Ihr Kinderlein kommet

Editorial

Was verbindet so unterschiedliche Prominente wie Madonna, Gerhard Schröder, Angelina Jolie und Günther Jauch? Ihre edelmütige Haltung, ganz uneigennützig den verwaisten Kindern dieser Welt zu helf

Was verbindet so unterschiedliche Prominente wie Madonna, Gerhard Schröder, Angelina Jolie und Günther Jauch? Ihre edelmütige Haltung, ganz uneigennützig den armen und verwaisten Kindern dieser Welt zu helfen. Sie scheuen keinerlei Aufwand, und so haben sie sich notleidende Kinder aus Äthiopien, Kambodscha oder Russland nach Hause geholt, um ihnen dort bei der Entwicklung zu helfen. Madonna hat ihrem kleinen David aus Malawi sogar ein Afrika-Zimmer eingerichtet, damit er sich in London nicht so fern der Heimat fühlt.
Doch schlecht wie die Welt nun mal ist, stoßen die Auslandsadoptionen der Promis auf kleingeistige Kritik. Dem Ex-Kanzler Schröder beispielsweise wird angekreidet, er habe das in Deutschland geltende Höchstalter von 40 Jahren für Adoptiveltern doch längst überschritten. Die Adoption zweier russischer Kinder sei genauso eine fragwürdige Gratifikation wie der Aufsichtsratsposten bei einer Tochterfirma von Gazprom und daher ein Fall für die Anti-Korruptions-NGO Transparency International. Noch schlimmer erwischte es Angelina Jolie und Brad Pitt: Erst kam heraus, dass die Mutter ihrer äthiopischen Adoptivtochter Zahara gar nicht an AIDS gestorben ist, wie von den Behörden behauptet, und ihr das Kind unter Finten abgejagt worden sei. Und nun fordert sie es gar unverschämterweise zurück!
Dabei wird Zahara doch genauso umsorgt wie der kleine Pham Quang Sang aus Kambodscha. Als Angelina ihn höchstpersönlich im Waisenhaus abholte, hat er zwar in die Kameras geweint, weil er seine Freunde dort zurücklassen musste. Doch wo geholfen wird, da fallen eben Tränen.
Undankbar zeigten sich auch die Behörden im Tschad gegenüber der französischen Kinderhilfsorganisation Arche de Zoé. Diese wollte 103 verletzte und verwaiste Kinder ausfliegen, um sie in Frankreich ihren neuen Eltern zu übergeben. Die haben dafür bis zu 6.000 Euro bezahlt - nur ein Unkostenbeitrag für den Flug, versteht sich. Doch statt froh zu sein, dass das Flüchtlingsproblem auf diese Weise gelöst wird, gab sich Tschads Präsident Idriss Deby kleinkariert und sprach von "Kinderdiebstahl". Es handele sich gar nicht um Waisen, die Kinder seien regelrecht gekidnappt worden, um sie in einer Nacht- und Nebelaktion auszufliegen. Anstatt ihren Landsleuten beizustehen, stießen zwei französische Journalisten ins selbe Horn. Indiskret filmten sie, wie MitarbeiterInnen von Arche de Zoé gesunden Kindern Verbände anlegten und rote Farbe auftrugen. Na und? Wo geholfen wird, da spritzt eben Blut. Kennen wir doch auch von anderen humanitären Interventionen.

Überhaupt wird gegen Kinderhilfsorganisationen derzeit eine regelrechte mediale Treibjagd veranstaltet. Etwa gegen die deutsche Sektion von UNICEF. Hohe Summen habe diese für Beraterverträge und Provisionen ausgegeben, und die Kölner Geschäftsstelle sei unnötigerweise für 963.500 Euro umgebaut worden, quengelte die Frankfurter Rundschau. So what? Wo ihnen geholfen wird, da fließen eben Gelder.
Nicht mal die wahrlich bescheidenste Form von Kindernothilfe - die Patenschaft - bleibt außen vor bei der grassierenden Nörgelei. Unsolidarischerweise lehnen sogar Hilfswerke wie Brot für die Welt oder die Aktion Solidarische Welt Kinderpatenschaften ab. Sie seien bloß Einzelfallhilfe, die keine Ursachen von Armut bekämpfe; sie isolierten Kinder und erzeugten Neid; sie verursachten einen hohen Verwaltungsaufwand und seien daher teuer; die Werbung für Kinderpatenschaften sei voller Klischees und appelliere an Beschützerinstinkte. Mit solchen Vorurteilen aus den miefigen 1970er und 80er Jahren versuchen die PatenschaftsgegnerInnen Stimmung zu machen gegen all jene kleinen Leute, die sich anders als ihre Vorbilder Madonna und Gerhard Schröder keine Adoptionen leisten können. Zum Glück weiß wenigstens die Kindernothilfe, was ihre Paten wünschen: "Sie können einen ganz persönlichen Kontakt zu Ihrem Patenkind aufbauen, selbst Briefe schreiben und es sogar besuchen."

Bei einem solchen Besuch wäre gern einmal dabei

die redaktion

PS: Eine Patenschaft übernehmen können Sie übrigens auch für die iz3w.
Etwa für die derzeit verwaiste Rubrik "kurz belichtet" oder andere Seiten Ihrer Wahl.
Und uns in Freiburg besuchen dürfen Sie dann auch.
Spendenüberweisungsträger finden Sie im Heft, ebenso wie den iz3w-Flyer im gänzlich
neuen Layout und die brandaktuelle Abokampagne (siehe Seite 41).

PPS: Zum Themenschwerpunkt "Indigenität" im letzten Heft hat das
Freiburger Radio Dreyeckland in Zusammenarbeit mit der iz3w-Redaktion eine
einstündige Radiosendung produziert. Sie finden die Interviews mit unseren
Autoren Simon Ramirez Voltaire, Jens Kastner und Markus Bautz zum
kostenlosen Anhören oder Download auf der Webseite www.iz3w.org.