Konzentrationsprozesse im Mediensektor

Seit einiger Zeit arbeitet die "rot-grüne" Bundesregierung daran, die bestehenden Regelungen zur Pressefusionskontrolle zu novellieren: Faktisch heißt dies, sie zu lockern.

Seit einiger Zeit arbeitet die "rot-grüne" Bundesregierung daran, die bestehenden Regelungen zur Pressefusionskontrolle zu novellieren: Faktisch heißt dies, sie zu lockern. Was bedeutet dies in der gegebenen Mediensituation und wie sind die neuesten Entwicklungen einzuordnen? Voraussetzung jeder demokratischen Medienpolitik muss das Bekenntnis sein, dass Medien konstitutiv für westlich-demokratische Systeme sind. Ihre Aufgabe ist es, staatliches Handeln kritisch zu begleiten, sie sollen die Staatsbürger objektiv und hintergründig informieren und eine Vielfalt von Meinungen repräsentieren. Das Bundesverfassungsgericht hat diesem Anliegen höchste Weihen erteilt, Aufgabe der Medienpolitik sei es "die Verhinderung des Entstehens vorherrschender Meinungsmacht" (im sog. Vierten Rundfunkurteil 1986) sicherzustellen.
Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick zu aktuellen Entwicklungen. Er beginnt damit, die Bedeutung des Mediensektors innerhalb der gesamten Ökonomie zu umreißen und betont darauf spezifische Besonderheiten, die sich aus der Geschäftspraxis und den Marktkonditionen von Medienunternehmen ergeben. Die derzeitige Konzentrationssituation in Deutschland wird umrissen, aktuelle Tendenzen angesprochen. Schließlich wird die bestehende Situation in der Konzentrationskontrolle beschrieben und ein Ausblick auf geplante und notwendige Veränderungen gegeben.
1. Medienwirtschaft: Was ist das eigentlich?
Wir haben uns daran gewöhnt, von Medienkonzernen zu sprechen, wenn wir von den großen der Branche wie Bertelsmann oder Springer sprechen. Tatsächlich ist die Medienwirtschaft recht vielfältig organisiert. Zwar können von der Axel Springer Verlag AG Aktien erworben werden, gleichwohl befindet sich dieses wie die meisten anderen Unternehmen unter der Kontrolle der namensgebenden Familie (Springer, Bauer, Burda, Holtzbrinck), bei Bertelsmann ist es die Mohn-Famlie. Auf Medienmärkten tummeln sich aber auch Anbieter wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser, die juristisch gesehen, auf einer (eigentlich antiquierten) "Anstalts"-Verfassung beruhen und damit ganz sicher keine Unternehmen darstellen (auch wenn dies mitunter von ihnen und anderen behauptet wird). Andere Anbieter wie die (ehemals) alternative tageszeitung sind genossenschaftlich geprägt. Schließlich finden wir auch zivilgesellschaftliche Medienträgerschaft, etwa die Trägervereine, die nicht-kommerzielle Lokalradios oder Offene Kanäle betreiben.
Diese begrüßenswerte Vielfalt überdeckt allerdings die Tatsache, dass die meisten und vor allem die reichweitenstärksten Angebote der Republik aus ganz wenigen, großen, häufig diversifizierten Unternehmen stammen. Um dies an einem Beispiel zu erläutern: Der gesamte privat-kommerzielle Teil des Fernsehens wird von zwei "Senderfamilien" (was für ein Begriff von Familie!), faktisch zwei Unternehmen kontrolliert, die jeweils ein ganzes Bündel von TV-Kanälen ihr Eigen nennen und gemeinsam den Werbemarkt zu ca. 90 % unter sich aufteilen. Die RTL-Familie zählt mehrheitlich zum Bertelsmann-Konzern, dem größten Medienkonzern Europas und einer der fünf weltweit tätigen "Player". Die zweite Sendefamilie Pro7Sat1 hatte der Medienkönig Leo Kirch aufgebaut, allerdings mit seiner verfehlter Geschäftspolitik in den Konkurs getrieben. Heute wird dieser Teil des Kirchschen Imperiums durch amerikanische Investoren unter Führung von Heim Saban kontrolliert, einen zweistelligen Prozent-Anteil hält aber auch der Springer Verlag. Bei letzterem handelt es sich um das größte Pressehaus Europas, das auf dem deutschen Zeitungsmarkt nahezu ein Viertel aller Publikationen herausgibt. Es handelt sich hier also durchgängig um große, marktmächtige Akteure. Auch wenn sie sich im Konzert anderer Großunternehmen eher klein ausmachen: Nach der WELT-Rangliste rangiert Bertelsmann auf Position 21 der größten Unternehmen, Springer auf 185 und die Pro7Sat1 bringt es auf Platz 272 (Zahlen von 2001).
