Prekäre Vergemeinschaftung und verrückte Kämpfe

Repressive Integration als Herrschaftsmodus im prekären Dienstleistungsbereich1

in (03.05.2008)

Die "repressive Integration" in die "Betriebsfamilie" funktioniert auch bzw. gerade unter den Bedingungen prekärer Arbeit in multinational operierenden Dienstleistungsunternehmen.

Seit etwa Mitte der 90er Jahre sind in Deutschland prekäre Beschäftigungsverhältnisse wieder massiv im Kommen. Eine neoliberale staatliche Deregulierungspolitik (etwa beim Thema Befristung und Leiharbeit), massiv verschärfte Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose sowie generell eine starke Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sorgten dafür, dass Lohnabhängige sich immer häufiger gezwungen sehen, in befristeten und sozialversicherungsrechtlich ungenügend abgesicherten Formen von Teilzeitarbeit einen Lohn zu verdienen, der nicht zum Überleben reicht. Der Anteil atypischer Beschäftigungsformen wird inzwischen auf gut ein Drittel aller abhängig Beschäftigten geschätzt (Keller/Seifert 2006). Über eine Million ‚working poor' beziehen zusätzlich zu ihrem Arbeitslohn ergänzende Sozialleistungen nach dem SGB II. Prekäre Beschäftigung2 ist v.a. im Handel, im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie im personenbezogenen und sonstigen Dienstleistungsbereich weit verbreitet. Sie kann als "Arbeit in Häppchen für wenig Geld" (Jaehrling et al. 2006) bezeichnet werden oder auch als "Beschäftigungsbrösel" (Angeloff 1999). Typisch sind unfreiwillige sowie hochflexible Formen von Teilzeitarbeit, die marktbedingte Flexibilitätsanforderungen als Zumutungen an die Belegschaft weitergeben. Überdurchschnittlich häufig sind die Arbeitsverhältnisse befristet und werden sukzessive verlängert - oder auch nicht. Diese Praxis impliziert für die Beschäftigten eine permanente Zukunftsunsicherheit, für die Unternehmen die Möglichkeit einer kontinuierlichen Selektion nach Kriterien der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. In Frankreich werden die einschlägigen Beschäftigungsverhältnisse daher als Arbeit "faute de mieux" (Puech 2004) bezeichnet: man - oder häufig frau - arbeitet in prekären Segmenten, weil bessere Alternativen fehlen. Häufig werden die wenig attraktiven Arbeitsplätze zudem nur als Übergangslösung angesehen (v.a. von SchülerInnen und StudentInnen). Die unterdurchschnittlichen Arbeitsmarktchancen prekär Beschäftigter liegen oft nicht daran, dass sie über besonders geringe Qualifikationen verfügen. Studien belegen, dass fast zwei Drittel der Niedriglohn-EmpfängerInnen in Deutschland eine qualifizierte Berufsausbildung oder höhere Qualifikationen besitzen (Schäfer 2006). Typische Handicaps der prekär Beschäftigten sind vielmehr mangelnde räumliche oder zeitliche Flexibilität (etwa aufgrund von Familienarbeit oder beschränkter Arbeitserlaubnis), eine mangelhafte Beherrschung der Sprache des Aufenthaltslandes, diskontinuierliche Erwerbsbiographien, die Nicht-Anerkennung von ausländischen Bildungs- und Berufsabschlüssen, körperliche Einschränkungen des Arbeitsvermögens sowie die gesellschaftliche Bewertung von Frauen- und MitgrantInnenarbeit, also Sexismus und Rassismus.

In Arbeitsverhältnissen, die angenommen werden "faute de mieux", liegt es nahe, einen stark instrumentellen Bezug der Beschäftigten zu ihrer konkreten Tätigkeit zu vermuten. Von modernistischen Vorstellungen einer ‚Subjektivierung von Arbeit', in denen Erwerbsarbeit zum identitär besetzten Projekt eines eigenverantwortlich agierenden "Selbstunternehmers" (Gorz 2004) oder "Intrapreneurs" (Brinkmann/Dörre 2006) wird, scheinen die Verhältnisse Lichtjahre entfernt. Die Transformation von Arbeitskraft in Arbeitsleistung wird nicht über positive Anreize, sondern primär über direkte Kontrollmethoden und repressive Führungsstile durchgesetzt (vgl. Artus 2007a). Die meist hohe Fluktuation unter den Beschäftigten scheint Managementstrategien einer vergemeinschaftenden Personalpolitik (Krell 1994) von vorneherein ad absurdum zu führen. Wie sollen Unternehmenskulturkonzepte, die den Betrieb als "Gemeinschaft" stilisieren, eine Chance haben in einem offensichtlich repressiv strukturierten Umfeld sowie angesichts einer permanent wechselnden Belegschaft, die ohnehin nur aufgrund struktureller Zwänge im Betrieb anwesend ist? So paradox dies auf den ersten Blick wirken mag, im Folgenden wird gezeigt, dass Kontrollmethoden, die an der Subjektivität der Beschäftigten ansetzen, sowie vergemeinschaftende Formen der Personalpolitik auch im Segment prekärer Dienstleistungsarbeit einen originären Anwendungsbereich besitzen. Erklären lassen sich diese Strategien sicherlich zunächst als Versuche des Managements die Leistungsbereitschaft der prekär Beschäftigten über vergleichsweise kostengünstige Maßnahmen zu erhöhen. Zugleich geht es darum, die Kosten individueller Widerstandsstrategien der Beschäftigten (etwa die Aufbesserung niedriger Löhne über die illegale Aneignung von Betriebseigentum) zu vermindern. Einschlägige Managementpolitiken finden sich oft in Bereichen prekärer Beschäftigung, in denen ein Höchstmaß individueller Leistung abgefordert wird. Rein ‚negative Formen' der Kontrolle mögen hier als Arbeitsanreize nicht ausreichend erscheinen. Überraschend ist daher vielleicht weniger, dass das Management sich auch mit prekär Beschäftigten die ‚Mühe' einer vergemeinschaftenden Personalpolitik macht; überraschend ist eher, dass diese wirksam ist, d.h. dass sie real vergemeinschaftende Effekte zeitigt. Dies liegt in erster Linie daran, dass sie an virulenten Bedürfnissen der Beschäftigten ansetzt. Im Folgenden wird gezeigt, dass auch, und vielleicht gerade prekär Beschäftigte trotz eines instrumentellen Arbeitsbezugs empfänglich sind für vergemeinschaftende Formen der Personalpolitik. Diese implizieren nämlich typischerweise ausgeprägte Strategien symbolischer Anerkennung - einem kostbaren Gut, das gerade prekär Beschäftigten in weiten Bereichen ihres Lebens vorenthalten bleibt. Weiterhin entpuppt sich die Vorstellung ‚der Belegschaft' als einer mehr oder weniger homogenen Entität im Licht der Empirie als eine Chimäre (vgl. auch Schmidt 2007). Es existieren vielmehr differente Grade der Einbeziehung der Beschäftigten in eine managementseitig dominierte Corporate Identity-Politik.

Der im Folgenden beschriebene Herrschaftsmodus prekärer Dienstleistungsarbeit kombiniert repressive Kontrollmethoden mit Elementen einer vergemeinschaftenden Sozialintegration. . Zwar gelingt es typischerweise nur in betrieblichen Teilsegmenten, die Vorstellung des Betriebs als einer Gemeinschaft - "in Abgrenzung von der Vorstellung der Organisation als Maschine" sowie "von der Vorstellung der Organisation als politische Arena" (Krell 1994: 27) durchzusetzen; dies genügt jedoch, um die Artikulation abweichender Belegschaftsinteressen in besonders nachhaltiger und effizienter Weise zu verhindern. Insofern stellt der Herrschaftsmodus repressiver Integration eine besonders zukunftsträchtige Form arbeitspolitischer Steuerung dar. Ihn zu analysieren und seine Wirksamkeit zu verstehen, scheint essentiell für den Kampf gegen menschenverachtende Arbeits- und Entlohnungsbedingung.

Im Folgenden werden zwei international angelegte Betriebsfallstudien dargestellt. Es handelt sich um zwei global agierende Konzerne, einer aus dem Bereich der Systemgastronomie, der andere aus dem Transportsektor (Paketdienst). Beide Unternehmen zeichnen sich durch weithin prekäre Beschäftigungsbedingungen sowie ausgeprägte Strategien einer vergemeinschaftenden Unternehmenskultur aus. Die Fallstudien basieren auf einer Vielzahl von Interviews mit Managementvertretern, betrieblichen InteressenvertreterInnen sowie Beschäftigten in deutschen sowie französischen Niederlassungen.3 In einem ersten Abschnitt werden die Arbeitsbedingungen und die Funktionsweise des Herrschaftsmodus repressiver Integration beschrieben (1). Anschließend geht es um die subjektiven Verarbeitungsformen der Beschäftigten (2). Es wird deutlich, dass die individuelle wie kollektive Interessenvertretung der Beschäftigten unter ausgesprochen rigiden Bedingungen stattfindet (3). Dennoch gibt es Ansatzpunkte für Brüche im System prekärer Vergemeinschaftung (4). Ein abschließendes Resümee zieht ein etwas allgemeineres politisches Fazit zum Thema ‚prekäre Kämpfe' (5).

