Appell an die falsche Adresse

In der Broschüre " Finanzkapitalismus - Geldgier in Reinkultur" des Bereichs Wirtschaftspolitik von ver.di machen die Autoren eine neue Klasse von Finanzkapitalisten aus

Private-Equity-Gesellschaften (PE) und Hedge Fonds spekulieren nicht mehr nur "passiv" auf den Unternehmenserfolg wie Aktionäre oder kreditgebende Banken. Sie übernehmen die Unternehmen gleich selber und setzen "aktiv" neue, profitablere Unternehmensstrukturen durch. Getrieben von ihren eigenen Renditeversprechen und ihrer "Geldgier" versuchen diese Investoren der Broschüre zufolge "abenteuerliche Renditen" aus ihren Beteiligungen herauszuholen.

Geschädigt würden Beschäftigte und Unternehmen sowohl durch die Erfolge dieser Investoren (Entlassungen, Arbeitszeitverdichtung, Überschuldung des Betriebs, etc.) wie auch durch ihre Misserfolge (Firmenpleiten, Überschuldung, Entlassungen, Finanzkrisen).

Auch wer keine Sympathie für die Finanzinvestoren hat, muss anerkennen, dass die Situation aufgrund der folgenden Aspekte verzerrt dargestellt wird:

Die Beteiligung eines Finanzinvestors hat für viele Unternehmen positiv gewirkt, viele wurden sogar gerettet. Dass ein Finanzinvestor sich verspekuliert und damit den Betrieb ruiniert, geschieht eher selten. So führt die Broschüre zu Beginn das Beispiel der Bundesdruckerei an, einem den Autoren zufolge "kerngesunden" Unternehmen, das durch den Finanzinvestor Apax zu Grunde gerichtet wird. Doch dass die Bundesdruckerei keineswegs "kerngesund" war, sondern ihre Geschäftsgrundlage dahinschwand, belegt eine in der Verdi-Broschüre aufgeführte Untersuchung (Böttger, Christian: Strukturen und Strategien von Finanzinverstoren, Düsseldorf 2006, Seite 50). Böttger widerspricht zudem der Annahme, Finanzinvestoren würden explizit auf Arbeitsplatzabbau setzen. Zwar würden Lohnkosten durchaus drastisch gesenkt, aber nicht durchgängig stärker als von herkömmlichen Unternehmensführungen.

Eine weitere Studie (Reinhard H. Schmidt/Gerald Spindler: Private Equity und Hedgefonds: Die Regulierung von Finanzinvestoren in Deutschland, Okt. 2007) greift den Vorwurf der Überschuldung gekaufter Unternehmen durch PE-Gesellschaften auf und kommt zu dem Schluss: "[D]ie These, dass PE-Gesellschaften und Hedgefonds die Unternehmen mit zu hohen Schulden belastenÂ… ist kaum haltbar". Es zeige sich, dass "PE-finanzierte Unternehmen im Durchschnitt nicht extrem hoch verschuldet sind." (Seite 8). Sie merken an: "Warum sollten PE-Gesellschaften daran interessiert sein, eine zu hohe Verschuldung herbeizuführen, wäre doch ein zu hoher Verschuldungsgrad gleichbedeutend mit einer Minderung des Unternehmenswertes." (Seite 7). Unzutreffend sei auch der Vorwurf, Finanzinvestoren würden die Unternehmen durch Sonderausschüttungen ausbluten. "Man kann sogar im Gegenteil vermuten, dass Beteiligungen von PE-Gesellschaften helfen, Finanzierungsengpässe zu überwinden." Die beiden erwähnten Studien wurden von der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben.
Die Misserfolge der Finanzinvestoren werden in der Broschüre durchgängig überzeichnet. Aus den tausenden weltweit operierender Hedge Fonds werden die zwei großen Pleiten der Hedge-Fonds-Geschichte - Amaranth und LTCM - herausgepickt. Damit wird er Eindruck erweckt, Hedge Fonds operierten permanent am Rande des Zusammenbruchs und seien letztlich Schuld an der Krisenhaftigkeit der Finanzmärkte. Die Geschichte des Finanzmarktes zeigt dagegen, dass Hedge Fonds nicht für seine Krisenhaftigkeit verantwortlich sind. Zusammenbrüche gibt es auch ohne Hedge Fonds. Zum einem ähnlichen Resümee kommt die Böttger-Studie in ihrem Fazit: "Es gibt keine Anzeichen, dass deutsche Firmen, die von Private Equity-Fonds finanziert oder gekauft wurden, in der Regel zerschlagen, ausgeblutet oder zerstört wurden" (S.4).

Nun soll hier nicht das Geschäftsmodell von Finanzinvestoren verteidigt werden. Die Broschüre kritisiert zutreffend, dass diese Investoren hohe Renditeansprüche an die Unternehmen stellen. Dementsprechend werden die Unternehmen auf Profitabilität getrimmt - mit schmerzhaften Folgen für die Arbeitnehmer, die sich dagegen unbedingt wehren sollten.

Gemeinsam gegen den Feind von außen

Doch bleiben die Autoren der Broschüre nicht einfach bei der Feststellung stehen, dass Finanzinvestoren eine besonders aggressive Spielart des Kapitalismus darstellen. Stattdessen wird in der Broschüre versucht einen Gegensatz zu konstruieren, bei dem auf der einen Seite die Finanzinvestoren stehen und auf der anderen Seite das Unternehmen und die Belegschaft. Der Gegensatz von Unternehmensführung und Arbeitnehmern ist hier ausgelöscht, beide stehen gemeinsam gegen den Feind von außen. Dieser ist übrigens weniger angelsächsisch, als häufig vermutet wird: Die Unternehmen funktionieren nach deutschem Recht, das Management besteht aus deutschen Staatsbürgern und das Geld, mit dem sie operieren, kommt zumeist von deutschen Anlegern.

