Die neoliberale Offensive und der Kampf um das öffentliche Eigentum

1. Der Kampf um das öffentliche Eigentum an Produktionsmitteln ist zur Kernfrage im internationalen Klassenkampf geworden. Für oder wider Privatisierung von öffentlichem Eigentum, das ist in der Tat der Lackmustest für linke Politik 2. Es handelt sich für die antiimperialistischen Kräfte um einen Abwehrkampf. Er richtet sich gegen die Offensive des Imperialismus zur reaktionären Umgestaltung des Kapitalismus, die allgemein als Neoliberalismus bezeichnet wird. 3. Für den Neoliberalismus ist die Privatisierung öffentlichen Eigentums Kern der Umgestaltungsoffensive. 4.Widerstand gegen die Privatisierung öffentlichen/ staatlichen Eigentums ist für die Linke, die Gewerkschaften und Sozialisten eine wichtige Kampffront, weil diese Privatisierung direkt und indirekt die Lebens-, Arbeits- und Einkommensverhältnisse der arbeitenden Klassen verschlechtert. 5. Es geht beim Kampf um das öffentliche Eigentum nicht um das Ende des Kapitalismus sondern um den Charakter der Produktionsverhältnisse innerhalb des Kapitalismus. 6. Dennoch ist der Kampf um das öffentliche Eigentum auch das geeignete Kampffeld für Sozialisten/Kommunisten. - Denn er setzt den Akzent auf das richtige Thema: die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel. - Er lässt für viele Menschen ansatzweise erfahrbar werden, dass Sozialismus machbar ist und besser sein kann als Kapitalismus. - Er ist wie die Frage von Krieg und Frieden ein klassenübergreifender Kampf und lädt zu breiten antimonopolistischen Bündnissen ein. - Er ist eng verbunden mit dem Abwehrkampf der vom Imperialismus bedrohten Völker, die ihre Ressourcen und ihre Industrien gegen das Monopolkapital verteidigen. Diese Thesen sind keine Aufreger. Sie sind in der politischen Praxis Selbstverständlichkeiten. Es ist unter Linken kaum kontrovers, dass öffentliches Eigentum verteidigt werden muss. Nicht von ungefähr verläuft die Scheidelinie zwischen Links und Rechts innerhalb der sich gerade formierenden politischen Linkspartei entlang der Frage, wie man es mit der Privatisierung hält. Wer wie die PDS-Stadträte in Dresden den Verkauf von kommunalen Wohnungen mit beschließt, kann nicht mehr als links gelten. Hier geht es aber nicht nur darum, was es heißt, irgendwie links zu sein und im Klassenkampf auf der richtigen Seite zu stehen. Kommunisten und solche, die es werden wollen, interessiert, warum die Frage der Privatisierungen geschichtlich gerade jetzt auf der Tagesordnung ist. Zudem wollen wir wissen, wie dieser Kampf sich perspektivisch in sozialistisch-kommunistische Politik einfügt. Schließlich stellt sich die Frage, mit welchen Bündnispartnern dieser Kampf geführt wird. Ich meine, dass die Thesen kurz und knapp die Antwort auf diese Fragen geben. Wer damit zufrieden ist, möge jetzt zum nächsten Artikel in diesem Heft fortschreiten. Denn hier folgen nur einige Begründungen für diese Thesen.

