(2) Haushaltsstrategien, Frauen und Sharia-Gerichtshöfe in Sokoto/Nordnigeria

(Teil 2 des Artikels)

Beispielsweise kann eine Frau, wenn ihr Mann nicht für die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse sorgt oder Teile ihres Eigentums an sich nimmt, vor Gericht ziehen...

... um ihn zu verpflichten, dies rückgängig zu machen. Dies zeigt sich in den in Tab. 1 aufgeführten Gründen für die Anrufung der Gerichte. Eine Ehefrau kann zu diesen offenen Methoden greifen, weil ein derartiges Verhalten des Ehemanns als Verletzung des Ehekontrakts angesehen wird. Auch wegen Sex kann ein Partner vor Gericht ziehen, weil Sex sozial als wesentlicher Bestandteil des Ehekontrakts angesehen wird. Dies ist der Grund, dass die hohe Zahl von 95 Verfahren in Tab. 1 von Frauen eingeleitet wurde, um die Auflösung ihrer Ehe wegen Impotenz des Mannes oder zu wenig Sex zu erreichen.

Frauen können also durch Nutzung des Gerichts als Verhandlungsarena gewisse, für sie ungünstige und sozial sanktionierte Eheregeln in Frage stellen und zu Fall bringen. Frauenhandeln dieser Art kann sich auf zwei grundlegende Ehenormen im Islam stützen: Unterhalt und Sex. Beide sind eindeutig Bestandteil der ehevertraglichen Regeln. Bevor eine Ehe geschlossen werden kann, muss der Mann in einer Zusammenkunft von Verwandten und Freunden seine Verantwortlichkeit für den Unterhalt und die Befriedigung seiner zukünftigen Gattin erklären.

Unterhalt

Versorgung ist einer der grundlegenden Ansprüche in einer Ehe. Manche Ehemänner konnten diese Anforderung erfüllen, andere nicht. Frauen benutzen alle mögliche Taktiken, um an ihren Unterhalt zu gelangen. Die Rolle der Hausa-Frauen als Akteurinnen in den Haushaltsstrategien im Bereich von Produktion und Konsum wurde in der Literatur hervorgehoben (Callaway 1987; Schildkrout 1983). Bei unseren Besuchen in ausgewählten Haushalten stießen wir auf derartige Strategien von Frauen. Einige davon werden in Kasten 1 dargestellt. Dieselbe Art von Manipulation in Unterhaltsangelegenheiten habe ich auch bei den Gerichten beobachtet. Um aus einer unbefriedigenden Ehe herauszukommen, muss eine Frau entweder einen ernsthaften Grund vorweisen oder sich durch Bezahlung einer ausgehandelten Summe freikaufen. Deshalb nutzen Frauen die Ausrede einer unzureichenden Versorgung, um von einem Alkali (Sharia-Richter) die Scheidung zu erlangen (vgl. Tab. 1). Bei einem meiner Besuche bei Gericht traf ich auf Ehemänner, die die Behauptungen ihrer Frauen, keinen Unterhalt zu bekommen, in Frage stellten, und musste mit diesen darüber diskutieren. Ein anderes Mal war ich vor Gericht mit einem Fall konfrontiert, in dem die Frau die Rückkehr zu ihrem Mann, die vom Gericht angeordnet worden war, um ein Jahr hinausgezögert hatte. Als ihr klar wurde, dass die Geduld des Richters zu Ende ging, erklärte sie sich bereit, zurückzukehren, erhob aber nun Ansprüche auf Unterhaltszahlung für die Zeit ihrer Abwesenheit vom Haus ihres Mannes. Ihr Argument war, dass der Ehemann, wenn er weiterhin beanspruchte, mit ihr verheiratet zu sein, die Kosten für ihren Unterhalt zurückzahlen müsse, wie es sich für einen Ehemann gehöre. Dem Mann wurde eine gewaltige Summe abverlangt, über deren endgültige Höhe sie noch verhandelten, als ich sie vor Gericht traf.

Fallbeispiele 1: Unterhaltsstrategien von Frauen

Fall 1 Der erste Fall betrifft eine Frau, die eine dekorative Bettdecke von einer Freundin gekauft und bezahlt hatte, dann aber ihren Ehemann bat, sie für sie zu kaufen. Der Ehemann erklärte sich bereit, sie auf Kredit zu kaufen, da er gerade kein Geld hatte. Sie sagte ihm, sie werde die Eigentümerin ansprechen, und informierte ihn einen Tag später, diese sei einverstanden. Sie erwartete, dass ihr Mann binnen eines Monats die Bettdecke bezahlen würde, was für sie eine Erstattung ihres Geldes bedeuten würde. Wenn er nicht zahlen würde, würde sie ihre Freundin veranlassen, eine Kind zu ihm zu schicken, um ihn an seine Schuld zu erinnern und ihn so unter Druck setzen, zu zahlen.

