Mit Vorsicht - zu genießen!

EU-Parlamentswahlen 2004

in (10.05.2004)

Die Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2004 sind wichtig für die Linke, um europaweit Alternativen zu diskutieren und sich Gehör zu verschaffen.

Am 13. Juni 2004 sind Wahlen zum EU-Parlament. 99 deutsche EU-ParlamentarierInnen werden für die nunmehr insgesamt 682 EU-Parlamentssitze neu gewählt.
Im EU-Parlament haben sich länderübergreifende Fraktionen auf der politischen Rechts-Links-Achse gebildet; von einer rechten Nationalistenfraktion, einer konservativen Fraktion (derzeit 232 Sitze) über die europäischen sozialdemokratischen Parteien (176 Sitze), Liberale, Grüne und der linken Fraktion. Deren Namen zeigt bereits das bestehende Spannungsverhältnis an:"Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke", kurz GUE/NGL, mit derzeit 49 Sitzen. 13 eurokommunistische, linkssozialistische und linksökologische Parteien aus den meisten europäischen Ländern sind an der Fraktion beteiligt - die deutschen VertreterInnen stellt dabei die PDS.

"Konföderal" - also loser Austausch und ohne Fraktionszwang - macht die Probleme deutlich, die linke Parteien in der Positionsfindung zu europapolitischen Themen haben - linker Internationalismus hin oder her. Beispiel EU-Integration: Während die schwedische "Linkspartei" gegen die Verlagerung der Befugnisse nationaler Parlamente auf die EU oder die Ausweitung der Eurozone kämpft, legen die PDS und die französischen Kommunisten den Schwerpunkt ihrer Kritik eher an der neoliberalen Geldpolitik der EU-Zentralbank an. Oder Beispiel EU-Armee: Während sich die PDS programmatisch auf eine Ablehnung der EU-Armee festgelegt hat und nach innerparteilichem Druck mit Tobias Pflüger von der "Informationsstelle Militarisierung" (IMI) einen prominenten Vertreter dieser antimilitaristischen Position auf den aussichtsreichen Listenplatz 4 für die EU-Wahlen 2004 gesetzt hat, steht beispielsweise die spanische "Vereinigte Linke" als auch etwa die dänische "Sozialistische Volkspartei" einer eigenen EU-Armee durchaus offen gegenüber. Explosive Spannung vermitteln auch die politischen Traditionen der an der GUE/NGL beteiligten Linken: Sitzen doch etwa die orthodox-kommunistische KP Griechenlands mit ihrer eher links-undogmatischen Abspaltung "Synaspismos" oder zwei italienische kommunistische Parteien, die sich jüngst über die Frage des Austritts aus der damaligen Mitte-Links-Regierung spalteten, nun wieder an einem Fraktionstisch. Die "grüne" Linie etwa des finnischen "Linksblocks", in welchem sich Reformsozialisten und Linksökologen vereinigten, trifft in der GUE/NGL auf die beinharten Positionen der portugiesischen KP. Irgendwo dazwischen agiert die deutsche PDS und die französischen Eurokommunisten. Für Diskussionen dürfte also auch in Zukunft ausreichend gesorgt sein.

Vorausgesetzt, es gelingt den einzelnen Linksparteien, ihre Wahlhürden zu überwinden. Für die deutsche PDS gehtÂ’s hier ums blanke Überleben: Nur bei Überspringen der 5%-Hürde ist sie zukünftig bundespolitisch nicht völlig abgemeldet. Das kann auch emanzipatorischen Linken nicht egal sein. Denn obwohl das Wirken linker Parteien im Parlament durch das ökonomische und bürgerlich-parlamentarische Grundgefüge des Kapitalismus begrenzt ist, können linke Parlamentsparteien bestehende soziale Bewegungen durchaus unterstützen und ihnen eine Plattform bieten. Sie übermitteln und vollstrecken außerparlamentarisch erkämpften Fortschritt. Die spannende Mischung GUE/NGL entspricht dabei den Diskussionslinien der europäischen Linken insgesamt: Wie kann ein friedliches Europa konkret aussehen? Welche europaweiten sozialen Sicherungssysteme, welche antineoliberale Wirtschaftspolitik, welche länderübergreifende Mitbestimmungsrechte sind durchzusetzen? Und wie können offene Außengrenzen für EinwanderInnen in Europa sozial integrativ umgesetzt werden? Nicht zuletzt stehen die Strategien der nationalen Linken europäisch auf dem Prüfstand. Deutsche Linke können hier vieles lernen und - mit Vorsicht genießen.