Kämpfe gegen Studiengebühren, Kämpfe gegen Straflosigkeit

Interview mit Ernest Renan Traoré, dem Vorsitzenden der Studierendenvertretung Union Générale des Etudiants Burkinabè (UGEB) in Burkina Faso.

sul serio: Was war der letzte große Erfolg Eurer Organisation?

Ernest Traoré: Der größte Teil der von unseren Sektionen in Ouagadougou, Bobo-Dioulasso, Dakar und Frankreich organisierten Aktivitäten waren Erfolge. Die letzte große Aktion war unsere Versammlung in Ouagadougou im August 2006. 350 Delegierte waren dabei, die verschiedenen Sektionen und das Exekutivkomitee haben ihre Arbeit vorgestellt. Begleitend haben wir eine öffentliche Konferenz zur Frage unabhängiger Kandidaturen bei Wahlen und der Möglichkeiten von Tourismus in Burkina Faso veranstaltet. Auch diese Konferenz war ein Erfolg.

Die Refondation der Universität Oua­ga­dou­gou im Jahr 2000 hatte eine Welle der Kritik in der Stu­die­ren­den­bewegung ausgelöst. Wie schätzt Ihr die Entwicklung der Hochschulpolitik in den vergangenen Jahren in Burkina Faso ein?

Seit der Refondation hat sich die Situation an der Universität von Jahr zu Jahr verschlechtert. Auch heute noch ist der Rückzug des Staates aus dem Bildungssektor spürbar. Wir haben rund 35.000 Studierende für 10.000 vorgesehene Studienplätze. Die größten Hörsäle haben eine Kapazität von 1.200 Plätzen, 2.080 Studierende kommen zu den Vorlesungen. Die Studierenden stehen morgens um vier Uhr auf, um einen Sitzplatz zu bekommen. Die Hörsäle werden bis 21 Uhr genutzt, weil es zu wenige gibt. Die Ausgaben der Studierenden haben sich erhöht. Die Immatrikulationsgebühren haben sich 2002 von 7.500 auf 15.000 fCFA1 im ersten und zweiten Studienjahr sowie auf 25.000 fCFA für das dritte Studienjahr erhöht. Die Eingangstests für die Unis in Ouagadougou und Bobo-Dioulasso kosten 15.000 fCFA. Die Ausstellung von Diplomen wird an die Zahlung von 1.000 fCFA gebunden. Die Studierenden stehen vor finanziellen Schwierigkeiten. Die meisten von ihnen müssen sich mit einer jährlichen staatlichen Unterstützung von 130.000 fCFA begnügen, die wir mit den Kämpfen unserer Organisation erstritten haben. Nur etwa fünf Prozent der Studierenden gehören zu den StipendiatInnen, die vom Staat 130.000 fCFA jährlich erhalten.

Außerdem bleibt die Zongo-Affäre ein wichtiges Anliegen der Schü­ler­Innen und Studierenden, die eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Straflosigkeit einneh­men.

Dazu kommt, dass seit dem vergangenen Monat der Verdacht einer Unterschlagung von 30 Millionen fCFA durch die Präsidentin der Universität Ouagadougou besteht. Die Polizei hat Ermittlungen in diesem Fall begonnen. Das werden wir weiter verfolgen.

Wie sehen die aktuellen Forderungen des UGEB in dieser Situation aus?

Im sozialen Bereich fordern wir die Anhebung der staatlichen Unterstützung auf 200.000 fCFA, auch im zweiten Studienjahr muss diese Unterstützung mehr Studierenden zukommen. Die Stipendien müssen auf 32.000 fCFA ab dem ersten Studienjahr erhöht werden. Außerdem brauchen wir einen geeigneten öffentlichen Nahverkehr und eine Senkung der Kosten für die Studierenden.

