Ausgegrenzt, weggesperrt, abgeschoben

Der Abschiebeknast in Büren

in (06.08.2008)

Videoüberwachung, Sicherheitsschleusen, Zäune, Schranken: Willkommen am größten Abschiebeknast der Bundesrepublik! Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren-Stöckerbusch liegt ca. 8 km außerhalb von Büren, mitten im Wald und umgeben von einer 6,5 m hohen Betonmauer.

Die ehemalige NATO-Kaserne bietet seit 1994 Platz für bis zu 530 männliche Häftlinge ab 16 Jahren. Dabei ist die Inhaftierung von Unter-18jährigen ein eindeutiger Verstoß gegen die UN - Kinderrechtskonvention, die festlegt, dass Kinder und Jugendliche nur als „letztes Mittel" inhaftiert werden dürfen.

Der Alltag im Knast
Die betroffenen Flüchtlinge und Migrant_innen finden sich nach ihrer Inhaftierung meist völlig fassungslos in einer Zelle wieder - die ersten Gedanken sind dann: Was habe ich getan, dass ich ins Gefängnis muss? Warum werde ich bestraft? Aber auch: Wie lange muss ich hier bleiben? Werde ich abgeschoben in ein Land, wo mir erneut Haft oder noch Schlimmeres droht? Viele verstehen das deutsche Rechtskauderwelsch nicht und sind in ihrer Situation ziemlich hilflos der Willkür von Ausländerbehörde, Richter_in und Justizpersonal ausgeliefert. Dolmetscher, Rechtsanwalt? - Fehlanzeige!
Die Gefangenen sind grundlegender Rechte beraubt. Der Alltag im Knast besteht aus 13-22 Stunden Einschluss in den Zellen. Nur wenige Gefangene haben das „Privileg", für einen geringen Stundenlohn Kabel zu binden oder einzutüten. Die meisten Migrant_innen sind mittellos, wenn sie hier ankommen, einige haben nicht einmal ausreichen Kleidung. Wenn einzelne Gefangene dennoch Geld besitzen, wird es ihnen abgenommen: Sie müssen das "Hotel Abschiebehaft" und ihre eigene Abschiebung selbst bezahlen.
Angesichts dessen ist die Verzweiflung oft sehr groß. Häftlinge berichten über Schlafstörungen, Depressionen, Angstzustände bis hin zu Selbstverletzungen und Selbstmordversuchen. Gehen sie zum Anstaltsarzt, erwartet sie meist die nächste Schikane: ihre Beschwerden werden nicht ernst genommen, sie bekommen keine vernünftige Behandlung, werden stattdessen mit Tabletten weggeschickt, deren Wirkung und Nebenwirkungen ihnen nicht erklärt werden.
Wehren sie sich gegen den Zustand und werden sie „unbequem", so finden sie sich schnell im Keller der JVA wieder: im „besonders gesicherten Haftraum" oder der Arrestzelle. In solch eine Zelle dürfen die Häftlinge keine persönlichen Gegenstände mitnehmen, sie haben lediglich eine Stunde Hofgang (alleine), sie dürfen nicht lesen, nicht rauchen, nur tödliche Langeweile.

Wer kommt in Abschiebehaft?
Abschiebehaft kann von der Ausländerbehörde angeordnet werden, wenn sie den Verdacht hat, dass sich ein_e Migrant_in der Abschiebung entziehen will. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Verdacht bewiesen werden kann oder überhaupt angebracht ist: es findet keine Gerichtsverhandlung statt, lediglich eine Anhörung vor einem Richter, der im Schnellverfahren mal eben über sechs Monate Haft (oder eine Verlängerung bis insgesamt 18 Monate) entscheidet. Darum gilt hier auch nicht der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten", es wird ja auch nicht über ein Verbrechen gerichtet, sondern lediglich sichergestellt, dass die Abschiebung reibungslos abläuft.
Nicht nur abgelehnte Asylbewerber_innen werden so weggeschlossen, sondern auch Menschen, die keine Aufenthaltspapiere (mehr) haben, deren Besuchsvisum abgelaufen ist, die ohne Erlaubnis in Deutschland gearbeitet haben, die ihr Studium in Deutschland beendet haben und weiter hier geblieben sind, oder die sich vom/vor der deutschen Partner_in getrennt haben. Tatsache ist, dass regelmäßig 30-40 % der Inhaftierten wieder aus der Haft entlassen werden müssen, weil sie widerrechtlich inhaftiert waren.
Der politische Sinn der Abschiebehaft ist die Abschreckung der Migrant_innen und eine reibungslose Abschiebung. Sie ist ein Baustein des modernen „Migrations-Managements", das MigrantInnen nach wirtschaftlicher Nützlichkeit auswählt und unerwünschte Zuwanderung beschränkt.

Staatlicher Rassismus mit tödlichen Folgen
Rashid Sbaai war einer von ihnen. Er erstickte 1999 qualvoll in einer Arrestzelle an einem Feuer. Die genauen Umstände sind nie verhandelt worden, ungeklärt ist bis heute die Frage, warum die Schließer erst zu spät auf den ausgelösten Alarm reagiert haben und wie das Feuerzeug in die Zelle gelangte.
Zahlreiche weitere Einzelfälle ließen sich aufführen, deren Schicksal besonders hart ist und die sich plötzlich im Knast wiederfanden: Menschen, die sich integriert haben, die seit Jahren in Deutschland leben, die hier Familie haben, die schwer krank sind, denen in ihrem Heimatland Folter, Verschleppung und Tod drohen, die ohne Geld in Kriegs- und Krisengebiete abgeschoben werden, die in ein Land abgeschoben werden, das sie zuvor nie betreten haben (weil es mit diesem Land ein Rücknahmeabkommen gibt)...
Der eigentliche und größte Skandal ist und bleibt jedoch, dass es diesen Knast und das System der Abschiebehaft überhaupt gibt. Dass Menschen über Monate weggesperrt werden, weil sie den falschen Pass haben. Abschiebehaft ist Teil einer Sondergesetzgebung für Migrant_innen und Ausdruck des deutschen staatlichen Rassismus und gehört daher abgeschafft!