US-Crash macht Sachsen ärmer

in (01.10.2007)

Der eilige Leser schüttelt verwundert den Kopf, wie schnell doch die vermaledeite Globalisierung auch die deutsche Provinz aufmischt. Da verkauften

vor gut einem Jahr die cleveren Dresdner Stadtväter und -mütter (mit Zustimmung von neun PDSlern) ihre kommunalen Wohnungen an einen US-amerikanischen Finanzinvestor, und jetzt wackelt die Landesregierung, weil in Amerika die Häuserpreise in den Keller fallen! Das müssen die US-Banker doch schon gewußt haben, als sie ihre Dollars aus dem heimatlichen Hypothekenmarkt abzogen und sich günstig in Sachsen einkauften! Die eigene Landesbank aber soll jetzt pleite sein, denn Regierung und Bankmanager waren so dumm, sich mit vielen Milliarden an US-Immobilien zu beteiligen - zu einem Zeitpunkt, als das internationale Finanzkapital schon Wetten über das Platzen der "Immobilienblase" in den Vereinigten Staaten abschloß. 48.000 Wohnungen gehören den Dresdnern nicht mehr, und ihre Landesbank ist auch weg. Sie wurde inzwischen von der großen LB Baden-Württemberg geschluckt.

Vor einem Monat war schon eine andere staatliche Bank durch die US-Hypothekenkrise ins Trudeln geraten, die bundeseigene Bank für Wiederaufbau mit ihrem Tochterinstitut Industriekreditbank (IKB) und der irischen Finanzierungsgesellschaft Rhineland Funding. Auch dort sind US-Hypothekenkredite teilweise nicht mehr gesichert, so daß unter Führung der Bundesregierung Kreditbürgschaften in Höhe von 17 Milliarden Euro übernommen werden mußten. Ähnliche Hypothekenprobleme waren schon vor einiger Zeit bei der West LB sowie bei der Bayrischen LB bekannt geworden, beide gelten aber bisher noch als groß und stark genug, die Risiken allein zu garantieren. Allerdings müssen jetzt wohl bald in manchen deutschen Landen die Finanzminister und Stadtkämmerer auf gewohnte Gewinnausschüttungen der jeweiligen Landesbanken und Stadtsparkassen verzichten. Den Ausgleich werden sie sich durch höhere Abgaben, Gebühren und Eintrittsgelder der BürgerInnen besorgen.

Die Rolle der Privatbanken
Privatbanken in Deutschland sind seltsamerweise bisher noch nicht ins Gerede gekommen. Man gewinnt den Eindruck, daß sie ihre unsicher gewordenen Kredite mit gewiefteren Verschleierungsmethoden - durch Aus- und Umgliederungen auf ausländischen Finanzplätzen - vor der deutschen Bankenaufsicht vorerst verstecken konnten. Bekannt wurde inzwischen ein böses Spiel der Deutschen Bank, die mit rund 40 Milliarden Euro immerhin das zweitgrößte Engagement aller internationalen Kreditinstitute auf dem US-Hypothekenmarkt eingegangen sein soll. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung hat diese Großbank schon 2004 der jetzt wackelnden Staatsbank IKB schwach gesicherte und riskante Kreditpapiere für 500 bis 600 Millionen US-Dollar vermittelt - selbstverständlich mit einer fetten Provision von 25 bis 30 Millionen Dollar. Und es soll der Deutsche-Bank-Chef Ackermann gewesen sein, der jetzt die prekäre Situation der IKB der deutschen Finanzaufsicht anzeigte - um sie zu retten, versteht sich.

Die großen Privatbanken hierzulande stehen schon länger in Wartestellung, sie möchten im System der noch von staatlichen Körperschaften getragenen Sparkassen und Banken wildern. Denen in der augenblicklichen Krise die Alleinschuld zuzuschieben, ist der eine Schachzug; ein anderer wäre die Einverleibung von lukrativen Teilen aus dem Sparkassensektor, eine jetzt billig zu habende Landesbank wäre noch besserÂ…