Medien werden als machtvoll und einflussreich wahrgenommen, weil sie am Markt für Meinungen agieren. Weil sie aber eigentlich eher mittelgroße Familienunternehmen darstellen, sind sie vor Aufkäufen nicht gefeit. Darum wird es für die wirklich starken Großunternehmen immer interessanter, zusätzlich in den Medienbereich zu investieren. In den USA zählen die das TV-Networks, deren Nachrichten die Meinungsführerschaft im Lande innehaben, allesamt zu größeren Unternehmen. NBC wird von dem gigantischen Konglomeratunternehmen General Electric kontrolliert, CBS vom Viacom, ABC von Disney, CNN von Time Warner und Fox von Murdoch. Die vier letztgenannten zählen zusammen mit Bertelsmann zu den fünf großen Global Players im Medienbereich. In Frankreich liegen die beiden größten Mediengruppen in der Hand von Rüstungskonzernen. Auf die Spitze getrieben erscheint die Situation in Silvio Berlusconis Italien, wo der reichste Geschäftsmann des Landes auch die größte Ansammlung von Medien kontrolliert und als Ministerpräsident die Gesetzgebung und sogar die Besetzung von Konkurrenzorganisationen wie der RAI mitbestimmen kann. Die Beispiele machen deutlich, dass der Mediensektor nicht als Wirtschaftsbranche wie jede andere betrachtet werden darf. Hier geht es niemals allein um unternehmerische Tätigkeit, sondern immer auch um Instrumente zur Kontrolle politischer Macht. Dies soll eigentlich im Sinne der Bürger als "Vierte Gewalt" geschehen, dient aber allzu oft wirtschaftlichen Mächten zur Durchsetzung eigener Interessen.
2. Die besonderen Gesetzmäßigkeiten der Medienökonomie
Ein spezifisches Problem der Medienindustrie ist, dass ihr eigentümliche Gesetze einer "Economics of Scale" gelten, zu deutsch: Größenvorteile. Die bedeuten, dass die Stückkosten der Produktion mit steigender Betriebsgröße sinken. In anderen Worten: Größe am Markt wird gegenüber Kleinheit extrem belohnt. Dies beruht darauf, dass der Betrieb einer leistungsfähigen Redaktion unabhängig von der Auflage hohe feste Kosten erzeugt, während das eigentliche Produkt, etwa die Zeitung aus bedrucktem Papier, kaum etwas kostet. Wer der großen Marktanteil hat, gewinnt, der kleine Konkurrent oder ein Herausforderer werden erdrückt und verlieren schließlich. Deswegen sind auch Neugründungen fast nie erfolgreich.
Daraus resultiert eine zerstörerische Tendenz zur Konzentration, aus ehemals kleinen Unternehmen werden wenige zu verzweigten Konzernen, der Rest verschwindet vom Markt. Die Richtung dieser Expansion kann in verschiedene Richtungen weisen:
1 Horizontales Wachstum erfolgt, wenn ein Unternehmen auf seinem angestammten Markt expandiert, aufkauft oder mit auf demselben Markt arbeitenden Unternehmen fusioniert. Horizontales Wachstum führt zu marktbeherrschenden Positionen ist deshalb erster Angriffspunkt von Konzentrationskontrollen.
2 Vertikales Wachstum erfolgt entweder "vorwärts" oder "rückwärts" in die jeweils nächste Stufe der Versorgungskette. Ein typisch vertikal integriertes Unternehmen spannt seine Tätigkeit von der Produktion von Medieninhalten bis zur Distribution an den Konsumenten. Diese Form der Expansion ist weniger konzentrationsrelevant, da nicht Marktbeherrschung in Vordergrund steht, sondern die Verminderung von Transaktionskosten.
3 Diagonales Wachstum erfolgt, wenn ein Unternehmen in neue, bisher nicht versorgte Geschäftsfelder expandiert oder Unternehmen mit unterschiedlicher Branchenorientierung miteinander fusionieren. Printmedien streben in den elektronischen Medienbereich; Medienunternehmen liieren sich in Erwartung der digitalen Konvergenz mit Telekommunikationsanbietern etc. Auch dieses Wachstum ist konzentrationspolitisch weniger problematisch.
