Alphafeminismus

Harald Schmidt und andere FeministInnen.

Ausgerechnet der alte Chauvie Harald Schmidt ist es, der im jüngsten Feminismus-Streit kurioserweise beiden Lagern als Gewährsmann dient. Denn es war Schmidt, der Alice Schwarzer anlässlich ihrer Börne-Preis-Ehrung die Laudatio halten durfte. Mit Franz Beckenbauers Bedeutung für den Fußball hat er ihre Lebensleistung darin verglichen. „Wir werden nie vergessen, dass sie den Feminismus nach Deutschland geholt hat, aber aus dem Tagesgeschäft soll sie sich bitte raushalten“, sagt er. Allerdings: Nicht Harald Schmidt selbst sieht das so. Er gibt hier lediglich wieder, was jene „neuen Girlies“ vermutlich denken, denen die Preisträgerin in der darauf folgenden Dankesrede gehörig einschenken wird. Und er soll Recht behalten. „Wir hätten es nie so schön sagen können“, bestätigen Jana Hensel und Elisabeth Räther, die attackierten Autorinnen von „Neue deutsche Mädchen“ (ein, zugegebenermaßen, saublöder Titel), in einer Antwort auf die Rede. Als „kaltherzige Wellness-Feministinnen“, die sich für „Fair-trade-Puffs“ einsetzen, Sexarbeit und Pornos „geil“ finden und sich nur für Männer und Karriere interessieren würden, waren sie darin diffamiert worden. Und nicht sie alleine waren gemeint. Der „Verluderung des Feminismus“ und des egozentrischen Karrierismus zieh die Emma-Chefin – die nebenher übrigens gerade mit der Absetzung ihrer Kurzzeit-Nachfolgerin Lisa Ortgies beschäftigt war – quasi die gesamte „dritte feministische Welle.“ Deren Vertreterinnen kommen in der sich nochmals ausführlich in diesen Anschuldigungen ergehenden Sommerausgabe der Emma erwartungsgemäß nicht zu Wort. Stattdessen darf Harald Schmidt humorlos schreiben: „Warum ich in den Feminismus eingetreten bin.“ Das auf diesen Schlagabtausch folgende Tosen in den Feuilletons ist gewaltig – gemessen zumindest an der Resonanz, die das Thema Feminismus sonst hervorrufen kann. Eine Reihe der Süddeutschen Zeitung entdeckt interessiert die neuen Feministinnen à la Charlotte Roche und Alphamädchen und lässt arriviertere Vertreterinnen fragen: „Sind sie denn auch wirklich welche?“ Nein, findet Julie Zeh, die Intimrasur darf nicht zum politischen Problem erhoben werden. Auch Kerstin Grether mokiert sich in der Zeit über Roches unfeministische Fäkalgeschichten und Heide Oestreich mahnt die Schwarzer-Abtrünnigen in der taz: „Alphagirls, die ihre Mutter töten, stehen dann mit dem Papa allein da. Wenn den Muttermörderinnen am Ende nur noch Harald Schmidt bleibt, dann werden sie ganz schön nach der Mama weinen.“ Die relativ einmütige – wenn auch mal mehr, mal weniger hart vorgebrachte – Kritik dabei: Probleme wie Einkommensschere und gläserne Decke bleiben bei den „Mädchen-Feministinnen“ weitgehend unbeachtet. Ihr Feminismus sei außerdem weiß, heterosexuell und elitär. Was freilich nicht heißt, dass sich die Kritikerinnen deswegen auf Schwarzers Seite schlagen – ganz im Gegenteil. Das alles mag verwirrend klingen. Es ist jedoch endlich einmal vor allem eines: vielstimmig. Und es ist eine willkommene und seltene Gelegenheit zur feministischen Problem- und Positionsbestimmung jenseits der obligatorischen Schwarzer-Statements zur aktuellen Lage der Frau, mit denen sich die deutschsprachigen Medien sonst begnügen. Die Gelegenheit zu einer Grundsatzdebatte, die noch dazu die Chance hat, über die Grenzen der üblichen Kreise hinaus wahrgenommen zu werden. Doch kaum ist der Streit entbrannt, warnt nicht nur die sonst gar nicht zimperliche Oestreich vor dem Muttermord, weil es dabei eben bedauerlicherweise meist einen lachenden Dritten gebe – und der sei männlich. Auch Tanja Dückers fürchtet den Blick von außen auf die Schlacht und prophezeit in der Jungle World das unausweichliche männliche Urteil: „Zickenterror.“ Dückers gibt sich deshalb alle Mühe, die Grabenkämpfe als bloße Scheingefechte zu entschärfen. „‚Wir Alphamädchen‘ liest sich streckenweise wie die coole Version eines Schwarzer-Buchs“, so ihr Urteil. Warum also die ganze Aufregung? Weil es äußerst begrüßenswert ist, dass Feminismus ausnahmsweise aufregend ist, lässt sich ihr antworten. Und überhaupt nicht einzusehen, weshalb sich Feministinnen mit ängstlichen Solidaritätsforderungen gegenseitig zum Schweigen bringen, sobald ein offener Konflikt auftritt. Es gibt eine Auseinandersetzung – wunderbar! Reißt die Gräben auf und schüttet Öl ins Feuer, auf dass sie das Sommerloch hoffentlich überlebt. „So what?“, hatte ja auch Oestreich mal geschrieben. „Es ist schließlich noch genug Patriarchat für alle da.“ Selbst für Harald Schmidt.

  

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin

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