Beschleunigte Akkumulation

Seit etwa Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts läuft eine Großoffensive des internationalen Monopolkapitals.Wir haben uns angewöhnt, sie als „Neoliberalismus“ zu bezeichnen. Egal, ob dieser Ausdruck glücklich ist, wichtiger ist es zu konstatieren, dass es diese Offensive gibt und dass sie weitergeht. Im Kern ist diese Offensive der Versuch, die Mehrwertrate oder den Ausbeutungsgrad zu steigern. Der Versuch war erfolgreich. In allen großen Industriestaaten zeigt die Statistik, dass der Anteil der Löhne und Gehälter am gesamten Nationaleinkommen seit den siebziger Jahren gesunken ist, während der Anteil der Einkommen aus Vermögen entsprechend gestiegen ist Für diese Offensive des Kapitals war von Anfang an die Zurückdrängung des Staatsanteils an der Gesamtwirtschaft und der Abbau sozialer Leistungen zentral. Man fragt sich ja, warum im Kapitalismus zunächst dem Staat alle möglichen Aktivitäten zugeschoben wurden, damit sie nun wieder abgebaut werden sollten. Tatsächlich ist der Staatsanteil an der Gesamtwirtschaft in den westeuropäischen Industrieländern Großbritannien, Frankreich und Italien nach oben geschnellt. Die Verstaatlichung wichtiger Industriezweige wie Stahl und Energie entsprach den Programmen der sozialdemokratischen und sozialistischen, ja mancher bürgerlichen Parteien. Sie wurden auch durchgesetzt, um die Akkumulation nach den Zerstörungen des 2.Weltkriegs wieder in Gang zu bringen. Dem entsprach auch das stärkere Engagement des Staates im Finanzsektor. Der Schwerpunkt der ausgeweiteten Staatstätigkeit lag jedoch wie bisher auf dem Bereich der Infrastruktur: Verkehrswege, Strom- und Wasserversorgung, Gesundheitswesen, Bildung. Um es in einem Satz zusammenzufassen: Die Ausweitung des Staatssektors diente der Akkumulation und damit dem schnelleren Wirtschaftswachstum. Dass dieses Ziel damals so entschieden verfolgt wurde, hat auch mit dem Systemwettbewerb, der Auseinandersetzung mit dem Sozialismus zu tun. Im Rückblick kann man sagen, dass diese Wachstumsstrategie des Kapitals sehr erfolgreich war. Das Wirtschaftswachstum war in den fünfziger Jahren in allen kapitalistischen Ländern sehr hoch. Der Historiker Eric Hobsbawm hat für diese Periode deshalb den Ausdruck „Goldenes Zeitalter“ geprägt. Die Lage der arbeitenden Klassen verbesserte sich dramatisch. In den USA blieben staatliche Aktivitäten relativ bescheiden. Sie waren zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise der frühen Dreißigerjahre im so genannten „New Deal“ Franklin Roosevelts forciert worden. Statt Verstaatlichungen wurden strikte Kartellregelungen eingeführt, einige große Konzerne zerschlagen und das Bankwesen reguliert, um die spekulativen Exzesse der späten Zwanzigerjahre künftig zu vermeiden. Der Grund für das vergleichsweise bescheidene Niveau des staatlichen Sektors in den USA dürfte der relative Überfluss an Kapital in diesem Land gewesen sein. Das Privatkapital brauchte keine staatliche Akkumulation. Auch die Schutzfunktion des Staates vor der Konkurrenz im Ausland war im reichsten und größten kapitalistischen Land weniger erforderlich und durch selektive Zollgesetze locker erfüllt. Das Akkumulationsmuster wachsender Staatstätigkeit blieb nicht auf die bereits weitgehend entwickelten Industrieländer beschränkt. International versuchten die aus dem direkten Kolonialstatus entkommenen neuen Staaten die Industrialisierung durch staatliche Investitionen in Gang zu setzen. Der Systemwettbewerb ermöglichte es ihnen auch zuweilen, diese Investitionen zu finanzieren. Der Entkolonialisierung folgte in den sechziger und siebziger Jahren der manchmal durchaus erfolgreiche Versuch, die Bodenschätze unter Kontrolle zu bekommen. Die Vereinigung der Erdöl exportierenden Länder (Opec) wurde nur deshalb zu einem zeitweise wirksamen Kartell, weil in den wichtigsten Mitgliedsländern (einschließlich Iran und Saudi-Arabien) eine effektive Staatskontrolle durchgesetzt worden war. Ein weiteres Eckdatum waren die Enteignung der Suez-Kanal-Gesellschaft durch Ägypten, die 1956 zum Krieg Frankreichs, Großbritanniens und Israels gegen das Land führte, aber dadurch nicht rückgängig gemacht wurde, sowie der Bau des Assuan-Staudamms. Er wurde von der Sowjetunion finanziert, nachdem die USA die Finanzierung abgelehnt hatten. Historisch ist der Strategieschwenk hin zum Neoliberalismus angesichts der Niederlage des US-Imperialismus in Vietnam und der drohenden Niederlage in der Systemauseinandersetzung entstanden. Der Vietnamkrieg stellte für die USA zugleich die Hauptursache für eine ökonomische Niederlage dar, die sie gegenüber der innerimperialistischen Konkurrenz, also Westeuropa und Japan erlitten. Den Krieg zu finanzieren, zugleich relativ viel Geld in Bildung, Infrastruktur und Sozialprogramme zu stecken und steigende Löhne zuzulassen, schwächte die Position der USA. Der Dollar musste abgewertet werden. Die Bindung der Währungen praktisch aller kapitalistischer Länder an den Dollar wurde aufgehoben. Dieser Schwenk leitete eine Politik ein, die den freien Fluss von Kapital über die Ländergrenzen zum Ziel hatte, ein Ziel, das heute sehr weitgehend erreicht scheint.