1. Der Herrschaftsmodus: Repressive Integration in die Betriebsfamilie

Der Systemgastronomiekonzern, der im Folgenden ‚Fast Food' genannt wird4, beschäftigt weltweit etwa 1,5 Millionen Beschäftigte in weit über 100 Ländern. In Deutschland sind etwa 50.000 Menschen in rund 1.200 Fast-Food-Restaurants tätig; in Frankreich sind es fast ebenso viele. Der im Folgenden ‚Transport' genannte Paketdienst hat weltweit etwa 370.000 MitarbeiterInnen, davon einen Großteil in den USA. Deutschland bildet mit rund 14.000 MitarbeiterInnen an 80 Standorten einen Schwerpunkt seiner europäischen Geschäftstätigkeit. Das Engagement in Frankreich ist mit etwa 1.400 Beschäftigten deutlich schwächer. Beide Konzerne sind US-amerikanischer Provenienz, was im Hinblick auf die besonders prononcierten Managementstrategien vergemeinschaftender Personalpolitik nicht ganz zufällig scheint.5 Gemeinsam sind beiden Konzernen zudem ausgeprägte Externalisierungsstrategien (bei Fast Food: Franchising-Restaurants; bei Transport: Paketausfahrer als Subunternehmer). Diese gehorchen der Logik, Kernbereiche der Wertschöpfung unter eigener Regie zu behalten, während man weniger profitträchtige Bereiche an Unterauftragsnehmer auslagert und damit strategisch flexibel auf Marktschwankungen reagieren kann. Damit einher geht zugleich eine Fragmentierung der gesetzlichen Interessenvertretungsinstitutionen und ein beträchtliches Drohpotential in betrieblichen Konflikten.

Sowohl bei Fast Food als auch bei Transport sind die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der einfachen Beschäftigten im oben beschriebenen Sinne als prekär einzustufen. Bei Fast Food liegt die Entlohnung der einfachen ArbeiterInnen in Frankreich im Bereich des gesetzlichen Mindestlohns (aktuell: 8,44 Euro pro Stunde), in Deutschland noch unter diesem Wert. Transport zahlt für die "körperlich extrem anstrengende" Tätigkeit (Transport-Arbeiter) im Bereich der Paketsortierung einen Stundenlohn von über 10 Euro plus Schichtzulagen; es handelt sich jedoch überwiegend um Abend- und Nachtarbeit mit teilweise extrem ungünstigen Schichten (z.B. von 4.00 Uhr bis 7.00 Uhr morgens). Die Hauptanforderung an die Beschäftigten besteht in ihrer "Schnelligkeit und Genauigkeit" (Fast Food-Schichtführer) sowie in der Vielseitigkeit bei der Ausführung diverser, bis ins Detail vorgeschriebener Tätigkeiten. In beiden Unternehmen hat ein Großteil der ArbeiterInnen Teilzeitverträge. Die vertraglich garantierten Arbeitszeitvolumina haben sich in den letzten Jahren sukzessive verkürzt: Vollzeitverträge wurden in Teilzeitverträge verwandelt; Teilzeitarbeit in geringfügige Beschäftigung oder Zeitarbeit. Häufig wissen die Beschäftigten nicht im Voraus, wie lange ihre tägliche Arbeitszeit sein wird. Diese richtet sich nach dem jeweiligen Kundenaufkommen bzw. dem Paketanfall. Die Frage der Stundenzahl der Arbeitsverträge ist das vermutlich konfliktträchtigste Thema in den Betrieben: Beförderungen wie Strafmaßnahmen drücken sich in der Gewährung oder Reduktion von Arbeitsstunden aus. Nur wenige Beschäftigte sind fähig und willig, eine solche Arbeitssituation, die sich als flexibles Hochleistungsarrangement im prekären Niedriglohnsektor bezeichnen lässt, auf Dauer zu ertragen. Die Fluktuation ist enorm hoch:

"Die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend. Man muss sehr schnell arbeiten, manchmal auch mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Das ist nicht jedem zumutbar, diese Tätigkeit zu machen. Von den sieben Kolleginnen, mit denen ich angefangen habe, bin ich als einzige übrig geblieben. Die ersten fünf haben schon in den ersten paar Wochen wieder aufgehört." (Transport-Vorarbeiterin)

Dennoch gelten beide Unternehmen sowohl bei den eigenen Beschäftigten als auch in Gewerkschaftskreisen als "der Mercedes der Branche". Sie gewähren gewisse Sozialleistungen und Vergünstigungen, die nicht selbstverständlich sind, und bemühen sich dezidiert um ein positives Image in der Öffentlichkeit. So fördert Transport etwa Kindergärten und Behinderteneinrichtungen. Fast Food erhielt durch einige werbewirksam vermarktete personalpolitische Programme (z.B. für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben oder zum Thema Chancengleichheit) diverse Preise bei Rankings ‚guter Arbeitgeber'. Dass beide Unternehmen viel Wert auf ihre Außendarstellung legen, ist auch eine Reaktion darauf, dass sie in den 90er Jahren im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik standen. Als kundennahe Dienstleister ist ihnen jedoch viel an der Wahrung eines positiven Images gelegen. Sowohl die extrem hohen Leistungsanforderungen an die Beschäftigten als auch das Bemühen um ein positives Unternehmensimage sind Begründungen dafür, weshalb die Arbeitspolitik der Unternehmen nicht ausschließlich auf Methoden direkter Kontrolle und Disziplinierung setzt.

Sowohl bei Fast Food als auch bei Transport finden sich komplexe personalpolitische Strategien, die auf eine Integration der Beschäftigten in eine auf Vergemeinschaftung angelegte Organisationskultur zielen. Es existiert eine emphatische Betriebskultur, in der das Unternehmen als ‚Team' oder auch als ‚Familie' firmiert und die ein Ethos wechselseitiger Verpflichtung und ausgeprägter Unternehmensloyalität beinhaltet. Zentral ist dabei eine monolithische Konzeption von im Wesentlichen gemeinsamen Interessen aller Beschäftigter - vom Vorstand bis zum Hamburgerbrater -, in der das kollektive Wohl mit dem Betriebsinteresse identisch ist. Die "absolute Identifikation mit dem Unternehmen" (Transport-Führungskraft) ist personalpolitisches Ziel. Die Kehrseite oder auch konsequente Folge dieser strikten Verpflichtung auf das gemeinschaftliche Betriebswohl ist die rigorose Ausgrenzung von Kräften, die sich nicht in die Gemeinschaft integrieren oder abweichende Interessen geltend machen. Beschäftigten, die sich negativ über das Unternehmen äußern, kann es passieren, dass sie zu einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Vorgesetzten zitiert werden und eine Abmahnung erhalten. Für befristet Beschäftigte oder Leute in der Probezeit kann dies sogar zur Entlassung führen.

"Jeder weiß, wenn er schlecht über die Firma redet, kann das Konsequenzen haben." (Transport-Betriebsrat)

Ein wesentlicher Faktor für die Schaffung der emphatischen Gemeinschaftskultur ist die professionelle und intensive Schulung des Managements. Ein Großteil der Führungskräfte wird intern rekrutiert. Sie besitzen typischerweise zu Beginn ihrer Karriere nur beschränkte formale Qualifikationen und durchlaufen eine lange Reihe vorgegebener, unternehmensinterner Schulungen, in denen ihnen in standardisierter Weise firmenspezifisches Wissen sowie organisationskulturelle Normen und Werte vermittelt werden. Die äußerst umfassende und professionelle Sozialisierung des Managements wird von kritischen KommentatorInnen als "Gehirnwäsche" (Transport-Arbeiter) beschrieben. Beschäftigte, die ein überdurchschnittliches Maß an Leistungsbereitschaft sowie Betriebsloyalität an den Tag legen, und die gewillt sind, sich im Rahmen der vorgegebenen Aufstiegswege zu engagieren, haben reale Aufstiegschancen - sogar dann, wenn es sich um Frauen und MigrantInnen handelt. In der Konsequenz wird ein Potential von MitarbeiterInnen selektiert und systematisch trainiert, das die Normen der Vergemeinschaftung in starkem Maße verinnerlicht und von diesem Prozess zugleich profitiert. Ihre relativ erfolgreichen Berufskarrieren - gemessen an ihrer Herkunft und formalen Bildung - verdanken die Führungskräfte ihrer Treue zum Unternehmen. Jener Organisation, die ihnen einen gehobenen betrieblichen Status zuerkennt, gehört dementsprechend ihre unbedingte Loyalität. Die real existierenden Aufstiegsspielräume werden häufig deutlich überzogen wahrgenommen. Es gibt ausgeprägte Mythen, wonach man und frau von der Tellerwäscherin oder vom Paketausfahrer zum Millionär oder Europachef aufsteigen könne. Der Suggestion bestehender Aufstiegschancen dient auch die in beiden Unternehmen fein gestaffelte betriebliche Hierarchie. Ein Set von Privilegien und Statuskennzeichen sorgt für die kostengünstige Vermittlung symbolischer Anerkennung gegenüber besonders leistungsfähigen und -willigen Beschäftigten. Hierarchische Distinktionsprozesse werden etwa durch eine abgestufte Kleiderordnung erreicht: Bei Fast Food wecken Namensschilder in Plastik, Bronze, Silber und Gold den Eindruck eines differenten betrieblichen Status. Bei Transport drückt sich der Aufstieg bereits der Vorarbeiter "ins Management" dadurch aus, dass sie - wie das gesamte Transport-Management - der Krawattenpflicht unterliegen und sich damit visuell von den einfachen Beschäftigten absetzen. Die Wirkung dieser Maßnahme schildert ein ehemals in dieser Position Tätiger:

"Man hat mir die Krawatte um den Hals gebunden und zehn, zwölf Leute gegeben, dann war ich halt die ersten sechs Monate nicht mehr runterzuholen. So im Nachhinein, sag ich mal, Transport weiß schon genau, was sie tun. Allein schon jemandem eine Krawatte um den Hals hängen und denjenigen springen zu lassen, und wenn ich dann sehe, dass 18-, 20-jährige Jungs das machen, die plötzlich für zehn, zwölf Leute was zum Sagen haben, die reißen sich den Arsch auf, die schaffen für drei." (Ehemaliger Transport-Gruppenleiter)

In beiden Konzernen gibt es eine Reihe von Kollektivritualen, die alle Führungskräfte ab einer bestimmten Ebene normativ auf die Organisation einschwören. Die Bedeutung, die der Schaffung einer kollektiven Identität beigemessen wird, lässt sich daran ablesen, dass sich die Unternehmen dies einiges kosten lassen: Bei Fast Food werden alle zwei Jahre die ManagementmitarbeiterInnen eine Woche lang in einem Luxushotel beherbergt. Bei etwa 2.500 TeilnehmerInnen in Deutschland kostet dies mehrere Millionen Euro. Für das höhere Management finden ähnliche Festivitäten auf internationaler Ebene statt. Bei Transport werden alle neuen Führungskräfte im Rahmen einer festlichen Veranstaltung in ihre neue Funktion eingeweiht. Dabei werden sie durch persönlichen Handschlag vom nationalen Geschäftsführer begrüßt, erhalten ein Exemplar des unternehmensinternen Leitfadens mit den Managementgrundsätzen des Firmengründers sowie diverse Devotionalien mit Firmenlogo. Sie müssen allerdings noch eine Stufe in der Unternehmenshierarchie aufsteigen, um einen Teil ihres Gehaltes in der Form von Unternehmensaktien zu erhalten. Die intensive Pflege der Corporate Culture zeitigt im Bereich der Führungskräfte eindeutige Wirkung:

"Ich glaube, für die [das Management] ist es ein wichtiges Kriterium, dass die Leute, die nach oben kommen, Transport lieben sollen. Und zwar nicht unbedingt nur so tun sollen. Also bei denen gibt's genug kranke Leute, die tun nicht nur so, die lieben die Firma wirklich. Bei anderen Firmen, denke ich, ist das seltener. (...) Bei Transport, da stimmt das Bild auf der Managementebene, mit der Familie schon. Deswegen wird's, denk ich, auch recht häufig mit ´ner Sekte verglichen." (Transport-Arbeiter)

Doch die unternehmensseitig gepflegte Corporate Identity zielt nicht nur auf ManagementmitarbeiterInnen, sondern auf die gesamte Belegschaft - wenn auch in abgestuftem Ausmaß. Allgegenwärtig ist in beiden Unternehmen das Bild der Familie, zu der angeblich alle Beschäftigten in egalitärer Weise gehören. Es wird ein Gründungsmythos inszeniert, d.h. die Figur der Unternehmensgründer ist omnipräsent und dient als "Heldenfigur" der innerbetrieblichen Kohäsionsstiftung (vgl. Brinkmann/Dörre 2006: 144). Die Zusammengehörigkeit wird symbolisch durch einheitliche Betriebsuniformen und die Allgegenwart von Firmenlogos zum Ausdruck gebracht. Neben der Familienmetapher spielt die Begrifflichkeit des "Teams", der "Teamarbeit" und des "Teamgeistes" ideologisch eine große Rolle.

"Ja, das ist der Kern. Ohne Team kann man eben auch nicht das arbeiten, weil kommen wir auf unseren Firmengründer zurück, [James Cormack] (Name verändert) hat irgendwann einmal gesagt: Im Team sind wir stark und im Team können wir mehr leisten als jeder einzelne alleine. Das ist eben so n' Spirit und das ist so die Philosophie, die eben auch gelebt wird. Und die wird wirklich gelebt." (Transport-Führungskraft und -Betriebsrat)

Nicht nur die Managementmitglieder, sondern möglichst alle Beschäftigten sollen über systematische Kommunikations- und Partizipationsmechanismen in die Corporate Identity eingebunden werden. Mitarbeiterstammtische und Informationszirkel gibt es bis auf die Ebene der einfachen ArbeiterInnen hinunter. In regelmäßigen Beschäftigtenbefragungen wird die Zufriedenheit mit der Arbeitssituation und den Vorgesetzten eruiert. Diese teils aufwendigen Verfahren durchleuchten systematisch die sozialen Beziehungen im Betrieb. Im Fall von Konflikten steht den Beschäftigten - zumindest dem Anspruch nach - permanent die Tür des Vorgesetzten offen und es gibt systematisierte Versuche, diesen Anspruch auch in der Praxis zu realisieren. Alternativ können die Beschäftigten auch eine anonyme Beschwerdehotline nutzen, die von Gewerkschaftsvertretern allerdings als ‚Denunziationshotline' abgelehnt wird. Ebenfalls möglich ist es, sich direkt an die Personalabteilung in der räumlich entfernten Unternehmenszentrale zu wenden. Insgesamt wurde in den Beschäftigteninterviews jedenfalls nicht selten versichert, dass es reale Möglichkeiten und Spielräume gebe, um individuellen Problemen Gehör zu verschaffen. So lange die Beschäftigten die vorgesehenen systemloyalen Wege des Inputs ihrer individuellen Interessenlagen in die unternehmensinternen Vermittlungsprozesse einhalten, so lange sie sich gleichsam mit guten Gründen vertrauensvoll an die Unternehmenshierarchie wenden, so lange gewähren die beschriebenen Methoden direkter Partizipation selbst den einfachen Beschäftigten gewisse ‚Gerechtigkeitsgarantien'. Allerdings gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass Problemlagen als individuell zu lösende definiert werden, dass der Glaube an die Legitimität und unbedingte Autorität der Unternehmenshierarchie nicht in Frage gestellt wird und diesen gleichsam das ‚Gerechtigkeitsmonopol' zuerkannt wird. Initiativen kollektiver Interessenvertretung und Ansätze gewerkschaftlicher Organisierung, die in machtpolitischer Weise abweichende Interessen artikulieren, haben hingegen mit der geballten Repressionsgewalt der Unternehmenszentrale zu rechnen. Das Gleiche gilt für Vertretungsinitiativen jeglicher Art, welche die Legitimität und Gerechtigkeit der Verhältnisse bei Transport und Fast Food in Frage stellen, d.h. die mit dem Dogma der Betriebsloyalität brechen.

2. Zur subjektiven Prägekraft prekärer Vergemeinschaftung

Zunächst ist festzuhalten, dass kollektive Interessenvertretung und gewerkschaftliche Organisierung in prekären Dienstleistungsbereichen generell ein schwieriges Unterfangen ist - egal ob die Beschäftigten systematisch in eine vergemeinschaftende Betriebskultur eingebunden sind oder nicht. Es handelt sich in Deutschland überwiegend um tarifschwache sowie mitbestimmungsschwache Bereiche (vgl. Bosch/Kalina 2005, Artus 2007a,b). Dass in den einschlägigen Branchen gewerkschaftliche Organisierung schwierig ist, hat nicht nur mit gewerkschaflichen Vertretungstraditionen zu tun, die sich v.a. an männlicher, inländischer Facharbeit orientieren, sondern auch mit strukturellen Rahmenbedingungen: Die ausgeprägte Fragmentierung der Beschäftigten erschwert die Organisierung kollektiven Handelns. Typisch für die einschlägigen Branchen sind relativ kleine betriebliche Einheiten, in denen wenige Beschäftigte mit reduzierten Stundenkontingenten in permanent wechselnden Schichten tätig sind. Zugleich ist die Fluktuation in der Belegschaft enorm hoch. Unter diesen Bedingungen ist die Herstellung solidarischer kollegialer Beziehungen oder gar die Formierung einer kollektiven Identität als Grundlage gemeinsamen Interessenhandelns äußerst schwierig. Weiterhin ist das Machtungleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit besonders ausgeprägt. Den an Arbeitsmarktmacht ausgesprochen schwachen Beschäftigten stehen international agierende potente Konzerne gegenüber. Diese besitzen ein umfassendes arbeitsrechtliches Know-How und einen sehr langen Atem in juristischen Auseinandersetzungen; sie können bei Bedarf nicht nur einzelne Beschäftigte leicht abstrafen, sondern ganze Filialen umstrukturieren, schließen, verlagern, fusionieren oder (im Rahmen von Subunternehmertum oder Franchising) externalisieren. Wenn die meisten Beschäftigten bei Fast Food und Transport offen konflikthaft sowie managementkritisch angelegten Initiativen der Interessenvertretung skeptisch gegenüberstehen, so ist dies daher nicht umstandslos als positive Integration in die vergemeinschaftende Unternehmenskultur zu werten. Hier wie in anderen Unternehmen handelt es sich vielmehr häufig um den Widerschein der stark asymmetrisch strukturierten Machtverhältnisse am Arbeitsplatz:

"Einschüchtern der Mitarbeiter, Angst schüren. Sie nehmen zwei, drei, hängen sie auf. (...) Jeder hat seine Scheuklappen. Jeder sagt: ‚Einen von uns vier wird's treffen, aber jeder glaubt, ich will's nicht sein.' Ich will so gut es geht, unauffällig sein." (Transport-Betriebsrat)

Die Beschäftigten gehen sozusagen ‚in Deckung' vor der Allgewalt der Unternehmensleitung - eine Art pragmatischer Überlebensreflex angesichts oft sehr schwieriger persönlicher Lebensumstände. Die verbreitete Distanz prekär Beschäftigter gegenüber offenen Auseinandersetzungen mit der Unternehmensleitung ist dabei vermutlich nur selten Ergebnis eines rationalen Kosten-Nutzen-Kalküls und bewusster Interessenabwägung. Ebenso wenig drückt sich in ihr allerdings eine Zufriedenheit mit den Verhältnissen aus. Am ehesten lässt sich diese Haltung vielleicht mit dem Bourdieu'schen Begriff des ‚sens pratique' (Praxissinn) umschreiben: Auf einer halb bewussten, halb unbewussten Ebene verfestigen sich ritualisierte Verhaltensweisen, in denen die Logiken "des Laufs der Welt" festgeschrieben sind (Bourdieu 1987: 21). Sie sind das verinnerlichte Ergebnis konkreter Erfahrungen. Für das Segment des prekären Dienstleistungsbereichs und die Lebenslage vieler prekär Beschäftigter existieren kaum Erfahrungen bezüglich der Sinnhaftigkeit und Erfolgsmöglichkeit offensiver Widerstandsstrategien. Es existieren hingegen viele Beispiele, die eher das Gegenteil nahe legen. Angesichts der machtpolitischen Überlegenheit der Geschäftsleitung und ihres vielfach dokumentierten Repressionswillens gegenüber Kräften, die diese Überlegenheit in Frage stellen, lässt es der ‚sens pratique' geraten erscheinen, lieber die von den Mächtigen angebotene Vergemeinschaftung zumindest offiziell akzeptieren, eventuell auf verdeckte Widerstandshandlungen der ‚Machtlosen' zu setzen (krank feiern, Diebstahl, kleinere Sabotagehandlungen), aber jedenfalls keinen offenen Konflikt der Ohnmächtigen zu riskieren.

Sowohl bei Fast Food wie bei Transport existiert zudem das typische Problem kollektiver Organisierung im prekären Dienstleistungsbereich: die heterogene Zusammensetzung und fragmentierte Arbeitssituation der Beschäftigten. In den einschlägigen Belegschaften wird eine Vielzahl von Sprachen gesprochen. Zuverdienende Ehefrauen arbeiten neben allein erziehenden Müttern, JobberInnen, SchülerInnen und StudentInnen neben ehemaligen Dauerarbeitslosen, MigrantInnen mit hoher, jedoch nicht anerkannter Qualifikation neben solchen, die zum ersten Mal Lohnarbeit verrichten und kaum oder überhaupt nicht Lesen und Schreiben können. Mit der Diversität persönlicher Lebensläufe ist eine große Heterogenität individueller Normen und kultureller Orientierungsmuster verknüpft. Die prekäre Beschäftigungssituation ist mit prekären Familiensituationen assoziiert. Dies konstituiert nicht nur erhebliche Probleme der Verständigung, sondern auch reale Interessenunterschiede. Es ergibt sich das Bild sozial stark heterogener sowie tendenziell schwacher Beschäftigter auf der Shop-Floor-Ebene, die zudem unter massivem Leistungsdruck stehen und deren Zusammensetzung häufig wechselt. In dieser Situation verlaufen die primären Konfliktlinien oft nicht zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten oder gar zwischen Arbeit und Kapital - vielmehr sind die Beziehungen unter den Beschäftigten ausgesprochen heikel: Trotz proklamierter Familienideologie und Corporate Identity wird von heftigen persönlichen Auseinandersetzungen berichtet. Gefragt nach Konflikten, nennen viele InterviewpartnerInnen Streitigkeiten innerhalb der Belegschaft an erster Stelle. Zuweilen kommt es sogar zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Konflikte um Arbeitsbedingungen oder mit den Vorgesetzten werden hingegen nur selten offen ausgetragen. Mobbing scheint weit verbreitet.

Zu den vorab genannten Problemen kollektiver Organisierung, die für den prekären Dienstleistungsbereich in seiner Gesamtheit typisch sind, kommt bei Fast Food und Transport noch dazu, dass die unternehmensinternen Vergemeinschaftungsstrategien durchaus wirksam sind. Um es deutlich und summarisch zu sagen: Die erläuterten personalpolitischen Strategien besitzen eine virulente Prägekraft für die Subjektivität der Beschäftigten - obwohl oder gerade weil diese unter prekären Bedingungen arbeiten. Gerade ihre Situation gesellschaftlicher Deklassierung und Marginalisierung macht viele prekär Lohnarbeitende besonders empfänglich für die ungewohnte Kultur des Respekts und der Wertschätzung, die ihnen zumindest auf symbolischer Ebene entgegengebracht wird. Beschäftigte, die dazu gezwungen sind im Un- und Angelerntensegment des Arbeitsmarktes ihr Brot zu verdienen, quittieren unternehmensseitig betriebene Strategien symbolischer Anerkennung nicht selten mit besonderer Dankbarkeit und einer positiven sowie freiwilligen Integration in die verordnete Gemeinschaftskultur. Die Betonung von Teamarbeit und ein insgesamt legerer Umgangston führen manchmal gar zu einem Betriebsklima, in dem Arbeitsbeziehungen und persönliche Freundschaften eng verwoben sind (Weber 2005). Jene ArbeiterInnen, die den hohen Leistungsanforderungen dauerhaft gerecht werden können und innerbetrieblich eventuell kleinere Aufstiegsprozesse durchmachen, sind daher nicht selten in hohem Maße betriebsloyal:

"Also ich finde die amerikanische - dieses System finde ich sehr gut, empfehlenswert auch für andere deutsche Firmen, wenn die Mitarbeiter direkt in die Firma reingebracht werden, d. h. dass die auch 'n bisschen mehr erfahren von der Firma. (...) Man wird wirklich mit Respekt behandelt. Man wird auch informiert." (Transport-Vorarbeiterin)

Freilich existieren typischerweise differente Grade einer authentischen Identifikation mit der Unternehmenskultur. Relevante Differenzierungsmomente sind dabei der soziale und professionelle Hintergrund der Beschäftigten, ihre subjektiven Ambitionen im Unternehmen sowie ihre Stellung in der Hierarchie. Im Rahmen eher kurzfristiger Job-Perspektiven existieren nur geringe Anreize und wenig Zeit, um sich die Organisationskultur subjektiv anzueignen. Die Situation verändert sich jedoch, sobald jemand dem Unternehmen länger angehört und zur Stammbelegschaft zählt. Im Regelfall sind damit kleinere Aufstiegsprozesse in den fein gestaffelten Hierarchien verbunden. Es entwickelt sich eine normative Verpflichtung auf jene Organisation, im Rahmen derer man über kleine, jedoch hart erworbene Privilegien verfügt.

