Family Reconstructed

Rubrik Recht Kurz

Das Ende der klassischen Familie ist eingeläutet. Im Januar 2007 entschied der Court of Appeal for Ontario, Kanada, dass ein Kind von Rechts wegen drei Eltern haben kann: Vater, Mutter - und Mutter.

Im sogenannten "two-mother" ruling erkannte das Gericht die biologische Mutter eines fünfjährigen Jungen und ihre Partnerin als rechtliche Mütter an. Der biologische Vater des Jungen bleibt weiterhin der rechtliche Vater.

Die Mütter des Jungen lebten seit 1990 in einer Lebenspartnerschaft und entschlossen sich 1999 mit Hilfe eines Freundes eine Familie zu gründen. 2001 wurde ihr Sohn geboren. Hauptbezugspersonen des Jungen sind die beiden Mütter. Der biologische Vater ist in das Familienleben eingebunden. Eine Adoption des Jungen durch die Partnerin der biologischen Mutter hätte bedeutet, dass er seinen Status als rechtlicher Vater verliert.

Das Gericht betonte zunächst die legitimen Intereressen der Beteiligten an einer gemeinsamen Elternschaft: die umfassende Teilhabe am Leben des Kindes, Mitentscheidungsrechte bei der Ausbildung des Kindes, im Krankheitsfall, sowie die Folgen hinsichtlich Staatsbürgerschaft, Sozialversicherung und Erbschaftsfragen.

Zentral war das Wohl des Kindes. Bereits die erste Instanz, die mangels Zuständigkeit letztlich nicht entschied, hatte erkannt: "Dieses Kind ist ein aufgewecktes, gesundes und glückliches Individuum, das in einer liebevollen Familie, die alle seine Bedürfnisse erfüllt, sichtlich gedeiht." Ein zwölfjähriges "sachverständiges" Kind brachte es auf den Punkt: "Ich möchte nur, dass meine beiden ‚MomsÂ’ als ‚MomsÂ’ anerkannt werden. ... Es würde mehr Leuten helfen zu verstehen. ... Ich will, dass meine Familie akzeptiert und einbezogen wird, wie die Familie von jedem anderen auch."

Kritiker/innen sehen in der Entscheidung wieder einmal ein Beispiel von unnötigem Aktivismus der Judikative. Die Attacke auf die klassische Familieneinheit würde letztlich zur Zerstörung der Gesellschaft führen. Wo sei die Grenze zu ziehen beim "multiple parent ruling"? Könne ein Kind künftig vier, sechs oder gar ein Dutzend Eltern haben?

Für gleichgeschlechtliche Partner/innen und deren Kinder ist die Entscheidung keine akademische, sondern vor allem eine praktische. Sie sehen im Urteil lediglich die Anerkennung einer Lebenswirklichkeit. Wer hat hier Windeln gewechselt, Nase geputzt, Tränen getrocknet? So sah es das Gericht: Soziale Gegebenheiten und Einstellungen haben sich geändert. Fortschritte in "unserer Würdigung der Werte anderer Beziehungsformen" und in der Reproduktionstechnologie erfordern einen neuen rechtlichen Rahmen. Genau. Auf in ein neues Familienzeitalter!

Zum Nachlesen: ONCA v. 02.01.2007, Docket-No. C39998