Internet und Brechts Radiotheorie

Mit der Verbreitung des Internets ab Mitte der 90er Jahre hat sich die Kommunikations-, aber auch die Politikwissenschaft mit der Frage nach der Veränderung der politischen Kommunikationsstrukturen durch dieses Netzmedium beschäftigt.1 Diese Diskussionen spielten bei der Verbreitung neuer technologischer Möglichkeiten immer eine große Rolle, wie nicht zuletzt Brechts "Radiotheorie", HabermasÂ’ "Strukturwandel der Öffentlichkeit" oder auch Enzensbergers "Medientheoriebaukasten" zeigen. Es galt immer wieder die Frage zu bearbeiten, wie die neuen technischen Möglichkeiten neue Horizonte für die politische Kommunikation eröffnen und damit auch gesellschaftliche Machtverhältnisse verändern können.

Das Internet als neuestes, neuartiges und schnell wachsendes Medium wird ebenso dieser Fragestellung unterworfen. Dabei sind verschiedene theoretische Zugänge denkbar, "basisdemokratietheoretische" nach Habermas, systemtheoretische nach Luhmann oder etwa (sub-)kulturell bewegungsorientierte Ansätze der Neuen Linken. Eine explizit materialistische Methode der Untersuchung des Internets als Kommunikationsmedium und Produktionsmedium wurde bisher eher vernachlässigt, wohl auch, weil diese in der egalitaristischen Euphorie der New Economy als überholt angesehen wurde und eine solche Methode in der Kommunikationswissenschaft ohnehin rar ist.2

Die derzeitigen politökonomischen Prozesse, die Krise der Erneuerungs- und Ausgleichsfähigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems und der bürgerlichen Gesellschaft, lassen eine solche Methodik jedoch wieder fruchtbar erscheinen. Die fordistische Produktionsweise und mit ihr die relative Vereinbarkeit der Interessen von proletarischen und besitzenden Klassen hat sich überholt. Die Gegensätze zwischen beiden verschärfen sich.3 Selbst in den Massenmedien alten Typs ist der Neoliberalismus als Ideologie des Klassenkampfes von oben inzwischen als Begrifflichkeit und als Triebkraft gesellschaftlicher Entwicklung gekennzeichnet, weil die negativen Folgen - Arbeitslosigkeit, Billiglöhne und prekäre Arbeitsverhältnisse - kaum noch zu überdecken sind. In dialektischer Weise ist die Entwicklung weltweiter Datennetze in diese Prozesse eingebunden, ja verschärft sie sogar, treibt sie voran. Darauf wird zurückzukommen sein.

Brechts Radiotheorie eignet sich in besonderer Weise als methodische Schablone für eine materialistische Analyse der Veränderungen, die durch die technische Entwicklung im Bereich der weltweiten Datennetze vorangetrieben werden. Zum einen nimmt er Aspekte der Kommunikation und der Ökonomie in den Blick, zum anderen versucht Brecht, die gewonnenen Erkenntnisse in eine medienästhetisch- politische Utopie zu gießen. Brecht geht davon aus, dass die Entwicklung der technischen Möglichkeiten, der Produktivkräfte in Richtung der Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse drängt. Die Entstehungszeit dieser Theorie, die krisengeschüttelten Endjahre der Weimarer Republik, dürften - neben aller Technikbegeisterung - Brechts Auge für die Bedeutung von Kommunikationsprozessen geschärft haben. Dieser Blick, der Analyse und visionäre Elemente gleichermaßen einschließt, soll für diese Arbeit übernommen werden.

Die mit dem Rückgriff auf Brecht zu stellenden Fragen lauten also: Kann das Internet, wie es derzeit funktioniert und verfasst ist, einen Beitrag zur politischen Emanzipation der Menschen von den Machtstrukturen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft leisten? Lässt sich Brechts utopischen Forderungen aus den 30er Jahren mittels WWW, Email und Chat ein realistischer Kern zuschreiben? Gelten die alten Gesetze von Ware, Geld und bürgerlicher Macht im Internetkapitalismus noch? Oder muss Brechts doch recht epochenübergreifend formulierte Theorie ins Reich der Historie verbannt werden?

Diese Fragestellung schließt die Analyse der ökonomischen Verhältnisse des Netzes ebenso ein wie die Erkundung von Strukturen einer möglichen subversiven Gegenmacht im Netz. Abschließend kann dies alles nicht beantwortet werden, die Veränderungen vollziehen sich rasend, so dass fünf Jahre alte Literatur zum Thema bereits weit hinter dem heutigen Stand der Entwicklung herhinkt. Dies darf jedoch nicht dazu verleiten, eine theoretisch fundierte Aufarbeitung der Entwicklung der neuen Medien aus materialistischer Perspektive zu vernachlässigen. Diese dürfte sich in vielen Erkenntnissen von der massenhaft verbreiteten Fragestellung nach Bürgerbeteiligung im Internet, also der Nutzung des Netzes für klassisch parlamentarisch- demokratische Prozesse unterscheiden. Diese Arbeit unter Bezug auf Brechts Theorie wird denn auch auf diese Untersuchungen zurückgreifen und Unterschiede herausarbeiten.

Eine nicht bestellte Erfindung in der kapitalistischen Ökonomie

Das Internet sei ganz sicher nicht "als Reaktion auf ein massenhaft artikuliertes Bedürfnis nach einem Mehr an direkter Demokratie in die Welt getreten", schrieb Erich Ribolits 2001.4 Auch wenn fraglich ist, wie dieses Bedürfnis artikuliert werden könnte, kann ihm in der Feststellung Recht gegeben werden, dass die Zivilgesellschaft nicht auf dieses Medium "gewartet", es nicht zielgerichtet zu ihrem Nutzen entwickelt hat. Da muss auch der These von Ernst Lohoff widersprochen werden: "So gut wie alle technologischen und prozesstechnischen Innovationen, die der Kapitalismus hervorgetrieben hat, sind Ausgeburten warengesellschaftlicher Rationalität. Kaum eine Neuerung, die auch nur den Horizont technischer Realisierung erreicht hätte, der diese Herkunft nicht auch anzusehen ist. Die mikroelektronische Revolution und die Computertechnologie machen davon am allerwenigsten eine Ausnahme."5 Das Internet wurde auf Bestellung militärischer Befehlsstäbe erfunden. Seine zivile, auch warenförmige Nutzung war eher ein "Abfallprodukt" der militärischen. 6 Die inzwischen weltumspannenden Computernetze nutzen für die Verbindung bisher Telefonleitungen. Langsam setzt sich auch die Datenübertragung über Mobilfunknetze durch. Geleitet werden die Daten über Knotenpunkte, die alle gleichberechtigt Daten empfangen und senden können. Möglich wird dieser Austausch über standardisierte Protokolle. Der bekannteste und meistgenutzte Austausch ist das Anbieten von Seiten im WWW, einem Netz, das auf dem Hypertextprotokoll (http) basiert. Daneben gibt es jedoch auch Möglichkeiten des Austausches in Echtzeit (Chat u. ä.) sowie des multimedialen Austausches (ftp, PtP etc.) und natürlich der E-mail- Kommunikation.

