Gegen den Informationsmüll

in (12.10.2009)
Manches gute Buch, das man am liebsten selbst geschrieben hätte, erscheint auf keiner Bestsellerliste, liegt also auch nicht auf dem vordersten Ladentisch oder gleich neben der Kasse. Womit wir schon beim Thema wären, nämlich bei der Rundum-Manipulation des homo sapiens teutonicus, soweit dieser als Wahlvieh, Soldat oder Verbraucher noch von Interesse ist. Denn gerade darum geht es in Volker Bräutigams »Die Falschmünzer-Republik. Von Politblendern und Medienstrichern«. Ich empfehle es vor allem denen, die sich fragen, warum sie sich mehr und mehr vom Fernsehen, von den Illners, Kerners und Wills abwenden und deshalb wieder zu einem Buch greifen. Und sich dabei auch unterhalten wollen, diesmal sogar unter Tränen: des Zorns und der Komik.

Man hätte sie gern selbst verfaßt, diese Abrechnung, wenn ... ja, wenn man den Mumm und vor allem die Erfahrungen hätte, die der alte Laubenpieper mitbringt, wenn er durch die Latten seines Zaunes späht und sinniert: »Wie stinkt man gegen den überwältigenden Informationsmüll der staatsfrommen Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der (käuflichen) Konzernmedien an? Wie rüttelt man die Mitwelt wach?«

In der Rolle eines schrebergärtnernden Pensionärs plaudert da nämlich einer aus der Schule: aus 45 Jahren Medienerfahrung als Macher bei Druckmedien, bei der Tagesschau oder als Dozent in Ostasien. Er hat erlebt, wie sehr sich China von den Zerrbildern unterscheidet, die uns täglich von Leuten aufgetischt werden, die schon vom krummen Weg Europas nichts verstehen noch verstehen wollen und uns beispielsweise - Freud freut sich - die Ideale der Französischen Revolution als Egalité, Légalité (sic) und Fraternité verkaufen wollen (Caren Miosga, Tagesthemen).

Bräutigam läßt seinen Laubenpieper saftiges Deutsch sprechen. Er greift am Buffet mit der Hand zu, wo es mit Messer und Gabel zwar vornehmer, aber umständlicher und weniger effektiv wäre: 33 scharf gewürzte Kapitel, darunter »Tierlieb - werde Metzger«, »Fuck the Poor«, »Giftspinnen im Äther«, »Paradiesvögel und Pappnasen« oder »Bilderle gucken, Bilderle fälschen«.

Bitterer wird es, wenn der ehemalige Redakteur und Personalrat des Norddeutschen Rundfunks in seinen Erinnerungen kramt und schildert, wie verantwortungsvolle journalistische Arbeit und der Informationsauftrag öffentlich-rechtlicher Medien zu methodischer Desinformation verkommen. Erst recht, wenn er bewußt zurückgehaltene Informationen nachreicht, zum Beispiel wie staatliche Forschungseinrichtungen mit der Rüstungsindustrie bei der Entwicklung grausamster »nicht-tödlicher Waffen« (Non Lethal Weapons) zusammenarbeiten - Waffen zur »Kontrolle« der Zivilbevölkerung, an deren Langmut die Regierungsbänkler rechtens zweifeln.

Gegenpart des pointiert argumentierenden Kompostspezialisten ist seine Zwillingsschwester, die pfiffig Contra gibt, ihren hochweisen Dalai Lama verteidigt und erst stoppt, wenn der Bruder sie sanft sokratisch  zu wichtigeren Fragen hinbugsiert: Was suchen deutsche Soldaten in Afghanistan? Warum kommt der Dalai Lama so häufig nach Deutschland? Warum verfälschen öffentlich-rechtliche Medien Fakten über China? Warum mußten ehemalige DDR-Grenzer wegen der »Mauertoten« vor Gericht, BRD-Grenzer wegen dutzender erschossener Kaffeeschmuggler aber nicht? Und - nach BSE, SARS, Vogel- und nunmehr Schweinegrippe - wen wird die deutsche Journaille wohl als nächsten durchs Dorf jagen? In wessen Auftrag und Interesse?

Bräutigam liefert Antworten, kritische Analyse und den Nachweis, daß die Massenmedien unisono mit Falschinformation bestehende gesellschaftliche Mißverhältnisse fördern. Falschmünzer im Sold jener Eliten, die unbegrenzt Reichtümer aufhäufen und ohne jede demokratische Legitimation unbeschränkte Macht ausüben.                   

Wolf Gauer

Volker Bräutigam: »Die Falschmünzer-Republik«, Scheunen-Verlag 300 Seiten mit Karikaturen von Klaus Stuttmann, 12 € (info@scheunen-verlag.de)