Diese real wirksamen Integrationseffekte finden freilich ihre Grenzen an den prekären materiellen Arbeitsstandards, die systematisch auch entwürdigende Komponenten beinhalten. Insbesondere bei Fast Food bilden die niedrigen Löhne bei hohen Leistungsanforderungen einen permanenten Stein des Anstoßes:

"Normalerweise macht die Arbeit bei [Fast Food] keinen Spaß. (...) Der Grund dafür ist das Arbeitsklima und dieser ganze Druck. Ich versteh' auch manchmal, wenn du siehst die Leistung, was pro Stunde bezahlt wird. Ich, als Schichtführer, hab' ich wirklich wenig zu tun. Und ich jammere auch wenig, wenn es auch nicht gerecht bezahlt wird. Aber manche, wenn sie sehen, dass sie 6 Euro pro Stunde bezahlt bekommen, aber wirklich, wenn sie 8 Stunden arbeiten, wirklich 8 Stunden arbeiten. Ich verstehe die Leute, die dann zu mir kommen und über den geringen Lohn klagen. Aber ich kann ja nichts daran ändern. Und wenn dann der Supervisor ins Restaurant kommt, dann spricht der nur darüber: ‚Wir sparen jetzt.'" (Fast-Food-Schichtführer)

In der Konsequenz sind bei Fast Food Bestandsabweichungen in größerem Ausmaß ein permanentes Problem - ein Indiz dafür, dass die Beschäftigten ihre niedrigen Löhne auf individuelle sowie illegale Weise aufbessern. Nicht sehr gemeinschaftsförderlich ist auch ihr alltägliches Erleben, dass sie als ‚Familienmitglieder' im Ernstfall recht umstandslos ersetzbar sind. Auf der untersten Shop-Floor-Ebene einer stark fluktuierenden Randbelegschaft mit rigiden Arbeitsbedingungen ist die unternehmensinterne Corporate Identity somit recht beschränkt:

A:"Die Unzufriedenheit bei Transport ist konstant, würd' ich sagen, und auch verbreitet. Und es liegt nicht an der Kohle. Die meisten wissen sehr wohl, dass sie woanders als Hilfsarbeiter nicht so viel verdienen würden. Wollen aber für die extrem harte Arbeit, die sie da leisten, also es ist wirklich viel härter als alles andere was ich kenn', wolln se auch fair behandelt werden" (...)

I: "Das heißt, dass sie irgendwie missachtet werden, also sie werden nicht als Personen, als Gegenüber..."

A: "Doch, das sogar schon. Das ist ja Transport-Politik, genau das den Leuten zu vermitteln. Der Typ mit der Krawatte vor ihnen, der Manager, der duzt sie und sie duzen ihn. Das ist ´ne ganz wichtige Geschichte bei Transport, eben, wir sind ´ne Familie. Das bringt er auch so rüber, also der ist weder herablassend, also in der Regel, manche sind's schon, kommt vielleicht auch tatsächlich und erzählt einem, wie super er arbeitet, oder so, aber gut, das ist Fassade und das ist natürlich dünne Fassade und das kriegen die Leute sehr schnell mit, also so blöd sind se nicht. Und wenn's dann wirklich nur kleinere Konflikte gibt oder kleinere Kritikpunkte, dann gehen se damit normalerweise eben komplett unter. Da sehen se, dass hinter diesem ‚Wir sind ne Familie', und ‚ihr könnt immer kommen' und ‚wir sind alle auf der gleichen Ebene mehr oder weniger' halt nix ist. (...) Dann gilt, dass n' Mitarbeiter ersetzbar ist wie ein Stück Bandanlage, was n' Spruch von ´nem Vorgesetzten ist." (Transport-Arbeiter)

Die Kultur der Vergemeinschaftung wirkt somit typischerweise zwar bis auf die unterste Vorgesetztenebene sowie auf jene Beschäftigten, die dorthin aufsteigen wollen; sie strahlt jedoch nur beschränkt auf die unterste Ebene des Shop Floors aus. Die dort beschäftigten einfachen ArbeiterInnen sind zwar häufig dankbar für die Ansätze einer symbolischen Anerkennungskultur, dennoch ist die Idee divergierender Interessen längst nicht so abwesend, wie die managementseitig gepflegte Unternehmenskultur dies glauben machen möchte. Die Arbeitsbedingungen sind zu belastend, die Managementpraktiken letztlich zu rigide, die Löhne zu niedrig, damit die Vorstellung von ausschließlich gemeinsamen Interessen weithin prägend sein könnte. Die Prekarität der Beschäftigungsbedingungen bedingt somit eine Fragilität der normativen Vergemeinschaftung. Dennoch machen die partiell stattfindenden Prozesse der "Inkorporation in die Organisation" (Weber 2005) eine Identifikation mit Interessengruppen, die von der Geschäftsleitung klar als ‚feindlich' stigmatisiert werden, extrem schwierig. Das Projekt der Etablierung gewerkschaftlicher Kerne oder einer durchsetzungsfähigen Belegschaftsvertretung gleicht unter diesen Bedingungen dem Versuch des Aufbaus einer kollektiven Identität, die sich innerhalb der Organisation offen gegen die dominante Organisationskultur richten muss. Angesichts der ausgeprägten Kontroll- und Hegemoniebestrebungen des Managements ist dies ein äußerst schwieriges Unterfangen und bedeutet eine Art ‚permanenten Kulturkampf'.

3. Kollektive Interessenvertretung als ein Kampf für ‚Verrückte'

Im Rahmen der Managementphilosophie von Fast Food sowie Transport sind unabhängige Institutionen kollektiver Interessenvertretung der Beschäftigten (d.h. Betriebsräte in Deutschland, Délégués Syndicaux und Délégués du Personnel in Frankreich) systematische Fremdkörper. Solche Vertretungsinitiativen konkurrieren mit dem Repräsentationsmonopol der Geschäftsleitung, die sich als einzige legitime Vertretungsinstanz der Belegschaft sieht. Sie bedrohen zudem die Unternehmenskultur, die den Betrieb als Gemeinschaft mit grundlegend identischen Interessen sieht - und nicht als eine politische Arena, in der widersprüchliche Interessen machtpolitisch verhandelt werden. In der managerialen Weltsicht mag es zuweilen Vermittlungs- und Kommunikationsprobleme geben, die personalpolitisch zu bearbeiten sind. Es existieren jedoch keine dauerhaft oder strukturell unterschiedlichen Interessen. Die "absolute Identifikation" der Beschäftigten mit dem Unternehmen gilt daher als ein realistisches und unbedingt anzustrebendes Ziel, das über eine entsprechende Personalpolitik technisch organisierbar gedacht wird. Die interviewten Transport-Manager bewerteten dementsprechend Betriebsräte sowie die französischen ‚Institutions Représentatives du Personnel' als "insgesamt nachteilig".6 Dass es dennoch teilweise Betriebsräte gibt, wurde im wesentlichen mit traditionellen und längst veralteten Gewohnheiten, Dummheit, egoistischen Eigeninteressen oder ideologischer Verblendung der InitiatorInnen erklärt - sowie mit der sachfremden Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes, "dass drei, vier, fünf Leute reichen", um eine solche Institution zu erzwingen. Der institutionelle Deckungsgrad ist in beiden Unternehmen lückenhaft:

Bei Fast Food existieren in Deutschland nur in einigen wenigen Restaurants Betriebsräte. Deren Wahl konnte typischerweise nur über juristisch ausgefochtene Konflikte sowie mit massiver gewerkschaftlicher Hilfe durchgesetzt werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Forderung nach einem Betriebsrat bei Fast Food schnell zur Kündigung oder Abfindung potentieller AktivistInnen führt und solche Wahlen immer Opfer kosten.7 Das ‚Herauskaufen' von BetriebsratsaktivistInnen ist eine systematische Strategie. Wiederholt wurden existierende Mitbestimmungsstrukturen vernichtet, indem einem Großteil der Mitglieder beträchtliche Abfindungssummen geboten wurden (vgl. Royle 2000, Nölting 2004). Auch die Schließung von Restaurants und die Neuschneidung von Unternehmens- und Franchisestrukturen ist eine typische Praxis zur Erschwerung von Mitbestimmungsinitiativen. In Frankreich existiert in den Restaurants, die nicht von Franchisenehmern geführt werden, flächendeckend das reguläre System der Beschäftigtenrepräsentation, dessen Einrichtung in Frankreich jedoch gesetzlich verbindlicher gestaltet ist als in Deutschland. Im Franchisebereich sind die Strukturen ebenfalls lückenhaft.

Bei Transport gibt es in Deutschland an etwa einem Drittel der Standorte einen Betriebsrat. Insbesondere an den größeren Standorten mit mehreren Hundert Beschäftigten konnten in den meisten Fällen - nach teilweise heftigen und juristisch ausgefochtenen Auseinandersetzungen - Betriebsräte etabliert werden. Die kleineren Standorte sowie die Unternehmenszentrale mit mehreren Hundert Angestellten sind mitbestimmungsfreie Zonen. In Frankreich ist die Situation erneut weniger problematisch, u.a. da Transport hier in den 90er Jahren ein Unternehmen aufgekauft hat, in dem sehr solide gewerkschaftliche Organisationsstrukturen existierten.

