Elternzeit und Elterngeld

Ein Trendwechsel?

In der Familienpolitik findet langsam ein Wandel statt vom männlichen Familienversorgermodell nebst Hausfrauenehe hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile.

In der Nachkriegszeit etablierte sich in Westdeutschland auf breiter gesellschaftlicher Basis das Familienmodell des versorgenden, allein verdienenden Ehemanns und der dazugehörigen Ehefrau, die spätestens ab der Geburt des ersten Kindes ihre Erwerbstätigkeit aufgab, um sich ganz der Hausarbeit und Kindererziehung zu widmen. Dieses Modell wurde institutionell durch Regelungen im Steuer- und Sozialversichersystem sowie durch Maßnahmen der Familienpolitik, die ökonomische Anreize dafür setzten, dass Ehefrauen auf eine Erwerbsarbeit verzichteten, in der neu entstehenden Bundesrepublik verankert. Seit den 1970er Jahren stieg die Zahl der erwerbstätigen Frauen, insbesondere der Verheirateten, deutlich an. Ursächlich hierfür waren u.a. der Strukturwandel des Arbeitsmarktes und die damit einher gehenden veränderten Anforderungen an die Beschäftigten, die Individualisierung und Pluralisierung der Lebensverhältnisse und ein daraus resultierendes stärkeres Bedürfnis der Frauen nach eigener ökonomischer Sicherung sowie, im Zuge der Student/innenbewegung und der daraus hervorgehenden Frauenbewegung, ein sich wandelndes gesellschaftliches Verständnis von Erwerbsbeteiligung und Aufteilung der Familienarbeit. Dabei kam es aber nicht zu einer wirklichen Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. Vielmehr entwickelte sich durch eine hohe Teilzeitquote der Frauen ein "modifiziertes Versorgermodell", dass durch eine Vollzeiterwerbstätigkeit des Ehemanns und einer Teilzeiterwerbstätigkeit der Ehefrau gekennzeichnet ist.1 Ein entsprechender Wandel in der Politik erfolgte dagegen weitaus zögerlicher und hat bis heute nicht ausreichend stattgefunden. Aufgrund der sinkenden Geburtsquoten und des prognostizierten Fachkräftemangels scheint zwar langsam ein Umdenken in der Familienpolitik einzusetzen. Dieses ist jedoch hauptsächlich nicht gleichstellungspolitisch, sondern wirtschaftlich und demografisch motiviert. Um die Produktivität der Volkswirtschaft und den Lebensstandard der Menschen zu sichern, müssen perspektivisch mehr (gut ausgebildete) Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Frauen stellen dabei ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial dar. Um dieses nutzbar zu machen, müssen tradierte Rollenbilder überwunden werden sowie bessere Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen werden. Der vorliegende Artikel untersucht insbesondere die aktuellen Entwicklungen der Familienpolitik, d.h. die Modernisierung des Erziehungsurlaubes zur Elternzeit und des Erziehungsgeldes zum Elterngeld.

Erziehungsurlaub und Erziehungsgeld

Zum 1. Januar 1986 wurden ein Erziehungsurlaub, der in der folgenden Zeit stufenweise auf 36 Monate erhöht wurde, und ein einkommensabhängiges Erziehungsgeld von 600 DM pro Monat eingeführt. Die Möglichkeit, nach der Geburt eines Kindes die Erwerbsarbeit nur zu unterbrechen und sie nicht gleich aufzugeben war aus gleichstellungspolitischer Sicht einerseits positiv zu bewerten. Andererseits gingen die Regelungen nicht weit genug. Erstens führten das meist geringere Einkommen der Frau sowie die tradierten Rollenbilder dazu, dass fast ausschließlich die Mütter den Erziehungsurlaub nahmen. Zweitens führten die fehlenden externen Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu oft langen Erwerbspausen und in vielen Fällen dazu, dass die Frauen die Erwerbstätigkeit überhaupt nicht mehr aufnahmen. Gleichzeitig erlaubte das einkommensabhängige Erziehungsgeld von 600 DM keine eigenständige ökonomische Absicherung der Frau.

