Die Krise

Der Kapitalismus ist das Problem

Die weltweite „Bankenkrise" dominiert derzeit die Titelseiten der Zeitungen. Angeblich befindet sich der Kapitalismus in der schwersten Krise seit der Weltwirtschaftskrise 1929 ff.

AntimilitaristInnen können sich jetzt darüber freuen, dass der in den Denkfabriken des US-Militarismus angedachte Krieg gegen den Iran in absehbarer Zeit wohl nicht stattfinden wird. Der Schuldenberg und das Handelsdefizit der USA sind gigantisch. Die größte Militärmacht der Welt­geschichte, die 660 Milliarden Dollar jährlich für Krieg und Rüstung ausgibt, ist so gut wie bankrott. Der neue Krieg fällt also aus. Die in den Zentren des Kapitalismus entstandene Spe­kulationsblase ist geplatzt. Der Neoliberalismus scheint zu wanken. Kommt jetzt ein „New Deal"? Eine neue Form des „Staatskapitalismus"?

„Die Krise des Finanzkapitals ist das Scheitern der neoliberalen Ideologie. Wie am Anfang ist auch an dessen Ende der absolute Staat die Garantie dafür, dass der Schwindel, der die ‚ewige Kapitalakkumulation' begleitet, am Leben erhalten wird", so Lutz Schulenburg treffend (in: DIE AKTION Nr. 214, Mitte Oktober 2008).

Die Finanzkrise ist nur bedingt ein Grund zur Freude. Absehbar ist, dass von ihr letztlich diejenigen profitieren werden, die sie verursacht haben: die Großbanken, die nun von den Regierungen der EU-Staaten mit zwei Billionen Euro und von der US-Regierung mit 700 Milliarden Dollar Steuer­gel­dern aufgepäppelt werden. Mit einem Bruchteil des Geldes, das jetzt für diesen „Ret­tungsplan für das Bankensystem" ausgegeben wird, könnte ein „Rettungsplan für die Hungernden" realisiert werden. Auf die Idee kommen die Verantwortlichen aber nicht. Absehbar ist dagegen, dass die Politik weiterhin auf Kosten der Ärmsten gemacht wird, dass für die staatliche Bankensubventionierung weltweit die Sozialausgaben zusammengestrichen werden.  

Dabei sind die Folgen des kapitalistischen Herr­schaftssystems schon heute für einen großen Teil der Menschheit katastrophal. Etwa eine Milliarde Menschen haben derzeit nicht genug zu essen. Allein 2008 sind 75 Millionen Menschen hinzugekommen, so das Hungerforschungsinsti­tut Ifpri. Bereits für 2007 hatten die Vereinten Nationen einen Anstieg der Zahl der Hungernden von 800 Millionen auf 925 Millionen geschätzt. Die kapitalistische Weltordnung, die un­gerechte Verteilung der Ressourcen, vom IWF diktierte postkoloniale Handelsbedingungen und nicht zuletzt die Biokraftstoffpolitik von EU und USA sind Ursachen dieser Hungerkatas­trophe. Der Anteil des Biosprits am Preisanstieg liegt nach Berechnungen der HungerexpertInnen bei 30%. Der Mais wird kaum noch als Über-Lebensmittel für die Hungernden angebaut, sondern verpufft stattdessen als Treibstoff in den spritfressenden Luxuskarossen von Daim­ler, BMW und Co.

Wer will, dass diese Welt-„Ordnung" so bleibt wie sie ist, der will nicht, dass die Menschheit unter würdigen Bedingungen lebt.

Vor zwanzig Jahren konnte sich kaum jemand vorstellen, dass das autoritäre „realsozialistische" System im Osten Europas zusammenbrechen könnte. Kurze Zeit später passierte aber genau das.

Heute kann sich kaum jemand vorstellen, dass der global herrschende Kapitalismus verschwinden wird. Dabei ist genau dies eine Vorbedingung für das Überleben der Menschheit.

Das kapitalistische System macht keine Fehler, es ist der Fehler. Es ist dafür verantwortlich, dass die Erde so ausgebeutet und verseucht wird, dass mittlerweile jedes vierte Säugetier vom Aussterben bedroht ist, die Polkappen schmelzen und die Lebensgrund­lage künftiger Generationen bedroht ist.

Der Kapitalismus ist das Problem. Die Lösung wäre eine freiheitlich-sozialistische Gesellschaftsordnung, deren oberste Prinzipien die Gegenseitige Hilfe und der Respekt vor der Natur sind, eine gewaltfreie, herrschaftslose, men­schenge­rechte Welt. Das ist eine Utopie, gewiss, aber eine, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Bernd Drücke

Kommentar aus: Graswurzelrevolution Nr. 333, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, 37. Jahrgang, November 2008, www.graswurzel.net