Bereits die schiere Existenz gesetzlich vorgesehener Vertretungsinstitutionen der Belegschaft ist also bei Fast Food und Transport keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Auf dem Weg zu effizienten Belegschaftsvertretungen ist der mühsame Kampf um die Etablierung der gesetzlichen Gremien in den verstreuten Betriebseinheiten allerdings nur die erste Hürde. Dieser folgt typischerweise ein zweiter Kampf, der häufig permanenten Charakter hat: der Kampf um die Unabhängigkeit der Institutionen von der unmittelbaren Hegemonie des Managements. Jene Mitbestimmungs- und Repräsentationsinitiativen, die das Management nicht komplett verhindern kann, versucht es systematisch im Sinne der vergemeinschaftenden Unternehmenskultur zu beeinflussen. Das meint, dass unternehmensnah agierende Kräfte massiv gefördert bzw. initiiert werden; unternehmenskritische Akteure lässt man hingegen deutlich spüren, dass sie unerwünscht sind. Verlässliche Mitglieder des unteren und mittleren Managements werden aufgefordert, sich als BelegschaftsrepräsentantInnen zur Verfügung zu stellen. Und diese sind im Rahmen ihrer dezidierten Unternehmensloyalität häufig vom originären Sinn einer solchen Aktivität überzeugt - zumal dies ihrer innerbetrieblichen Karriere alles andere als schadet. Fallweise kann die Strategie auch umgekehrt funktionieren, d.h. bereits gewählte VertreterInnen werden durch Einschüchterung und/oder Privilegien dazu gebracht, sich kooperativ zu verhalten. Die Solidarisierung der Beschäftigten mit den vom Management offen propagierten Kräften wird systematisch belohnt; die Unterstützung managementkritischer Strömungen negativ sanktioniert. Als Illustration für die immensen Schwierigkeiten, unter diesen Verhältnissen managementunabhängige Formen der Belegschaftsvertretung durchzusetzen, mag der Fall eines Transport-Standortes in Deutschland dienen.

In einer Transport-Niederlassung in Süddeutschland wurden Ende der 90er Jahre einige Aktivisten in den bereits bestehenden Betriebsrat gewählt, die die gängigen Verwertungsstandards nicht mehr in allen Punkten einfach hinnehmen wollten. Besonders hartnäckige Auseinandersetzungen gab es um die Verwandlung von Teilzeitarbeitsverträgen in Vollzeitarbeitsverträge sowie um die bislang übliche, pauschale Genehmigung von Überstunden durch den Betriebsrat. Endgültig erschöpft war die Geduld des Managements, als sich die Belegschaft des Standortes erstmals in der Geschichte des Unternehmens in Deutschland an Warnstreiks im Rahmen einer regulären Tarifauseinandersetzung beteiligte. Daraufhin wurde zunächst das Management des Standortes ausgetauscht. Die neue Geschäftsleitung ließ Flugblätter verteilen, wonach der amtierende Betriebsrat mit seiner Politik den Standort gefährde. Mit dem Argument mangelnder Profitabilität der betreffenden Filiale (infolge der Betriebsratspolitik) wurden die Beschäftigten von einer unternehmensweiten (übertariflichen) Lohnerhöhung ausgenommen. Der Betriebsrat leitete daraufhin mehrere erfolgreiche Rechtsklagen gegen die Geschäftsleitung ein (zum Thema Leistungserfassung sowie Mitbestimmung beim Thema Gewinnbeteiligung). Die Geschäftsleitung reagierte darauf, indem sie Tätigkeiten auf Subunternehmer verlagerte, Teile der Belegschaft entließ und eine Unterschriftenkampagne in der Belegschaft gegen den Betriebsratsvorsitzenden initiierte. Alle Beschäftigten wurden von den Vorgesetzten angesprochen, ihre Unterschrift unter die Aufforderung zum Rücktritt des Betriebsratsvorsitzenden zu leisten - oder diese explizit zu verweigern. Schließlich stellte die Geschäftsleitung auch noch Strafanzeige gegen den Betriebsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter. Ihnen wurden diverse Vergehen vorgeworfen, u.a. die Bedrohung von Betriebsratsmitgliedern, die nicht regelgerechte Einberufung von Betriebsratssitzungen, Erpressung der Geschäftsleitung und illegaler Aufruf zum Streik. Verschiedene (managementloyale) Mitglieder des Betriebsrats traten in der Gerichtsversammlung als Zeugen der Anklage auf. Ziel war der Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Gremium wegen "grober Pflichtverletzung". Mit Ausnahme des letzten Anklagepunktes (Aufruf zum Bummelstreik) wurde der Vorsitzende jedoch freigesprochen, so dass er sein Amt beibehalten konnte. Die Geschäftsleitung legte Beschwerde gegen das Urteil ein. In der Folgezeit kündigte sie ihm zudem sein Arbeitsverhältnis, mit dem Argument, er habe in der Gerichtsverhandlung gelogen, als er bestritt, zum Streik aufgerufen zu haben; als das Betriebsratsgremium dieser Kündigung widersprach, leitete die Geschäftsleitung eine Klage gegen diesen Beschluss des Betriebsrats ein. Zwischenzeitlich gestaltete sich die Stimmung im Betriebsrat und in der Belegschaft ausgesprochen angespannt. Es existierte eine massive Fraktionierung. Zwar gelang es dem Management letztlich nicht, eine Mehrheit gegen den Betriebsratsvorsitzenden zu mobilisieren; dieser stand jedoch zwischenzeitlich persönlich so stark unter Druck, dass er einen Hungerstreik erwog und sich fragte, ob er die erheblichen Abfindungszahlungen der Geschäftsleitung, die man ihm in der Anfangsphase des Konflikts angeboten hatte, nicht besser hätte annehmen sollen. Bei den Betriebsratswahlen 2006 traten insgesamt sieben Listen an, darunter diverse unternehmensnahe Listen, die so poetische Namen trugen wie "Miteinander - nicht gegeneinander" oder auch "Fairness". Die Liste des amtierenden Betriebsratsvorsitzenden erhielt zwar mit Abstand die meisten Stimmen und stellt gemeinsam mit einer befreundeten Liste aktuell weiterhin eine Mehrheit im Betriebsrat, diese Mehrheit ist jedoch äußerst knapp, v.a. angesichts der anhaltenden Versuche der Geschäftsleitung einzelne Betriebsratsmitglieder ‚herauszukaufen'.

Angesichts der massiven Einflussnahme der Unternehmensleitung auf demokratische Repräsentationsprozesse der Belegschaft ist es zumindest in Deutschland weithin gelungen, die betriebsverfassungsrechtlich vorgesehenen Vertretungsstrukturen im Sinne der vergemeinschaftenden Unternehmenskultur zu beeinflussen. Das oben erläuterte Beispiel des süddeutschen Transport-Standortes ist alles andere als typisch für die betrieblichen Verhältnisse. Ein Großteil der amtierenden Betriebsräte interpretiert seine Rolle dezidiert nicht als unabhängige Belegschaftsvertretung, sondern eher als zusätzliche Vermittlungsinstanz im Rahmen der vergemeinschaftenden Betriebskultur, deren Existenz im Grunde nicht wirklich notwendig ist (vgl. Artus 2007c). Ihr zentrales Anliegen ist weniger die repräsentative Vertretung von Beschäftigteninteressen gegenüber dem Management, sondern eher umgekehrt, die Vermittlung von betrieblichen Notwendigkeiten an die Belegschaft. Man sieht sich als "Moderator", "Mediator" oder auch - in der berufsspezifisch geprägten Perspektive eines Transport-Fahrers - als "Kupplung", deren Hauptaufgabe es ist, ein reibungsloses Miteinander im Unternehmen zu fördern:

"Ich sag: Betriebsrat ist immer die Kupplung. Er ist die Kupplung zwischen Motor und Getriebe. Man kann's denen nicht Recht machen und denen kann man's auch nicht richtig machen. Man muss es aber immer irgendwie verkaufen können." (Transport-Betriebsrat)

4. Brüche im System: Akteure und Strategien

Es dürfte deutlich geworden sein, wie schwierig es ist, in Unternehmen des prekären Dienstleistungsbereichs generell, und insbesondere in solchen mit einem Herrschaftsmodus repressiver Integration, durchsetzungsfähige Formen kollektiver Interessenvertretung der Beschäftigten zu initiieren. Und doch existieren in beiden Untersuchungsunternehmen sowohl in Deutschland wie in Frankreich Beispiele für Brüche im System prekärer Vergemeinschaftung. Diese reichen von dem oben zitierten Fallbeispiel des süddeutschen Transport-Standortes bis hin zu jener öffentlich weithin bekannten Auseinandersetzung in einem französischen Fast-Food-Restaurant, in deren Verlauf die Beschäftigten ein erstes Mal 115 Tage lang und ein zweites Mal 363 Tage lang streikten und deren Arbeitskämpfe durch viele Aktionen sozialer Bewegungen eine breite Unterstützung erhielten (vgl. Tie-Internationales Bildungswerk 2003, Artus 2007b, Perrin/Peroumal 2007). Zumindest in Einzelfällen gab und gibt es also erfolgreiche kollektive Gegenwehr. Woher kommen die Akteure? Was sind die Voraussetzungen, damit der Herrschaftsmodus repressiver Integration zumindest manchmal erfolgreich in Frage gestellt werden kann?

