100 Jahre ADAC-Lobby

Die Automobilmachung der 15 Millionen. Achsen des Bösen laufen wie geschmiert

Mit der Sonderbriefmarke "100 Jahre ADAC" feiert nicht der älteste Autoklub Geburtstag. Das ist der 1899 gegründete AvD...

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Mit der Sonderbriefmarke "100 Jahre ADAC" feiert nicht der älteste Autoklub Geburtstag. Das ist der 1899 gegründete AvD, "Automobilclub von Deutschland". Jedoch wurde der ADAC mit 14,6 Millionen Mitgliedern der größte Europas und nach dem amerikanischen und dem japanischen der drittgrößte der Welt. "Gelbe Engel" leisten dreieinhalb Millionen Mal jährlich Pannenhilfe und bekommen 84 Prozent der Pannenfahrzeug wieder flott. Millionen sind am Straßenrand dem Verein beigetreten, um diese Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen.

Aber der ADAC ist mehr als nur eine nützliche Einrichtung, die auch Autos testet, Karten verkauft, Tourenpläne erstellt oder Schneeketten verleiht. Der "Autofahrer-dürfen-alles-Club" ist die Lobby jener Mitbürger, die am liebsten sowohl einen Autobahnzubringer als auch eine Spielstraße direkt vor ihrer Haustür hätten. Nicht zuletzt wäre die deutsche Autoindustrie ohne ADAC-Hilfestellung kein Global Player. Den Welt-, d.h. Individualverkehr-Untergang erschaute das Klubmitglied anno 1973, als während der Ölkrise die Autonarrenversion grundgesetzlich garantierter Freizügigkeit durch Sonntagsfahrverbote eingeschränkt wurde: Alle Räder stehen still - was der ADAC nicht will.

Am 24. Mai 1903 wurde von 25 Bikern in Stuttgart der Klub gegründet, um "die großen Vorzüge des Motorrades in öffentlichen Concurrenzen vor aller Welt zu demonstrieren"; 1911 rückte das Auto ins Zentrum. Man setzte sich für den Motorradeinsatz in der Armee ein. 1912 stellte der ADAC die ersten Verkehrsschilder auf: "Bitte Rechts fahren! Links überholen!" Was hielten die Nationalsozialisten davon?

Am 27. April 1933 schrieb der Chef des SA-Kraftfahrerwesens Hühnlein dem Führeradjutanten Brückner: "Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie... noch Mitglied des A. D. A. C. geworden sind. Ich bekämpfe die Leute ja nicht - schon wegen des Führers nicht - zu einer Unterstützung des Klubs kann ich aber die Hand nicht reichen. Die aktive Jugend strömt zu uns. Da ich ihnen die kalte Schulter zeige, versuchen sie, sich beim Führer und seiner Umgebung einzuhalten, hausieren mit der Mitgliedschaft des Führers in aufdringlichster Weise und suchen so ihre Mitglieder bei der Stange zu halten." Das ADAC-Präsidium wurde von Hitler "zu einer längeren Unterredung" empfangen und war zufrieden. In Konkurrenz zum NSKK senkte man am 21. Juli 1933 den Mitgliedsbeitrag um ein Drittel, "um damit der ADAC-Werbetätigkeit erneuten Auftrieb zu geben".

Das "Nationalsozialistische Kraftfahrer-Korps" blieb privilegiert. Umorganisiert in DDAC ist "Der Deutsche Automobil-Club" aber im Jahrbuch der Nazi-Akademie für Deutsches Recht 1936 mit dem Beitrag "Die Eingliederung des Kraftfahrers in die Verkehrsgemeinschaft" vertreten ("Die Förderung des Kraftfahrzeugverkehrs ist das vom Führer und Reichskanzler gewiesene Ziel"). Interessengleichheit vermerkte der ADAC vor 50 Jahren in seiner Jubiläumsschrift: "Wenn... Reichskanzler Adolf Hitler eine Abkehr von der bisherigen verfehlten Kraftfahrzeugsteuerpolitik des Reiches ankündigte, so ist es verständlich, wenn ein Aufatmen durch die Reihen der Kraftfahrer ging". Leni Riefenstahl: "Ich war nie in der Partei, sondern nur im ADAC". Und mit dem ADAC-"Schutzbrief" traute sich der Deutsche auch wieder allein auf vier Rädern in fremde Länder.

Das ADAC-"Manifest der Kraftfahrt" von 1965 wiederholt die Volkswagen-Programmatik Hitlers: "Das Automobil ist ein Gebrauchsgegenstand für jedermann zur Befriedigung von Alltagsbedürfnissen." Der erste Satz des Manifestes mündet im Lob "weitblickender Männer", die die Automobilmachung Alltag werden ließen. Allmählich entdeckten die "Mobilitäts-Dienstleister" auch die Frauen. Immerhin drehten Frauen die Achsen des Bösen 1888 in Mannheim und 1990 in Riad: Berta Benz half dem Auto kommerziell zum Durchbruch, indem sie den von ihrem Mann entwickelten Wagen von Mannheim nach Pforzheim steuerte; nach einem Autokonvoi von 70 Araberinnen verboten die den USA-Patentdemokraten freundschaftlich verbundenen Herrscher Saudi-Arabiens Frauen gesetzlich das Autofahren - sechs Professorinnen, die das Frauenfahrrecht forderten, wurde die Lehrbefugnis entzogen.

"Die Arbeiter werden einst auf eigenen Wagen fahren und mit eigenen Schiffen die Meere durchkreuzen", prophezeite die SPD 1904. Freie Fahrt für freie Bürger, getreu diesem Motto läutete der ADAC bereits im September 1988 mit 40 Straßenwachtwagen auf DDR-Territorium den Untergang des Trabbi-und-Wartburg-Staats ein: Volkspolizeiautos und mobile ADAC-Werkstätten mit als Fahrer abkommandierten Werktätigen der Verkehrskombinate rollen SeitÂ’ an SeitÂ’, und die alten Motoren klingen - mit ihnen zog die neue Zeit, die Wiedervereinigung auf deutscher Autobahn.