Phase 1: Thatcher und Reagan

Die Offensive des Neoliberalismus umfasst (bisher) historisch zwei Phasen. Die erste wurde durch den Zusammenbruch des Systems von Bretton Woods und der Aufgabe fester Wechselkurse zum Dollar eingeleitet. Ideologisch wurde sie in der Wirtschaftswissenschaft von der antikeynesianischen Ideologie des Monetarismus begründet. Sie setzte staatliches Handeln in Gegensatz zum angeblich reinen und vorteilhaften Wirken freier Märkte. Die Zurückdrängung staatlichen Eigentums wurde zum Kernpunkt des ideologischen Programms der Regierung Thatcher, die 1979 in Großbritannien an die Macht kam. Im selben Jahr wurde Ronald Reagan zum Präsidenten der USA gewählt. Beide Regierungen verfolgten eine scharfe antigewerkschaftliche Politik, betrieben den gezielten Abbau der sozialen Sicherungssysteme, verringerten die Steuerlast der Reichen und großen Kapitalgesellschaften. Beide Regierungen nahmen eine scharfe Rezession in Kauf oder führten sie bewusst herbei. Die staatlichen Regulierungen des Finanzsektors, der Verkehrs- und Versorgungsunternehmen wurden abgebaut. Großbritannien begann, den umfangreichen staatlichen Industriebesitz zu privatisieren. Das Telefonnetz, die Stahlindustrie, der Kohlebergbau, die Stromversorger, die Erdölförderung, die Tankstellennetze, die Autoindustrie, die Eisenbahn, die Post, fast alles, was privatisiert werden konnte, wurde auch privatisiert. Frau Thatchers Vorgehen wurde zum Vorbild anderer, meist konservativ reaktionärer Regierungen. In der Bundesrepublik ging die konservative Regierung Kohl dagegen eher zögernd vor. Sie setzte zunächst auf den weitgehenden Erhalt des Staatssektors. Die größte Privatisierung in den ersten acht Jahren bis zum Anschluss der DDR war die Viag, ein Konglomerat aus bayrischen Elektrizitätswerken und einer von Nazideutschland aufgebauten Aluminiumindustrie. Das radikale Vorgehen der Regierungen Thatcher und Reagan wurde von der deutschen Großbourgeoisie zunächst als spezifische Reaktion auf die besonders krisenhafte Entwicklung in der USA und in Großbritannien gewertet. Die starke Bevorzugung des Finanzsektors und die Betonung der kurzfristigen Profitabilität wurden abgelehnt. Der schnelle Abverkauf des Staatsvermögens galt damals noch als unseriös.