Vom Erziehungsurlaub zur Elternzeit...

Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Anerkennung der Familienarbeit führten im Jahr 2000 zu einer Neugestaltung des Erziehungsurlaubes und zu dessen Umbenennung in Elternzeit.2 Die Elternzeit erlaubt gegenüber dem Erziehungsurlaub flexiblere Möglichkeiten der Betreuung der Kinder durch die Eltern. Die Heraufsetzung der erlaubten Teilzeitarbeit von 19 auf 30 Wochenstunden kann zu einer besseren Vereinbarkeit von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit führen, da der Kontakt zum Beruf in weiten Teilen aufrechterhalten bleiben kann. Die Möglichkeit der gleichzeitigen Inanspruchnahme der Elternzeit und die Regelung, dass dabei beide Elternteile Teilzeit arbeiten können, ermöglicht es, dass kein Elternteil die Erwerbstätigkeit voll aufgeben muss und das Kind trotzdem nur durch die Eltern betreut wird. Der Elternzeit liegt demnach ein partnerschaftlicheres Verständnis der Kindererziehung zu Grunde. Aktuell gelten folgende Regelungen: Die Elternzeit kann wahlweise von einem Elternteil alleine (Abwechslungen sind bis zu dreimal erlaubt) oder aber auch von beiden Eltern zusammen genutzt werden. Dabei haben beide Eltern den vollen Anspruch auf drei Jahre. Der Anspruch der Freistellung besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, allerdings können bis zu zwölf Monate in Absprache mit dem/der Arbeitgeber/in bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes aufgespart werden. Eine dritte Verbesserung durch die Neuregelungen der Elternzeit besteht in der Ausweitung der möglichen wöchentlichen Teilzeitarbeit für jeden Elternteil im Rahmen der Freistellung. Arbeitnehmer/innen in Unternehmen mit mehr als 15 Personen haben dabei einen Anspruch auf Teilzeitarbeit, solange dem keine "dringenden betrieblichen Gründe" (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz BEEG § 15, Abs. 7, S. 1) entgegenstehen.

...und vom Erziehungsgeld zum Elterngeld

Das 2007 eingeführte Elterngeld in Form einer Lohnersatzleistung ermöglicht entgegen der alten Regelung des Erziehungsgeldes eine größere ökonomische Unabhängigkeit des betreuenden Elternteils und kann daher als ein kleiner Schritt zur Abschwächung des männlichen Versorgerehemodells verstanden werden. Durch die Koppelung der Leistung an den Lebensstandard erlaubt die Neuregelung, die Betreuungsentscheidung unabhängiger von ökonomischen Überlegungen zu treffen, wenngleich Frauen in der Regel immer noch weniger als Männer verdienen und so eine Vollzeiterwerbstätig des Mannes nach wie vor lukrativer bleibt. Die Lohnersatzleistung erleichtert es nun auch (berufstätigen) Vätern, die die Betreuung des Kindes übernehmen wollen, dies zu tun: 67 % ihres Einkommens (bis maximal 1.800 EUR Elterngeld) plus das Einkommen der Mutter gewährleisten oft eine ausreichende finanzielle Grundlage für die Familie. Zusätzlich werden durch die Einführung der Partnermonate bewusst deutliche finanzielle Anreize für die Väter gesetzt, wenigstens einen kleinen Teil der Kinderbetreuung zu übernehmen: Lehnen sie dies ab, erhält die Familie nur 12 statt 14 Monate lang die Elterngeldzahlung. Der Übergang zur Zahlung des Erziehungs- bzw. Elterngeldes in Form einer Lohnersatzleistung und die Verkürzung der Bezugsdauer von 24 Monaten auf maximal 12 Monate pro Elternteil, die Anreize setzt, nach der Betreuungsphase schneller wieder die Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sind generell als stärkere Orientierung der Leistung an der Erwerbstätigkeit beider Elternteile zu verstehen.3

Die Neuregelungen sind grundsätzlich begrüßenswert...

