwitz - das wurde auf der Konferenz wiederholt betont. Ich ziehe aus der deutschen Geschichte jedoch noch eine zweite Konsequenz: Die Existenz des Staates Israel als Zuflucht der Jüdinnen und Juden verdient es, mit aller Kraft verteidigt zu werden!

Im Falle des Konfliktes zwischen Israel und den PalästinenserInnen können diese beiden Konsequenzen nun miteinander in Konflikt geraten. Ohne Zweifel gibt es vieles, was an der Politik der israelischen Regierung(en) kritisierenswert war und ist. Warum aber wählen sich gerade deutsche Linke eine Kampagne gegen die Politik der israelischen Regierung als Schwerpunkt ihres eigenen politischen Engagements? Dabei bieten sich für den Kampf für Menschenrechte eine Vielzahl geeigneterer Gelegenheiten: Von Mittelamerika über Afrika bis nach Asien besteht leider kein Mangel an Folter, Unterdrückung und Elend. Auch für denjenigen, dessen Herz an Israel/Palästina hängt, bieten sich Möglichkeiten eines sinnvollen Engagements:

* Das "Komitee für Grundrechte und Demokratie" organisiert bereits seit Jahren unter dem Motto "Ferien vom Krieg" Begegnungen zwischen israelischen und palästinensischen Jugendlichen.

* "medico international" ruft zu "Zeichen paradoxer Hoffnung" auf und fördert Projekte, die sich in ihrer alltäglichen Arbeit der zunehmenden Verfeindung zwischen Israelis und PalästinenserInnen entgegensetzen.

Wer solche Projekte unterstützt und von der Kampagne "Stop the Wall in Palestine" die Finger lässt, läuft nicht Gefahr, falsche Freunde an seine Seite zu locken, und setzt sich auch nicht dem Verdacht aus, unter dem Deckmantel des Antizionismus doch nur wieder den alten Antisemitismus zu verbergen. Leider war diese Einsicht unter den TeilnehmerInnen der Konferenz nicht verbreitet.

[der Artikel erschien zuerst in den 'Lokalberichten Köln']