Phase 2: Abwicklung des Sozialismus

Die zweite Phase begann mit der Niederlage des Sozialismus in Europa und der Sowjetunion 1989/91. Jetzt wurde die Entstaatlichung der Produktionsmittel in großem Stil betrieben. Privatisierung musste nicht mehr mühsam gegen den Widerstand der Beschäftigten, der Wählerschaft, der Gewerkschaften oder Parlamente durchgesetzt werden. Das Monopolkapital des Westens wurde östlich der Elbe von dem meist aus den kommunistischen Parteien hervorgegangenen neuen Regierungspersonal eingeladen, ja förmlich gebeten, sich der Produktionsmittel zu bemächtigen. Die neuen Herrschaftseliten begnügten sich in der Regel mit der Rolle der Juniorpartner. Sie ließen sich von westlichen Expertenteams Privatisierungsprogramme schneidern, die im Detail sehr unterschiedlich ausfielen und höchst divergente Eigentumsverhältnisse, aber immer natürlich nicht-staatliche zur Folge hatten. Im deutschen Osten wurden keine eigenen Herrschaftseliten zugelassen. Hier übernahm das deutsche Kapital sofort und radikal die Kontrolle. Die DDR wurde zu einem grandio sen Experimentierfeld für den Abbau einer ganzen Volkswirtschaft und der Verteilung von volkswirtschaftlichem Produktivvermögen unter das Privatkapital. Die Treuhand war die größte Privatisierungsinstitution der Welt. Ihre Entscheidungen wurden mit unglaublichem Tempo getroffen. Sie konnten gar nicht vernünftig im volkswirtschaftlichen Sinne sein. Vorausgegangen war die Währungsunion, die allein schon das Überleben und die Weiterentwicklung der DDR-Industrie unmöglich machte. Die Vernichtung und Restprivatisierung der industriellen Kapazitäten Ostdeutschland erfolgte mit nur höchst vereinzelter Gegenwehr der Betroffenen. Die grandiosen ökonomischen Misserfolge bei der Abwicklung der DDR scheinen das deutsche Kapital so richtig angeregt zu haben. Noch während die Treuhand wirkte, ging die Kohl-Regierung auch im Westen auf entschiedenen Privatisierungskurs. Das profitabelste Staatsunternehmen, das von der Post betriebene Telefonnetz sollte als leuchtendes Beispiel als erstes privatisiert werden. Mit beispiellosem Propagandaaufwand wurde ein Börsengang inszeniert und die Aktien des aus der Post ausgegliederten Unternehmens verkauft. Wesentliche Teile der Schulden des Unternehmens, vor allem die Pensionsverpflichtungen blieben allerdings beim Alteigentümer Bund. Seit damals verging kein Jahr, in dem nicht Bundesvermögen verkauft wurde. Die sozialdemokratisch geführte Regierung Schröder beschleunigte den Privatisierungskurs noch. Finanzminister Hans Eichel verkaufte nicht nur Unternehmen sondern beispielsweise auch Forderungen an den russischen Staat – natürlich mit Abschlag versteht sich. Zu Beginn der 90er Jahre setzten die europäischen Regierungen die Europäische Union auf einen Kurs, der Unternehmen in Staatsbesitz zur wettbewerbswidrigen Ausnahme deklarierte. Die EU-Kommission ist seither bestrebt, alle Staatsunternehmen unter illegalen Beihilfeverdacht zu stellen. In Deutschland gerieten deshalb die öffentlichen Banken und Sparkassen sowie die Beteiligung des Landes Niedersachsen an der Volkswagen AG in die Kritik. Das EU-Recht, insbesondere das Beihilferecht ist somit zum wichtigen Hebel geworden, die Privatisierungen zu forcieren. Die Bundesregierungen von Kohl über Schröder bis Merkel nehmen dazu durchweg eine pharisäerhafte Haltung ein. Unter dem Druck der Basis verteidigen sie zaghaft im Fall der Sparkassen, entschieden im Fall Volkswagen das staatliche Eigentum. Wenn es allerdings um die Öffnung des italienischen oder polnischen Bankenmarktes zugunsten deutscher Banken oder die Zukunft französischer staatlicher Konzerne geht, zählen deutsche Regierungen, ebenso wie die Großbritanniens und der Niederlande zu den liberalistischen Scharfmachern. Ein wenig wilder als in Osteuropa ging es bei der Abwicklung des Sozialismus in Russland zu, wo die größten Reichtümer zu holen waren. Die private Aneignung der Bodenschätze und Produktionsmittel hatte in Russland schon in der Zeit der Sowjetunion eingesetzt. Den noch ziemlich jugendlichen Oligarchen gelang es in der Regierungszeit Boris Jelzins, ihr Eigentum mit Hilfe eigener und westlicher Banken zu festigen. Erstaunlicherweise setzte nach der Rubelkrise 1998, die den Teilbankrott des russischen Staates bedeutete, und unter der von den Oligarchen geförderten Präsidentschaft Wladimir Putins ein Abschottungsprozess gegen die Übernahme durch das westliche Monopolkapital ein. Wegen des aktuellen Rohstoffbooms ist das russische junge Räuberkapital in Verbindung mit dem russischen Staatssektor (insbesondere dem Energiegiganten Gazprom) ein ernst zu nehmender Mitspieler im globalen Kapitalismus geworden. Die Enttäuschung darüber, nicht alle Rohstoffressourcen unter die Verfügungsgewalt zu bekommen, hat das nach 1991 zunächst herzliche politische Verhältnis der USA und Westeuropas zu Russland stark eingetrübt. Auch in China fand und findet noch ein gigantischer Privatisierungsprozess statt. Ihm ist allerdings anders als in Osteuropa und in Russland kein politischer Machtwechsel vorausgegangen. Die etablierten staatlichen Betriebe werden auch nicht privatisiert. Vielmehr erhalten Einzelpersonen von den dezentralen Organisationen des Staates Aufträge und die Erlaubnis, dies oder jenes herzustellen oder zu bauen, oder dieses oder jenes zu exportieren. Diese Aufträge sind mit Krediten verbunden, die spottbillig verzinst sind und bei einem Wachstum der Wirtschaft von 10 Prozent im Jahr einen fast sicheren Gewinn versprechen. Es ist eine Art ursprüngliche Akkumulation unter der Protektion eines starken Staates. Schließlich betrifft der weltweite Raubzug des Imperialismus auch die weniger entwickelten Staaten der Erde. Seit der Beseitigung des sozialistischen Lagers nimmt der Imperialismus eine Wiederinbesitznahme wichtiger Rohstoffquellen, insbesondere von Rohöl, Gas und Metallen vor. Dieser Aneignungsprozess und seine politische Absicherung kann man wohl am besten als Rekolonialisierung der Welt bezeichnen. Die Kriege der imperialistischen Staaten gegen Afghanistan und Irak sind solche Kolonialkriege. Sie werden um den Rohstoffreichtum Zentralasiens und die Ölfelder rund um den Persischen Golf geführt. Bemerkenswert ist dabei, dass das vor Beginn des Irakkrieges formulierte Kriegsziel, die Erdölfelder des Irak selbst, dann aber auch die in Saudi-Arabien und den Golfstaaten zu privatisieren, nach vier Jahren Besatzung im Irak immer noch nicht erreicht worden ist.