Das Internet hat eine rasende Verbreitung gefunden. In Deutschland hat inzwischen mehr als die Hälfte der Erwachsenen einen Internetzugang.7 In den Ländern der EU sieht dies ähnlich aus:

Internetnutzung durch Privatpersonen und Unternehmen 2004 (in %)

Anteil der Internet-Nutzer Anteil der Besitzer eines Breitbandanschlusses
Privatpersonen**Unternehmen**
Insges.MännerFrauenUnternehmen**Haushalte**
EU25*47514389:53
Belgien:::96:70
Tschechische Republ.:::90:38
Dänemark 767973973680
Deutschland 616557941854
Estland 505051902068
Griechenland20231687021
Spanien 404536871572
Frankreich ::::::
Irland :::92332
Italien 31372687:51
Zypern 32362882235
Lettland 333433:5:
Litauen 29302981450
Luxemburg 657457:16:
Ungarn 283026786:
Malta::::::
Niederlande:::88:54
Österreich 525846941655
Polen 29302885828
Portugal 293227771249
Slowenien373935931062
Slowakei::::::
Finnland 707071972171
Schweden 82838096:75
Vereinigtes Königr.636759871644
Bulgarien :::62:28
Rumänien:::52:7
Türkei 1319(:0:
Island 828481:45:
Norwegen 757971863060
* EU25, ohne Mitgliedsstaaten, für die keine Daten vorliegen
** Berichtszeitraum; Privatpersonen und private Haushalte: erstes Quartal; Unternehmen: Januar;
: Daten nicht verfügbar
Quelle: EU; Unter: www.digitale-chancen.de/content/stories/index.cfm/key.1955/secid.16/secid2.49

Wie zu sehen ist, nutzen auch fast alle Unternehmen inzwischen das Netz. Für unsere Analyse ist entscheidend, dass die Digitalisierung der kapitalistischen Wirtschaft zu einer rasenden Entwicklung der Produktivkräfte und zur dynamischen Rationalisierung in der Warenproduktion führt. Hier laufen verschiedene Prozesse parallel, von denen die Computernetze nur einen Teilaspekt bilden. Diese Umwälzung erreicht auch die Kapitalmärkte. Die Mobilität des weltweit massenhaft akkumulierten Kapitals hat sich stark vergrößert, seit die internationalen Börsen elektronisch handeln, sich Informationen extrem schnell verbreiten lassen und selbst der Kleinanleger seine Investments im Internet disponieren kann.8

Beachtenswert ist die Vielfältigkeit und Umfassung, mit der die Datennetze in die ökonomischen Prozesse des Spätkapitalismus eingreifen: Der Einsatz von vernetzten Computern trägt zur Rationalisierung sämtlicher Wirtschaftsprozesse (Investition, Spekulation, Produktion, Konsum) und deshalb auch zur Verschärfung der Widersprüche und damit zur Krise bei. Der marktförmige Wettbewerb wird durch vernetzte Kommunikation in allen Bereichen verschärft, Rilling nennt dies die "Verallgemeinerung privater Eigentumsverhältnisse "9. Dazu mehr im 6. Kapitel.

Doch das Netz ist nicht nur Werkzeug zur, sondern auch Gegenstand von Kommodifizierung und selbst ein großer Wirtschaftszweig. Hier unterscheidet sich das Internet von dem Rundfunk der 30er Jahre enorm: Es ist nicht nur Anhängsel des Kulturbetriebs, sondern durchdringt nach und nach Kernprozesse kapitalistischer Ökonomien. Ein steigender Teil der gehandelten Waren und der nötigen Vorprodukte hat nichtkörperlichen, virtuellen Charakter und besteht vor allem aus Information.10

Mit der Bedeutung des Computers in der Wirtschaft stieg auch seine Bedeutung als Leitbild einer neuen Wirtschaftsweise. "Es begannen die internationale Diskussionen um die ›Automation im Kapitalismus‹ und was zunächst als ›Datenverarbeitung‹ (EDV) im wesentlichen auf die Organisation der Produktion und ihre Rationalisierung hin gedacht war, wurde als ›Informations- und Kommunikationstechnik‹ (IuK) dann aus dieser Begrenzung entlassen und spätestens Mitte der 90er Jahre endgültig als die zentrale Leittechnik des modernen Kapitalismus mit allgemeinem gesamtwirtschaftlichem und gesamtgesellschaftlichem Ankoppelungs- oder gar Durchdringungspotential gehandelt."11

Der Boom der New Economy und ihr schnelles Ende 12 machen jedoch deutlich, dass die in das Internet gesetzten Hoffnungen überbordenden Wirtschaftswachstums und Teilhabe vieler Menschen an der Umwälzung der Produktivkräfte zumindest vorerst Illusionen bleiben. Rillings Analyse, dass mit dem "Internetkapital" neue Akteure im internationalen Kapitalismus aufgetreten seien, soll hier mit Blick auf mächtige Mischkonzerne im Medienbereich zumindest angezweifelt werden.13 Nach dem Zusammenbruch des Internet-Booms konsolidierte sich der Medienbereich vor allem durch den Aufkauf neuer Ideen durch alte Unternehmen, das Internet lässt die Wirtschaft insgesamt nicht wachsen. Es dient vor allem der Rationalisierung und Beschleunigung kapitalistischer Wirtschaftsprozesse und hat insofern einen Teil seiner Zweckhaftigkeit im Sinne einer fortschreitenden Entwicklung unter Beweis gestellt.

Von der Distribution zur Kommunikation?

Brecht traf für den Rundfunk der 20er Jahre die Feststellung, dass diese Erfindung "sich ihren Markt erst erobern, ihre Daseinsberechtigung erst beweisen" müsse:14 "Nicht Rohstoff wartete auf Grund eines öffentlichen Bedürfnisses auf Methoden der Herstellung, sondern Herstellungsmethoden sehen sich angstvoll nach einem Rohstoff um."15 Diese Analyse kann überwiegend auch für das Internet in der westlichen Hemisphäre geltend gemacht werden. Richtig ist, dass die neuen "Apparate" Entwicklungspotenziale beherbergen, die bei ihrer Erfindung nicht impliziert waren und mit denen die herrschende Kommunikationsindustrie in den letzten Jahren nur wenig mehr anzufangen wusste, als alte Angebote für das neue Medium zu adaptieren. Brechts Polemik, man könne über das neue Medium Rundfunk "auf englisch bei den Klängen des Pilgerchors Hühner züchten", es sei ein "akustisches Warenhaus", Angebote würden "billig wie Leitungswasser", lässt sich für die Anfangszeit des Internets bestätigen.16 Brecht bezeichnet diesen Zustand als "Jugendzeit" des Mediums. Das Netz ist fortlaufend Umbrüchen unterworfen. Nur wenige Internetprodukte der Gründerzeit haben sich als im Marktsinne überlebens- und profitfähig erwiesen. Dazu zählen etwa Versand- und Markthandlungen aller Art wie Amazon und Ebay. Oder auch neuartige und medienspezifische Angebote wie Suchmaschinen und Preisagenturen. Viele andere, bisher nicht warenförmig angebotene Dienste und Produkte können nicht überleben. Sie werden derzeit einem Prozess des "Ausschlusses durch Kommodifizierung" (Rilling) unterworfen. Wie sich diese Kommodifizierung auswirkt, lässt sich an der Entwicklung von Filesharing-Tools 17 und der Onlineangebote von Zeitungen und Medien veranschaulichen. Obwohl die Distributions- und Kommunikationsmöglichkeiten über das Netz diverse Vorteile bieten, stellten wichtige Medien ihre vorherig kostenlosen Onlineangebote ganz oder teilweise auf "Probier"angebote um, die nicht mehr den vollen oder einen komplett anderen Inhalt als die klassischen Ausgaben bieten, so etwa die FAZ, die Zeit und das Handelsblatt. Im derzeitigen ökonomischen Regime ist das Netz also vor allem Ersatz für bisherige Distributionsformen und Rationalisierungsinstrument in Produktion, Distribution und Marketing. Wo die umfassenden Möglichkeiten des neuen Mediums nicht profitabel sind, werden sie auch nicht genutzt.

