Einmal Antisemitismus à la Hohmann, bitte!

Antisemitismus in Deutschland

in (09.05.2004)

Wer meint, es gäbe keinen Antisemitismus außerhalb der rechtsradikalen Szene, muss spätestens nach dem "Fall Hohmann" eines besseren belehrt sein.

Als er gehen musste, war er nicht allein. Nach seiner antisemitischen Rede zum Nationalfeiertag erhielt Hohmann Unterstützung aus CDU bis NPD (vereinzelt sogar SPD). Burschenschaften gaben Pro-Hohmann-Flugblätter heraus und die Junge Union forderte "kritische Solidarität". Ein Zirkel von Unionsmitgliedern um den ehemaligen ZDF-Chefredakteur Fritz Schenk verwirklichte dies gleich in Form einer Solidaritätsinitiative. Beispiele für die breite Unterstützung von Hohmanns Gedankengutes lassen sich leicht finden - so in fast jedem Gästebuch auf lokalen CDU-Homepages, wo etwa der rechte Publizist Eibicht immer wieder schreibt: "Ich klage an! - Martin Hohmann ist unschuldig!" und unkommentiert bleibt. Die Partei selbst wurde erklärtermaßen erst aktiv, als klar war, dass Hohmanns Mitgliedschaft parteischädigend ist. Man wollte erst mal sehen, wie auf die Rede reagiert wird.

Nicht nur Vorurteile gegen Jüdinnen und Juden
Antisemitismus ist die Erklärung des Weltübels durch "den Juden". So war es bei Hohmanns Rede. Er erklärte das "Gespenst des Kommunismus" durch den "bolschewistischen Juden". Da er genau diesem Muster der offensichtlich falschen und verschwörerischen Deutung der Geschichte unterliegt und nichterkannte Ursachen der Dinge auf die JüdInnen projiziert, ist er Antisemit. Es ist die unzulässige Verallgemeinerung von (so das überhaupt der Fall ist) konkreten geschichtlichen Personen auf die Gruppe der JüdInnen. Dieser Gruppe werden per se bestimmte Eigenschaften zugeordnet, ein jüdisches Wesen und eine Erklärung des Übels durch diese Gruppe.
Da offener Antisemitismus in Deutschland historisch "belastet" ist, bedient sich die bürgerliche Rechte stattdessen häufig des so genannten "sekundären Antisemitismus". Der Vorwurf richtet sich nicht mehr offen gegen JüdInnen direkt, sondern wirft ihnen die Ergebnisse des Holocaust als deren eigene Schuld vor: Wegen des Holocaust dürfen wir Deutschen ärgerlicherweise nicht Nation spielen.
Beide Phänomene greifen, wenn sich gemeinsam Bürgerliche bis Rechtsextreme demonstrativ hinter Hohmann stellen. Sie fühlen mit, weil sie sich selbst von einer moralischen Gedankenpolizei überwacht fühlen, die den Naziterror nicht endlich vergessen will. Dann kommen wieder einmal die Schlussstrich-, Maulkorb- und Patriotismusdebatten auf. Einerseits lenken sie vom direkten Antisemitismus ab und andererseits zeigen sie selbst eine Anfälligkeit für antisemitisches Denken.

Erschreckende Zahlen
Umfragen von Emnid, Infratest und Forsa kommen zu Ergebnissen wie: "Negative Einstellungen gegenüber Juden sind in Deutschland weit verbreitet". Danach sind 40 Prozent der Deutschen der Meinung, "dass die Juden einen zu großen Einfluss auf die Weltgeschehnisse ausüben" (Infratest). 23 Prozent der Deutschen lassen sich dem Lager der Deutschen mit latent bis starken antisemitischen Einstellungen zuordnen (Forsa/Stern). Wer meint, dass es "richtigen" Antisemitismus nur bei Rechtsextremen gibt, verschließt die Augen.

Fazit
Das Problem der bürgerlichen Parteien ist nicht so sehr, dass es rassistische, judenfeindliche und antisemitische Ausfälle in ihren Reihen gibt. Sie bietet viel mehr einen Nährboden für Antisemitismus jeder buntscheckigen Art.