Die Logik der Privatisierung

Die Zurückdrängung staatlichen Eigentums und staatlicher Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel ist nicht nur historisch das zentrale Moment der neoliberalen Offensive. Gemäß der Logik der kapitalistischen Ökonomie verspricht die Privatisierung dem Monopolkapital entscheidende Vorteile. Zunächst kommen die Vorteile der Privatisierung den davon unmittelbar begünstigten Konzernen zugute. Die Privatisierungen fördern außerdem eine ganze Branche von Investment-Banken, Management-Beratern, Rechtsanwälten, Steuerberatern, PR-Agenturen, Börsenmaklern usw. Sehr häufig sind die privatisierten Objekte mit einer Monopolposition verbunden. So wurden in Deutschland mit Post und Telekom zunächst staatliche Monopole verkauft, die erst im Lauf der Zeit langsam aufgeweicht wurden. Die meisten Privatisierungen kommunaler Betriebe sind ebenfalls so genannte natürliche Monopole. Sie betreffen zum Beispiel die komplette Wasserversorgung in einer Stadt oder die Abwicklung des Nahverkehrs auf festgelegten Routen. Im Regelfall fällt solchen Monopolen eine so genannte Monopolrente zu, die sich durch den fehlenden Wettbewerb ergibt. Wichtiger sind noch die Wirkungen, die die Privatisierung von Staatsvermögen auf die Volkswirtschaft insgesamt haben, die für die gesamte Kapitalistenklasse kurzfristig vorteilhaft erscheinen. - Da im Regelfall der vom Staat aufgebaute Kapitalstock relativ billig verkauft wird, erhöht sich durch diese Zufuhr billiger Kapitalwerte die Durchschnittsprofitrate. - Durch die Privatisierung von Volksvermögen stellt der Staat neue Anlagemöglichkeiten zur Verfügung. Mit der Privatisierung von Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, Gefängnissen, Polizei,Wachdiensten, Militär usw. werden ganz neue Bereiche menschlicher Arbeit der Mehrwertproduktion zugeführt. Die Kapitalbasis wächst, aus der mehr Profit entstehen kann. - Jede Privatisierung schwächt die Position der Beschäftigten. Die Betriebe fallen aus alten staatlichen Tarifverträgen heraus. Der private Besitzer hat mehr Spielräume als der öffentliche Arbeitgeber, Betriebsteile zu schließen oder zu verkaufen, Entlassungen vorzunehmen, die Löhne zu drücken und andere Leistungen abzubauen. Von den Privatisierungsbefürwortern wird das ganz offen als Hauptmotiv genannt. - Privatisierungen schwächen die Position des regulierenden Staates.Auch dieses Phänomen gilt auf allen Ebenen. Die Gemeinde, die über keine kommunalen Versorger verfügt, kann nicht den Wünschen ihrer Bürger entsprechend handeln. Das Land, das über keine Banken verfügt, kann keine billigen Kredite zur Rettung von Unternehmen mehr vergeben, selbst wenn es das wollte. Privatisierungen fördern unter heutigen Bedingungen die internationale Verflechtung des Kapitals. Das von Sozialdemokraten, Grünen und PDSlern angeführte Argument, mittels Privatisierung ließe sich der staatliche oder städtische Haushalt sanieren, ist falsch. Das würde ja bedeuten, man könne für das privatisierte Objekt einen hohen, über dem Marktpreis liegenden Verkaufspreis erzielen. Fast immer ist das Gegenteil der Fall. Fast immer werden kleine finanzielle Entlastungen auf kurze Sicht gegen hohe Belastungen auf lange Sicht eingetauscht. - Privatisierungen sind die wichtigste Methode der Politik, den Staat zu schwächen. Die heute vielfach beklagte Schwäche der Nationalstaaten vis-à-vis den multinationalen Konzernen ist zum einen Ergebnis des Verzichts der Staaten, das Kapital zu regulieren, zum anderem aber auch Resultat des Verkaufs öffentlichen Eigentums.