In den letzten Jahren, nach dem Abklingen der Startup-Euphorie und der wirtschaftlichen Boom-Phase bis 2001, treten neue Nutzungsaspekte in den Vordergrund, die die interaktiven und kommunikativen Fähigkeiten des Mediums betonen. Dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden: Das Informationsportal indymedia.org wurde 1999 im Rahmen der globalisierungskritischen Proteste gegen den G8-Gipfel in Seattle gegründet, um Informationsweitergabe abseits der offiziellen Medien zu ermöglichen. Mittlerweile existieren 160 länderspezifische Portale. Die indymedia-Portale haben keine Redaktionen und funktionieren eher wie ein Forum, in dem Nutzer die Möglichkeit haben, Beiträge zu verfassen und diese auch zu kommentieren. Der Unterschied zwischen Redakteuren und Lesern soll möglichst gering gehalten werden. Das Konzept der Gründungsphase beschrieb eine Aktivistin des Vorläuferportals nadir.org so: "indymedia hat sich die Aufgabe gestellt, mit einem radikaldemokratischen Ansatz einen Kampf anzugehen, der mit härtesten Bandagen geführt wird: der Kampf um Aktualität. Für die Linke ist der Kampf um Aktualität deshalb so attraktiv, weil es so ist, dass der, der zuerst die Information liefert, in der pole position um die Einordnung des Geschehens im gesellschaftlichen Diskurs ist."18 Der logistische Aufwand dafür ist minimal. Einige indymedia-Seiten werden moderiert, um Störaktionen und vor allem rechtsradikale Einträge zu verhindern. Grundsätzlich kann jedoch jeder Nachrichten unzensiert einstellen. Die Qualität dieser Nachrichten muss sich dann in der Diskussion mit anderen beweisen. Genutzt wird dieses Portal vielfältig, in Deutschland vor allem durch Globalisierungskritiker wie attac und die autonome Antifa-Szene. Peter Nowak zieht zum fünften Geburtstag 2004 auch ein eher ernüchterndes Fazit der umwälzenden Wirkung der neuen Plattform: "Anders als manche Netzaktivisten [...] erhofften, hat indymedia nicht zu einer größeren Einbeziehung von Menschen in die politische Debatte geführt. Genau so wie im realen Leben ist auch in der virtuellen Welt die Zahl der Aktivisten klein aber beharrlich."19 Dass indymedia zum Medium einer politischen Szene werden könnte, war jedoch bei Gründung neben der Frage der Deutungsmacht im Diskurs durchaus impliziert: "Der protestierenden (Hyper-)gesellschaft wurde mit indymedia zum ersten Mal ein Mittel in die Hände gelegt, mit der sie sich selbst in ihrer eigenen Geschwindigkeit abbilden konnte. Noch nie war es so einfach, Teil einer Jugendbewegung zu sein. Indymedia bietet dieser Meute ihre Spiegelung im narzistischsten Sinn."20 Dieses Verständnis dürfte zum Teil auch im Sinne Brechts gewesen sein, dessen "Lernt zu siegen!" aus dem Film "Kuhle Wampe" durchaus im sportlichen und damit unterhaltsamen Sinne zu den Bildern wettkämpfender Arbeiter gesungen wurde. Die Begrenzung dieses Mediums auf eine kleine, eher selbstreferenzielle Szene war aber nicht die durchdringende Wirkung, die Brecht sich langfristig von einem demokratischen Medium versprach, dazu jedoch später mehr. Hier soll indymedia vor allem als zumindest stabil arbeitendes Netzwerk schreibender Leser vorgestellt sein.21

Ein nutzerfreundlich strukturiertes Konzept schreibender Leser verfolgen die Seiten wikinews.de und wikipedia.de. Während erstere im Prinzip eine große kommentierte Nachrichtensammlung mit eigenen Nachrichten und Kommentaren ist, stellt die zweite Seite ein Offenes Lexikon dar, das als dynamischer Wissensspeicher bezeichnet werden kann. Gemeinsam ist ihnen der für alle offene Zugang zu den Produktionressourcen, die Möglichkeit des Kommentars für Leser und der nichtkommerzielle Charakter der Projekte.

Ein eher neues Phänomen der netzwerkartigen Nachrichtenproduktion sind die Weblogs, auch Blogs genannt.22 Grundlage dieser ist ein vorgefertigtes Grundgerüst einer Website, auf die sehr einfach Inhalte einzustellen sind (Content Management), ohne dass Kenntnisse in Programmiersprachen erforderlich werden. Insofern senken Weblogs massiv die technischen Zugangshürden, die bisher vor dem selbständigen Aufheben des Gegensatzes von Empfängern und Sendern stand.23 Ursprünglich als ständig aktuelle Linksammlungen entstanden, stellen viele Weblogs eine Mischung aus Tagebuch, persönlichem Kommentar und Bericht sowie Diskussionsforum dar. Auch wenn der technische Dienst zunehmend kostenpflichtig gemacht wird, bleibt die inhaltliche Demokratisierung im Sinne gleich einfacher Ausgangsbedingungen für alle Sender doch bestehen. Die inhaltliche Ausrichtung der Weblogs differenziert sich zur Zeit stark aus und reicht vom privaten Tagebuch über Medienbeobachtung bis zu politischer oder kommerzieller Nutzung. In einem Weblog wird die Folge der Massenverbreitung dieser Plattform folgendermaßen charakterisiert:

  1. vom passiven Publikum zum aktiven User
  2. von Medien zum Inhalt
  3. von Monomedien zu Multimedia
  4. vom periodischen Erscheinen zu Echtzeit
  5. von Knappheit zu Überfluss
  6. von "Redaktionsvermittelt" zu direkt
  7. von Distribution zu Zugang (der User sucht, surft, navigiert und entscheidet selbst)
  8. von Einweg-Kommunikation zu Interaktivität
  9. von linear zu Hypertext
  10. von Daten zu Wissen 24

Das Prinzip von indymedia wird denn auch von so genannten community weblogs aufgegriffen und verallgemeinert. Da sich übergreifende thematische Weblogs als Ein-Personen-Projekte kaum wiederfinden und sinnvoll betreiben lassen, haben sich User zu Kollektiven zusammengeschlossen.25 Interessant an dieser Art der Informationsverbreitung ist die völlige Aufhebung des Anspruchs der Objektivität als Folge der nichtwarenförmigen Nachrichtenverbreitung, Weblogs wollen nichts anderes sein als subjektiv. Ein Blogger bezeichnet dies als "die direktere und rauere Art der Nachrichtenverbreitung." 26 Tendenziell werden damit die Ausgangsvoraussetzungen der klassischen Theorien der Massenkommunikation in der bürgerlichen Gesellschaft beseitigt, indem klassische "Gatekeeper"/Vermittler ihre herausgehobene Stellung verlieren.27 Dies wird nicht nur begrüßt. So glaubt Erich Ribolits nicht an die emanzipatorische Wirkung nichthierarchischer Kommunikation: "Dass es im Internet keine Zensurstelle, keine Lektoren und Redakteure gibt, die Freiheit des Wortes also uneingeschränkt gegeben scheint und niemand gehindert wird, seine Botschaften unters Volk zu bringen, verschleiert nämlich weitgehend, dass Informationen nichtsdestotrotz nur über ihren Kontext zur Macht Bedeutung gewinnen."28 Ribolits streift hier unsere Grundproblematik von der neuen Kommunikation, die, wie Brecht meint, eine Utopie sei und es sich lohne, darüber nachzudenken, warum diese utopischen Charakter habe.29 Über die Neuerungen, die in dieser Gesellschaftsordnung durchführbar sein könnten, geht es im folgenden Abschnitt.

Internet und bürgerliche Politik

Die skizzierten Entwicklungen werden auch in der bürgerlichen Politik- und Kommunikationswissenschaft, durchaus mit Rückgriff auf Brecht, aber auch auf Enzensberger diskutiert. Viele der AutorInnen, die vor der Entwicklung des Internets an einer bürgerlichen Demokratisierung der Massenmedien gearbeitet haben, haben wie Erich Ribolits Probleme mit der Entmachtung von Vermittlungsinstanzen. Diese sollten die Aufgabe wahrnehmen, das Machtgefälle zwischen Sendenden und Empfangenden zu verringern und die Interessen zu vermitteln. Doch die Konzeption der Massenmedien in der bürgerlichen Demokratie soll hier, Thilo Harth folgend, noch einmal zusammengefasst werden. Diese nähmen eine Schlüsselstelle ein, "weil wir auf die Wirklichkeitsvermittlung durch die Massenmedien angewiesen sind."30 In einer Demokratie sei der Prozess der politischen Willensbildung ein durch die Massenmedien vermittelter Kommunikationsprozess. Grundlage für diesen Prozess sei "die Schaffung einer "gemeinsamen, fiktiven Wirklichkeit" durch "die Reduktion von Komplexität".31 Dies bezeichnet Harth als Bildung von Öffentlichkeit. Weiterhin hätten Massenmedien die Funktion, den Bürgern Bildung im Sinne der Vermittlung von Wissen, und Information über relevante Ereignisse zu vermitteln. Und nicht zuletzt sollen die Massenmedien der "Einübung und Tolerierung inhaltlicher Pluralität", der Kontrolle der Politik sowie der Möglichkeit von Interessengruppen, sich zu artikulieren, dienen.32 In dieser Konstruktion drückt sich bereits aus, was Brecht als Folgenlosigkeit der Institutionen und die Systemtheorie als selbsterhaltendes System analysiert. Den Menschen wird das Erkennen ihrer Situation mittels der eigenen Wahrnehmung nicht zugetraut, Vermittlung und sogar die Herstellung einer fiktiven Realität seien nötig. In dieser Konzeption kommt ein Klassengegensatz zum Vorschein, der mit Brecht als "Mächte der Ausschaltung und Ausgeschaltete" bezeichnet werden kann. Ein ganzes System, "die ideologischen Institute", beschäftigt sich mit der Aufrechterhaltung der Fiktion, dass im "Wettbewerb" der parlamentarischen Parteien und Interessengruppen der beste Weg im Sinne der großen Masse der Menschen gefunden wird. Dabei folgen die Massenmedien eigenen Spielregeln, die von den Parteien und von den Eigentümern der Medienunternehmen sowie den Werbepartnern bestimmt werden. Diese entscheiden, was öffentlich wird und nicht die Adressaten.