Die Konstruktion einer Harmonie von Manager und Arbeiter wurde bereits in der Replik auf die Broschüre durch die Finanzkapital AG beim ver.di-Bezirk Stuttgart kritisiert und soll hier nicht weiter ausgeführt werden (vgl.: Finanzkapital AG des ver.di-Bezirks Stuttgart: Mensch denk weiter! "Heuschrecken" sind keine ErklärungÂ…, 2007). Hinweisen möchte ich hier nur auf die rüden Methoden von Konzernen wie Continental, Siemens, Telekom, Axel Springer, DaimlerChrysler, VW oder Bertelsmann, die belegen, dass auch das "produktive Kapital" dem Finanzkapital im Willen zur Renditesteigerung nicht nachsteht.

Der Gegensatz von Unternehmen und Finanzinvestoren wurzelt laut der Broschüre des Bereichs Wirtschaftspolitik im Prinzip des "Maximalprofits". Hier ist die Verdi-Broschüre inkonsistent. Zunächst gesteht sie zu: "Kapital einsetzen und mit einem maximalen Profit zurückbekommen - das ist Grundprinzip kapitalistischen Wirtschaftens. Jeder Unternehmer verfährt so." Im Anschluss wird aber behauptet: "Das Prinzip der maximalen Rendite wird auf den Finanzmärkten zur alles entscheidenden Triebkraft." Mit der "kurzfristigen Spekulation" auf "Maximalprofit" würden die Unternehmen ruiniert.

Unterscheidung von Investition und Spekulation

Den Autoren kommt es hier auf den Unterschied zwischen "Investition" und "Spekulation" an. Dieser Unterschied wird von den Autoren gemacht, um darzustellen, dass die Finanzinvestoren mit ihren "abenteuerlichen" Renditeansprüchen nicht nur die Belegschaft ausbluten, sondern die Existenz der Unternehmen gefährden (was so pauschal nicht stimmt - s.o.). Gefährdet sei also nicht nur das Einkommen der Arbeitnehmer, sondern der Standort Deutschland durch Investoren, die zumeist als ausländisch charakterisiert werden. Mit diesem Schritt wechselt die Broschüre den Adressaten. Angesprochen wird nicht mehr der ausgebeutete Arbeitnehmer, sondern vor allem die deutsche Regierung. Die Arbeitnehmer werden nur noch als Standort-Patrioten angesprochen, die sich um die Wirtschaftskraft Deutschlands sorgen sollen. Doch ist Standort-Patriotismus für Arbeitnehmer eine zumindest zwiespältige Sache. Denn zum Wohle deutscher Konzern-Bilanzen wurden in den vergangenen Jahren massiv Arbeitsplätze abgebaut, Arbeitszeit verlängert, Sozialleistungen gekürzt und die Rechte der Arbeitnehmer beschnitten.

Mit der Broschüre suchen die Autoren Anschluss an die Heuschrecken-Kritk von Franz Müntefering. "Manche Finanzinvestoren Â… fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter", sagte Müntefering im Mai 2005 der Bild am Sonntag. Doch der Anschluss gelingt nicht. Denn was Müntefering 2005 kritisierte, waren nicht die Zumutungen an die Belegschaft, sondern der ausbleibende Erfolg der Investoren. Jahrelang hatte sich die SPD mit Agenda 2010, Hartz-Reformen, Unternehmensteuersenkungen und Lohnsenkungs-Kampagnen darum bemüht, den Kapitalstandort Deutschland attraktiv für Auslandskapital zu machen. Und 2005 war man der Ansicht, dass die Arbeitskraft in Deutschland zwar erfolgreich verbilligt worden war und die Anleger auch investierten, der Ertrag für den Standort jedoch ausblieb.

Ungehörte Kritik

Diese Zeiten sind vorüber. Mit steigenden Unternehmensgewinnen, einem wachsenden Bruttoinlandsprodukt und einem ausgeglichenen Staatshaushalt sind die Politiker 2007 wieder zufrieden mit dem Kapital. Die Zumutungen an die Belegschaft werden nicht mehr kritisiert. Stattdessen werden die Finanzinvestoren gelobt, weil sie mit ihrem Kapital die Unternehmen rentabler machen und so den Standort im globalen Wettbewerb stärken - kurz: weil sie Deutschland vom "Übel" wenig rentabler Arbeitsplätze befreien. Bedenken bezüglich der Spekulanten hat die Regierung nur noch insofern, als sie sich um die Stabilität des Weltfinanzsystems sorgt (Hedge-Fonds-Regulierung). Doch in Fragen der Systemstabilität verlässt sich die Politik auf die Meinung von Institutionen wie EZB, Bundesbank oder IWF. Die Gewerkschaften werden nicht gefragt.

Und so geht der Appell von Verdi ins Leere. Die Politiker hören nicht zu. Stattdessen rollen sie den Finanzinvestoren weitere Teppiche aus - per Unternehmenssteuersenkung, Abgeltungsteuer, Risikobegrenzungs-und Wagniskapitalbeteiligungsgesetz. Will sich die Gewerkschaft gegen die Angriffe der Finanzanleger wehren, so hat sie nur die Belegschaften auf ihrer Seite. Es bleibt ihr nur der - grenzüberschreitende -Kampf in den Betrieben gegen die Renditeansprüche der neuen Eigentümer - und der Regierung.

Stephan Kaufmann ist Wirtschaftsredakteur der Berliner Zeitung