Fall 2 Ich beobachtete, wie eine Frau ein Mädchen zu ihrem Ehemann schickte (der sich außer Hause befand, vermutlich in der Nachbarschaft), um Geld für den Kauf von Johannisbrot (eine Suppenzutat) zu kassieren. Das Mädchen kam zurück und berichtete, er sage, er habe kein Geld. Die Frau sandte das Mädchen erneut zu ihm, um ihm zu erklären, sie habe auch kein Geld, würde aber zur Nachbarin schicken, um das Johannisbrot von ihr auf Kredit zu bekommen. Sie hatte es aber schon längst selbst gekauft; ich hatte sogar die ganze Zeit gewartet, dass sie mit dem Stampfen des Johannisbrots fertig würde, um sie interviewen zu können. Als ich das Thema ansprach, bestätigte sie den Kauf und erklärte, dass Männer, wenn sie wüssten, dass ihre Frauen Geld hätten, für viele Dinge nicht zahlen würden; sie würden erwarten, dass die Frauen zahlen.

Fall 3 Ein verwandter Fall betraf eine der wenigen Frauen, die zur Zeit der Datensammlung keiner einkommensschaffenden Beschäftigung nachging. Sie erklärte, wann immer sie einer solchen nachgehe und deshalb Geld habe, trage ihr Ehemann kaum etwas zur Versorgung des Haushalts bei, im anderen Fall aber, wenn sie kein Geld habe, sorge er für den Unterhalt. Deshalb nehme sie nur unregelmäßig einkommensschaffende Tätigkeiten auf - dann, wenn sie einmal Geld brauche.

Sex

Sex ist der zweite grundlegend wichtige Anspruch in einer Ehe, und fehlender oder nicht ausreichender Sex ist Grund genug für eine Scheidung. Sex ist eine Quelle der Macht von Frauen gegen ihre Männer im Rahmen ihrer Haushaltsstrategien. Nahezu alle Frauen gaben an, Sex zu benutzen, um die Entscheidungen ihrer Männer in wichtigen Fragen zu beeinflussen. In einer Diskussion darüber, wie die Frauen ihre Männer dazu brächten, ihren Wünschen nachzugeben, sagte eine Frau: "Eine Frau kennt den Weg. Er ist, ihn zu befriedigen." Als ich weiter insistierte fuhr sie zögerlich fort: "Wenn ich den Augenkontakt mit ihm vermeide und ihm das verweigere, was ich ihm normalerweise in der Nacht gebe, wird er verstehen und nach einem Kompromiss suchen." In einem anderen Gruppeninterview sagte eine Frau: "Mit ihrem Ding (ihrem Geschlechtsteil) istdie beste Methode einer Frau, ihren Ärger über eine Entscheidung eines Mannes zu zeigen, sich zu verweigern; dann wird er sie noch mal überdenken." In ähnlicher Weise erwähnten in einer Diskussion mit älteren Frauen über die Bevorzugung von Co-Frauen bei ihren Ehemännern zwei von ihnen die sexuelle Macht der Frauen. Eine sagte:

"Ob eine Frau bevorzugt wird, hängt davon ab, wie süß sie ist. Wenn wir sehen, dass ein Mann eine seiner Frauen bevorzugt, sei es, dass sie mehr an Zutaten bekommt, wenn sie mit dem Kochen an der Reihe ist, sei es dass er immer nur sie sucht, dann kennen wir älteren Frauen den Grund. Natürlich kennen wir ihn, ich schwöre, wir kennen ihn, aber wir halten den Mund. Frauen sind verschieden, manche schmecken nach Honig, manche nach gar nichts. Und wenn es zu solchen Geschichten kommt, sind die Männer wie die Kinder, sie suchen das, was süß ist."