Grundsätzlich sind die durch Elterngeld und Elternzeit getroffenen Neuregelungen aus gleichstellungspolitischer Perspektive zu begrüßen. Diese Regelungen orientieren sich an einem partnerschaftlichen Erziehungsmodell, indem sie Instrumente darstellen, die eine Erwerbstätigkeit beider Eltern und die Erziehung des Kindes durch beide Eltern unterstützen. Durch die flexibleren Möglichkeiten der Elternzeit kann beispielsweise ein Elternteil zwei Tage die Woche arbeiten und der andere die restlichen Tage, während die Betreuungsarbeit getauscht wird. Dies kann als Abkehr vom Verständnis, dass ein Elternteil (klassischer Weise die Mutter) bis auf eine maximale Abwesenheitszeit von 19 Stunden pro Woche ausschließlich zur Kindesbetreuung zur Verfügung stehen sollte, gedeutet werden.4 In den ersten drei Jahren nach Einführung der Elternzeit hat sich die Zahl der Väter, die die Freistellung beansprucht haben im Gegensatz zum Erziehungsurlaub von 1,5 % auf 4,9 % erhöht.5 Auch wenn weiterhin in deutlicher Überzahl die Mütter zur Betreuung der Kinder ihre Erwerbstätigkeit reduzieren bzw. unterbrechen, entspricht dies einer Verdreifachung der Inanspruchnahme durch die Väter. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die neuen Regelungen auf Grund einer steigenden Akzeptanz dafür sorgen, dass der Anteil der Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen, weiter steigt. Die Einführung des Elterngeldes ist insofern aus gleichstellungspolitischer Sicht zu befürworten, als sie eine größere ökonomische Selbständigkeit (erwerbstätiger) Frauen nach sich zieht.6

...dürfen aber nicht überbewertet werden

Insgesamt sind die neuen Regelungen jedoch nicht nur positiv zu bewerten. So ist die Möglichkeit, tatsächlich nach einer kürzeren Erwerbunterbrechung erfolgreich wieder in den Beruf einzusteigen dadurch stark begrenzt, dass (insbesondere in Westdeutschland) kein hinreichendes Angebot an externen Kinderbetreuungsmöglichkeiten existiert.7 Dadurch laufen die Neuregelungen ins Leere. Nachdem ein Jahr Elterngeld in Anspruch genommen wurde können sich Frauen in die alte Rolle zurückgedrängt sehen, da in den meisten Fällen auf ihr Einkommen eher verzichtet werden kann als auf das (höhere) Einkommen des Mannes. Ferner sind die gleichstellungspolitisch begrüßenswerten Ansätze der lebensstandardbezogenen Absicherung durch das Elterngeld teilweise auf Kosten sozialpolitischer Regelungen erkauft worden. Die großen Verlierer/innen der Reform des Erziehungsgeldes zum Elterngeld sind die Familien mit einem solch geringen Einkommen, die nach den Regelungen des Erziehungsgeldes 24 Monate lang die 300 EUR gezahlt bekommen hätten und nach der Neuregelungen den Mindestbetrag des Elterngeldes von 300 EUR nur noch maximal 14 Monate erhalten. Die betroffenen Eltern (Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger/innen, Studierende) erhalten dabei insgesamt bis zu 3.000 EUR weniger Unterstützung.8 Auf der anderen Seite erhalten die Eltern, die es finanziell am wenigsten nötig hätten, die höchsten Elterngeldzahlungen. Hier ist eine deutliche Umorientierung der Familienpolitik erkennbar, da das Elterngeld nicht mehr nur bei geringen bis mittleren Einkommen gezahlt wird und damit nicht mehr vom Bedarf der Familien abhängt, sondern sich die Höhe der Zahlung am Einkommen und damit an der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Familie bemisst. Vor dem Hintergrund der oft beklagten hohen Kinderlosigkeit von Akademiker/innen wird schnell klar, welche Familien stärker unterstützt werden sollen. Zudem ist die Einführung der Partnermonate zwar ein - für die deutsche Familienpolitik entscheidender - Schritt in Richtung der partnerschaftlichen Erziehung der Kinder. Allerdings stellt sich die Frage, ob nicht eine hälftige Erziehungszeit beider Elternteile gesetzlich angestrebt werden sollte.

