Belegschaftsbeteiligungen können keineswegs die Antwort auf die Krise sein, meint Michael Bruns.
Belegschaftsbeteiligungen können keineswegs die Antwort auf die Krise sein, meint Michael Bruns.
Ein Gespenst geht um in der Linken - das
Gespenst der Belegschafts- oder Mitarbeiterbeteiligung. Oskar
Lafontaine erklärte Anfang des Jahres: "Wir setzen nicht auf
Verstaatlichung, sondern auf Mitarbeiterbeteiligung". Ähnliches
argumentierte meine Gewerkschaft, die IG Metall, in Bezug auf den
drohenden Konkurs der Schaeffler-Gruppe: "Eine Überführung in direktes
Staatseigentum wäre nicht der wünschenswerte Weg. Schließlich sind
viele der aktuellen Probleme auch durch Politik und Staat mit
verursacht. Dagegen gibt es Mischlösungen, die obendrein sehr gute
Referenzen in der Wirtschaft vorzuweisen haben. Es gibt durchaus
›dritte Wege‹ zwischen staatlicher Planwirtschaft und neoliberaler
Shareholder-Doktrin. Ein Weg ist das Modell der
Mitarbeiterbeteiligung." Gemeint ist, dass Belegschaften durch eine
Beteiligung, zum Beispiel in Form von Mitarbeiteraktien an "ihr"
Unternehmen gebunden werden.
Ich habe damit enorme Bauchschmerzen. Unser Gewerkschaftsvize Detlef
Wetzel hat für Krisenunternehmen die Formel ausgegeben »Beteiligung
gegen Verzicht« - Lohneinbußen gegen Anteile von Unternehmen.
Garantieklauseln wie in Spanien, dass die Lohnerhöhungen über der
Inflation liegen müssen, kann ich mir vorstellen. Auch zusätzliche
Lohnerhöhungen abhängig von Gewinn würde ich begrüßen. Aber einen
Kapitalanteil am Unternehmen? In der Wirtschaftskrise drohen vielen
Unternehmen Insolvenz und Massenentlassungen. Wenn da die Mitarbeiter
Verzicht für einen Kapitalanteil tauschen - was ist denn dieser Anteil
Wert? Wir würden Verzicht gegen ungedeckte Schecks tauschen. Keine
Beschäftigungssicherungsregelung dieser Welt schützt vor Insolvenz.
Zum Glück wird von der LINKEN etwas anderes gefordert:
Mitarbeiterbeteiligung ohne Lohneinbußen und Entlassungen. Doch auch
hier sehe ich Probleme.
Sinn und Zweck von Gewerkschaften ist, die Konkurrenz zwischen den
Beschäftigten zu überwinden - in Betrieben, Branchen, am besten auch
international. Deswegen verteidigen wir die Flächentarifverträge. Die
Mitarbeiterbeteiligung untergräbt diese Solidarität zwischen den
Beschäftigten. Opel, VW, BMW und Daimler konkurrieren miteinander. Wenn
es in jedem dieser Unternehmen Mitarbeiterbeteiligung gäbe, dann würden
die Beschäftigten in die Logik der Marktkonkurrenz hineingezogen. Sie
würden wollen, dass »ihr« Betrieb gewinnt. Das funktioniert natürlich
nur auf Kosten anderer. Sie würden doch ganz schizophren zwischen
Arbeiter- und Kapitalinteressen. Die Arbeiter bekämen eingeimpft, ihr
Interesse sei es, die Konkurrenz auszustechen und damit die Kolleginnen
und Kollegen in anderen Firmen. Das Ergebnis ist Betriebspatriotismus -
Gift für die Solidarität.