4 Transnationales Wachstum ist dann zu erwarten, wenn die Märkte in einem Land dicht besetzt sind oder nationale Konzentrationskontrollen eine weitere Expansion unmöglich machen. Dann tendiert ein Medienunternehmen dazu, seine Expertise zum Einstieg in weitere nationale Märkte zu nutzen, durch Aufkauf, Fusion, Lizenzierung oder Joint Venture. Diese Form horizontaler Expansion schafft Konzentrationsprobleme auf anderen nationalen Märkten oder auch im größeren Raum, etwa auf europäischer oder globaler Ebene
Diese Auflistung sollte nicht so verstanden werden, dass ein "Empire Building" allein in der Dynamik der Märkte angelegt ist. Auch wenn diese Tendenz als objektive Tendenz vorhanden ist, so darf der subjektive, der menschliche Faktor nicht übersehen werden, ohne den wirtschaftliches Handeln nicht auskommt. Ein solcher Faktor sind die zahlreich vertretenen "Medienmogule" in dieser Branche, also Einzelpersonen als Unternehmer, die - in Zeiten der anonymen Aktiengesellschaften die Ausnahme - eine umfassende Kontrolle über ihr Unternehmen ausüben. Der bekannteste Mogul ist sicherlich der in Australien geborene, heute vor allem aus den USA agierende Rupert Murdoch mit seiner News Corporation, einer der Global Players mit Aktivitäten auf allen fünf Kontinenten.
3. Konzentrationspolitik in Deutschland
Normativ gesehen ist es Aufgabe der Politik sicherzustellen, dass eine möglichst vielfältige Medienlandschaft besteht, in der vom Staat, von wirtschaftlichen Interessen und auch voneinander unabhängige Informationskanäle zur Verfügung stehen. Die wichtigste Sicherung in dieser Hinsicht stellt die Existenz eines Public Service-Rundfunksystems im Rahmen einer dualen Struktur dar, wobei Voraussetzung ist, das sich die Anbieter beider Säulen nach Art der Organisation, der Finanzierung, der Kontrollstruktur und der Programmaufträge fundamental unterscheiden. Selbst wenn es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Prozesse der Selbstanpassung an kommerzialisierte Umwelten gab, ist dies nach wie vor der wichtigste Beitrag zu einer Konzentrationspolitik - die natürlich eine Anti-Konzentrationspolitik sein muss.
Ein weiteres Moment stellen Bestimmungen im Rundfunkstaatsvertrag dar, denen zufolge kein Anbieter mit seinem Angebot den Zuschaueranteil von 30% überschreiten soll. Eine zu diesem Zweck errichtete Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) soll begleitend Daten liefern, um Einschreiten zu können. Faktisch handelt es sich vor allem um symbolische Politik, weil die beiden oben genannten Senderfamilien unter der konzentrationsrechtlich relevanten Zuschauergrenze von 30 % liegen, außerdem das Instrumentarium zu Bekämpfung wenig durchsetzungsfähig erscheint. Immerhin wird dokumentiert, dass im Medienbereich spezielle Rahmenbedingungen herrschen und Konzentrationsbekämpfung eine staatliche Aufgabe darstellt.
Schon in den 60 er und 70er Jahren war eine Welle des Zeitungssterbens durch das Land gegangen und es waren erste Zeitungsketten entstanden. 1976 erfolgte, als Antwort auf diese Tendenzen, eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen dahingehend, dass die meisten Übernahmen und Beteiligungen an Presseunternehmen ab 25 % Kapitalanteil dem Bundeskartellamt mitgeteilt werden müssen, welches darauf seine Zustimmung zu geben hat. Diese Bestimmung konnte nur begrenzte Wirkung erzielen, weil internes Wachstum der Pressehäuser nicht tangiert war (Gründung neuer Verlagsobjekte), gleichwohl wurde effektiv eine weitere Expansion der Großen in der Branche gedämpft, Die Axel Springer AG liegt - nicht zuletzt wegen dieser Bestimmungen - seit Jahren bei einem Anteil von etwa 23 % auf dem Tageszeitungsmarkt (2004: 22,7),der Zweitplatzierte WAZ bei 6,0%, die Gruppe um die Stuttgarter Zeitung bei 5,0 %. Diese Globalzahlen sagen allerdings noch nichts aus über die Verhältnisse auf Einzelmärkten, so monopolisiert Springer mit über 80 % Anteil den Markt für Sonntagsanzeigen. Am bedrückendsten sieht es bei der großen Mehrzahl der lokalen Zeitungsmärkte aus, über 60 % der deutschen Zeitungskreise werden von einer Monopolzeitung beherrscht, die in vielen Fällen einem Kettenunternehmen (das weitere Zeitungen hält) zugehört. Selbst in einer Millionenmetropole wie Hamburg mit mehreren Zeitungen verfügt ein Haus (Springer) mit seinen Blättern über einen Marktanteil von über 80 %, dazu kommen Beteiligungen an dem führenden Radiosender RHH und dem Ballungsraum-TV HH1. Weniger bedrohlich sieht es auf dem nationalen Markt für Zeitschriften aus, allerdings haben auch hier die vier größten Häuser (Bauer, Springer, Burda, Gruner + Jahr) einen gemeinsamen Marktanteil von über 60 % und Bauer allein erreicht über 23 % (2002).