Doch ist kaum anzunehmen, daß ausgerechnet die deutschen Privatbanken ungeschoren davonkommen. Dafür sind ihre Anlagen in den USA viel zu umfangreich. Sie haben exzellent daran verdient, einen Großteil jener Kapitalien, die deutsche Unternehmen als Exportüberschüsse Jahr für Jahr auf den globalen Märkten erwirtschafteten, in das angeblich so sichere und dazu noch mit höheren Gewinnmargen lockende Amerika, das Mekka des Weltkapitalismus, zu bringen. In den USA aber sind schon mehr als zehn Finanzinstitute zusammengebrochen (Hedge Fonds, Private-Equity-Gesellschaften und auch einige mittlere Banken). Der Dollar fällt weiter im Verhältnis zum Euro, was in vielen Ländern den Wert aller den USA gegebenen Kredite mindert. Die geschätzten Wachstumsraten der US-Wirtschaft, inzwischen auch der westeuropäischen und der japanischen, werden zurückgenommen. Die Aktien an den Börsen haben sich seit gut einem Monat auf Talfahrt begeben, der Deutsche Aktienindex (DAX) für die 30 größten Konzerne hierzulande hat seit seinem Höchststand im Juli gut zehn Prozent verloren, insgesamt sind das bis jetzt ungefähr 100 Milliarden Euro weniger für die Aktionäre. Die Financial Times Deutschland prognostiziert: "Ein Crash an den Aktienmärkten verläuft meist schnell. Dann ist der Spuk vorbei. In den Kreditmärkten verläuft ein Einbruch anders. Er ist langsamer und gewaltiger." In der Überschrift wird prophezeit: "Markt für Massenvernichtung".

Kleine Geschichte der Krise
Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz verwies ebenfalls in der Financial Times Deutschland darauf, daß Politik, Notenbank und Geschäftsbanken die US-Hypothekenkrise durch "Steuersenkungen, niedrige Zinssätze und laxe Kreditstandards" selbst herbeigeführt haben. Er rechnet mit gravierenden Folgen "sowohl für die Weltwirtschaft als auch für die Millionen Amerikaner, die in finanzielle Nöte geraten werden". Von den Sachsen und anderen Völkerschaften überall in der Welt, die jetzt schleichend enteignetet werden, sprach er nicht.

Stiglitz benennt hier zwar wesentliche Akteure und Momente der sich aufbauenden Krise, aber er spart all jene aus, die in den Chefetagen der großen Konzerne und der Arbeitgeberverbände derartige Weichenstellungen von den politisch Verantwortlichen in den Regierungen und Notenbanken verlangt haben. Auch die Großkapitalisten, die aus ihren Anlagen mehr Geld um jeden Preis herausholen wollen, bleiben unerwähnt. Und er stellt sich nicht die Frage, ob das kapitalistische Weltsystem mit seinem Zwang zur Plusmacherei nicht immer wieder in Menschen und Umwelt zerstörende Krisen geraten muß. Schon Marx aber hatte das kapitalistische Hauptgebot erkannt: "Akkumuliert! Akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten!" Und er hatte auch gezeigt, wohin solch ein Austausch der zehn Gebote führen werde: Das herrschende Wirtschaftssystem mit seiner Profitmaximierung werde die "Springquellen allen Reichtums" untergraben: "die Erde und den Arbeiter".

In den USA sind die Kreditmöglichkeiten auf allen Ebenen exzessiv ausgeweitet worden, um zusätzliche Nachfrage zu generieren und so die periodisch wiederkehrenden Überproduktionskrisen aufzufangen. Zunächst sorgten die regierenden Politiker für eine massive Ausweitung der Staatsverschuldung, besonders unter Reagan mit seinen Hochrüstungsprogrammen. In der Clinton-Ära folgte die Herabsetzung der Zinssätze durch die Notenbank unter Alan Greenspan sowie eine weitgehende Lockerung der Kreditbestimmungen - schon damals ein vom Staat gefördertes "Wachstumsprogramm" für private Verschuldungen, sowohl für Investitionen wie für Konsum. Die Bush-Administration verwandelte anschließend die leichte Rezession von 2001 mittels Steuergeschenken an die Reichen und Neuverschuldungen des Staates von jährlich um die 500 Milliarden US-Dollar sowie einer weiteren Ausweitung des privaten Kreditsektors wieder in ein mäßiges Wirtschaftswachstum- alles auf Pump, zu großen Teilen aus dem Ausland.

Die Immobilienblase
Als ein besonders wichtiger Wachstumsmarkt für Investitionen und Konsum durch Kreditausweitung galt bis vor kurzem die unaufhörliche Zunahme von Immobilien, besonders von privat erworbenen Häusern. Lebten vor zehn Jahren schon 65 Prozent der US-Bürger in den "eigenen vier Wänden", so sollen es heute 70 Prozent sein (in Deutschland 42 Prozent). Von der Regierung steuerlich gefördert, von den Banken mit niedrigen Anfangszinsen und erst nach Jahren einsetzenden Rückzahlungsverpflichtungen gelockt, war ein Neubautenboom entstanden, der sich selbst zu finanzieren schien. Jahr für Jahr stiegen die Häuserpreise zwischen 10 und 20 Prozent. Wer nach fünf Jahren zu seiner Bank ging, konnte einen neuen Kredit fast in doppelter Höhe aufnehmen, gesichert durch das derart im Wert gestiegene Haus. Damit konnte er seinen alten Kredit zurückzahlen und sich noch ein neues Auto oder anderes anschaffen. Das Spiel, so glaubte man, würde man in fünf Jahren wiederholen können - wo sollte da das Risiko liegen?

