60 Jahre Freiheit sind genug

Gegen autoritäre und antisoziale Entwicklungen

in (10.12.2004)

Doch knapp sechs Jahrzehnte, nachdem die Deutschen vom Hitler-Regime befreit wurden, wählen sie wieder rechtsextreme Parteien in die Parlamente.

Am 8. Mai 2005 wird sich der alliierte Einmarsch in Berlin zum 60. Mal jähren. Doch knapp sechs Jahrzehnte, nachdem die Deutschen- viele gegen ihren Willen - vom Hitler-Regime befreit wurden, wählen sie in Sachsen und Brandenburg, aber auch im Saarland, in Köln und Dortmund wieder rechtsextreme Parteien in die Parlamente.

Etablierte Politiker und die bürgerlichen Medien geben sich alle Mühe, den rechtsextremen Wählerwillen auf ein dumpfes "Protest!" zu reduzieren - nur leider sind Parolen wie "Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" (DVU), "Deutschland den Deutschen" (NPD) oder "Gegen eine Groß-Moschee in Köln" (Pro Köln) ziemlich eindeutig: "Wir,
das "deutsche Volk", müssen zusammenhalten gegen die Gefahr von außen."

Der völkisch-nationalistischen Ideologie entsprechend werden durch RechtswählerInnen anonyme Mächte, eben "die da oben" verantwortlich gemacht, aber vor allem "die da unten": MigrantInnen und deren teilweise schon in der 2. und 3. Generation hier lebenden Kinder, Flüchtlinge, Obdachlose, Behinderte, Drogenabhängige und Aidskranke. Solche autoritären und antidemokratischen Denkschemata haben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno (in ihren Studien zum Autoritären Charakter) oder Heinrich Mann (in "Der Untertan") als einen Grundpfeiler des Faschismus herausgearbeitet. Natürlich werden dort aber noch viele weitere Ursachen benannt, wie bspw. die materielle Spaltung der Gesellschaft, die fehlende vollständige Durchsetzung republikanischen Staatsbürgerbewusstseins, die prüde, spießbürgerliche Erziehung, die Sozialisierung durch Burschenschaften und vieles mehr.

In den bürgerlichen Medien und durch CDU, SPD und FDP wird derweil die Lage verharmlost: die Nazis seien ja sowieso unfähig zu regieren, würden sich in den Parlamenten nur blamieren und selbst disqualifizieren - man solle das Problem nicht hochspielen. Dabei sollte sich eigentlich die "politische Mitte" an die eigene Nase greifen: Ein Grund für die Wahlerfolge der Rechtsextremisten, ist der neoliberale Kanon aus Medien und Parteien, der die Alternativlosigkeit der aktuellen Entwicklungen predigt.. Ob Saarlands SPD oder Sachsens CDU - obwohl man der Regierung nur noch alles Schlechte zutraut, hält man die "Opposition" zu recht nicht mehr für eine solche - sind sich doch Regierung und Opposition im wesentlichen einig darin, soziale und demokratische Rechte zu beschneiden.

Soziale Deklassierung und offene Ignoranz gegenüber demokratischen Entscheidungsfindungen mittels Kanzler-Basta, Durchsetzung von Parteitagsentscheidungen von oben nach unten macht die Parteien neoliberal ununterscheidbar. Aus diesem Mangel an Demokratie innerhalb der Parteistrukturen resultiert unter anderem auch die Politik gegen die Interessen vieler ihrer Wähler. So steht für erhebliche Teile der BürgerInnen die Demokratie selbst zur Disposition.
Dies kann man nicht zuletzt auch an der niedrigen Wahlbeteiligung ablesen.
Aus Angst vor dem gesellschaftlichen Abstieg wird von einem Teil der WählerInnen die Parole vom Standortwettbewerb
buchstäblich an "denen da unten" umgesetzt. Die politische Perspektivlosigkeit der Zuschauer wird dadurch verstärkt, dass Demonstranten und andere, die sich außerhalb der etablierten Parteien und Organisationen engagieren, pauschal als Krawallmacher und ideologische Spinner dargestellt, und außerdem häufig als linke und rechte "Extremisten" auf eine Ebene gestellt werden. Der grundlegende Unterschied in den Politikansätzen wird nicht kommuniziert, das Verbrecherische der Rechten wird verharmlost, das Emanzipatorische der Linken wird kriminalisiert.

Aber auch inhaltlich bewegen sich die etablierten Parteien immer weiter nach rechts, anstatt die gesellschaftlichen Ursachen der autoritären Entwicklungen zu bekämpfen. Die CDU liebäugelt derzeit mal wieder mit einer ausländerfeindlichen Unterschriftensammlung, diesmal gegen den EU-Beitritt der Türkei. Beckstein (CSU) und andere sprechen sich sogar öffentlich und ausdrücklich dafür aus, die Inhalte nach rechts anzupassen, um sich für diese Wähler zu öffnen. Die rot-grüne Bundesregierung will derweil Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika einrichten, und damit die Fluch für politisch Verfolgte praktisch unmöglich machen.
Kurzerhand werden Dinge beschlossen wie die Einführung von biometrischen Daten in Pässen. Eine Maßnahme, die nicht nur unwirksam ist, sondern auch extrem kostspielig und bürgerrechtlich höchst fragwürdig. Denn so unterhöhlt die Regierung nachhaltig die Schutzmechanismen, die nach den Erfahrungen mit dem NS-Reich eingeführt wurden, um den Staat von einer zu hohen Kontrolle über die Bevölkerung abzuhalten. Mit solchen Entscheidungen zieht sie nicht nur das Rechtssystem, sondern auch die gesamte Öffentlichkeit nach rechts, ins Autoritäre: Individuelle Schutz-, aber auch demokratische Teilhaberechte des Einzelnen gehen verloren.

Organize!
Die Verschärfung des Sozial- und Demokratieabbaus unter Rot-Grün wird auch die Konflikte in der Gesellschaft um den Erhalt sozialer und demokratischer Errungenschaften selbst offener zutage treten lassen. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung äußert sich derzeit diffus - einerseits als Sozialprotest gegen Hartz IV, gleichzeitig aber auch in der Stärkung rechtsextremer Parteien und Gruppen. Auf unsere Aktivität kommt es daher an. Wir können unsere Interessen und Ansichten gegen Sozialabbau, Neoliberalismus und rechtsextreme Aktivitäten auf der Straße ausdrücken, im persönlichen Umfeld, in einer linken Gruppe oder Organisation. Wir können uns einsetzen in einem Gremium oder in den Parlamenten. Stellen wir uns der Herausforderung! Engagieren und organisieren wir uns gegen autoritäre Lebenswelten, für eine demokratische und emanzipatorische Gesellschaft!