Das Problem ist doch schon jetzt massiv. Ich muss als Betriebrat immer
wieder darum kämpfen, die Belegschaft zu einen. Wenn bekannt wird, dass
ein Werk oder eine Abteilung von Entlassungen oder Schließung bedroht
ist, dann passiert es viel zu leicht, dass die übrigen Kolleginnen und
Kollegen denken: "Schwein gehabt, wir sind nicht betroffen." Das ist
natürlich fatal, weil man sich so nicht mehr wehren kann, sondern
(zunächst andere, aber irgendwann auch man selbst) sich seinem
Schicksal ergibt. Ich frage die Kollegen: Was macht dich so sicher,
dass es dich nicht auch trifft? Solidarität und Kampfeswillen
hervorzukitzeln ist der Sysiphos-Arbeit eigentlich genug. Das
gemeinsame Interesse aller Beschäftigten, ein Einkommen und einen
Arbeitsplatz zu haben, wird durch Mitarbeiterbeteiligung gegeneinander
gestellt und ausgehebelt.
Auch nicht nachvollziehen kann ich das Argument, durch die stärkere
Einbindung der Belegschaften würde ein Unternehmen insgesamt gestärkt.
Immer wieder höre ich: "Die Mitarbeiter haben im Gegensatz zum
Finanzkapital ein langfristiges Interesse am Betrieb."
Das läuft auf folgende Erklärung hinaus: Geldgierige Banker haben durch
katastrophale Shareholder-Value-Orientierung die eigentlich
grundgesunde Wirtschaft in die Krise getrieben. Deshalb müssen es jetzt
die »roten Manager« - die Belegschaften und ihre gewerkschaftlichen
Vertreter - richten.
Damit machen wir es uns zu einfach - uns sollte misstrauisch stimmen,
dass auch ein Jürgen Rüttgers dieser Krisenanalyse zustimmen kann.
Nicht Managmentfehler, sondern vom Standpunkt des Kapitals völlig
richtige und konsequente Entscheidungen führen immer wieder zu
Entlassungen und Krisen. Unsere Kritik sollte deswegen nicht einzelnen
Kapitalisten gelten; sondern der Logik des Kapitalismus selbst.
Das heißt, dass der Spielraum »unserer« Vertreter im Unternehmen von
vornherein sehr begrenzt ist. Wer im Kapitalismus die Marktkonkurrenz
nicht annimmt, der geht unter. Die Verschärfung des Wettbewerbs setzt
sich um in Druck auf Löhne und Arbeitszeiten. Durch
Mitarbeiterbeteiligung kommt die Belegschaft zu mehr Sitzen im
Aufsichtsrat um diese "Sachzwänge" zu billigen - Billigen, was man
nicht billigen kann.
Wir müssen weiter springen als nur bis zur Mitarbeiterbeteiligung. Die
Rettung von Banken selbst durch Enteignung ist in der herrschenden
öffentlichen Debatte unstrittig, die Unterstützung für Unternehmen der
"Realwirtschaft" wie Conti/Schaeffler und Opel wird jedoch in Frage
gestellt.
Die zahlreichen Arbeitsplätze in der produktiven Wirtschaft sind die
Grundlage der unzulänglichen, aber notwendigen Bedürfnisbefriedigung im
Kapitalismus. Banken sind für die Wirtschaft da, nicht die Wirtschaft
für die Banken. Geld arbeitet nicht. Wenn es 100 Milliarden Euro für
die Bankenholding Hypo Real Estate (2000 Beschäftigte) gibt, müssen 3,5
Milliarden Euro für Opel (28.000 Beschäftigte) eine
Selbstverständlichkeit sein.
Ich sehe in meiner Firma, in der 1300 Arbeitsplätze bedroht sind, dass
die Versorgung der "Realwirtschaft" mit ausreichend liquiden Mitteln
durch die Milliardengeschenke an die Privatbanken - ohne die Kontrolle
über die Geschäftspolitik zu übernehmen - nicht funktioniert hat. Die
Banken vergeben weiter sehr restriktiv Kredite. Deshalb sollte der
Staat in Krisenunternehmen direkt einsteigen um die Arbeitsplätze zu
erhalten. Staatshilfen müssen sich in entsprechenden
Unternehmensanteilen mit entsprechenden Stimmrechten niederschlagen.
Die Demokratie im Unternehmen muss ausgebaut und an den Bedürfnissen
der Menschen ausgerichtete zukunftsfähige Produkte müssen hergestellt
werden. Nur das kann uns allen helfen. Sich an das sinkende Schiff zu
ketten, garantiert nicht.
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