Man hatte nicht bedacht, daß die restlichen 30 Prozent der US-Bürger wohl kaum zu Hausbesitzern aufsteigen können. Sie müssen sich als working poor oder mit den Resten der Sozialhilfe durchschlagen. Eine Bank kann zwar beide Augen zudrücken, aber die wirklich Armen trauen sich da gar nicht rein. Wenn aber der Käufermarkt nicht mehr wächst, können die Immobilienpreise auch nicht mehr steigen. Dann reißt die Preissteigerungskette wie bei einem Kettenbrief. Viele haben sich weit über ihre Einkommensverhältnisse verschuldet. Wenn dann nach drei oder fünf Jahren zusätzlich zu den Zinsen die Rückzahlungsraten fällig werden, können sie ihren eingegangenen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Ihr Haus aber soll jetzt statt teurer plötzlich billiger geworden sein. Es fällt an die Bank, die nur den minimierten Marktpreis anrechnet und auf Rückzahlung der ganzen Schuldverpflichtung besteht. Die ehemaligen Hausbesitzer werden wohnungslos, sind hoch verschuldet und zahlungsunfähig. An diesem Punkt ist man heute an vielen Orten in den USA.

Aber auch die Banken müssen feststellen, daß sie auf faulen Krediten sitzen und der geschätzte Wert der jetzt ihnen gehörenden Immobilien nicht mehr zu realisieren ist. Die Hypotheken auf US-Immobilien sollen 1990 bei 3.800 Milliarden Dollar gelegen haben, 2000 schon bei 6.000 Milliarden, bis Mitte 2007 sollen daraus 13.500 Milliarden geworden sein. Wie hoch der heute noch zu erzielende Preis sein wird, weiß niemand.

Auch Sachsen wird ärmer
Wie kam es zu den zeitweiligen Gewinnausschüttungen zum Beispiel der Sächsischen Landesbank aus den Quellen ihrer Immobilientöchter auf dem US-Markt? Auch sie setzten auf die ewig steigenden Immobilienpreise und rechneten so Jahr für Jahr den Wert des Immobilienbestandes hoch, den sie bei eigener zusätzlicher Geldaufnahme als Sicherheit anzugeben hatten. Dadurch konnten sie sich auf den internationalen Finanzmärkten mit zeitweilig relativ billigen Kurzzeit-Krediten versorgen, die sie dann zu höheren Zinssätzen längerfristig im Immobiliensektor weiterverliehen. Aber plötzlich sind die Häuser in Amerika weniger wert, die privaten Kreditnehmer wollen verkaufen und müssen Insolvenz anmelden. Das Haus fällt an die Bank, auch die will verkaufen, denn ihre aufgenommenen Kurzzeit-Kredite sind zwar billig im Zins, müssen aber ganz schnell zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Der Immobilienfond droht zahlungsunfähig zu werden, die Haftung der Mutterbank in Deutschland wird fällig.
Ein Ergebnis sehen wir jetzt bei der Sächsischen Landesbank. Sie wies einmal ein Eigenkapital von 1,5 Milliarden Euro auf, seinerzeit vom Land und den sächsischen Sparkassen aufgebracht, also durch Gebühren und Steuern der BürgerInnen. Jetzt zahlt die übernehmende Landesbank Baden-Württemberg erstmal gar nichts; Ende des Jahres soll Kassensturz gemacht werden, und dann landet man wahrscheinlich bei Null. Die faulen US-Kredite von bisher bekannt gewordenen 3,6 Milliarden Euro verbleiben im Freistaat Sachsen, wo dringende Infrastrukturmaßnahmen sowie soziale Leistungen weiter zurückgefahren werden.

Ministerpräsident Milbradt wird wohl seinen Hut nehmen müssen, wie vor kurzem schon sein Finanzminister. Milbradt selber hatte noch als Finanzminister die Sachsen LB gegründet und die Ausweitung auf den US-Kreditmarkt intensiv vorangetrieben. Auch noch als Ministerpräsident soll er die Aktivitäten "seiner" Bank lobend begleitet haben. Aber solche Bauernopfer in hohen Regierungsämtern muß man nicht bedauern, die Ministerpensionen sind sicher und hoch genug. Schlimmer trifft es all jene, die letztlich auch im Freistaat Sachsen für den Schaden aufzukommen haben. Dazu gehören nicht zuletzt die 48.000 Mietparteien jener Wohnungen in Dresden, die einst Volksvermögen waren, seit 2006 aber der amerikanischen Finanzierungsgesellschaft Fortress gehören. Sie wird versuchen, über Mieterhöhungen und Einzelverkäufe bei den Sachsen das herauszuholen, was sie in den USA verliert.