Das Internet wurde, wie bereits bemerkt, von vielen Kommunikations- und Politikwissenschaftlern ambivalent gesehen. Man warf dem neuen Medium die Zerstörung der komplexitätsreduzierenden Funktion und damit die "Privatisierung der Öffentlichkeit" vor.33 Gellner kritisiert (1998), das Internet führe zu "Individualisierung und Globalisierung", Begriffe, die man auch durch "Hedonismus und Monopolisierung" ersetzen könne. Er befürchtet, die Verbreitung des Internets produziere Bürger, denen die öffentliche Gesellschaft egal sei, weil sie in ihrer eigenen bedarfsgerechten Privatgesellschaft lebten. Gellners düstere Vision für das Netzmedium: "Wenn es indes nach Technik und Ökonomie ginge, wäre die Informationsgesellschaft eine mit Myriaden von individuell verfügbaren Kanälen, global organisiert und verbreitet, einzig durch die Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage gesteuert, nationalstaatlicher und überhaupt jeglicher politischer Kontrolle entzogen."34 Während man Gellners Analyse ihre frühe Entstehungszeit zugute halten kann, gilt dies nicht für Ribolits, der etwas deutlicher in das gleiche bürgerlich-überhebliche Horn stößt: "Denn es ist nicht bloß so, dass sich das Wertvolle angesichts des Plunders der Millionen Nutzer, die ihre Botschaften ins Netz schicken verliert. Es verliert sich zugleich auch jedes Kriterium, was als wertvoll bezeichnet werden kann."35

Trotz dieser weit verbreiteten Skepsis in der bürgerlichen Wissenschaft suchten gerade jüngere AutorInnen nach Möglichkeiten, wie das Netz als Partizipations- und Demokratisierungsinstrument genutzt werden kann. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die Herstellung einer Öffentlichkeit Habermasscher Provenienz.36 So macht etwa Thilo Harth die folgenden Funktionen als nützlich aus:

  • politische Information (z. B. Parteiprogramme, Statistiken, Pressemitteilungen)
  • politische Kommunikation (virtuelle Parteigliederungen, kommunale Kommunikation)
  • Medium für Wahlen, Abstimmungen und politische Kampagnen
  • politische Aktivierung (Einbeziehung in Entscheidungsprozesse, Aktivierung klassischer Medien, bürgerschaftliches Engagement)
  • • transnationale Demokratie (z. B. europäische Tageszeitung)
  • Medium für alle ("informationelle Grundversorgung") 37

Damit ist das Spektrum der diskutierten Entwicklungen bereits umrissen. 38 Gemeinsam ist diesen Funktionen, dass sie sich nicht von der zu schaffenden "fiktiven Realität" der bürgerlichen Öffentlichkeit lösen, sondern diese idealisieren.39 Hier sollen die "Apparate" nicht dazu benutzt werden, etwas Neues zu schaffen, sondern eine alte Vorstellung zu erneuern. Die WählerInnen sollen "näher" an ihren Abgeordneten sein, sie sollen besser informiert werden und mehr Mitbestimmungsrechte ausüben können. Entscheidend ist jedoch, dass weder das ökonomische noch das politische System sich Macht- oder Informationsvorsprünge aus der Hand nehmen lassen, das Nadelöhr der "Gatekeeper" soll erweitert, aber nicht abgeschafft werden. Die wirkliche Auflösung des Sender-Empfänger-Prinzips, eine aufklärerische Durchdringung der ganzen Gesellschaft mit tendenzieller Öffentlichkeit wird nicht angestrebt. Brecht: "Aber es ist keineswegs unsere Aufgabe, die ideologischen Institute auf der Basis der gegebenen Gesellschaftsordnung zu erneuern, sondern durch unsere Neuerungen haben wir sie zur Aufgabe ihrer Basis zu bewegen. "40

Wider die Folgenlosigkeit der Kommunikation

Brecht kritisiert am entstehenden Rundfunk, an allen öffentlichen Institutionen die Folgenlosigkeit öffentlicher Kommunikation im Sinne eines sozialen Fortschritts. Er beklagt die Nichtdarstellung und Nichtverarbeitung gesellschaftlicher Konflikte und Widersprüche in Kunst, Bildung und Medien, den "kulinarischen", d. h. konsumtiven Charakter der Kommunikation. Seiner Meinung nach müsse einer Kampagne, die auf das Eingreifen in die Wirklichkeit gerichtet sei, ein "natürlicher Erfolg" beschieden sein. Zu Grunde liegt hier Brechts Annahme, die "Ausgeschalteten" hätten den quasi naturgesetzlichen und freizulegenden Willen, sich gegen die "Mächte der Ausschaltung" zu wehren. Brechts klassenkämpferischer Zukunftsoptimismus mutet heute naiv bis dogmatisch an. Ihm kann sicher eine Reduktion aufs Politökonomische vorgeworfen werden, Hintergrund sind jedoch seine Erfahrungen in der Weimarer Zeit, seine Erfahrung des Niedergangs der bürgerlichen Republik als Folge der wirtschaftlichen Krise. Auch ein Brecht ist dialektisch zu lesen.

Brecht forderte, das neue Medium nicht einfach auf die alte Basis, durchaus im Marxschen Sinne verwendet, aufzusetzen, sondern mittels des neuen Mediums die Basis zu diskreditieren, auf eine Umwälzung der sozialen Verhältnisse im Interesse der vielen hinzuarbeiten. Lässt sich seine 75 Jahre alte Theorie, von der er meinte, dass sie utopisch sei, aktualisieren? Sind bereits Anzeichen dafür in der aktuellen Netzwelt zu entdecken?

Brechts erstes wichtiges Anliegen war, "öffentlichen Angelegenheiten auch wirklich den Charakter der Öffentlichkeit zu verleihen." 41 Er bezieht dies auf die Justiz, auf Ministerien, auf große Wirtschaftsunternehmen. Dies sei auch gegen den Widerstand der Institutionen durchzusetzen, Gesetze, die diese Rechte schützten, seien abzuschaffen. Das Netz bietet für diese Art der Öffentlichkeit beste Voraussetzungen, wenn auch der Staat wenig Interesse an mehr Öffentlichkeit hat. Erste eher subversive Pfade auf diesem Gebiet werden jedoch gegangen: Konsumenten gründen Internetforen, um sich über Geschäftspraktiken großer Unternehmen auszutauschen, Fotos von Polizeiübergriffen landen im Netz, Weblogger plaudern Interna aus Vorstandssitzungen bei Apple aus und der Emailverkehr zwischen EU-Kommission und Wasserkonzernen über die GATSVerhandlungen wird abgefangen und veröffentlicht. Vieles weitere ließe sich hier denken. Dies ist eine Folge der von Brecht als Ziel proklamierten Organisation der Empfänger als Sender. Berichte, Fotos, Videos von beliebigen Ereignissen und Tatsachen können blitzschnell eingespeist werden. Der Filter gegen die Unübersichtlichkeit sind entweder Suchmaschinen 42 oder Newsfeeds und Moderatoren in Portalen oder Communitys. Entscheidend für die Verbreitung ist der Gebrauchswert einer Information für den einzelnen User: was nicht gebraucht wird, wird nicht gesucht. Was nicht gesucht wird, verfällt. Vom Bericht eines Arbeitslosen über seine Erfahrungen mit Arbeitgebern, Ämtern und Vermietern bis zur Organisation großer Streiks ist alles denkbar.