Nach dem New Economy-Crash von 2001 sind die Werbeumsätze - von denen die Zeitungen zu etwa Zweidritteln abhängen - massiv zurückgegangen und erholen sich erst allmählich. Dies brachte vor allem kleinere Zeitungen in Schwierigkeiten, aber auch große Blätter wie die FAZ, die Süddeutsche und die Frankfurter Rundschau (bei der inzwischen die SPD einstieg). Vor allem kleine Lokalblätter, die bisher noch nicht in Ketten integriert sind, stehen zum Verkauf. Die Medienkonzerne, welche die Verluste der Krise schnell abpuffern konnten, würden gern zulangen, treffen aber schnell an die geschilderten Grenzen. Von ihnen geht deshalb die Initiative aus, die bestehenden Bestimmungen zu lockern. Begleitmusik dazu lieferte der besonders umkämpfte Berliner Zeitungsmarkt, wo das Haus Holtzbrinck, das bereits den Tagesspiegel besitzt, erklärte, die Berliner Zeitung aufkaufen zu wollen. Als Hauptgegner trat dort der Springer Verlag auf, mit seinen Zeitungen derzeit noch Platzhirsch, der seine dominierende Rolle mit Gegendrohungen zu sichern suchte. So ließ er durchklingen, er werde die WELT einstellen..
Die Bundesregierung und vor allem ihr sehr wirtschaftsfreundlicher Minister Wolfgang Clement hatte den unter Zuhilfenahme der publizistischen Möglichkeiten der beteiligten Häuser ausgetragenen Streit zu entscheiden. Sie zeigte, da sie zwei große Medienhäuser unter Druck setzten, wenig Neigung, eine klare Entscheidung zu treffen. Strittig war u.a., ob nach geltendem Recht die Übernahme durch Holtzbrinck rechtens ist. Eine Gesetzesnovellierung könnte hier Klarheit schaffen. Das Haus Springer, das mit seinem Lamento Unruhe stiftete, könnte dadurch versöhnt werden, dass ihm Zukäufe wieder erlaubt sind. Die Lockerungen in der Pressefusionskontrolle würden die Großen größer werden und weitere Kleine verschwinden lassen. Genau so zeigten sich auch die internen Fronten im Zeitungsverlegerverband BDZV: Die Großen plädierten für "Deregulierung", die Kleinen befürworten zum eigenen Schutz den Erhalt gesetzlicher Dämme.
Im Sommer 2004 ist der Stand, dass die Paragraphen 35 bis 38 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (WBG) in der Überarbeitung stehen. Danach sind nur noch größere Fusionen (z.B. ab 50 Mio. EUR) zur Prüfung beim Kartellamt anzumelden. Platzhirsche auf einem Markt können sogar den Konkurrenten kaufen und Anzeigenkooperationen eingehen, wenn bestimmte Minderheitenrechte beachtet werden. Wie das gehen soll, bleibt weitgehend im Unklaren. Marktbeherrschende Positionen bis hin zum Monopol können also dort ausgebaut werden, wo bisher noch Wettbewerb herrscht. Das Kartellamt lehnt diese Deregulierungen ab, der grüne Regierungspartner ebenso. Der Pressevielfalt in der Minderheit von Zeitungskreisen, in denen noch mehr als eine Publikation erscheinen, ist massiv gefährdet.
6.Fazit
In der Medienbranche herrscht weltweit eine ungebrochene Konzentrationstendenz. Deutschland befindet sich hier nur im Mittelfeld, in anderen Staaten ist der Prozess weiter fortgeschritten, etwa in europäischen Kleinstaaten wie Österreich, wo sich etliche Medienkonzerne aus dem benachbarten Deutschland breitgemacht haben. Es sind die jeweils großen Player auf den Medienmärkten, die ihre politische Einflussmacht nutzen, um ihre wirtschaftliche Potenz zu stärken. Der persönlich konservativ gesonnene Medienmogul Murdoch unterstützt in den USA relativ ungeniert die Bush Administration und ihren umstrittenen Irakkrieg mit seinem Fox-Nachrichtenkanal, in Großbritannien verhalf er Toni Blair zur Macht, um damit Kartellmaßnahmen gegen sein Unternehmen abzuwehren. Konzerne und ihre Bosse werden immer ihrem Machtinstinkt folgen und das bedeutet angesichts der speziellen Spielregeln in der Medienökonomie immer mehr monopolistische Markbeherrschung. Politiker wissen, dass sie der Unterstützung der großen Medien bedürfen, deren Attacken und Kampagnen haben sie wenig entgegenzusetzen - was ganz besonders in Wahlkampfzeiten gilt. Also machen sie sich oft viel zu schnell deren Anliegen zu eigen.
