Freedom House

in (16.05.2007)

Anfang Mai beging man den Internationalen Tag der Pressefreiheit. Aus diesem Anlaß wurden die von diversen Menschenrechtsorganisationen herausgegebenen

Berichte über die weltweite Lage der Medien veröffentlicht. Mir fiel der Jahresbericht des "Freedom House" auf. Diese "unabhängige, nicht regierungsamtliche Organisation, die sich für die globale Freiheit einsetzt", wie die (ebenfalls unabhängige) Wikipedia-Enzyklopädie sie würdigt, hat ihren Sitz in Washington in der Nähe des State Department.

Für Rußland hat diese Organisation bisher noch niemals Wohlwollen bekundet. Diesmal aber spricht sie Anerkennung aus: für die Verdienste in der Vergangenheit, als Rußland den "Idealen der Demokratie" treu war. Es ist nicht schwer zu erraten, welche Periode damit gemeint ist. Die US-Organisation preist die Periode des Präsidenten Jelzin, dieses großen Demokraten, der 1993 das frei gewählte Parlament aus Panzerkanonen beschießen ließ. Die Treue zu den Idealen der Demokratie zeigte sich auch bei der Präsidentschaftswahl 1996, als zu Jelzins Gunsten die Stimmergebnisse schamlos verfälscht wurden. Aus zwei Prozent in den Meinungsumfragen wurden in den Wahlkabinen angeblich fast 50 Prozent für Jelzin. 1998 stürzte dieser famose Präsident gemeinsam mit seinen US-amerikanischen Beratern das Land in den wirtschaftlichen Kollaps. Sein ganzes Regime wirkte als Pudel der damaligen US-Präsidenten. Und die einflußreichen Medien mitsamt Fernsehkanälen wurden in jenen Jahren zur leichten Beute milliardenschwerer Diebe. Eine musterhafte Demokratie.

Inzwischen aber hat der Kreml begonnen, international mit eigener Stimme zu reden und die angeschlagene Wirtschaft wieder ein bißchen in Stand zu setzen. Deswegen fiel Rußland in die Ungnade des Westens und seiner (selbstverständlich unabhängigen) Menschenrechtsorganisationen. In diesem Jahr stufte "Freedom House" Rußland auf den Platz 165 herunter; den Platz 139 erhielt Pakistan, Afghanistan 154 und der Irak 158. Besonders interessant an der ganzen Geschichte ist die bunte Weltkarte. Grün färbte "Freedom House" die Staaten mit beispielhafter Pressefreiheit. Dazu gehören selbstverständlich die USA sowie ihre treuen Verbündeten und Vasallen. Eine Stufe niedriger, in Orange (begrenzte Pressefreiheit), stehen die Länder, die Washington für politisch unbedeutend und ungefährlich hält. Die sonstigen, finsteren sind violett. Dieselben Farben (die Übereinstimmung ist selbstverständlich ganz zufällig) benutzt auch das State Department, wenn es die Welt in Freunde und Feinde aufteilt.

Ich will damit nicht sagen, daß das heutige Rußland in Sachen Pressefreiheit ein leuchtendes Vorbild ist. Die staatlichen Fernsehsender verhalten sich, wenn sie die Obrigkeit zu kritisieren hätten, vorsichtig und scheu. Manche Ereignisse verschweigen sie einfach - zum Beispiel jüngst den Parteitag der neugegründeten nationalistischen Partei der "Echten Patrioten". Oder sie erwähnen wichtige Vorgänge nur nebenbei, so daß sie dem Publikum unwichtig erscheinen. Noch stärkerem Druck sind die regionalen Medien ausgesetzt. Die in der Region dominierenden Politiker und Geldsäcke machen wesentliche Entscheidungen am liebsten unter sich aus und wünschen nicht, daß die Öffentlichkeit mit Nachrichten darüber beunruhigt wird. Das ist leider wahr - aberÂ…

Ganz zufällig habe ich erfahren, wie sich freie westliche Medien gelegentlich in heiklen Fällen benehmen. Der Chefredakteur des Wochenblatts Moskowskije Nowosti, Vitali Tretjakow, erzählte Folgendes: Er wollte Korrespondenten nach Estland schicken, die über die dortigen Auseinandersetzungen um das aus dem Stadtzentrum von Tallinn entfernte Denkmal für die Sowjetsoldaten berichten sollten. Sie bekamen keine Visa. Dann wollte er sich mit Bildern von Reuters` und Agence France Press behelfen, die auf Massenkrawalle immer besonders scharf sind. Doch die beiden freien Agenturen stellten diesmal kein einziges Foto aus dem EU- und NATO-Mitgliedsland zur Verfügung, obwohl Novosti selbstverständlich dafür gezahlt hätte. Von den mit Polizeigewalt aufgelösten Demonstrationen der "Uneinverstandenen" in Moskau dagegen hatten sie reiches Bildmaterial im Angebot, ganze Bilderserien.