Arzneimittel-Kontrolle als Profit-Center?

Fast sah es so aus, als würde die von der Bundesregierung geplante Neuorganisation der Arzneimittelkontrolle nach kommerziellen Gesichtspunkten zügig über die Bühne gehen. Noch die erste Lesung des Gesetzentwurfs zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittelagentur (DAMA) im Bundestag Anfang März fand trotz anhaltender, massiver Kritik vieler Experten und der Opposition kaum Beachtung in der Öffentlichkeit. Nun wird über die DAMA wohl doch noch einmal nachgedacht in der Koalition.

Eine öffentliche Firma mit einem "modernen, an internationalen Standards ausgerichteten Leitungsmanagement" sollte laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) durch die geplante Umstrukturierung der bisherigen Zulassungsbehörde, des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, entstehen.(1) Noch deutlicher wurde der Text des Gesetzentwurfes: "Der zunehmende globale Wettbewerb in der Pharmaindustrie sowie die wachsende europäische Zusammenarbeit", heißt es in der Einleitung, "machen es erforderlich, für die Arzneimittelzulassung in Deutschland Rahmenbedingungen zu schaffen, die mit denen anderer EU-Staaten vergleichbar sind." Eine "stärker marktorientierte Ausrichtung" der Arzneimittelzulassung sei notwendig.(2) Geht es nach den Plänen des BMG, wird die Zulassungsbehörde zu einer Art Dienstleistungszentrum für die Pharmaindustrie ausgebaut. Was das konkret heißt, wird im Gesetzentwurf explizit ausgeführt: "Die Beratungsleistungen für die pharmazeutischen Unternehmen auf den verschiedenen Stufen der Arzneimittelentwicklung bis zur Zulassung bedürfen eines erheblichen Ausbaues. In diesem Zusammenhang sollen auch bestehende Dialogforen weitergeführt und intensiviert werden."(3) Der Versuch, die Zulassung von Arzneimitteln industriefreundlich umzukrempeln, findet nicht zum ersten Mal statt. Bereits 2005 legte die rot-grüne Regierung einen ersten Gesetzentwurf zur Gründung der DAMA vor, der heftig kritisiert wurde.(4) Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl kam es aber nicht mehr zur Verabschiedung. Ende vergangenen Jahres holte die Bundesregierung ihn dann - weitgehend unverändert und nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit - wieder aus der Schublade. Mit ihren Plänen ist die Bundesregierung nicht allein. In vielen Ländern hat die intensive Lobbyarbeit der Pharmaindustrie bereits eine industriefreundliche Umstrukturierung der Zulassung erreicht. Welche Abwärtsspirale bei der Arzneimittelsicherheit damit in Gang gesetzt wird, zeigen die folgenden Beispiele von Behörden, die vom derzeitigen Kabinett als Vorbild betrachtet werden.

