Stolz und Vorurteil

Sexarbeit legalisieren, gegen Stigmatisierungen von SexarbeiterInnen und für die Rechte von MigrantInnen kämpfen. Das sind die Ziele der Kampagne "SexarbeiterInnen haben Lust Â… auf ihre Rechte".

"Wenn hier von Prostitution die Rede ist, (...) sprechen wir über Sexarbeit. Wo da der Unterschied ist? Durch den Begriff Sexarbeit wird die freiwillige Entscheidung zur Ausführung sexueller Dienstleistungen und eine selbstbewusste Eigendefinition ausgedrückt. (...) Wir sprechen nicht über so genannte Zwangsprostitution. Denn die gibt es nicht. Denn ohne Einvernehmlichkeit beider Seiten handelt es sich um erzwungene Sexualität und damit um sexualisierte Gewalt." Diese Definition wird bei der Lesung "Ich bin eine Hure und stolz darauf. Ansichten über einen Job ohne Rechte" vorgetragen. Asli Kislal, Aneta Hristova und Inge Stecher-Schubert lesen Text-Passagen, die großteils Aussagen von Sexarbeiterinnen wiedergeben und von Liedern der kubanischen Sängerin Milagros Pinera begleitet werden. Nicht aber von Statements Berufsfremder. Die Beschreibung und Beurteilung des Berufs Sexarbeit soll jenen überlassen bleiben, die ihn ausüben.
Der Abend findet im Rahmen der bundesweiten Kampagne "SexarbeiterInnen haben Lust Â… auf ihre Rechte!" statt, die von LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen - initiiert und in Kooperation mit maiz, Zentrum von und für Migrantinnen, vom 8. März (Internationaler Frauentag) bis zum 2. Juni (Internationaler Hurentag) organisiert wird.1
Auch Maria Cristina Boidi, Koordinatorin des Vereins LEFÖ, der sich seit mehr als 13 Jahren auch für die Rechte von Sexarbeiterinnen einsetzt, legt ebenfalls großen Wert auf die Unterscheidung zwischen Frauenhandel und Sexarbeit, dem Erbringen einer Dienstleistung. Prostitution darf nicht mit sexueller Gewalt gleichgesetzt werden. Natürlich sind auch SexarbeiterInnen immer wieder Opfer männlicher Gewalt, doch dies ist kein spezifisches, vor allem die Prostitution betreffendes Faktum. In Österreich sind etwa zwanzig Prozent aller Frauen immer wieder von Gewalt betroffen. Aber ebenso, wie es sich bei häuslicher Gewalt eben nicht um eine "Familienangelegenheit", sondern um einen Straftatbestand handelt, so stellt sie hier ein Sexualdelikt dar. "Punkt."

Boidi setzt damit den pragmatischen Schlusspunkt einer Diskussion, die unter Feministinnen so heftig geführt wurde wie kaum eine andere. Von "Freiwilligkeit" könne bei bestehender Diskriminierung von Frauen auch auf dem Arbeitsmarkt keine Rede sein, bei Migrantinnen ohne Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung schon gar nicht, so ein Argument der Prostitutionsgegnerinnen. Befürworterinnen hingegen wollen SexarbeiterInnen von Stigmatisierung und Opfer-Status befreien und betrachten die Legalisierung von Sexarbeit als zentrale Voraussetzung für sichere und selbstbestimmte Arbeitsbedingungen.
Beide Positionen führten in Europa zu konkreten politischen Ergebnissen. So diente die Abolitionistin Sheila Jeffreys der schwedischen Regierung bei der Umsetzung ihres restriktiven Prostitutionsgesetzes als Beraterin. Die dort beschlossene Kriminalisierung von Freiern kommt jedoch letztlich als Bumerang zu den Frauen zurück, weiß Boidi. Aber auch in Ländern wie Deutschland und Holland, in denen sich die Befürworterinnen durchsetzen und eine Legalisierung erkämpfen konnten, sieht sie deutlichen Reformbedarf. Denn die Legalisierung hat die prekäre Situation von Migrantinnen in der Sexarbeit nicht wesentlich verbessert, KritikerInnen der Legalisierung sprechen sogar von einer weiteren Verschlechterung. Boidi sieht darin nicht das Resultat der Legalisierung, sondern vielmehr der Nichtberücksichtigung der spezifischen Situation von Migrantinnen im Gesetz. In den europäischen Ländern sind oft mehr als zwei Drittel der SexarbeiterInnen MigrantInnen, weshalb LEFÖ immer wieder daran erinnert, wie wichtig es ist, ihre Lage bei Gesetzesentwürfen von vornherein miteinzubeziehen.
Besonders gefreut hat sich die LEFÖ-Mitarbeiterin Renate Blum aus diesem Grund auch über den Vorstoß von SPÖ-Frauensprecherin Heinisch-Hosek, die sich nicht nur für die rechtliche Anerkennung von Sexarbeit, sondern auch für eine entsprechende Harmonisierung der für MigrantInnen relevanten Gesetze ausgesprochen hat.