Brechts dritte Forderung ist die nach der Umfunktionierung der Kommunikationsapparate zur Diskreditierung der Basis der Gesellschaft. Brecht konnte nicht von einem selbstorganisierten Netz-Medium wie dem Internet ausgehen. Weder der Entwicklungsstand der marxistischen Geschichtsauffassung, noch der Entwicklungsstand der Produktivkräfte konnten ihn die heutige Entwicklung erahnen lassen. Er entwickelte seine Vorstellungen in einer stürmischen Entwicklungs- und Überhitzungsphase eines fordistischen Akkumulationsregimes mit statischen Großindustrien, immensen Bürokratien in Staat und Verwaltung und vor dem Hintergrund des sozialistisch-stalinistischen Industrialisierungsversuchs in der Sowjetunion.

So gelesen lässt sich Groths Analyse der Brechtschen Rundfunkarbeit nachvollziehen: "Brecht stellt seine Radiotheorie unter den Primat der revolutionären Veränderung. [...] Brecht wollte nicht - in flach aufklärerischer Manier - die Einsicht provozieren, um dann die Veränderungen dem Individuum und dem Selbstlauf zu überlassen. Sein Konzept sollte Einsicht und Veränderung im gesellschaftlich relevanten Maßstab vereint in Bewegung setzen." 43 Brechts Vorstellungen gingen von der damals zahlenmäßig und organisatorisch recht bedeutenden KPD und ihrem Umfeld, von einem gewaltsamen Aufstand des organisierten Proletariats und der Errichtung eines kollektivistischen Staates, des "sozialistischen Übergangsstaates" (Groth) aus. Dieses Szenario hätte auch die Aneignung des bürgerlichen Kultur- und Medienapparates zur Folge gehabt. Brecht geht darauf ein, wenn er schreibt, dass seine Utopie über den Rundfunk nur in einer "anderen Ordnung" durchführbar sei und die jetzige Verkündung der "Formung und Propagierung dieser anderen Ordnung" diene. Ihm ging es nicht darum, einfach die Rollen von Empfänger und Sender zu tauschen. Er wollte eine Gesellschaftsordnung, in der es diese Rollen nicht mehr gibt.

Wenn man diese dialektische Lesart der Brechtschen Utopie übernimmt und auf ihren Kern reduziert, kann das Ziel der Umfunktionierung der Apparate aktualisiert werden. Es meint die Durchdringung der gesellschaftlichen Kommunikation mit subjektiv-utilitaristischer Information und Kommunikation, gemacht von Individuen und Kollektiven. Dies bedeutet die Abschaffung bürgerlich-ideologischer One-to-many-Kommunikation und die Aufhebung von deren Folgenlosigkeit. Wenn die Apparate von allen beherrscht werden und Hierarchien abgebaut werden, ist eine solche Beeinflussung kaum noch möglich.

Während Brecht also von der Übernahme konzentrierter steuerbarer Konglomerate ausging, haben wir unter den Bedingungen der Netzkommunikation andere Voraussetzungen für eine Umfunktionierung. Während Brecht von der Umfunktionierung eines "kulinarischen " und hermetischen "Schmalband"-Mediums sprach, haben wir heute über die Nutzung einer offenen technischen Plattform zu reden, die nicht nur kommunikatorische, sondern auch ökonomische Funktionen erfüllt. An dieser Stelle muss eine Weiterentwicklung des Brechtschen Gedankens von der Umfunktionierung erfolgen.

Als naheliegender und oft zitierter Ansatz im Sinne soll der so genannte Cyber-Activism oder Hacktivismus in den Blick genommen werden. Dabei handelt es sich um vielfältige Aktionen, die meist das Ziel haben, Internetseiten oder Computernetzwerke zu manipulieren oder lahmzulegen. Bekannte Beispiele sind die Störung der WTOWebseite während des G8-Gipfels in Seattle und die Störung der Internetseite der Lufthansa als Protest gegen die Abschiebung von Flüchtlingen. Die Aktivisten des "virtuellen Sit-Ins" wurden vor Gericht wegen Nötigung angeklagt.44 Die autonome Gruppe a.f.r.i.c.a. kommentiert dazu: "Die Netz-Intervention war hier Teil einer umfassenderen Kommunikations- und Aktionspraxis, die sich sowohl im physikalischen wie im virtuellen Raum abspielte und die Vorbereitung und Durchführung der Aktion ebenso einschloss wie ihre politische Kontextualisierung - bei der das Internet nicht nur als Aktionsfeld, sondern insbesondere als Vernetzungsinstrument von großer Bedeutung war."45 Diese Aktionen übertragen Protestformen aus der realen in die virtuelle Welt, von einer Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse kann hier nicht die Rede sein: "Politische Aktionen sind solche notwendigerweise klandestinen Angriffe nicht. Inzwischen sind virtuelle Sit-Ins selten geworden oder ins semikriminelle Milieu der Geheimdienste und Infowar-Strategen abgewandert."46 Die Protestkultur (siehe auch indymedia) ist erst am Anfang zur Erlangung von Diskurshegemonien. Eine weitere Stufe ist das Hacken von Internetseiten und Netzwerken, um z. B. die Seite mit kritischen Inhalten zu versehen. Dies geschah etwa mit der Seite des amerikanischen Verteidigungsministeriums oder der des mexikanischen Präsidenten im Zuge des Zapatisten-Aufstandes.47 Der Internetaktivist beschreibt den Effekt des Hacktivismus folgendermaßen: "Hacktivismus ist wahrscheinlich kein Mittel, das Organisierung unterstützt, und das Ergebnis von Hacktivismus ist wahrscheinlich kaum eine Zunahme derer, die unzufrieden sind. Viel eher scheint Hacktivismus ein Mittel zu sein, um Lärm zu machen und Aufmerksamkeit für ein bestimmtes Thema zu erregen."48

Diese Aktionen berühren einen blinden Fleck, der bei Brecht ausgespart blieb: den direkten politischen Kampf. Brecht ging jedoch vom Standpunkt der historischen Notwendigkeit der Klassenauseinandersetzung aus, diese Sicherheit hat die heutige Bewegung abgelegt. Ihr geht es nicht um ein Produktivieren entfesselter Widersprüche, sie will diesen Prozess der Entfesselung eben gerade stören und unmöglich machen: "Der Computer und das Internet sind hybride Instrumente (Maschine und Medium zugleich) die in immer mehr Arbeitsverhältnissen zu zentralen Produktionsmitteln werden. [...] Der hybride Charakter der Technik trägt die Tendenz in sich, die ›lebendige Arbeit‹ unabhängiger vom Kapital (bzw. Kapitalverhältnis - T. S.) zu machen. Das gleiche Werkzeug, mit dem die Arbeitskraft ausgebeutet wird, kann auch für den Widerstand eingesetzt werden. Das ist die Kehrseite jener Tendenz zur ›Subjektivierung von Arbeit‹, deren Apologeten die Autonomie, Kreativität und Flexibilität der ›Wissensarbeiter‹ preisen. Insofern bedarf es eines Diskurses über die legitime Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnik, sprich, abweichende Nutzungsformen des Computers und des Internet sollen unterbunden werden. Das Potential des Computers zur autonomen Vernetzung wird auch in diesem Prozess bekämpft und das zentrale Produktionsmittel des Postfordismus soll wieder unter Kontrolle gebracht werden."49 Abgesehen von der Überschätzung der tatsächlichen Zahl weitgehend autonomer Wissensarbeiter im Postfordismus wird hier deutlich, dass sich radikallinke Bewegungen in der Analyse der Medien und ihrer Funktion vom marxistisch-leninistischen Ansatz Brechts unterscheiden. Während Brecht noch davon ausging, man müsse den Staat und mit ihm den Rundfunk umfunktionieren, wird hier auf die Errichtung von autonomer Gegenmacht zu Staat und Kapital gesetzt.