USA: Verkürzte Zulassung, vermehrte Risiken

Früher mussten in den USA - anders als in Europa - viele risikoreiche Medikamente nicht vom Markt genommen werden. Wegen der strengeren Kontrolle durch die US-Behörde FDA wurden sie gar nicht erst zugelassen.(5) Das änderte sich nach 1992 mit dem Prescription Drug User Fee Act (PDUFA). Seitdem kann sich die US-Pharmaindustrie die Arzneimittelzulassung im Prinzip erkaufen. Zunächst durften die mit dem PDUFA eingeführten Gebühren ausschließlich dazu verwendet werden, bei der FDA mehr Personal für die Zulassung einzustellen. Erst eine Gesetzesänderung 2002 erlaubte es, kleine Summen für die Risikoüberwachung, die so genannte Pharmakovigilanz, abzuzweigen.(6) Arzneimittelrisiken bleiben aber ein Stiefkind der Behörde, und so war das PDUFA für die Industrie in jeder Hinsicht eine lukrative Geschichte: Die Bearbeitungszeit eines Zulassungsantrags etwa verkürzte sich zwischen 1993 und 2003 von siebenundzwanzig auf dreiundzwanzig Monate. Jeder Monat zusätzliche exklusive Vermarktungszeit kann Mehreinnahmen von mehr als 100 Millionen US$ bedeuten. Noch drastischer sanken die Zeiten für "priority reviews": Die bevorzugte Bearbeitung von Zulassungsanträgen für therapeutisch besonders wichtige Medikamente verkürzte sich im Schnitt von fünfzehn auf nur noch sieben Monate. Die Folgen dieser Effektivierung im Sinne der Industrie ließen nicht lange auf sich warten: Die Zahl der Arzneimittelskandale hat seit dem Inkrafttreten des PDUFA stark zugenommen. Das Diabetesmittel Troglitazon beispielsweise wurde 1997 nach sechs Monaten zugelassen, musste aber im Jahr 2000 wegen danach entdeckter Risiken wieder verboten werden. Der im gleichen Jahr innerhalb von zwölf Monaten bevorzugt zugelassene Cholesterinsenker Cerivastatin wurde nach etlichen Todesfällen und massivem Druck 2001 vom Hersteller "freiwillig" zurückgezogen. Die schlimmsten Folgen jedoch zeitigte wohl das Rheumamittel Rofecoxib (Handelsname Vioxx), das innerhalb von sechs Monaten zugelassen worden war. Es brachte Tausenden einen vermeidbaren Tod durch Herzinfarkt oder Hirnschlag und wurde 2004 auf Druck der FDA zurückgezogen. Dabei waren die Risiken des Mittels eigentlich schon 2000, ein Jahr nach der Zulassung, deutlich geworden. Doch interne Kritiker in der FDA wurden mundtot gemacht: David J. Graham, bei der FDA für Arzneimittelsicherheit zuständig, hatte eine Studie durchgeführt, die die Risiken von Rofecoxib bestätigte. Als er seinen Chefs die Ergebnisse mitteilte, wurde auf ihn Druck ausgeübt, seine Schlussfolgerungen zu ändern, weil sie nicht im Einklang mit der Position der FDA zur Sicherheit des Medikaments stünden - wenige Wochen später wurde Rofecoxib vom Markt genommen.(4) Teil der wirtschaftsfreundlichen Zulassungspraxis der FDA ist auch die vorzeitige Zulassung von Arzneimitteln, deren Sicherheit noch nicht hinreichend geklärt ist. Den Herstellern werden zwar Auflagen gemacht, weitere Untersuchungen zu den Risiken durchzuführen. Im Grunde gleicht dieses Vorgehen aber einer Fahrt ohne Sicherheitsgurt, die ohne negative Folgen bleiben, aber auch tödlich verlaufen kann. Dass solche Auflagen eher der Beruhigung der Öffentlichkeit als der Patientensicherheit dienen, zeigte eine Untersuchung der Verbraucherschutz-Organisation Public Citizen über die mangelnde Handlungsbereitschaft der Industrie.(7) Danach erhielten rund zwei Drittel aller zwischen 1990 und 1994 zugelassenen neuen Wirkstoffe eine Auflage zur weiteren Erforschung der Risiken. 1999 waren nur dreizehn Prozent dieser Auflagen abgearbeitet, also auch tatsächlich erfüllt worden.