Insgesamt kann die Kampagne "Sexarbeiterinnen haben Lust... auf ihre Rechte" als Erfolg verbucht werden, resümiert Blum. Die öffentliche Diskussion des Themas hat in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen und die Berichterstattung beschränkt sich dabei nicht auf eine voyeuristische Reproduktion von Klischees. Die Unterstützung von Einzelpersonen, NGOs und Frauenorganisationen ist groß und auch bei feministischen Gruppen sind die Forderungen kaum auf Ablehnung gestoßen. "In Österreich gibt es innerhalb der Frauenbewegung wenig abolitionistische Positionen, in südlichen Ländern wie z. B. Spanien ist die Lage weitaus polarisierter", so Boidi.
Die Veranstaltungen der Kampagne stießen auf großes Interesse und
waren immer außerordentlich gut besucht. Mit Workshops in Wien und Oberösterreich, der Präsentation des Films "Princesas", dem Forumtheaterstück "Fair Fuck" und der Podiumsdiskussion mit Maria Cristina Boidi, Heide Schmidt, Birgit Sauer und Stephanie Klee ist es zudem gelungen, immer wieder andere Zielgruppen zu erreichen. Erfreulicherweise auch viele Sexarbeiterinnen selbst, die sich rege an den Debatten beteiligt haben und dadurch das wichtigste Ziel von LEFÖ mitverfolgen: Die Selbstorganisation der Frauen, damit sie aktiv für ihre Rechte eintreten können.

Ein wichtiges Ziel der Kampagne ist es, "die Schizophrenie" der Situation in Österreich deutlich zu machen. Sexarbeit ist zwar sittenwidrig, versteuert werden muss das daraus erworbene Einkommen dennoch. Und obwohl Prostitution in Österreich seit 1975 nicht mehr strafbar ist, wird sie durch unzählige Bestimmungen streng kontrolliert. SexarbeiterInnen müssen sich wöchentlich einer amtsärztlichen Untersuchung unterziehen. Das Prostitutionsgesetz ist Sache der Bundesländer und die Rechtslage variiert entsprechend stark. Darüber hinaus sind in der Prostitution arbeitende Personen aber auch von Bundesgesetzen betroffen, neben dem Einkommensteuergesetz etwa vom Ausländerbeschäftigungs- und Fremdengesetz. Durch das Inkrafttreten des neuen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) haben viele Migrantinnen in der Sexarbeit Arbeits- und Aufenthaltsrecht verloren. Ein Neuantrag ihres befristeten Visums muss nun vom Ausland aus gestellt werden. Dringend geboten ist außer der Amnestie der von NAG 2005 Illegalisierten deshalb auch eine Niederlassungsmöglichkeit für migrantische SexarbeiterInnen.

Die Forderung der Kampagne nach Gleichstellung der Prostitution mit anderen Erwerbstätigkeiten betrifft nicht nur die Legalisierung, sondern auch den Schutz vor Diskriminierung. Geltendes Vertragsrecht würde es nicht nur möglich machen, gegen nicht zahlende Kunden vorzugehen, sondern auch andere Vertragsverletzungen - etwa die Nötigung zu sexuellen Handlungen, die nicht Teil der Vereinbarung sind - zu ahnden. "Wenn sich eine mal traut zur Polizei zu gehen, dann heißtÂ’s nur: Berufsrisiko", wird die gegenwärtige Situation bei der Lesung im Literaturhaus beschrieben.
Diskriminiert werden die Frauen aber nicht allein durch diese Ungleichbehandlungen: "Ich würde gerne, wenn ich am Weg zur Arbeit meinen Nachbarn am Gang treffe, einfach sagen können, dass ich zur Arbeit gehe. Ohne mir irgendwelche Geschichten ausdenken zu müssen, wo ich um diese Uhrzeit hingehe. Ohne dass mich jemand deswegen blöd anschaut." Oft sei gar nicht die Arbeit selbst qualvoll, sondern der Umgang der anderen damit. Das kann die Ächtung im Wohnviertel oder der Ausschluss der Kinder aus ihrem Freundeskreis sein, wenn bekannt wird, welchen Job die Mutter hat, aber auch die mitleidsvolle Distanzierung vom armen Opfer patriarchaler Gewaltverhältnisse, mit der FeministInnen mitunter die Betroffenen entwürdigen.
Am Internationalen Hurentag wird die Kampagne mit einem hoffentlich Aufsehen erregenden, festlichen Schlussakt beendet. Gestartet wurde sie ganz bewusst am Internationalen Frauentag: Um deutlich zu machen, dass Sexarbeiterinnenrechte Frauenrechte sind.

www.lustaufrechte.at
www.lefoe.at
www.maiz.at

Manifest der europäischen
SexarbeiterInnen:
www.sexworkeurope.org/site/
images/PDFs/manifest_de.pdf

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at