Not a big deal?

Das Bundesjustizministerium hat im Januar einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der zukünftig Absprachen in Strafverfahren erlauben soll. Eine Reaktion auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im März 2005, der damals den „Deal" nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärte und eine gesetzliche Regelung für die schon längst gängige Praxis einforderte.

Bei Absprachen wird meist die Zusage eines bestimmten Strafmaßes bzw. einer Strafobergrenze gegen die Abgabe einer die Anklage bestätigenden Erklärung vereinbart. Der neue § 257 c Strafprozessordnung wird auch nur dies zum rechtmäßigen Verständigungsgegenstand machen. Absprachen über den Schuldspruch sind unzulässig, auch die Ermittlungspflicht des Gerichts soll nicht eingeschränkt werden.

Problematischerweise neigen Gerichte häufig dazu, von der zugesagten Strafobergrenze nicht abzuweichen, auch wenn der/die Beschuldigte über das Geständnis hinaus für die Strafzumessung erhebliche Tatsachen vorträgt, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des „Deals" noch nicht bekannt waren und demzufolge bei der erörterten Strafzumessung noch keine Rolle spielen konnten. Schon allein der Begriff der „Absprache" verschleiert, worum es eigentlich geht: Nämlich nicht darum, sich über den Stand der Beweisaufnahme zu verständigen, sondern allein darum, das zu verhängende Strafmaß festzulegen. Sobald der/die Angeklagte die Vorwürfe bestreitet, ist ein „Deal" nicht möglich. Eine kritische Auseinandersetzung mit der polizeilichen Ermittlung kann so vollends unterbleiben, das Gebot der Wahrheitsfindung wird durch das einer möglichst schnellen Verfahrenserledigung ersetzt. Oft müsste auch eher von einem „Dealzwang" gesprochen werden: Die in Aussicht gestellte Strafobergrenze bei Bestreiten der Tat und der Abzug eines Drittels bei einem Geständnis veranlasst viele Beschuldigte letztendlich doch, auf das Angebot einzugehen.

Andererseits wird von „Deals" auch profitiert: Absprachen werden bevorzugt in großen und schwierigen Wirtschaftsstrafverfahren getroffen, bei denen Angeklagte über viel Geld verfügen. Wolfgang Neskovic, stellvertretender Vorsitzender und rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, befürchtet gerade deswegen die Entwicklung eines Zweiklassenstrafrechts: „Das Strafgesetzbuch ist kein Handelsgesetzbuch. Der Deal bevorzugt die finanziell Bessergestellten. Der Reiche kann sich gewissermaßen freikaufen, der Hartz-IV-Empfänger nicht." Die gesetzliche Normierung des „Deals" verletzt grundlegende Prinzipien des Strafprozessrechts und dient nur der Beruhigung des rechtsstaatlichen Gewissens.

Sophie Rotino, Freiburg