EGMR-Urteil gegen Russland

Rubrik RechtKurz

Im Mai und Juli verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Russland erneut wegen während der Tschetschenien-Kriege begangener schwerer Menschenrechtsverletzungen.

In den Urteilen wird die Verletzung des Rechts auf Leben und die Verwirklichung von Folter durch unmenschliche und erniedrigende Behandlung, sowie die Verweigerung des Rechts auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz als erwiesen angesehen.

Im Fall Akhmadova und Sadulayeva gegen Russland war Shakmit Akhmadov, Ehemann und Sohn der Kläger, von russischen Militärs festgenommen, in einem gepanzerten Fahrzeug weggebracht und getötet worden. Über ein Jahr später wurde auf einem Feld seine Leiche gefunden. Bis dahin war es den Angehörigen unmöglich, herauszufinden, was passiert war. Der Gerichtshof stellte heraus, dass die Unwissenheit der Angehörigen auch diesen gegenüber eine erniedrigendende und unangemessene Behandlung, also Folter darstellte.
Im Fall Musayev und andere gegen Russland wurde den Klägern ein Schadensersatz von über 160.000 Euro zugesprochen. Verhandelt wurden die Massaker vom 05. Februar 2000 in den im Süden Grosnys gelegenen Siedlungen Novye Aldy und Chenorechye. Angehörige der russischen Armee hatten Häuser in Brand gesetzt und 56 tschetschenische Zivilpersonen ohne jeden Grund getötet.

Ausdrücklich verurteilte der EGMR die Untätigkeit der für die Verfolgung dieser Verbrechen zuständigen russischen Behörden. Dabei sei eine Aufklärung der Geschehnisse"in keiner Hinsicht" unmöglich gewesen. Die Tötungen hätten bei Tageslicht stattgefunden. Zeugen hätten die Täter von Angesicht zu Angesicht gesehen. Beweismaterialien, wie die Munition der Tatwaffen, durch welche die Täter individuell identifiziert hätten werden können, waren sichergestellt worden. Trotzdem wurde bis heute keine Strafverfolgung der Beteiligten an diesen Verbrechen eingeleitet. Aus Sicht des EGMR lässt sich diese "erstaunliche Uneffektivität" in der Arbeit der russischen Behörden nur als Zustimmung zu den begangenen Verbrechen deuten.

Dieser Fall ist ein Beispiel dafür, dass der russische Staat in vielen Bereichen den Schutz der Menschenrechte nicht ausreichend achtet. Die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und kritischen JournalistInnen wird durch Gesetze und inoffizielle Sanktionen bekämpft. Wer sich in Russland für Menschenrechte einsetzt, muss mutig sein. Dennoch engagieren sich, sogar zunehmend, Bürgerinnen und Bürger gegen die staatliche Gewalt. Grund zur Hoffnung!