Die Grundvoraussetzung für ‚voice'-Optionen jeglicher Art ist zunächst der Verzicht bzw. die Verhinderung von ‚exit'. Diese organisationssoziologisch eher banale Feststellung ist für die Verhältnisse im prekären Dienstleistungsbereich fundamental.8 Initiativen zur Etablierung kollektiver Widerstandsstrategien kommen typischerweise aus dem Bereich der Stammbelegschaft. Dabei lassen sich sowohl in Deutschland wie in Frankreich drei typische situative Akteurskonstellationen sowie Motivationsstrukturen ausmachen, in denen die Mechanismen der Kontrolle und der Integration ins System brüchig werden:

Dies gilt erstens für Beschäftigte, die im Rahmen der vergemeinschaftenden Unternehmensideologie viel persönliche Energie und Leistungsbereitschaft in ihre Berufstätigkeit investiert haben, denen ihre Engagement jedoch entweder nicht "gedankt" wird, oder die die hohen Loyalitäts- und Leistungsanforderungen nicht länger erfüllen wollen oder können. Hierbei handelt es sich typischerweise um Beschäftigte auf der unteren oder mittleren Vorgesetztenebene (z.B. Gruppenleiter, Filialleiter). In Reaktion darauf, dass ihnen etwas verloren zu gehen droht (nämlich ihr beruflicher Status oder gar ihr Arbeitsplatz), das sie sich in der Vergangenheit mit viel Mühe erkämpft haben, versuchen sie manchmal über ein gewerkschaftliches Engagement neue Machtressourcen in der betrieblichen Arena zu mobilisieren. Ihre Initiative für kollektive Widerstandsstrategien entspringt der realistischen Einschätzung, wonach die Durchsetzung ihrer individuellen Interessen im Alleingang kaum Aussicht auf Erfolg hat - zugleich jedoch auch der Erkenntnis, dass ihre individuelle Problemlage nicht wirklich individuell ist, sondern verallgemeinerbar. Initiativen, die von Beschäftigten auf einer gewissen Hierarchiestufe gestartet werden, besitzen zudem systematische Organisationsvorteile. Als Leitungskräfte haben sie im Regelfall ein umfassendes betriebliches Wissen. Zudem befinden sie sich bereits alltäglich in der Rolle von SprecherInnen und kollektiven OrganisatorInnen. Sie kennen alle ihre ‚Untergebenen' und haben systematisch Kontakt zu ihnen. Dadurch ist es leichter, jene Vertrauensbasis herzustellen, die für das Wagnis einer kollektiven Organisierung unabdingbar ist. Das Risiko eines Aufstands der Ohnmächtigen lässt sich gewöhnlich leichter eingehen, wenn zumindest einige Ein-Bisschen-Mächtige vorangehen.

Bei einer zweiten Gruppe von Beschäftigten handelt es sich eher um solche, die das Risiko des machtpolitisch ungleichen Kampfes um durchsetzungsfähige Vertretungsstrukturen eingehen, da sie mit ihrem prekären Beschäftigungsverhältnis nicht allzu viel zu verlieren glauben.9 Dies gilt etwa für StudentInnen, die in diversen Fällen eine zentrale Rolle für die konflikthafte Durchsetzung innerbetrieblicher Vertretungsstrukturen spielten, sowie generell für Beschäftigte, die eine überdurchschnittlich gute formale Qualifikation besitzen und daher ihrer subjektiven Einschätzung nach über Erwerbsalternativen verfügen.
Drittens lässt sich im Regelfall der machtpolitisch sehr ungleiche Kampf nicht durch im engeren Sinne materielle Zielstellungen begründen. Es handelt sich eher um eine Angelegenheit für "Verrückte" (Transport-Betriebsrat), die gerade keine ausschließlich rationale Kosten-Nutzen-Kalkulation im materiellen Sinne verlangt, sondern eine ausgeprägte Orientierung an immateriellen Werten wie Gerechtigkeit, Solidarität und Würde. Ein typischer Auslöser für Konflikte, in deren Verlauf es zum unwahrscheinlichen Fall der Formierung eines handlungsfähigen Kollektivs in den einschlägigen Belegschaften kam, sind daher weniger Lohnforderungen o.ä.; häufig geht es vielmehr (zumindest anfänglich) um die Verteidigung von Einzelpersonen gegenüber moralisch diskriminierenden Vorwürfen oder gegen eine Behandlung, die als unwürdig erlebt wird. Paradigmatisch ist hier das Zitat eines französischen Fast-Food-Beschäftigten, der an dem oben erwähnten, ungewöhnlich langen Streik in Frankreich beteiligt war:

"Wir sind in den Streik gegangen, nicht für gewerkschaftliche Forderungen, so ´was wie Lohnerhöhungen oder gute Arbeitsbedingungen, nein, das war nicht der Grund, wir sind rausgegangen, weil unsere fünf Kollegen, die wir kannten, brutal als Diebe bezeichnet wurden. Das waren Leute, die neben uns waren, sie waren seit mindestens drei, vier Jahren da, und nur, weil sie Wahlen gefordert haben [für ein Comité d'entreprise] hat man sie beschuldigt, Geld entwendet zu haben." (Perrin/Peroumal 2007: 138, Übers. d. Verf.)

Eine Beobachtung, die hier nur genannt, jedoch nicht wirklich analysiert werden kann, ist die Tatsache, dass es sich bei den "Verrückten", die den ungleichen Kampf gegen prekäre Ausbeutungsbedingungen aufnehmen, in überproportional vielen Fällen um Beschäftigte mit Migrationshintergrund handelt. Sowohl in Deutschland wie in Frankreich schien es so etwas wie einen ‚Idealtypus des verrückten Interessenvertreters' zu geben: Menschen mit Migrationshintergrund, die jedoch vergleichsweise gut gesellschaftlich integriert sind. Sie wurden oft bereits im Aufenthaltsland geboren und sprechen sehr gut die Landessprache. Nicht wenige von ihnen stammen aus Familien, die im Herkunftsland eine gehobene Position innehatten. Typisch ist auch ein politischer, gewerkschaftlicher oder christlicher Erfahrungshintergrund im Familienzusammenhang. Häufig besitzen sie ein abgeschlossenes Studium; ihre hohen formalen Qualifikation werden jedoch vom einheimischen Bildungssystem oder vom Arbeitsmarkt nicht anerkannt. Dieser Personenkreis gehört gewöhnlich zur Stammbelegschaft in den einschlägigen Dienstleistungsunternehmen und ist im Prinzip prädestiniert für interne Aufstiegswege. Im Fall von Konflikten zwischen diesen Beschäftigten und dem Unternehmen, tendieren sie jedoch nicht selten dazu, ihr soziales und kulturelles Kapital für kollektive Widerstandsstrategien zu mobilisieren - durchaus mit Aussichten auf Erfolg. In diesen Kämpfen geht es gewöhnlich nicht nur um die Durchsetzung betrieblicher Ziele, sondern sie sind eingeschrieben in einen umfassenderen Kontext, der sich als Kampf gegen alltägliche Diskriminierung und um gesellschaftliche Anerkennung beschreiben lässt.