Dass Sex als Verhandlungsinstrument genutzt wird, konnten wir auch bei Gericht beobachten. Frauen benutzen Impotenz des Mannes oder unzureichenden Sex als Grund, um vom Alkali die Scheidung zu erlangen wie auch um etwas auszuhandeln. Bei einem unserer Besuche vor Gericht wurden wir Zeugen eines Falles, den eine Frau vorgebracht hatte, um einen Kompromiss mit ihrem Gatten über Sex auszuhandeln; er wird in Kasten 2 dargestellt. Einen Fall durch den Gang vor Gericht öffentlich zu machen, kann den Ehemann zum Kompromiss zwingen oder durch den Richter dazu zwingen lassen. Im gegebenen Fall gelang es der Frau durch den Gang vor Gericht, das absolute Recht des Gatten in punkto Sex zu beschneiden.

Fallbeispiele 2: Verhandlungen über Sex

Eine Frau brachte vor Gericht eine Klage vor, ihr Mann verlange zu häufig Sex von ihr, was sie nicht länger ertragen könne. Vor Gericht zitiert bestätigte der Mann die Angaben der Frau. Weder er noch sie wünschten jedoch eine Auflösung der Ehe, deshalb musste der Richter vermitteln. Der Richter fragte die Frau, wie viel Mal Geschlechtsverkehr am Tag sie maximal ertragen könne. Sie sagte ein Mal pro Tag. Der Gatte wurde gefragt, ob er das Angebot seiner Frau annehmen könne. Er lehnte ab, erklärte sich aber bereit, sieben statt zehn Mal täglich zu akzeptieren. Nach zwei Wochen Verhandlung vor Gericht kam das Paar zu einem Kompromiss von maximal vier Mal täglich.

Das Vorstehende illustriert, wie Frauen ihre Haushaltsstrategien ins Gerichtssystem hineintragen und dadurch ihre Ehemänner zwingen, bestimmte Kompromisse zu machen. Wie aber wird die Ausweitung der Sharia die Beteiligung der Frauen am Gerichtssystem beeinflussen?

Frauen als Akteurinnen und Opfer der (neuen) Sharia-Gerichte?

Im Gefolge der Ausweitung der Sharia auf das Strafrecht hat man sich Sorgen gemacht um deren Auswirkungen auf die Frauen und die Verletzlichen allgemein. Dies betrifft vor allem den Bereich der durch das Rechtssystem geregelten sozialen Beziehungen (muamalat). Der Teil der muamalat-Vorschriften, der Frauen am stärksten betrifft, ist der der Kriminalisierung der "Unzucht" unter Strafe der Steinigung. Die Gender-Dimension bei der Anwendung des Gesetzes ist offensichtlich angesichts der Themen, die dadurch angesprochen sind und der Fälle, die bisher vor den Sharia-Gerichten behandelt wurden:

1. Schwangerschaft wird ohne Berücksichtigung der Umstände (Vergewaltigung!) als Beweis für Unzucht angesehen.
2. In einer Gesellschaft, in der Verhökern von Waren durch junge Mädchen der Armut wegen die Regel ist und Mädchen deshalb ständig in Kontakt mit erfahrenen Männern stehen, welche die Armut und Unerfahrenheit der Mädchen ausnützen, um sie zu Sex zu verführen, ist es ungerecht, solche unreifen und benachteiligten Mädchen zu bestrafen, die Männer aber unbehelligt zu lassen.

3. Damit zusammen hängt, dass durch die Anerkennung der Schwangerschaft als Beweis für Unzucht von vornherein feststeht, dass nur Frauen verurteilt werden können, weil nur sie schwanger werden, während die beteiligten Männer straflos ausgehen.

Ebenso wichtig ist die Klassendimension der Anwendung des Gesetzes. Die Sharia trifft die Armen und Verletzlichen. Die meisten der Verurteilten und Bestraften sind arme Leute aus den ländlichen Regionen. Unter der Sharia sind reiche Menschen aufgefordert, Teile ihres Reichtums an die Armen zu verteilen, aber die Regierung erzwingt dies nicht. Beispielsweise hat die zuständige Zakat-Behörde im Staat Sokoto seit ihrer Einrichtung vor drei Jahren in Ermangelung gesetzlicher Grundlagen nicht einmal fünf Millionen Naira (etwa 4 000 Euro) einziehen können. Die Reichen dagegen genießen weiterhin die Patronage durch die Regierung mittels aufgeblähter Regierungsaufträge und Korruption. Nur die Armen wurden vor die Sharia-Gerichte geschleppt. Einem Herrn Jangebe wurde wegen Kuhdiebstahls die Hand abgeschlagen, ohne dass man das Mitgefühl hätte walten lassen, das von einer Führungsperson unter dem islamischen Gesetz verlangt wird. In einer Gesellschaft mit weit verbreiteter Armut ist das Amputationsurteil nach vielen islamischen Vorschriften nicht gerechtfertigt.