Möglicherweise würde Brecht diese Art Aktivismus als ungleichzeitig und folgenlos verdammen. Auch heute wird netactivism aus linker Perspektive als nicht angemessen kritisiert: "Grundsätzlich birgt Computervernetzung und -aktivismus das Problem der Anonymität, der Mittelbarkeit und des Fehlens direkter sozialer Zusammenhänge. Während eines NetStrikes sehen sich die AktivistInnen nicht, sie können nicht gesehen werden und von der Wirkung erfahren alle Beteiligten und weiteren RezipientInnen erst aus den Medien. [...] Die Simulation von ›Widerstand‹ als politische Methode in einer "Simulationsgesellschaft" ist ein interessanter Versuch, ›traditionelle‹ linke Politik um eine explizite Medienpolitik zu erweitern. Der Versuch, die Metapher ›Massenaktion‹ auf das Internet zu übertragen, ist interessant, aber technisch auf jeden Fall ausbaufähig (z. B. durch Stärkung der Interaktion der Beteiligten). Doch auch mit der Überwindung des netztypischen, individuellen Verkehrsverhaltens besteht die grundlegende Gefahr einer (weiteren) Technisierung politischer Betätigung und des Mangels an Rückbindung an die ›realen‹ soziopolitischen Prozesse."50 Schwierigkeiten bei der medialen Verwertung abstrakter Erkenntnisse über gesellschaftliche Strukturen bereitet auch die letztendlich kaum überprüfbare Wahrheit von Informationen im Netz. Dieses Problem muss jedoch dialektisch betrachtet werden: einerseits bildet das Netz Wahrheiten ab, die in den bisherigen Medien nicht vorkamen, andererseits bringt die Zersplitterung Schwierigkeiten beim adäquaten, sinnstiftenden Verarbeiten von Information. Brechts Postulat, die Medien und ideologiebildenden Institute müssten ihrer Folgenlosigkeit entrissen werden, kann also nicht im Sinne eines politischen Netz-Aktivismus antikapitalistischer Kräfte reaktualisiert werden, es ist nötig, die reale Gesellschaftsordnung in den Blick zu nehmen.

Durchführbar in einer anderen Ordnung

Damit kommen wir zurück zum Blick auf die ökonomische Basis. Der hybride Charakter von Computern und Netzwerken wurde bereits mehrfach erwähnt, sie sind zugleich Produktionsmittel und Medium, zugleich Maschine und Plattform. Sie tragen zur kapitalistischen Dynamisierung bei und helfen bei deren Kritik und Reflexion. Kurz: die bürgerliche Gesellschaft wie die kapitalistische Ökonomie sind einem auf Computer basierenden Wandlungsprozess unterworfen. Die Produktivkraftentwicklung dieser spätkapitalistischen Gesellschaft hat Technologien hervorgebracht, deren Folgen für die Gesellschaft kaum planbar sind. Gleichzeitig verschärft sich auch die Spaltung zwischen den verschiedenen Entwicklungsstadien kapitalistischer Ökonomien weiter.51 Trotzdem wird in den Zentren kapitalistischer Entwicklung die Technologie Lebens- wie Produktionsverhältnisse nachhaltig umwälzen. Wissen wird verwertbarer, Prozesse werden beschleunigt und Menschen, notwendig an Orte gebunden, geraten gegenüber den Daten ins Hintertreffen. Diese Verhältnisse produzieren jedoch neue Widersprüche: Waren werden zunehmend körperlos und ohne jeglichen Aufwand reproduzierbar und Arbeit wird unabhängiger von Ort, Zeit und weniger kleinteilig. Die künstlich knappen, und deshalb zu kommodifizierenden Güter in den hochentwickelten Gesellschaften gehen direkt auf menschliche Grundbedürfnisse (Ernährung, Gesundheit, Mobilität, Bildung, Sicherheit, Kultur, Gemeinsamkeit) zurück, es geht um die "Kommerzialisierung menschlicher Aktivitäten".52 Der Kapitalismus greift direkter in die Lebenssphäre der Menschen ein als jemals zuvor in seiner Geschichte. Der theoretische Streit unter Marxisten wird derzeit darüber geführt, ob, ähnlich des Überganges vom Feudalismus zum Kapitalismus, der alten Gesellschaftsordnung die neue bereits innewohnt und aus ihr heraus "keimt".53 Anzeichen dafür sind durchaus zu finden: Durch die Kommodifizierung der unmittelbaren Lebenstätigkeit wird das Augenmerk der Menschen direkt auf diese vitalen Lebensfunktionen, d. h. weg vom materiellen Produkt gelenkt. Dies lässt sich in Deutschland derzeit gut beobachten. Die Nachfrage nach materiellen Gütern erlahmt, während bei den o. g. Grundlebensbedingungen eine enorme Knappheit zu verzeichnen ist. Die Knappheit ist entstanden, weil das Kapital nach dem Ende des fordistischen Konsens mit der o. g. Beschleunigung im Akkumulationsprozess Nationalstaaten zur Senkung der Staatsquote zwingen konnte. Die Dynamik in hochentwickelten kapitalistischen Gesellschaften führt also dazu, dass komplexe Prozesse ablaufen:

  1. Die Arbeit eines wachsenden Teils der Bevölkerung subjektiviert und "verganzheitlicht" sich, 54 was ihren Ausbeutungscharakter aber noch verschärft.
  2. Die vitale Freizeit der Menschen gerät zunehmend in Kommodifizierungszwänge.
  3. Die nachgefragten Güter entmaterialisieren sich tendenziell.

Diese Entwicklungen der Entgrenzung und der Entknappung bedingen, dass sich das kapitalistische Ausbeutungsverhältnis zunehmend in Kernbereichen wie Individualität, Persönlichkeit und Kommunikation niederschlägt und gleichzeitig Befreiungstendenzen, etwa die tendenzielle Abkehr vom Konsumfetisch und das Ausbrechen aus festgefügten Arbeitsabläufen und -kommandos festzustellen sind. In dieser Formation ist die Befreiung aus privatkapitalistischer Ausbeutung und aus der Warengesellschaft doch tendenziell angelegt. Von einem bewusstlosen Automatismus im Sinne des klassischen Marxismus oder gar einer Zwangsläufigkeit eines revolutionären Prozesses kann jedoch keine Rede sein. Die Überwindung der Warengesellschaft könne nur als "Kampf auf der Ebene der realen sozioökonomischen Reproduktion" 55 gedacht werden, so Lohoff. Dies bedeutet gegenüber Brecht die Abkehr von der Vorstellung, Umwälzungen würden vor allem mit der Eroberung staatlicher Macht vollzogen. Heute ist davon auszugehen, dass revolutionäre Neuerungen in der bewussten Änderung der Lebens- und Arbeitsweisen der Menschen stattfinden, also nicht ruckartig, sondern fließend.56

