Krank stirbt sich besser!

Kommentar zum Gesundheitswesen

„Nein“, hatte der Vater gesagt, „es gibt keine Hexen, Riesen und Geister, dies alles sind Märchen- und Fabelwesen“. Für eine Weile war ich durch diesen Bescheid ruhig gestellt und lebte geborgen im Reich der durchschnittlichen kindlichen Fantasie. Was jedoch musste ich eines Abends einem elterlichen Gespräch am Tischlein-deck-Dich entnehmen: Die nette Frau Leonhardt aus dem Nachbarhaus arbeite als Sekretärin beim Gesundheitswesen! Mit einer gewissen Scheu, aber viel Respekt, begegnete ich von Stund’ an der netten Frau Leonhardt, die jeden Morgen zum Dienst ins Vorzimmer des Gesundheitswesens musste, welches meiner Vorstellung nach eine Mischung aus Hexe und Riese war und mit einer Spritze in der Hand sowie donnernder Stimme der Frau Leonhardt Rezepte für Salben und Hustensaft in die Schreibmaschine diktierte.

Viele Jahre waren seither vergangen. Die letzen 28 davon hatte ich als starker Raucher verbracht und erkrankte folgerichtig an Hodenkrebs. Vermutlich ebenso folgerichtig droht einem langjährig onanierenden Nichtraucher der Lungenkrebs. Man sollte Pornovideos mit einer entsprechenden Warnung versehen, ähnlich den Verbrauchertipps auf Zigarettenschachteln, deren Stil mich stets ein wenig an Chuck Norris-Facts erinnert. Mein Lieblings-Chuck Norris-Fact ist übrigens dieser: Chuck Norris isst keinen Honig – Chuck Norris kaut Bienen!

Jedenfalls musste ich beim Gesundheitswesen antreten und erblickte gleich an der Pforte der Klinik ein Schild, auf dem geschrieben stand, Privatpatienten mögen sich im Sekretariat des Klinikdirektors melden. Als Kassen-Assi ging mich das nun nichts an, aber gern hätte ich der netten Frau Leonhardt Guten Tag gesagt – allerdings dürfte sie längst in Rente gegangen oder wegen jahrelangem Missbrauchs von Blaupapier an Brustkrebs verendet sein. So ließ ich es bleiben.

Auch ohne Frau Leonhardts Unterstützung lief es beim Gesundheitswesen wie geschmiert. Zwar bekam ich es nie zu Gesicht, aber schon ein Jahr später, um einige Nahtod-Erfahrungen reicher sowie mit einer Brokkoli-Allergie gesegnet, kehrte ich in die gewerbliche Arbeitnahme zurück. Da man mich zur Rettung meines Lebens planmäßig mit chemischen Kampfstoffen aus Kaisers Zeiten vergiftet und dann wieder aufgepäppelt hatte, bin ich heute nicht nur gesund und munter wie ein Gonokokkus im Taufbecken, sondern auch resistent gegen alle Gifte der Welt, mit Ausnahme von Brokkoli.

Mögen andere ruhig eine Party verlassen, wenn das Koks alle ist – ich stibitze mir dann stets die Domestos-Flasche aus dem Badezimmer und mache es mir damit in einer ruhigen Ecke gemütlich. Schon nach wenigen Schlucken werden meine Augen mit Farbkontrasten verwöhnt, für die Gauguin oder Toulouse-Lautrec lange mit der Grünen Fee tanzen mussten. Einmal war kein Domestos im Hause und ich musste mit Ajax vorlieb nehmen. Eine schöne Entdeckung. Nach einer halben Flasche Ajax sprach ich perfekt Niederländisch mit Amsterdamer Akzent.
Um es also ganz kurz zu sagen: Es gibt keinen Grund, allzu gesund zu leben: man gefährdet den Arbeitsplatz des armen Gesundheitswesens, bekommt nur die Hälfte des Spaßes, den man haben kann, und außerdem wahrscheinlich sowieso den falschen Krebs!