Trotz des Klassen- und Gender-Bias bei der Anwendung der Sharia gibt es einige positive Entwicklungen. Die Sharia ist in der Lage, das Trinkverhalten der Ehemänner samt seinen Konsequenzen für die häusliche Gewalt und die Familieneinkommen zu kontrollieren. Weiterhin bestehen Frauen auf ihrem Recht auf Bildung (die Bildungsrate ist sehr niedrig im Staat Sokoto) und verlangen vom Staat, die von der Sharia geforderte Schulpflicht für Frauen durchzusetzen. Ebenso wichtig ist, dass die Alkalis, die in zivilrechtlichen Angelegenheiten wie Eheschließung, Scheidung, Versorgung der Kinder und Erbrecht entscheiden, früher kaum von der Regierung kontrolliert wurden und dies zur Ausbeutung der Frauen nutzten. Die rezente Reform im Rechtssystem vieler dieser Staaten ist insofern eine begrüßenswerte Entwicklung.

Angesichts der Bedeutung von Sex im Rahmen der Haushaltsstrategien könnte die Kriminalisierung von Sex unter Androhung der Todesstrafe die Art und Weise, wie Frauen das Gerichtssystem nützen, beeinflussen. Vor der Ausweitung des islamischen Rechtssystems nahmen Frauen aktiv am Gerichtssystem teil, was Eheangelegenheiten betrifft sogar aktiver als Männer. Können Frauen ihre Ehemänner vor Gericht bringen unter der Anklage, sie hätten außereheliche sexuelle Beziehungen, wo sie doch wissen, dass ein solches Vergehen die Todesstrafe nach sich zieht? Der mögliche Umschlag im Status von Frauen von Akteurinnen im Gerichtssystem zu Opfern lässt sich am besten am Fall Safiya demonstrieren.

Der Fall Safiya Husaini

Der Fall Safiya war der erste und prominenteste einschlägige Sharia-Fall, der im Staat Sokoto verhandelt wurde. Sie ist Mitte dreißig und kommt aus dem ganz abgelegenen Dorf Tungan Tudu. Wie es der Tradition entspricht, wurde sie schon im zarten Alter von neun oder zehn Jahren verheiratet; sie wurde zweimal geschieden und hat Kinder aus ihren früheren Ehen. Nach der Scheidung wurde sie schwanger und gebar ein Mädchen. Die Tatsache ihrer Scheidung und Wiederverheiratung ist in der muslimischen Hausa-Gesellschaft nichts Ungewöhnliches. Die durchschnittliche Häufigkeit liegt bei drei Scheidungen pro Hausa-Frau. Und zwischen Scheidung und Wiederverheiratung fangen einige Frauen Verhältnisse an. Neu war nur die Ausweitung des Sharia-Systems, nach dem auf Ehebruch die Todesstrafe steht (anders als im abgeschafften Strafrecht, in dem er mit einigen Jahren Gefängnis geahndet wurde), sowie das Auftreten von Komitees und Freiwilligen, welche die Einhaltung und Anwendung kontrollieren und überwachen.

Bevor Safiya es realisiert hatte, hatte jemand ihren Fall der Polizei gemeldet. Am 23.12.2000 kamen zwei Polizisten nach Tungan Tudu, um ihren Fall zu untersuchen und am 3.7.2001 wurde gegen sie und ihren Geliebten Yakubu Abubakar vor dem Gwadabawa Local Government Sharia Court Anklage wegen Ehebruchs erhoben. Nach dem Ende der Verhöre wurde Safiya am 9.10.2001 zum Tod durch Steinigung verurteilt und ihr Geliebter wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Am 26.10.2001 legte ein Anwalt beim Sharia Appeal Court Berufung ein, um das Todesurteil rückgängig machen zu lassen. Der Berufung wurde am 18. März stattgegeben und am 25. März wurde Safiya freigelassen.