Die uns hier zum Schluss interessierende Frage ist die nach der Kommunikation und des Internets in dieser Entwicklung. Das Netz wird, wie bereits beschrieben, weiter zur Beschleunigung des Kapitalumsatzes und zur Rationalisierung von Distribution, Unternehmenskommunikation und Marketing beitragen. Dem bloßen Widerstand dagegen dürfte wenig Erfolg beschieden sein. Wenn sich die auf Marx berufende Linke in diesem Prozess positionieren will, muss sie sich der Möglichkeiten und der Unmöglichkeiten des Netzmediums bewusst werden. Aus meiner Sicht ist es notwendig, einen aktiven Prozess der Dekommodifizierung des Internets und seiner technischen Basis sowie eine radikale Abwehr von Schließungs- und Zensurbestrebungen zu fördern. Die kommunikatorische many-tomany Vernetzung der Gesellschaft, die Aufhebung des Sender-Empfänger- Prinzips ist bereits ein sozialer und politischer Wert, der nicht leichtfertig aufgegeben werden darf. Sollen Produktion und Politik wieder näher aneinander rücken, dürfen die Netze nicht zensiert werden. Eine globalere Aufgabe muss die Stärkung und Stabilisierung nichtkommodifizierter Lebens-, Arbeits-, Kommunikationsund Produktionsmodelle, bei denen die digitale Vernetzung und die dadurch zu erzielende Effektivierung eine Rolle spielt, sein. Mit freier Software, mit Foren, die Beratungsdienstleistungen entpreisen, mit Online-Tauschringen, mit Email und Weblogs, die klassische Medien auch materiell und inhaltlich überflüssig machen, ist abgesehen vom Raubkopieren eine Abkehr von der Warenform und von entfremdeter Arbeit vorgezeichnet und muss ausgebaut, weitergedacht werden. Denkbar sind Kunst- und Bildungsplattformen ohne Warencharakter, neue Entscheidungsstrukturen in großen Unternehmen usw. Natürlich gehört zur Umsetzung solcher Ideen eine moderne sozialstaatliche Reaktion, z. B. ein Grundeinkommen. Die An- und Einbindung der sozial schwächeren Schichten sollte aus sozialpolitischen, emanzipatorischen und aus kommunikationspolitischen Gründen ein Ziel der Linken sein. Sie dürfen nicht den Fehler machen, neue Modelle nur für eine kleine Medienelite schaffen zu wollen. Dann könnte eine aktiv in die Basis eingreifende Politik, anders als bloß trendiger Internet-Protest, möglicherweise die von Brecht geforderten Folgen zeitigen: "Geleitet von dem Verdacht, unsere Vorstellungen seien selbst längst zu Waren geworden (sie konnten keine Güter bleiben), wollen wir nunmehr diese Vorstellungen untersuchen, und zwar gerade auf diesen Warencharakter hin. Schon fast zu lang haben wir, sprechend von solchen Dingen wie neues Lebensgefühl, Nachkriegsauffassung, Weltbild einer neuen Generation, beinahe alles Neuere als Voraussetzung gelassen und so benutzt. Es wird Zeit, nunmehr diese Voraussetzungen zu konstituieren." 57

Tobias Schulze, Jg. 1976; gelernter Buchhändler. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der FHTW Berlin. Seit 2001 Studium der Neueren deutschen Literatur, der Kommunikations- und der Politikwissenschaft an der FU Berlin. Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung, politisch aktiv in der Linkspartei Berlin, u. a. in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik.

1 Siehe die Texte zu Politik und Internet, die alle diese Disziplin bedienen.

2 Ausnahmen sind die Texte von Rainer Rilling, Ernst Lohoff, Stefan Meretz u. a., die das Thema vor allem unter produktions- und werttheoretischen Fragestellungen behandeln.

3 Vgl. zur Analyse: Joachim Bischoff, Sebastian Herkommer, Hasko Hüning: Unsere Klassengesellschaft. Verdeckte und offene Strukturen sozialer Ungleichheit, Hamburg 2002.

4 Erich Ribolits: Neue Medien und das Bildungsideal (politischer) Mündigkeit, in: Filzmaier, Peter: Internet und Demokratie. The state of online politics, Innsbruck 2001, S. 155 ff.

5 Ernst Lohoff: Die Ware im Zeitalter ihrer arbeitslosen Reproduzierbarkeit. Unter http://www.krisis.org/e-lohoff_politischeoekonomie-information.html (Zugriff am 18. 5. 2005)

6 Sandra Dusch: Theorie des Cyberwar - Cyberwar der Theorie, in: antimilitarismusinformation, 8/2000, S. 73 ff. sowie Rainer Rilling: Eine Bemerkung zur Rolle des Internets im Kapitalismus. Unter http://www. rainer-rilling.de/texte/ kapitalismus.htm (Zugriff am 28. 5. 2005)

7 Ein Querschnitt diverser Studien zum Thema unter http://www.digitale-chancen.de/content/stories/index.cfm/key.399/secid.16/secid2.49 (Zugriff am 26. 5. 2005)

8 Vgl. zur Debatte aus sozialistischer Sicht: Helge Mewes: Der Dampfmaschinenkapitalismus und das Kommunikationsmedium Internet, in: UTOPIE kreativ Heft 137. Unter www.rosalux.de/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Utopie_kreativ/137/137_meves.pdf (Zugriff am 28. 5. 2005)

9 Rainer Rilling: Eine Bemerkung zur Rolle des Internets im Kapitalismus. Unter http://www.rainer-rilling.de/texte/kapitalismus.htm (Zugriff am 28. 5. 2005)

10 Die eindringlichsten Beispiele für erfolgreiche Kommodifizierungsprozesse sind derzeit ebay, Spiegel-Online und iTunes.

11 Rainer Rilling: Eine Bemerkung zur Rolle des Internets, a. a. O.

12 Vgl.: http://www.netplanet.org/geschichte/neunziger.shtml (Zugriff am 1. 6. 2005)

13 Vergleiche etwa die Geschichte des französischen Vivendi-Konzerns: Tiefe Umwälzungen in Frankreich, in: Süddeutsche Zeitung vom 26. April 2000.

14 Bertolt Brecht: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, in: Bertolt Brecht: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe (GBA). Berlin/Frankfurt 1988, Band 22, S. 552.

15 Ebenda.

16 Siehe nächsten Abschnitt.

17 Viele Filesharing-Plattformen wie Napster oder KaZaa wurden von der Unterhaltungsindustrie mit Klagen überzogen und mussten schließen. Eine neue Strategie der Konzerne gegen das Tauschen von Dateien ist das massenhafte Verbreiten fehlerhafter Dateien, wie der Autor aus eigener leidvoller Erfahrung berichten kann.

18 Internet als Praxisfeld. ak - analyse+kritik Nr. 448. 3/2001. Unter www.akweb.de/ak_s/448/32.htm (Zugriff am 18. 6. 2005)

19 Peter Nowak: Ziviler Ungehorsam im 21. Jahrhundert. Unter: www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18887/1.html (Zugriff am 18. 6. 2005)

20 Internet als Praxisfeld. ak - analyse+kritik Nr. 448. 3/2001. Unter www.akweb.de/ak_s/448/32.htm (Zugriff am 18. 6. 2005)

21 indymedia hat durchaus mit der Staatsmacht zu kämpfen. So geschehen im Nachgang des G8-Gipfels in Evian, als FBI verschiedene Server von indymedia beschlagnahmte. Vgl. Dalmiano Volgolio: Spur der Zensoren führt nach Rom und Zürich, in: junge welt vom 11. Oktober 2004.

22 Vgl.: Robert Chromow: So vielseitig sind Weblogs. Unter www.akademie.de/programmierungadministration/tipps/allgemein/weblogs-einfachvielseitig.html (Zugriff am 18. 6. 2005)

23 Vgl.: Wiebke Loosen: Das Ende der Verheißungen? Technisch und ökonomisch determinierte Beschränkungen des "freien" Informationszuganges im World Wide Web, in: Ursula Maier-Rabler, Michael Latzer (Hrsg.): Kommunikationskulturen zwischen Kontinuität und Wandel. Universelle Netzwerke für die Zivilgesellschaft, Konstanz 2001. S. 287 ff.

24 Unter http://referat-weblogs.blog.de. Eintrag vom 16. 6. 2005. (Zugriff am 18. 6. 2005)

25 Julia Schmid, Hans- Martin Engeser: Community Weblogs: Mittendrin statt nur dabei. Unter www.onlinejournalismus.de/forschung/communityweblogs. php (Zugriff am 22. 6. 2005)

26 Unter http://referat-weblogs.blog.de. Eintrag vom 25. 5. 2005. (Zugriff am 18. 6. 2005)

27 Die Diskussion darüber wurde in den Anfangszeiten der Massenverbreitung des Internets eher prophetisch und theorielastig als empirisch geführt. Vgl. Philomenon Schönhagen: Soziale Kommunikation im Internet. Zur Theorie und Systematik computervermittelter Kommunikation vor dem Hintergrund der Kommunikationsgeschichte, Bern 2004. Oder Irene Neverla: Das Netz - eine Herausforderung für die Kommmunikationswissenschaft, in: Maier-Rabler/Latzer (Hrsg.): Kommunikationskulturen, a. a. O., S. 29 ff.

28 Erich Ribolits: Neue Medien und das Bildungsideal, a. a. O., S. 161.

29 Bertolt Brecht: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, a. a. O., S. 554.

30 Thilo Harth: Internet und Demokratie - neue Wege politischer Partizipation: Überblick, Potential, Perspektiven, in: Uwe Andersen, Gotthart Breit, Peter Massing, Wichard Woyke (Hrsg.): Internet und Demokratie. Beiträge zur wissenschaftlichen Grundlegung und zur Unterrichtspraxis 4/1999, Schwalbach 1999. S. 8.