Es ist ein Gebot der Stunde, dass sich die Gesellschaft als selbstbewusster Akteur wehrt, weil jeder Bürger in einer Demokratie auf eine leistungsfähige und vielfältige Medienlandschaft bitter angewiesen ist. Jede Begrenzung, die Aufkäufe erschwert, ist deshalb prinzipiell von Vorteil. Dies bedeutet in der gegenwärtigen medienpolitischen Konstellation Deutschlands, dass die bestehende Pressefusionsgesetzgebung nicht aufgeweicht werden darf. Im Gegenteil sind neue, engere Grenzen einzuziehen. Dazu müssen Verfahren zur Zerlegung von Unternehmen, die ihre Marktmacht erkennbar missbräuchlich nutzen, überlegt werden. Weitere Maßnahmen sollten angedacht werden, etwa die steuerliche oder auch direkte Förderung kleiner Anbieter, die andernfalls vom Markt zu verschwinden drohen (Beispiele gibt es in Skandinavien).
Selbstredend ist der Public Service-Bereich als Garant von Autonomie und Vielfalt zu sichern, seine Zukunft darf nicht in Frage gestellt werden. Die Begehrlichkeiten aus der Politik wie aus der Wirtschaft, sich diesen Bereich zunutze zu machen, müssen mit Entschiedenheit abgewehrt werden. Auch die zivilgesellschaftliche Trägerschaft von Medien wirkt der Kommerzialisierung entgegen. Derartige Medien müssen bessere Startchancen erhalten; so ist es ein Unding, dass nicht-kommerzielle Radioanbieter in vielen Landesmediengesetzen diskriminiert, in einzelnen Bundesländern Lizenzvergaben sogar mit unüberwindlichen Hürden versehen werden. Diese bisher beschriebenen, externen Maßnahmen zur Sicherung der für unsere Demokratie konstitutiven Kommunikationsfreiheit sollten um interne ergänzt werden: Hier bieten sich Modelle der inneren Pressefreiheit an (etwa Redaktionsstatute), welche die Abhängigkeit der Kommunikatoren in den Redaktionen von den Eignern des Unternehmens reduzieren und journalistische Spielräume verstärken können.
Wenn es unseren Gesellschaften nicht mehr gelingt, ihre genuinen Belange gegen die immer weiter erstarkenden Medienkonzerne durchzusetzen, wenn sich Politik nicht mehr als Garant von Kommunikationsfreiheit versteht, sondern als verlängerter Arm großer Medienakteure, dann sind allerdings Grundwerte demokratischer Ordnungen in Gefahr. Von der weltweit tätigen NGO Freedom House, beheimatet in New York, die jährlich den Grad der Kommunikationsfreiheit in den Staaten dieser Weltbewertet, kam die Alarmmeldung, dass sich - wie bereits in den letzten Jahren schon - auch 2004 die globale Situation weiter verschlechtert hat. Immer weniger Staaten werden danach noch als vollständig "frei" geführt. Unser Nachbar Italien ist, was die Kommunikationsfreiheit im Lande anbetrifft, gerade von "frei" auf "teilweise frei" zurückgestuft worden, also auf das Niveau typischer Entwicklungsländer. Es ist zu befürchten, dass Vergleichbares uns in Deutschland blühen wird, wenn wir nicht endlich dem Problem der Medienkonzentration die gebührende Aufmerksamkeit widmen.
Zur Vertiefung: Hans J. Kleinsteuber/Barbara Thomaß: "Medienökonomie, Medienkonzerne und Konzentrationskontrolle". In: Klaus-Dieter Altmeppen/Matthias Karmasin, Hrsg.: Medien und Ökonomie, Bd. 2. Wiesbaden, S. 123-158.

Prof. Dr. Hans J. Kleinsteuber, lehrt am Institut fuer Politische Wissenschaft der Universität Hamburg

Der Beitrag ist erschienen in spw 138, Juli/August 2004