Erste, kleine Schritte sind gemacht

Die Einführung der Elternzeit und des Elterngeldes sind insgesamt aus der Gleichstellungsperspektive zu begrüßen, da sie flexiblere Familienmodelle ermöglichen und auch für Väter Anreize schaffen, für die Kinderbetreuung die Erwerbstätigkeit zu unterbrechen oder zu reduzieren. Sie orientieren sich eher an partnerschaftlichen Modellen, an der Erwerbstätigkeit beider Eltern bzw. der größeren finanziellen Unabhängigkeit des betreuenden Elternteils. Andererseits wird an familienpolitischen Instrumenten festgehalten, die das männliche Alleinverdienermodell und die Hausfrauenehe massiv unterstützen, wie das Ehegattensplitting. Auch können die durch die Neuregelung gesetzten Anreize zur schnelleren Rückkehr in den Beruf nicht realisiert werden, solange die Kinderbetreuung insbesondere für unter dreijährige Kinder nicht massiv ausgebaut wird. Durch die Umstellung vom Bedarfs- auf das Leistungsprinzip werden durch die neuen Regelungen zahlreiche Gruppen schlechter gestellt. Eine echte Wahlfreiheit im Bezug auf das Familienmodell kann jedoch nur zu Stande kommen, wenn der Verdienst ein Kriterium staatlicher Unterstützung ist, jedoch um bedarfsorientierte Sätze ergänzt wird. Ferner gilt weiter die alte Feststellung, dass Gleichstellungspolitik mehr als nur Familienpolitik sein muss! So müssen dringend die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen überwunden werden, so dass Familien freier entscheiden können, wer die Erwerbstätigkeit zur Kindesbetreuung hauptsächlich unterbricht und dies nicht aufgrund des geringeren Einkommens zwangsläufig der Frau zukommt. Jana Schultheiss studiert Volkswirtschaftslehre mit sozialwissenschaftlicher Ausrichtung in Köln und ist Mitglied im erweiterten Bundesvorstand des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Weiterführende Literatur:

  • Bothfeld, Silke: Vom Erziehungsurlaub zur Elternzeit. Politisches Lernen im Reformprozess, Frankfurt/Main 2005.
  • Pfau-Effinger, Birgit: Kultur und Frauenerwerbstätigkeit in Europa. Theorie und Empirie des internationalen Vergleichs, Opladen 2000.
  • Rüling, Anneli / Kassner, Karsten: Familienpolitik aus der Gleichstellungsperspektive. Ein europäischer Vergleich, (Hrsg: Friedrich-Ebert-Stiftung), Berlin 2007.
  • Schwitzky, Carsten: Das neue Elterngeld. Lohnersatz in der Elternzeit. Kommentar mit Berechnungsbeispielen, Regensburg / Berlin, 2007. 1 Vgl. hierzu: Pfau-Effinger 2000; sowie: Dressel, Christian, Erwerbstätigkeit - Arbeitsmarktintegration von Frauen und Männern, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland (2005). 2 Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4133, 1 ff. 3 Vgl. ausführlich: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Elterngeld und Elternzeit. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 2007. 4 Vgl. Bothfeld 2005, 31. 5 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Bericht über die Auswirkungen der §§ 15 und 16 Bundeserziehungsgeldgesetz , 2004, 20. 6 Vgl. bspw.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit - Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik. Siebter Familienbericht, 2006, Bundestags Drucksache 16/1360, 284 ff. 7 Vgl. DJI, Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut Universität Dortmund: Zahlenspiegel 2005. Kindertagesbetreuung im Spiegel der Statistik, 2005. 8 Vgl. Schwitzky 2007, 27 f.