31 Ebenda, S. 9.

32 Ebenda.

33 Winand Gellner: Das Ende der Öffentlichkeit?, in: Gellner/von Korff (Hrsg.): Demokratie und Internet, Baden-Baden 1998, S. 11.

34 Ebenda, S. 16 f.

35 Erich Ribolits: Neue Medien und das Bildungsideal, a. a. O., S. 161.

36 Direkt zum Habermas- Bezug: Klaus Plake, Daniel Jansen, Birgit Schuhmacher: Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit im Internet. Politische Potenziale der Medienentwicklung, Wiesbaden 2001.

37 Thilo Harth: Internet und Demokratie, a. a. O., S. 12 ff.

38 Vgl.: Reinhard Meier- Walser, Thilo Harth (Hrsg.): Politikwelt Internet. Neue demokratische Beteiligungschancen mit dem Internet? München 2001; Andersen, Breit, Massing, Woyke (Hrsg.): Internet und Demokratie, a. a. O. sowie eher empirisch: Peter Filzmaier (Hrsg.): Internet und Demokratie. The state of online politics, Innsbruck 2001. Durchaus kritischere Ansätze in Claus Leggewie, Christa Maar (Hrsg.): Internet und Politik: Von der Zuschauer- zur Beteiligungsdemokratie? Köln 1998. Eine Spezialdiskussion: Georg Michael Faltis: Demokratisierungspotenziale durch Kooperation im Internet am Beispiel regionaler Portale. Münster u. a. 2002. Eher Policy-Processorientiert: Christian Ahlert: Weltweite Wahlen im Internet. Möglichkeiten und Grenzen transnationaler Demokratie, Frankfurt 2003.

39 Die Kritik daran ist natürlich vor dem Hintergrund einer entwickelten bürgerlichen Demokratie zu sehen. Für totalitäre Diktaturen wie etwa China, Indonesien oder Nordkorea muss die demokratisierende Wirkung der globalisierten Kommunikationsstruktur uneingeschränkt positiv bewertet werden. Dass diese "Gefahr" gesehen wird, zeigen die massiven Versuche der chinesischen Regierung, das Internet seiner Informationsmöglichkeiten zu berauben und es auf seine wirtschaftlichen Funktionen zu reduzieren. Vgl.: Georg Blume: Freiheit, die sie meinen, in: taz, 15. Juni 2005.

40 Bertolt Brecht: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, a. a. O., S. 557.

41 Ebenda, S. 553 f.

42 Die Suchmaschinen haben sich inzwischen, mit Ausnahme von Google, zu ausschließlichen Anzeige- und Werbeplattformen gewandelt. Hier hat eine neue Internetpraxis anzusetzen. Siehe auch www.rettet-das-internet.de/suchmaschinen.htm

43 Peter Groth: Hörspiele und Hörspieltheorien der Weimarer Republik, Berlin 1980, S. 191.

44 Vgl. Christian Rath: Virtuelles Sit-In vor Gericht, in: taz vom 15. 6. 2005.

45 a.f.r.i.c.a.: Ziviler Ungehorsam und Kontrolle der lebendigen Arbeit. Internet als politischer Protestraum, in: So oder so. Die libertad!- Zeitung, Nr. 15. 2005. Unter http://www.sooderso.net/zeitung/sos15/index.shtml. (Zugriff am 22. 6. 2005)

46 Ebenda.

47 Stefan Krempl: Widerstand aus dem Cyberspace. Telepolis vom 30. 3. 1999. Unter: http://www.heise.de/bin/tp/issue/download.cgi?artikelnr=2697 (Zugriff am 22. 6. 2005)

48 Stefan Wray: Hacktivismus. Direkte Aktion am PC. Unter www.direkt.aktion.at (Zugriff am 22. 6. 2005)

49 a.f.r.i.c.a.: Ziviler Ungehorsam, a. a. O.

50 nadir-netzkritik: Digital Zapatismo, in: arranca 17, Hamburg 2005. Unter http://arranca.nadir.org/archiv/15.htm (Zugriff am 23. 6. 2005)

51 So prallten während des zapatistischen Aufstandes Welten aufeinander, als die EZLN das Internet für ihre Kampagnen benutzte, obwohl sie selbst mitten im Kampf stand in einem der ärmsten Gebiete des Landes. Vgl.: nadir-netzkritik: Digital Zapatismo, in: arranca 17, Hamburg 2005. Unter http://arranca.nadir.org/archiv/15.htm (Zugriff am 23. 6. 2005)

52 Alexander Menschnig: Pop-Kapital, in: Freitag Nr. 30/2002. Unter www.freitag.de/2002/30/02300101.php

53 Vgl. etwa die Debatte von Stefan Meretz, Christian Fuchs, Michael Heinrich und Ernst Lohoff u.a., in: Streifzüge. Nr. 1/2001; 2/2001 und 1/2002. Unter www.widerspruch.at/streifzuege. Sowie in der Zeitschrift krisis.www.krisis.org.

54 Natürlich darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass die Handarbeit entweder in subproletarische Schichten oder in andere Länder "ausgelagert" wurde. Dies macht den Prozess aber eher noch sichtbarer, weil nicht nur eine soziale, sondern auch z. T. eine räumliche Trennung stattfand.

55 Ernst Lohoff: Die Ware im Zeitalter ihrer arbeitslosen Reproduzierbarkeit, a. a. O.

56 Die Vorstellung, Sozialismus könne trotz Güterknappheit und Warenfetisch einer Gesellschaft aufgepfropft werden, dürfte wohl der wichtigste strukturelle Grund für das Scheitern seiner bisherigen Realexistenz sein.

57 Bertolt Brecht: Nutzen der Wahrheit, in: Bertolt Brecht: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe (GBA), Berlin/Frankfurt 1988, Band 22, S. 580 f.

in: UTOPIE kreativ, H. 186 (April 2006), S. 346-360

aus dem Inhalt:

Essay HEINRICH SENFFT: Erich Kuby; Gesellschaft - Analysen & Alternativen HEINZ-J. BONTRUP: Wirtschaftsdemokratie statt Shareholder-Kapitalismus; STEFAN SJÖBERG: Kollektive Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand; Debatte Grundsicherung MICHAEL OPIELKA: Gerechtigkeit durch Sozialpolitik? KATJA KIPPING, MICHAEL OPIELKA, BODO RAMELOW: "Sind wir hier bei ›Wünsch dir was?‹" Thesen für einen neuen Sozialstaat; DIETER ZAHN: Grundsicherung bedarfsorientiert gestalten; Neue Medien TOBIAS SCHULZE: Internet und Brechts Radiotheorie; Standorte FRITZ KLEIN: Fallstudie von besonderem Reiz. Zur Wolfgang-Steinitz-Biographie; Konferenzen & Veranstaltungen KLAUS STEINITZ: In der Stagnationsfalle. Perspektiven kapitalistischer Entwicklung; Festplatte WOLFGANG SABATH: Die Wochen im Rückstau; Bücher & Zeitschriften David Harvey: Der neue Imperialismus (MARTIN SCHIRDEWAN) Wolfgang Stegemann: Fürstenberg/Havel - Ravensbrück. Beiträge zur Kulturgeschichte einer Region zwischen Brandenburg und Mecklenburg, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jh. Ders./Wolfgang Jacobeit (Hrsg.): Fürstenberg/Havel - Beiträge zur Alltags- und Sozialgeschichte einer Region zwischen Brandenburg und Mecklenburg, Bd. 2: Im Wechsel der Machtsysteme des 20. Jh. (JENS LANGER) Riccardo Bavaj: Von links gegen Weimar. Linkes antiparlamentarisches Denken in der Weimarer Republik (MARCEL BOIS) Stuart Hall: Ideologie, Identität, Repräsentation. Ausgewählte Schriften 4, hrsgg. von Juha Koivisto und Andreas Merkens (ALBAN WERNER) Dieter Sauer: Arbeit im Übergang. Zeitdiagnosen (Marcus Schwarzbach) Hermann Scheer: Energieautonomie (JÜRGEN MEIER)