Blockwart gesucht!

Landespolizeigesetze

in (10.05.2004)

Die InnenministerInnen von Bund und Ländern übertreffen sich gegenseitig mit neuen Ideen in Sachen "innere Sicherheit", bei denen die Bürgerrechte auf der Strecke bleiben.

Nachdem sich die Bundesländer Thüringen, Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz im Jahr 2003 den "Big-Brother-Award" mit ihren in Planung befindlichen bzw. umgesetzten Sicherheitsgesetzen sichern konnten, versuchen inzwischen auch andere Bundesländer an den begehrten "Oscar für Datenkraken" zu kommen. Ende 2003 legte auch Hessen einen Entwurf für eine Novelle des "Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung" (HSOG) vor, der im Wettrennen um den Abbau von Grund- und Freiheitsrechten mithalten kann. Die wesentlichen Veränderungen beziehen sich auf eine Verlagerung der Aufgaben und Tätigkeiten der Polizei in den präventiven Bereich. Darüber hinaus werden den Ermittlungsbehörden weitgehende Kompetenzen zur Überwachung und Datenerhebung zugestanden.

Kernpunkte der HSOG Novelle sind - wie in anderen Bundesländern auch - die Einführung des "Finalen Rettungsschusses", eines Kennzeichenlesegerätes und des IMSI-Catchers, sowie
die Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person.
Die Einführung des "Finalen Rettungsschusses" - eine Umschreibung für die Legalisierung staatlichen Tötens - soll den PolizeibeamtInnen laut Innenminister Bouffier ermöglichen, den "zum Mord entschlossenen Geiselnehmer absichtlich durch einen Schuss" zu töten, "weil das Leben der Geisel auf andere Weise nicht gerettet werden kann". Im Prinzip ist dieser "Gewinn an Rechtssicherheit für Polizeibeamte" jedoch nichts anderes als ein schwerwiegender Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Recht auf körperliche Unversehrtheit. Auch der geplante Einsatz von IMSI-Catchern, der es der Polizei ermöglichen soll, den Standort von HandynutzerInnen auf fünfzig Meter genau zu bestimmen, greift in die Grundrechte vieler BürgerInnen ein. Durch den IMSI-Catcher ist es möglich, an die Identifikationsdaten eines Handys zu kommen, und so die Nummer und den/die BesitzerIn ausfindig zu machen. Außerdem soll der Polizei ermöglicht werden, im Falle einer "akuten Gefahr" über den Telekommunikationsprovider den Standort von Personen zu erfahren, sowie Gespräche mitzuhören und Nachrichten mitzulesen. Mit der neuen Regelung würde ein Richtervorbehalt umgangen und elementare Bürgerrechte außer Kraft gesetzt.

Aber nicht nur zum Abhören und Anpeilen nutzen die SicherheitsfanatikerInnen aller Länder inzwischen den Mobilfunk. Die neueste Idee in Sachen Fahndung via Mobilfunk kommt aus dem Bundeskriminalamt, heißt SMS-Fahndung und wird vom Bundesinnenministerium unterstützt. Es handelt es sich hierbei um den Versuch, die Bevölkerung bei der Aufklärung von Straftaten einzubeziehen. Registrierte NutzerInnen sollen via SMS auf Fahndungsgesuche der Polizei hingewiesen werden und diese bei der Aufklärung von Straftaten unterstützen. Laut Internetportal könnte dies in etwa so aussehen: "Bankraub, Polizei sucht zwei ca. 30jährige Männer, Jeans, schwarze Jacken, flüchtig mit braunem 5erBMW, Dortmunder Kennzeichen. Hinweise 110". Während das BKA sich mit der neuen Fahndungsmethode die Hilfe bei der Aufklärung von Straftaten erhofft, befürchten andere das Entstehen einer neuen Blockwartmentalität.