Außerdem stellen wir demokratische Forderungen, die sich an das politische System richten. Dabei geht es uns unter anderem um die Aufhebung des Dekrets, das die Schaffung und Einsetzung eines Sicherheitsdienstes an den Universitäten ermöglicht. Wir fordern aber auch Aufklärung darüber, wo sich das Grab unseres Ge­nos­sen Dabo Boukary befindet, einem Medizinstudenten, der im Mai 1990 ermordet wurde, und verlangen die Verurteilung und Bestrafung seiner Mörder.

Auch der Kampf gegen die Straflosigkeit und für unabhängige Kandidaturen bei Wahlen spielt für uns eine wichtige Rolle. Mit diesen Forderungen möchten wir als Bewegung die Demokratie in Burkina Faso stärken. Ich denke, dass die UGEB bei diesen Forderungen von der überwiegenden Mehrheit der burkinischen Studierenden unterstützt wird, das lässt sich an der starken Beteiligung an unseren Aktionen erkennen.

Mit was für Aktionen artikuliert Ihr Eure Forderungen?

Wir drücken unsere Forderungen in den üblichen Formen aus, die von Gewerkschaften verwendet werden: in Forderungskatalogen, Vollversammlungen, Diskussionen mit den zuständigen Behörden, Sit-­ins, De­monstra­tio­nen, Streiks.

Wie lassen sich die Kämpfe der Studierenden im Kontext der burkini­schen Gesellschaft einordnen? Wie ist Euer Verhältnis zur nicht-akademi­schen Bevölkerungsmehrheit?

Die Kämpfe der Studierenden zeigen die Prekarität der nationalen sozioökonomischen Situation. Die Situation der Studierenden ist ein Spiegel der burkinischen Gesellschaft. Die Gesellschaft ist ein Opfer der Anwendung von antisozialen Strukturanpassungsprogrammen durch die Regierung Blaise Compaoré. Man lebt in Armut und Unsicherheit.

Wir haben daher Forderungen, die sich auf die Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden beziehen, aber auch Forderungen, die über das studentische Leben hinausgehen. Diese Forderungen werden immer gemeinsam mit allen berufl­ichen Gruppen des Landes vorgetragen. Die Bevölkerung war daher immer soli­da­risch mit unseren Forderungen, weil sie le­gi­tim sind. Die Regierung hat aller­dings manchmal versucht, uns zu isolieren und unser Verhältnis zur Bevölkerung über Desinformation in den staatlichen Medien zu vergiften.

Arbeitet Ihr mit anderen sozialen Be­we­­­gungen zusammen?

Wir arbeiten mit allen Organisationen der Gesellschaft zusammen, die sich für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung einsetzen. Hierzu treffen wir uns und versuchen, gemeinsam Druck aufzubauen.

Wie seht Ihr die Situation der Stu­­dieren­den­be­we­gungen in West­afrika?

Der Zustand der Bewegungen ist bedauernswert. Sie konnten von den regierenden Herrschern aufgrund ihrer falschen Ausrichtung gespalten werden. Wir denken, dass wir die Tatsache, als UGEB bis heute zu existieren, unserer revolutionären Orientierung zu verdanken haben. Diese Orientierung erlaubt uns, der Regierung immer wieder neue Errungenschaften abzunötigen.

Welchen Formen der Repression steht die UGEB derzeit gegenüber?

Gegenwärtig steht die UGEB dem festen Willen der Regierung Compaoré gegen­über, die Studierenden zu kontrollieren, um die Strukturanpassungsmaßnahmen voll zur Anwendung bringen zu können. Deshalb hat sie das bereits erwähnte Dekret erlassen. Die Gegenwehr der Studierenden ist aber so groß, dass das Dekret noch nicht umgesetzt wird.

Das Interview führte Nikolai Brandes per E-Mail.
Endnote

(1) Der Franc CFA (fCFA) ist die gemeinsame Währung von fünfzehn west- und zentralafrikanischen Staaten. Der Wechselkurs zum Euro ist fest, ein Euro entspricht knapp 656 fCFA.

In: sul serio Sonderausgabe Nr. 5, "Soziale Bewegungen in Afrika", Juni 2007, 18/19

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