„Paul bleibt!“

Kampagne für den Erhalt des Paul Wulf-Standbildes

 

Münster. Die Paul Wulf-Skulptur entwickelte sich während der „skulptur projekte münster 07“ zum Publikumsliebling. Sie schaffte es auf die Titelseite, etwa der International Herald Tribune, wurde mit dem „Ber­berpreis“ als menschenfreundlichstes Kunstwerk ausgezeichnet und von den Leserinnen und Lesern der Münster­schen Zeitung zum beliebtesten Denkmal gewählt.

Das Standbild und die Home­page www.uwz-archiv.de gehören zum Projekt „münsters GESCHICHTE VON UNTEN“, das von der Künstlerin Silke Wagner und dem Umweltzentrum-Archiv-Verein konzipiert wurde.

Die Skulptur erinnert an den 1938 von den Nazis zwangssterilisierten Münsteraner Antifaschisten Paul Wulf, der bis zu seinem Tod 1999 ein unermüdlicher Aufklärer und Aktivist in den sozialen Bewegungen war. Vermutlich als einziger Anarchist hierzulande wurde er 1991 für sein Engagement und seine antifaschistischen Ausstellungen mit dem Bundesver­dienst­kreuz geehrt. Die ihm gewidmete Skulptur ist bundesweit wahrscheinlich das einzige Denkmal, das an die 350.000 von den Nazis zwangssterili­sierten und als ‚lebensunwert’ stigmatisierten Menschen erinnert (vgl. GWR 320).

Nach eigenem Bekunden „nicht immer an die Vergangenheit erinnert werden“ wollen dagegen einige PolitikerInnen der westfälischen Provinzmetropole.

Zwei Kunstwerke der „skulptur pro­jekte münster 07“, die zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit anregen, waren ihnen ein Dorn im Auge. Am 7. November 2007 beschlossen die VertreterInnen von CDU und FDP deshalb in der Sitzung des Kulturausschusses, den Arkaden-Reichsadler der jüdischen Künstlerin Martha Rosler und die Paul-Wulf-Skulptur von der Liste der zu erhaltenen Kunstwerke zu streichen (vgl. GWR 325). Bundesweit sorgte die Rathauskoalition mit diesem Verhalten für Empörung. So kommentierte z.B. die FAZ: „Mit der Entscheidung, ob auch den Ar­beiten von Silke Wagner und Martha Rosler Bleiberecht gewährt wird, könnte der Rat der Stadt zugleich die Frage beantworten, ob Münster nach einem weltoffenen Sommer in einen provinziellen und womöglich bis zu den ‚Skulptur Projekten 2017’ dauernden Winterschlaf fällt.“

Auch um diesen Winterschlaf zu vermeiden, hat die Bezirksvertretung Mitte am 14. November 2007 mit der Stimmenmehrheit von SPD, Grünen und UWG den Erhalt der beiden Skulpturen beschlossen. Der Arkadenadler wurde daraufhin bereits gekauft. Er bleibt an Ort und Stelle. Die Paul-Wulf-Skulptur dagegen ist zur Zeit zwi­schen­gelagert. Sobald die Finanzierung steht, soll sie für eine Dauer von fünf Jahren am Servatii­platz aufgestellt und alle zwei Monate neu plakatiert werden, mit Dokumenten aus den sozialen Bewegungen zu den Themen Paul Wulf, Häuserkampf, Anti-Atom-Bewegung, Zensur und Kriminalisierung alternativer Medien. Ihren endgültigen Standort wird sie anschließend an der Bildungsstätte Villa ten Hompel finden. Dort wird auch der Nachlass Paul Wulfs erforscht und öffentlich zugänglich gemacht.

Eine mit VertreterInnen des LWL-Landesmuse­ums für Kunst und Kulturgeschichte, der Stadt und des Freundeskreises Paul Wulf besetzte Interessengemeinschaft hofft auf das Engagement nicht nur der MünsteranerInnen zum Erhalt ihrer Lieblingsskulptur. „Es wä­re phantastisch, wenn die Paul-Wulf-Skulptur durch die breite Unterstützung der Öffentlichkeit erhalten bleibt“, ap­pelliert Hermann Arnhold, der Direktor des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte.

Mit gutem Beispiel voran geht z.B. eine Schulklasse der Wartburgschule. Die Grund­schü­lerInnen sammelten 47,80 Euro für den Erhalt der „Paul-Skulptur“ und übergaben den Betrag der LWL-Kuratorin Brigitte Franzen. Ein weiteres Beispiel ist das fair­Druckt-Kollektiv. Um zum Erhalt des 3,40 Meter großen Standbildes beizutragen, hat es ein „Paul bleibt!“-Öko-T-Shirt* produziert. Von jedem verkauften T-Shirt sollen 5 Euro auf das Spendenkonto überwiesen werden (siehe nebenstehende Anzeige).

Der bisher prominenteste Un­terstützer der „Paul bleibt!“-Kampagne ist „Tatort Münster“-Kommissar Thiel, alias Axel Prahl. Der Schauspieler spendete 500 Euro für den Verbleib des Kunstwerkes und äußerte sein Befremden über die Politik der Rathauskoalition: „Traurig, dass die Stadt nichts dazu tut.“

In der Tat: Das Verhalten von CDU und FDP ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Zahlen des Statistischen Lan­desamtes ansieht. Nach Angaben des Wirtschaftsinformati­onsdienst Münster haben die rund 550.000 BesucherInnen während der 100 Tage dauernden „skulptur projekte“ mehr als 35 Millionen Euro in Münster ausgegeben. Verglichen damit sind die Kosten für den Erhalt der Skulptur „Peanuts“.

Inklusive Honorar, regelmäßiger Neuplakatierung und Renovierung des als Litfass-Säule  konzipierten Kunstwerkes belaufen sie sich auf ca. 50.000 Euro.

 

Bernd Drücke

 

 

Unterstützung:

Für eingehende Spenden hat der För­derverein Villa ten Hompel bei der Sparkasse Münsterland Ost ein Konto (Kontonr. 33134, BLZ 400 501 50, Stichwort „Paul Wulf“) eingerichtet.

 

* Das Paul Wulf-Soli-T-Shirt kostet 13 Euro plus 5 Euro Spende. Es kann bestellt werden bei: FairDruckt-Kollektiv, Scharnhorststr. 57, D-48151 Münster. Tel.: 0251/5389797, info@fairdruckt.de

 

Literatur:

Freundeskreis Paul Wulf (Hg.): Lebensunwert? Paul Wulf und Paul Brune - NS-Psychiatrie, Zwangssterilisierung und Widerstand. Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2007, 208 Seiten, ISBN 978-3-939045-05-2

Marius Babias (Hg.): n.b.k. Ausstellungen Band 1, Silke Wagner 2000-2008, Verlag der Buchhaltung Walther König, Köln 2008, 172 Seiten, ISBN 978-3-86560-438-5

 

Weitere Infos: www.uwz-archiv.de

 

Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 331, September 2008, 37. Jahrgang, www.graswurzel.net