5. Resümee: Von der Problematik prekärer Kämpfe

Der Herrschaftsmodus repressiver Integration zeichnet sich dadurch aus, dass er im betrieblichen Alltag einen Gemeinschaftsmythos inszeniert, auf den sämtliche Betriebsmitglieder normativ verpflichtet werden. Obgleich seine Prägekraft auf die Subjektivität prekär Beschäftigter beschränkt bleibt, sollte sie nicht unterschätzt werden. Die Integrationsangebote und symbolischen Anerkennungspolitiken besitzen erhebliche Anziehungskraft gerade für Menschen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft im wenig attraktiven Segment der Jedermenscharbeitsmärkte zu verkaufen. Die Vergemeinschaftungspolitiken werden zudem über Strategien der Zwangsvergemeinschaftung abgesichert und in ihrer Wirksamkeit ergänzt. Für die Frage politischer Handlungsmöglichkeiten ist die Frage letztlich sekundär, ob die Vergemeinschaftungsideale aktiv geteilt oder passiv akzeptiert werden. Im Betriebsalltag wirkt das Dogma der betrieblichen Interessengemeinschaft als totalitäre Ideologie, die individuelle oder kollektive Initiativen zur Durchsetzung abweichender Belegschaftsinteressen im Keim erstickt oder fallweise auch offensiv erschlägt. Dies heißt freilich nicht, dass die prekär Beschäftigten sich deshalb freiwillig und enthusiastisch für die Betriebsgemeinschaft ‚selbst ausbeuten' würden. Es bedeutet jedoch, dass materielle Interessen, etwa an existenzsichernden Löhnen und guten Arbeitsbedingungen situativ zurückgestellt werden, da ihre Verwirklichung als irreal eingeschätzt wird und die konkrete Arbeitssituation als - bezogen auf realistische Alternativen - relativ erträglich. Zu einem Bruch der prekären Vergemeinschaftungsideologie kommt es dennoch immer wieder, v.a. dann, wenn allgemeinere Werte wie Moral, Gerechtigkeit, Respekt und Würde auf dem Spiel stehen. Kämpfe um ihre Verwirklichung erscheinen jedoch häufig als ‚verrückt', weil die Erfolgsaussichten ausgesprochen beschränkt sind. Ein kleiner David tritt hier gegen Goliath in der Form internationaler Multis an. Ohne eine Verlängerung solcher ‚verrückten Kämpfe' über den beschränkten Rahmen des einzelnen Standortes hinaus hat der kleine David dabei kaum eine Chance. Der Kampf der Geschäftsleitungen um die kulturelle Hegemonie in den Belegschaften wird gewöhnlich mit großer Energie sowie Härte geführt und besitzt einen langen Atem. Ansätze einer kollektiven Organisierung der Beschäftigten gleichen angesichts der hohen Fluktuation dem ‚Schwimmen gegen den Strom' - wobei die Geschäftsleitung sowohl die Geschwindigkeit des Stroms kontrolliert als auch die Fische, die darin schwimmen. Die dauerhafte Etablierung kritischer Gegenkulturen ist daher eine kontinuierliche Sisyphosarbeit unter widrigen Bedingungen. In allen erfolgreichen Fällen kollektiven Widerstands, die in den beiden untersuchten Konzernen existierten, war daher ein Bündnis der lokalen Initiativen mit Akteuren jenseits der einzelnen Standorte unabdingbar für ihre Stabilisierung. Die Solidarität zwischen verschiedenen Betriebseinheiten, zwischen betrieblichen AktivistInnen und überbetrieblichen Gewerkschaftsgliederungen oder auch die Unterstützung durch soziale Bewegungen und NGOs war essentiell. Vor diesem Hintergrund erscheint es besonders bedenklich, dass immer wieder von erheblichen Kommunikationsstörungen im Verhältnis zwischen prekären AktivistInnen und real existierenden Gewerkschaftsorganisationen berichtet wurde. Hierfür gibt es mehrere Ursachen: Die Verhältnisse prekärer Dienstleistungsarbeit weichen von den gewohnten Mustern gewerkschaftlicher Organisierung ab, sowohl was die Arbeitsbedingungen, die Managementpolitiken als auch die Konfliktmuster betrifft. Die fehlenden Kenntnisse über die betrieblichen Bedingungen schmälern den Nutzen der gewerkschaftlichen Beratungsarbeit. Eklatante Fehleinschätzungen und strategisches Missmanagement' von GewerkschaftsfunktionärInnen treten unter diesen Bedingungen gehäuft auf. Probleme entstehen auch dadurch, dass die prekären AktivistInnen in puncto Geschlecht, ethnische Herkunft und soziale Stellung kaum den gewerkschaftlichen Traditionen und Normen entsprechen. Und schließlich existiert ein systematisches Missverhältnis zwischen den hohen Anforderungen, die prekär Beschäftigte im Rahmen ihrer existentiell geprägten, ‚verrückten' Kämpfe um Anerkennung und Gerechtigkeit an die Gewerkschaften stellen, und einer gewerkschaftlichen Organisationslogik, die den Erfolg der eigenen Politik häufig vor allem in Form einer Steigerung der Mitgliederzahlen misst. Die Beziehungen zwischen prekären AktivistInnen und Gewerkschaften sind daher nicht selten von Missverständnissen und erheblichen wechselseitigen Irritationen geprägt. Um dies zu ändern, wäre eine verstärkte Öffnung der gewerkschaftlichen Kulturen für Handlungsentwürfe und Identitäten jenseits männlich geprägter, inländischerFacharbeit notwendig. Zudem bräuchte es ein Verständnis von Gewerkschaftsarbeit, das allgemeine Zielstellungen von Gerechtigkeit und Würde im Bereich der Arbeitswelt nicht nur ideell proklamiert, sondern auch glaubhaft in ihren Vertretungsstrategien umsetzt - auch, oder gerade in besonders prekären Segmenten von Erwerbsarbeit, in denen sich gewerkschaftliche Unterstützungsleistungen vermutlich eher indirekt und mittelfristig in der Form erhöhter Beitragseinnahmen auszahlen. Und schließlich lassen sich menschenwürdige Arbeitsbedingungen sicherlich nur durchsetzen durch ein systematisches und dauerhaftes "empowerment" lokaler Initiativen durch die Mobilisierung von Solidarität, die den Rahmen des Einzelbetriebs, des Unternehmens, nationaler Politikarenen und auch den der Gewerkschaften sprengt.

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Endnoten

1 Für wertvolle Anregungen zu dem vorliegenden Text danke ich Thomas Sablowski, Rudi Schmidt und Gudrun Trautwein-Kalms.

2 Der Begriff prekärer Arbeit ist nicht identisch mit dem Begriff der atypischen Beschäftigung (Keller/Seifert 2006). Letzterer umfasst z.B. auch individuell erwünschte Formen von Teilzeitarbeit umfasst. Um den Begriff der Prekarität nicht überzustrapazieren, werden im Folgenden damit ausschließlich strukturelle Merkmale von Beschäftigungsverhältnissen bezeichnet, nicht das subjektive Empfinden einer prekären Lebenslage.

3 Die Interviews in Deutschland wurden zwischen 2003 und 2005 im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts zum Thema "Betriebe ohne Betriebsrat" gemeinsam mit Sabine Böhm, Stefan Lücking und Rainer Trinczek durchgeführt (vgl. www.wi.tum.de/sociology/research/bob). Die französischen Interviews erfolgten während eines Forschungsstipendiums der Maison des Sciences de l'Homme am Institut de Recherches Economiques et Sociales zwischen Herbst 2005 und Frühjahr 2006 (vgl. www.wi.tum.de/sociology/research/sirp).

4 Die Namen der Untersuchungsbetriebe wurden verändert. Obwohl aufgrund der Größe der Konzerne eine tatsächliche Anonymisierung kaum zu bewerkstelligen ist, verweist dies auf das Anliegen der Verfasserin, weniger die Einzigartigkeit der Bedingungen bei einem bestimmten Konzern darzustellen, sondern die typischen Strukturmerkmale repressiver Integration im prekären Dienstleistungsbereich.

5 Einen Einblick in die besonders ausgeprägten, einschlägigen US-amerikanischen Traditionen geben z.B. Colvin 2001, Meyer 2002 und Behrens 2006. Allerdings werden ähnliche Strategien seit langem auch in europäischen Unternehmen mit Erfolg angewendet.

6 Der interviewte französische ‚Fast Food'-Personalleiter blieb als Spezialist für Außendarstellung in seinen Aussagen moderater. Mit dem deutschen ‚Fast Food'-Management konnte leider kein Gespräch geführt werden.

7 In Reaktion auf diese Verhältnisse findet sich die Gegenstrategie, nur dort Betriebsratsinitiativen voranzutreiben, wo einige Menschen dezidiert gewillt sind, ihren Arbeitsplatz "zu opfern". Das heißt, dass einige Beschäftigte, die ohnehin das Unternehmen verlassen wollen, als InitiatorInnen der Betriebsratswahl auftreten. Sie ‚decken' damit jene Beschäftigte, die mit einer solchen Initiative einverstanden sind, ihren Arbeitsplatz jedoch nicht riskieren wollen, und kommen im besten Fall noch in den Genuss einer Abfindungszahlung.

8 Eine äußerst lesenswerte Darstellung gewerkschaftlicher Kämpfe bei der Fast-Food-Kette ‚Pizza Hut' in Frankreich beginnt etwa mit den Worten des Autors, einem zentralen Aktivisten: "Ich bin Gewerkschafter geworden, weil ich kurzsichtig bin, sehr kurzsichtig" (Mabrouki 2004: 17, Übers.d.Verf.). Seine Sehbehinderung zwang ihn, an der Geschirrspülmaschine zu arbeiten statt als Pizzaausfahrer. Diese Arbeitsstelle war wiederum der Grund, weshalb er eine ungewöhnlich lange Dauer der Betriebszugehörigkeit erwerben konnte - Grundvoraussetzung für sein gewerkschaftliches Engagement.

9 Vgl. hierzu die bereits erwähnte Darstellung der Kämpfe bei Pizza Hut. Der Autor beschreibt seine Motivationsstruktur für gewerkschaftliches Engagement mit den Worten: "Es ist richtig, dass solche Kämpfe immer das Risiko beinhalten, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Nach zwei Kündigungen und Wiedereinstellungen, weiß ich das selbst sehr gut. Aber ganz offen, was haben wir zu verlieren? Einen befristeten Vertrag über 20 Stunden pro Woche, für die man 450 Euro im Monat bekommt? Unwürdige Arbeitsbedingungen? Einen Manager, der Ruhe in den Rängen fordert?" (Mabrouki 2004: 15 f., Übers. d. Verf.)

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Dieser Artikel erschien in: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, Heft 150, 38. Jg., 2008, Nr. 1, S. 27-48