Lauschangriff auf Bayrisch

TrägerInnen von Berufsgeheimnissen haben es derzeit schwer. Ende Juni 2004 wollte Bundesjustizministerin Zypries in einem Gesetzentwurf, ...

TrägerInnen von Berufsgeheimnissen haben es derzeit schwer. Ende Juni 2004 wollte Bundesjustizministerin Zypries in einem Gesetzentwurf, der eigentlich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Großen Lauschangriff (vgl. Mushoff, Forum Recht 2003, 88 ff) umsetzen sollte, diesen auch gegen ÄrztInnen, AnwältInnen, Geistliche und JournalistInnen zulassen. Der Entwurf wurde aufgrund massiver Prosteste der betroffenen Berufsverbände von den Regierungsfraktionen gestoppt.
Ähnliches hatte Bayerns Innenminister Beckstein bereits im Frühjahr 2004 vor: Eine Novelle des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) sollte die Überwachungsbefugnisse der bayerischen Polizei deutlich ausweiten, u.a. auf TrägerInnen von Berufsgeheimnissen. Nach dem Urteil des BVerfG und lautstarkem Widerstand der Berufsverbände wurde der Gesetzentwurf wieder zurückgezogen. Ein neuer Anlauf zur PAG-Novelle steht aber nunmehr kurz vor der Verabschiedung. Ihr zentraler Inhalt ist die Befugnis zum präventiven Abhören jeglicher Kommunikation - gleich ob per Telefon, Mobiltelefon, Fax, E-Mail oder SMS.
Voraussetzung dafür soll lediglich eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit sein, ein konkreter Tatverdacht gegen die abzuhörende Person ist nicht erforderlich. Damit wird völlig unverhältnismäßig in die Freiheitsrechte Unbeteiligter eingegriffen. Um die aufgebrachten Berufsverbände zu beruhigen, sind nach dem jetzigen Entwurf GeheimnisträgerInnen von Abhörmaßnahmen ausgenommen. Die geplanten Änderungen laufen dennoch eklatant den Vorgaben des BVerfG im Lauschangriff-Urteil zuwider. Das Urteil betrifft zwar das Abhören zu repressiven Zwecken, die vom BVerfG entwickelten Grundsätze wirken sich aber auch auf das präventive Abhören aus.
Neben der Befugnis zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs sieht der Entwurf erweiterte Mitwirkungspflichten von Telekommunikationsanbietern vor. Diese müssen u.a. Verbindungsdaten an die Polizei herausgeben. Außerdem sieht der Entwurf die Identifikation und Lokalisierung von Telekommunikationsteilnehmern durch die Polizei mittels technischer Geräte wie dem IMSI-Catcher vor und ferner die Befugnis, in besonderen Fällen Telekommunikationsverbindungen zu unterbrechen oder zu verhindern.
Schließlich soll durch die PAG-Novelle der verdeckte Einsatz automatisierter Systeme für die Erkennung und den Abgleich von Kfz-Kennzeichen legalisiert werden, die bereits seit Anfang 2004 an bayerischen Grenzübergängen zu Österreich und zur Slowakei erprobt werden. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist der Einsatz dieser Systeme mehr als fragwürdig. Das wird die satte CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag aber kaum stören.

Tanja Nitschke, Karlsruhe/Nürnberg

Gesetzentwurf: www.stmi.bayern.de