Nach Durchsicht der Dokumente zu dem Fall aus den beiden Gerichten bleibt kaum ein Zweifel an der Transformation des Status von Frauen - aus bewussten Nutzerinnen und Akteurinnen zu Opfern. Zum ersten brachte die Polizei den Fall Safiya aufgrund von Gerüchten und Hörensagen vor Gericht. Gemäß dem Gerichtsdokument "erhielt die Polizei am 23.12.2000 um 2.00 Uhr nachmittags die Information, dass eine Safiya Husaini mit Yakubu Abubakar Ehebruch begangen habe, sie schwanger sei, und beide inzwischen geheiratet hätten." Die Prozedur, gemäß der der Fall vor Gericht gebracht wurde, war nicht islamisch. Dies bestätigt das Dokument des Sharia Appeal Court: "Die Art und Weise wie Safiya verurteilt wurde, war nicht islamisch. Es ist keiner Führungsperson erlaubt, eine Person auf Grund von Gerüchten wegen Ehebruchs zu verhaften." Dennoch nahm das Gericht die Klage an und verurteilte Safiya zum Tod, ohne zu untersuchen, wer die Information gegeben und welche Belege er der Polizei geliefert hatte oder ob er vielleicht Hintergedanken für die Weitergabe gehabt haben könnte und so weiter.

Tatsächlich war das ganze Urteil fehlerhaft und widersprach der islamischen Ehebruchsgesetzgebung. Es gibt zwei Verfahren, nach denen ein Muslim wegen Ehebruchs verurteilt werden kann. Das erste setzt voraus, dass eine Person sich selbst beschuldigt und freiwillig gesteht, Ehebruch begangen zu haben, das zweite, dass drei Muslime die Beschuldigten zu verschiedenen Zeiten beim Akt beobachtet haben. Im Fall Safiya gab es kein Geständnis von ihrer Seite und keine Information darüber, wer sie gesehen haben wollte und an welchem Ort, welchem Tag, zu welcher Uhrzeit der Ehebruch stattgefunden haben soll. Das Gericht aber kümmerte sich nicht darum und verurteilte sie zum Tod.

Von Bedeutung ist weiterhin, dass Safiya nicht über die Schwere der Strafandrohung für das Vergehen, dessen sie beschuldigt wurde, informiert wurde. Tatsächlich wurde dies während des gesamten Verfahrens vom Gericht niemals klargestellt. Dies wäre aber nötig gewesen, weil das Gesetz gerade erst eingeführt worden war und Safiya auf dem Land lebte, wo die Mehrheit von der Sharia keine Kenntnis hatte. Dies bedeutet eine Verletzung ihrer Rechte gemäß der nigerianischen Verfassung und widerspricht auch einigen Aussagen des Propheten des Islam.

Schließlich wurde es zwar dem mitangeklagten Yakubu erlaubt, seine ursprüngliche Aussage zu der Beschuldigung zurückzuziehen, als er die Schwere des Falles erkannte; Safiya aber konnte dies nicht, weil sie eine Frau war und ein Baby geboren hatte. Tatsächlich erhielt Safiya, wie der Sharia Appeal Court festhält, keine Chance, ihre Aussage zurückzunehmen.

Schluss

Das Vorstehende liefert ein Bild der Interaktion zwischen der Sozialstruktur und dem Handeln von Individuen, wie sie sich gegenseitig stützen. Das Gericht als Teil der Sozialstruktur ist dazu da, die dominierende patriarchalische Ideologie zu erhalten und zu sanktionieren. Unter der neuen Sharia-Ordnung hat sich das Gerichtssystem zu einem Mittel der Kontrolle illegalen Sexualverhaltens von Frauen entwickelt. Die Fähigkeit der Gerichte, sexuelle Unmoral insgesamt zu kontrollieren, wird zunichte gemacht durch den Gender-Bias in den Gerichtsverfahren, in denen Frauen diejenigen sind, die meist alleine verurteilt und bestraft werden für Vergehen, welche von Männern und Frauen gemeinsam begangen werden. Dies geht klar hervor aus den Fällen, die unter der neuen Sharia-Ordnung verhandelt und in denen Männer gegenüber Frauen bevorzugt wurden. Frauen und Männer begehen beispielsweise gemeinsam Ehebruch, aber die Mehrheit derjenigen, die vor Gericht angeklagt und verurteilt werden, sind am Ende gemäß dem Trend und dem Wesen der Gerichtsurteile Frauen. Dennoch besitzen Hausa-Frauen individuell oder kollektiv die Fähigkeit, als soziale Akteurinnen Einfluss auf die sozialen Normen zu nehmen und unabhängig von den bestimmenden Zwängen der Gesellschaft zu handeln. Solches Handeln von Hausa-Frauen hat sich als widersprüchlich dargestellt, insofern es einerseits gerade das Ehesystem unterstützt, welches sie unterdrückt, andererseits aber das System auch zu ihren eigenen Gunsten ausbeutet. Es ist diese Fähigkeit, sich sowohl zu unterwerfen als auch den eigenen Vorteil zu wahren, welche das Handeln der Frauen trotz aller gesellschaftlichen Zwänge unvorhersehbar und deshalb umso interessanter macht.