EU: Arzneimittelzulassung als Wirtschaftsförderung

Die European Medicines Agency (EMEA) ist wohl die bisher einzige Zulassungsbehörde, bei der kommerzielle Interessen bereits in die Planungen für ihre Gründung einflossen. So wurde die EU-Behörde nicht etwa der Generaldirektion für Gesundheit oder für Verbraucherschutz unterstellt, sondern der für Unternehmen und Industrie. Als "Mission" der EMEA bezeichnet die Kommission es, "wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu fördern, in denen alle europäischen Unternehmen - einschließlich der Pharmaindustrie - ihr Potential als Motor für wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Europäischen Union voll verwirklichen können."(8) Was die EU unter Innovationen versteht, zeigt sich beispielhaft am kürzlich durch die EMEA zugelassenen Testosteronpflaster für Frauen, das unter dem Markennamen Intrinsa verkauft wird. Die auch als Dopingmittel im Sport bekannten Testosteronspender sollen Frauen nach Gebärmutterentfernung mehr Bedürfnis und Vergnügen am Sex verschaffen. Gravierender als die fragwürdigen Studienergebnisse zur angeblichen Wirksamkeit dieser Behandlung sind die Sicherheitsbedenken. Völlig unklar ist, ob Testosteron bei Frauen in der Menopause ebenso wie Östrogene die Brustkrebsentwicklung oder andere Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Störungen fördert. Der angesehene Pharmakologe Peter Schönhöfer bemerkt dazu: "In meinen Augen ist die Zulassung des Produktes ein Skandal, wenn im Zulassungsbescheid der EMEA festgestellt wird, dass das Unternehmen Â’in allen laufenden Studien mit Intrinsa die möglichen Langzeitrisiken (Brustkrebs, Gebärmutterschleimhautkrebs, Nebenwirkungen des Herz-Kreislauf-Systems) prüfenÂ’ wird. Hier werden die Anwenderinnen bedenkenlos zu Versuchskaninchen des Warenanbieters gemacht."(9) Insgesamt sind im Prozess der Europäisierung der Arzneimittelzulassung Standards vereinheitlicht worden - leider allerdings nach unten: Die Anforderungen an Wirksamkeits- und Sicherheitsprüfungen wurden auf ein gemeinsames niedriges Niveau abgesenkt. Im Wesentlichen ist das ein Ergebnis der Konkurrenz zwischen den einzelnen nationalen Behörden: An den Prozeduren der EMEA sind nach wie vor die nationalen Zulassungsbehörden als Gutachter beteiligt. Erst recht gilt das für das dezentrale Zulassungsverfahren, das ein Mitgliedsstaat stellvertretend für die EU durchführt. Es existiert also ein Wettbewerb zwischen den Behörden, die sich lukrative Gutachten beziehungsweise Zulassungsverfahren an Land ziehen wollen. Da die Hersteller in beiden Fällen entscheiden können, wen sie auswählen, entsteht ein im Wortsinne ungesunder Abwärtstrend: Bei einer Umfrage unter Zulassungsbeamten sahen die Hälfte der Befragten in der Konkurrenz der europäischen Behörden eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit.(10)

Schneller heißt weniger sicher

Eine noch schnellere Zulassung bedeutet weniger Sicherheit. Die EU hat bereits als Standard verankert, dass die Bewertung eines Arzneimittels nicht länger als 210 Tage dauern darf - viel weniger als früher üblich. Die britische Zulassungsbehörde Medicines Control Agency (MCA) brüstete sich bereits damit, dass sie eine Bewertung in ganzen 53 Tagen geschafft hat.(10) Ob höchste Geschwindigkeit ein Qualitätskriterium ist, bleibt allerdings zweifelhaft.(11) Das MCA war beispielsweise für die Zulassung von dem später wegen unvertretbarer Risiken abgestürzten Cholesterinsenker Cerivastatin (Handelsname Lipobay) verantwortlich.(12) Ein Untersuchungsbericht des britischen Parlaments fällte vor zwei Jahren ein vernichtendes Urteil über das britische Gesundheitsministerium und die Zulassungsbehörde. Sie habe eine zu positive Haltung zur Industrie. Die Kontrollbehörde MCA sei bestenfalls zu vertrauensselig und schlimmstenfalls zu eingeschüchtert. Der Bericht forderte mehr Distanz zur Industrie und verlangte, den therapeutischen Fortschritt zum Kriterium für die Zulassung neuer Medikamente zu machen.(13)

DAMA-Wirtschaft?