Widerstand

Vergleicht man die Situation heute mit der in den 90er Jahren, so hat sich der Widerstand gegen die Privatisierung öffentlicher Güter und Produktionsmittel verstärkt. International sind dabei zu nennen die erfolgreiche Verteidigung der Öl- und Gasreserven Russlands durch das Präsidialregime Putins, die Unterordnung der staatlichen Ölfördergesellschaft unter die Regierungshoheit in Venezuela, die Versuche verschiedener lateinamerikanischer Regierungen (Argentinien, Ecuador, Bolivien), die Hoheit über die Ausbeutung ihre Rohstoffe wieder zu erlangen, und das Scheitern der USA im Irak. Auch in Deutschland ist die Schockstarre der Linken und der Gewerkschaften nach dem Scheitern des Sozialismus langsam gewichen. Auf kommunaler Ebene treffen Privatisierungsvorhaben heute fast immer auf Widerstand. Bürgerentscheide und Volksabstimmungen finden fast immer eine Mehrheit, wenn es gelingt, sie zu organisieren. Beispielhaft dürfte die Entscheidung der Freiburger Bürger gewesen sein, den Verkauf kommunaler Wohnungen abzulehnen. Gegen die von der Bundesregierung nach wie vor geplante Privatisierung der Bahn hat sich ein breites Bündnis formiert. Die vom Berliner Senat betriebene und von der EU-Kommission geforderte Versteigerung der Landesbank einschließlich Sparkasse, die zunächst weitgehend hingenommen worden war, wird mittlerweile heftig kritisiert. Sie gilt als Paradebeispiel für die negativen Folgen der Regierungsbeteiligung der PDS/Linkspartei und dürfte die Partei bei der Wahl in Berlin reichlich Stimmen gekostet haben. Die im Sommer aus PDS und WASG fusionierende Linkspartei ist Ausdruck des stärker werdenden Widerstandes gegen die neoliberale Offensive. In der Partei selber ist die Frage der Privatisierungen (neben der Frage von Militäreinsätzen) zur entscheidenden Richtungsfrage geworden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Widerstandsfraktion sich durchsetzt und den anpasslerischen Schmusekurs des PDS-Apparats gegenüber der alten Sozialdemokratie beendet. Man hätte es dann mit einer Art neuen Sozialdemokratie zu tun, die Ansprechpartner für die Gewerkschaften ist und den Interessen der Lohnabhängigen parlamentarischen Ausdruck verleiht. Der Abwehrkampf gegen Privatisierungen eignet sich wie kein zweiter, ihn in den Parlamenten, den Betrieben und auf der Straße gleichzeitig zu führen. In diesem Abwehrkampf sind, wie sich gezeigt hat, immer mal wieder Erfolge möglich. Er führt exemplarisch vor, wie die Privatunternehmen und staatliche Stellen eng zum gegenseitigen Vorteil zusammenarbeiten. Er regt an, darüber nachzudenken, wie die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel auf Dauer gesichert und zum Vorteil der Bürger genutzt werden kann. Er regt an, über den Sozialismus nachzudenken

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