Aus dem Englischen übersetzt von Gerhard Hauck

Tabellen

Tab. 1: Gründe von Männern und Frauen für die Anrufung der Gerichte

Gründe Geschlecht Summe
weiblich männlich
Unterhalt/Zahlungen1.036 (54%) 172 (44%) 1.208
Misshandlung 356 (19%) 0 (0%) 356
Beschuldigung 113 (6%) 0 (0%) 113
Bestätigung 127 (7%) 0 (0%) 127
Sexuelles 95 (5%) 0 (0%) 95
Verlassen 47 (2%) 0 (0%) 47
Emotionale Gründe 44 (2%) 0 (0%) 44
Krankheit 38 (2%) 0 (0%) 38
Religiöses 38 (2%) 0 (0%) 38
Rückkehr der Gattin 0 (0%) 208 (53%) 208
Andere 41 (2%) 9 (2%) 50
Summe 1.913 (100%) 389 (100%) 2.302

Quelle: Bezirksgerichtshöfe von Sokoto und Kware 1998

Tab. 2: Der Zweck des Gangs zum Gericht bei Männern und Frauen

Geschlecht Zweck Summe
Scheidung Nicht-Scheidung
weiblich 1.350 (99%) 63 (60%) 1913
männlich 10 (1%) 379 (40%) 389
Summe 1.360 (100%) 942 (100%) 2.302

Quelle: Bezirksgerichtshöfe von Sokoto und Kware 1998 (Die Prozentangaben beziehen sich auf die Spalten).

Anmerkungen

* Anm. d. Übers.: Aus drei Regionen zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit wurden erst 9, dann 12, dann 18, schließlich 36 Bundesstaaten.

1 Muslimische Hausa-Frauen sind keine homogene Gruppe. Sie können grob in zwei Gruppen unterteilt werden: der Seklusion (Abschließung in den Haushalt) unterliegende und ihr nicht unterliegende. Andere Unterschiede, etwa solche der Erziehung, des Vermögens oder des Wohnorts (städtisch oder ländlich) stehen quer zu dieser groben Unterteilung. Wegen der Seklusion verrichten die sekludierten Frauen all ihre Aktivitäten im Innern des Hauses. Die zweite Gruppe bilden die, die außerhalb des Hauses beschäftigt sind. Die Mehrheit der Hausa-Frauen gehört zur ersten Kategorie; die Analyse in diesem Aufsatz bezieht sich in erster Linie auf sie.

2 Die Mehrheit der Muslime im Norden verlangte teils aus religiösen Gründen teils aus Unzufriedenheit mit dem nigerianischen Regierungssystem bei jeder Verfassungsreform die Wiedereinführung der "vollen" Sharia. Viele Muslime sehen Sharia als einen Ausweg aus Korruption, Armut, Sittenverfall und anderen Lastern (Singer 2001). Einer von Singers Informanten sagte: "Sharia würde für die Bedürftigen sorgen"; ein anderer: "Früher gab es keine Gerechtigkeit, die bösen Menschen waren frei. Die Polizei tat nichts. Heute, mit der Sharia, haben die bösen Menschen Angst". Bis vor kurzem wurden derartige Forderungen niemals erfüllt. Weniger alsein Jahr nach der Rückkehr zur Demokratie (1999 - d. Ü.) erklärte der Staat Zamfara Sharia zum Teil des Rechtssystems; 11 weitere Staaten mit einer Gesamtbevölkerung von 34 Millionen folgten.

3 Der zweite Bezirksgerichtshof war 1990 bei einem gewaltsamen Konflikt über die Einsetzung des Sultans in Brand gesteckt und anschließend zeitweilig nach Kware, einer Stadt in 20 km Entfernung von Sokoto verlegt worden.

4 Die meisten Rückzahlungsfälle gehen von Männern aus, die Rückzahlung ihrer Ausgaben in der Zeit der Brautwerbung geltend machen, wenn die Frau sich weigerte, sie zu heiraten.

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Anschrift der Autorin Fatima L. Adamu fladamuy@yahoo.com