Auch im Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit ist viel von Leistung und Wettbewerb die Rede.(14) "Für die Pharmaindustrie und den Wirtschaftsstandort Deutschland ist von großer Bedeutung, dass die deutsche Arzneimittelzulassung dem zukünftigen europäischen Zulassungsnetzwerk angehören und dabei eine tragende Rolle spielen wird", heißt es im Entwurf. Dazu soll nicht nur ein Vorstand mit "medizinisch-pharmazeutischem", sondern auch mit "ökonomischem Sachverstand" berufen werden. Dass es sich bei dem neu geschaffenen Vorstand "mit leistungsbezogener Bezahlung" auch um ehemalige Pharmamanager handeln könnte, wurde nicht ausdrücklich ausgeschlossen.(15) Wie auch - der Gesetzentwurf ist im wesentlichen das Ergebnis einer massiven Propagandamaschinerie, in Gang gesetzt von der Pharmaindustrie, um ihre Interessen durchzusetzen. Die PR-Kampagne "Forschung ist die beste Medizin" ist nur der offensichtlichste Teil davon. Wesentlich wirksamer scheint die erfolgreiche Lobbyarbeit unter ParlamentarierInnen zu sein. So hat die Industrie schon unter Rot-Grün direkten Einfluss auf das Gesundheitsministerium gewonnen. Nach der so genannten Bordeaux-Runde zwischen Kanzler Schröder und Pharmaunternehmen wurde eine "Task Force" unter massiver Beteiligung von Industrievertretern im Bundesministerium für Gesundheit eingerichtet. Seitdem konnte die Pharmaindustrie direkt aus dem Inneren der Gesetzgebungsmaschinerie heraus die Errichtung der DAMA nach ihren Anliegen und Interessen gestalten.(16) Auch wenn die Wurzeln der DAMA in der "Bordeaux-Runde" zwischen Kanzler Schröder und der Pharmaindustrie liegen - im Gegensatz zu Wein werden Gesetzentwürfe durchs Lagern nicht besser. Mit mehr Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz jedenfalls hat die vom BMG geplante Umstrukturierung der Arzneimittelzulassung entgegen anderslautender Beteuerungen nichts zu tun. Neben der anvisierten Verkürzung der Prüfzeiten vor einer Zulassung ist es auch die unzureichende Ausstattung der geplanten DAMA für die Überprüfung von Arzneimittelrisiken nach der Zulassung, die die Arzneimittelsicherheit extrem einschränken würde. Insbesondere dieses Sicherheitsproblem, die so genannte Pharmakovigilanz, gehört neben dem Organisationsaufbau der geplanten Behörde und der Gebührenstruktur zu den Ausgangspunkten der Kritik einiger Abgeordneter aus der Koalition. Nach einem Spitzengespräch in der vorletzten Maiwoche soll der Gesetzentwurf nun gründlich überarbeitet werden - das jedenfalls war aus der AG Gesundheit der CDU-Fraktion zu erfahren. Man wolle sich dafür die nötige Zeit lassen, Sicherheit ginge vor Schnelligkeit. Ein neuer Gesetzentwurf wäre sicher gründlich anders, sollen alle Bedenken ausgeräumt werden, so die Auskunft. Abgeordnete anderer Fraktionen äußern gar die Hoffnung, dass das Projekt ganz zurückgezogen wird. Aber selbst wenn die Pläne für die DAMA eingestampft würden - eine Behörde, die strenge Kriterien an Wirksamkeit und Sicherheit stellt und so die VerbraucherInnen vor mitunter risikoreichen, immer aber teuren Scheininnovationen schützt, ist damit noch nicht geschaffen. Jörg Schaaber ist Diplom-Soziologe und Gesundheitswissenschaftler, Chefredakteur beim von der BUKO Pharma-Kampagne herausgegebenen Pharma-Brief und Vorstandsmitglied der internationalen Gesellschaft der unabhängigen Arzneimittelzeitschriften (International Society of Drug Bulletins, ISDB). Er beobachtet seit vielen Jahren die Pharmapolitik in Deutschland und weltweit. Der für den GID aktualisierte Artikel erschien zuerst im Pharma-Brief Nr.1/2007, S.1-3.

Fußnoten:

  1. "Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (DAMA) auf den Weg gebracht", Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 20.12.2006. Anlass für die Pressemitteilung war die Entscheidung des Kabinetts am selben Tag, den entsprechenden Gesetzentwurf zu billigen.
  2. "Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (DAMA-Errichtungsgesetz)", Bundestagsdrucksache 16/4374, zu finden unter www.bmg.bund.de., S.1 und S.17
  3. Gesetzentwurf, S.17
  4. Vgl. "Verkaufte Sicherheit", Pharma-Brief 3/2005, S.7
  5. Claude Spriet-Poura and Michel Auriche. Drugs withdrawn from sale, PJB Publications 1988, ohne Ort
  6. Susan Okie: What ails the FDA? New England Journal of Medicine, Vol. 352,17. März 2005, S.1063-1066
  7. Health Research Group: Public citizen. Study of the drug industry‘s performance in finishing required postmarketing research (Phase IV) studies. Washington DC, 13. April 2000, www.citizen.org/publications/release.cfm?ID=6721
  8. European Commission, Enterprise Directorate-General: Pharmaceuticals in the European Union, Brüssel 2000, S.28. Im Netz unter http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/pharmacos/docs/brochure/pharmaeu.pdf, Zugriff am 24.1.2007
  9. Peter Schönhöfer wird zitiert im arznei-telegramm vom 15.01.2007.
  10. John Abraham and Graham Lewis: Europeanization of medicines regulation, in: John Abraham and Helen Lawton Smith (Hg.): Regulation of the pharmaceutical industry, Houndmills 2003, S.63
  11. Vgl. "UK Arzneimittelkontrolle - Unnötige Todesfälle?", Pharma-Brief 8-9/2003, S.5
  12. Cerivastatin ist übrigens auch ein Beispiel für den mangelnden Schutz durch die EMEA. Die Behörde diskutierte die Risiken des Cholesterinsenkers, verfügte aber nur halbherzige und dem Risiko völlig inadäquate Anwendungseinschränkungen. Kurz darauf nahm der Hersteller auf Druck der Fachöffentlichkeit das Mittel "freiwillig" vom Markt. Vgl. "Bewusste Verantwortungslosigkeit - Was lehrt der Fall Lipobay?", Pharma-Brief 6/2001, S.1-3
  13. Vgl. "Wie viel nützt die Pharmaindustrie Ihrer Gesundheit?", Pharma-Brief 3/2005, S.5-6. Inzwischen wurde die kritisierte Behörde umbenannt, sie heißt heute Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA).
  14. Schon im Koalitionsvertrag war die Errichtung der DAMA angekündigt und mit einer Stärkung der "Standortbedingungen und Innovationsmöglichkeiten der Pharmaindustrie" begründet worden. Vgl. Koalitionsvertrag, Kapitel 7.1: Allgemeine Fragen der Gesundheitspolitik, S.100
  15. Gesetzentwurf, S.17 und 18
  16. Dies wird im Gesetzentwurf auf Seite 17 sogar explizit erwähnt. Möglich sind solche Prozesse auch durch die zunehmende Industrienähe der derzeitigen Koalitionsparteien. Spätestens seit der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer bei der Positivliste gegenüber der Industrie einknickte, gilt die CDU/CSU als industrienah. Und die SPD-Fraktion hat mit Carola Reimann eine frühere Pharmavertreterin zur neuen Gesundheits-Sprecherin gemacht. Sie hat unter anderem Empfänge für Industrie-gesponserte Interessenvertreter im SPD-Fraktionssaal des Reichstages eingeführt.

    Kasten: Patientenfreundlicher Strategiewechsel in den USA?

    Ein Umdenken, das in den Entwicklungsabteilungen von Medikamentenherstellern für einige Unruhe sorgen dürfte, zeichnet sich bei der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA ab: Sie lehnte jüngst den Antrag auf Zulassung von Etoricoxib mit der Begründung ab, dass das Rheumamittel keinen ausreichenden Vorteil in der Magen-Darm-Verträglichkeit erkennen lässt, der die Risiken der Substanzgruppe für das Herz-Kreislaufsystem aufwiegen könnte. Erstmals wird damit für neue Arzneimittel der Beleg eines Vorteils gegenüber bereits erhältlichen (und damit in der Regel besser erprobten) Medikamenten gefordert. Bislang reichte es aus, wenn eine Wirksamkeit gegenüber einem Scheinmedikament festgestellt wurde oder ein neues Mittel bereits etablierten nicht unterlegen war. Leider gibt es bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass auch die europäische Zulassungsbehörde EMEA umschwenkt. In Deutschland wird das von der FDA beanstandete Etoricoxib unter dem Handelsnamen Arcoxia bereits seit 2004 vertrieben und war 2006 mit einer Million Packungen im Wert von 29 Millionen Euro das umsatzstärkste konventionelle Rheumamittel. (Aus: Gute Pillen, schlechte Pillen 3/2007, S.1-2)