National Socialist Hardcore

Zwischen Mythos und Selbstverständnis

in (18.12.2009)


Musik ist für die extreme Rechte ein Motor, durch den sie sich modernisiert und gegenüber neuen Einflüssen öffnet. Auch die RechtsRock-Szene verändert sich analog zu neuen musikalischen Trends. Zur Modernisierung der RechtsRock-Szene hat in den letzten Jahren vor allem die Adaption des Hardcore (HC) beigetragen. Wenn auf Aufmärschen der extremen Rechten heute Basecaps, Kapuzenpullis – gelegentlich mit Flammenmotiven –, Spitzbärte und Piercings getragen werden, so ist das letztlich auf diese Entwicklung zurückzuführen.

Der HC ist in den späten 1970er Jahren in den USA aus dem Punk hervorgegangen. Er ist eine schnellere und aggressivere Variante des Punk. Ebenso wie dieser entwickelte sich auch der Hardcore-Punk, der heute fast ausschließlich als Hardcore bezeichnet wird, zu einer gesellschaftskritischen Sub- und Protestkultur. War der HC in seinen Anfängen von einem diffus linken Weltbild geprägt, verlor sich dieses zunehmend; der kleinste gemeinsame Nenner ist heute die Ablehnung von Konformität und Autoritäten. Der politische Anspruch der HC-Szene spiegelt sich jedoch nach wie vor in dem Motto “Hardcore is more than music” wider. Darin drückt sich der Anspruch aus, die Musik solle nicht bloße Unterhaltungsmusik sein, sondern eine Art gelebte Philosophie und eine Lebenseinstellung verkörpern.
Eingelöst wird dieser Anspruch durch das “Do It Yourself” (D.I.Y.)-Prinzip. Die frühe HC-Szene unterschied sich dadurch strukturell von anderen Musikszenen. Aufgrund des anfänglichen Desinteresses der Musikindustrie war die HC-Szene ursprünglich zur Eigeninitiative gezwungen und gründete eigene Schallplatten-Label, Vertriebe und Fanzines. Stellte die Eigeninitiative zu Beginn noch eine Notwendigkeit für die Szene dar, so ist sie für den heutigen D.I.Y.-Flügel Ausdruck der Überzeugung, dass sowohl die Kontrolle über das eigene kreative Schaffen als auch die eigene Unabhängigkeit erhalten werden müssten. Der D.I.Y.-Flügel nimmt heute die Rolle des Undergrounds in der HC-Szene ein, die sich im Laufe der Jahre in verschiedene Sub-Szenen ausdifferenziert hat und deshalb nicht als homogene Gruppe betrachtet werden kann. Zur Ausdifferenzierung der Szene haben vor allem die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung beigetragen, durch die sich das Gros der HC-Punks entpolitisiert hat. Auch der gesellschaftliche Rollback lässt sich in der HC-Szene ablesen: Sexistische, homophobe, sozialdarwinistische und patriotische Positionen sind dort immer öfter zu finden, haben sich verfestigt und sind zu ideologischen Anknüpfungspunkten für die extreme Rechte geworden.

Junge Männer aus der extremen Rechten haben ihrerseits ihr Interesse am Hardcore entdeckt und adaptieren ihn seit Jahren. Zum einen eignet sich der HC-Stil aufgrund seiner aggressiven Musik ideal als Ventil für Wut und Hass und ist als Protestmusik etabliert; lediglich die Themen mussten verändert oder neu besetzt werden. Zum anderen bot der Hardcore der RechtsRock-Szene auch auch die Gelegenheit, ein modisches Facelifting zu betreiben. Hardcore gilt als hip und modern, sein Lifestyle und das dazu gehörende Outfit sind längst im Mainstream angekommen. Tätowierungen und Piercings stellen schon seit längerem kein gesellschaftliches Stigma mehr da, und das Tragen von Armeehosen und Baggypants hat ebenfalls Einzug in die Modewelt des Mainstreams gefunden. Den Vermarktungswert von HC hat unter anderem auch Timo Schubert erkannt, der Schlagzeuger der RechtsRock-Band Agitator und Betreiber des Versandhandels Der Versand: Er hat sich “Hardcore” als Marke beim deutschen Markenpatentamt schützen lassen. Gegen die Eintragung hat die Kampagne Kein Bock auf Nazis geklagt, sie strebt die Löschung der Marke an.

Rückblick

Bereits in den frühen 1990er Jahren hatten erste US-amerikanische RechtsRock-Bands wie Extreme Hatred begonnen, mit dem HC-Sound zu experimentieren. Sie wandten sich damit von dem R.A.C.-Sound der Skinhead-Bands ab, der die RechtsRock-Szene dominierte. Der aggressive HC-Sound entsprach ihren Vorstellungen von Härte mehr und eignete sich auch besser, um ihre Wut und ihren rassistischen Hass musikalisch zu untermalen. Dazu hatte das US-amerikanische RechtsRock-Label Phönix Records das passende Image gefunden, als es 1994 die Produktion des Albums “Now Is The Time” der Band Extreme Hatred mit dem Slogan bewarb: “15 Song Compact Disc from California’s greatest Hatecore Band”. Damit tauchte die Bezeichnung Hate-Core zum ersten Mal in der RechtsRock-Szene auf. Kreiert worden war die Wortschöpfung ursprünglich im Jahr 1990 – von der linksradikalen, US-amerikanischen Hardcore-Band S.F.A., die auf das Back Cover des Albums “The New Morality” den Slogan “SFA New York City Hate-Core” druckte. Die überwiegende Mehrheit der HC-Szene lehnte den Begriff als sinnlose Gewaltverherrlichung ab, er fand keine große Verbreitung. Anders der RechtsRock: Er hat sich mit dem gewalttätigen Beigeschmack von Hate-Core identifiziert und daraus ein neues Szene-Image entwickelt.

In Europa erzielte das Hate-Core-Image den Durchbruch in der extremen Rechten, als 1997 die US-amerikanische Band Blue Eyed Devils das erste Mal durch Europa tourte und mit ihren Auftritten einen regelrechten Hate-Core-Boom auslöste. Als erste deutsche RechtsRock-Band griff die aus Bamberg stammende Hate Society das Hate-Core-Image auf und veröffentlichte 1998 das Debüt-Album “Hell’s Your Place”. Ihr ursprünglich aus der Skater-Szene stammender Sänger Bernd Peruch pflegte schon länger eine Vorliebe für US-amerikanische Punk-Bands, was sich auch in den in englischer Sprache gesungenen Texten der Band niederschlug, die für die damalige deutsche RechtsRock-Szene ein Novum waren. Anglizismen waren bis dahin lediglich in Band-, Label- oder Fanzine-Namen üblich. Mit den englischen Texten wollte Peruch seiner Band Hate Society ein internationales Flair verleihen und eine möglichst authentische Kopie seiner US-amerikanischen Vorbilder produzieren.

Image und Lifestyle

Neben der Musik begann sich Hate-Core nun auch als Image zu verbreiten. Auf die Vermarktung von Hate-Core als Textilmarke hatte sich in Deutschland schon frühzeitig die 1998 von David Kornowski in Oberhausen gegründete Firma Germany Hate-Core Production spezialisiert. Sie verfügte über Kontakte bis hinein in die Strukturen von Blood & Honour und versuchte, ihre Marke in den verschiedensten Subkulturen zu vertreiben (vgl. LOTTA #6 und #25). Mit dem Hate-Core-Image zog nun ein betont modisches Outfit in die RechtsRock-Szene ein, das sich an Vorlagen aus der HC-Szene und anderen Subkulturen orientierte und deren Motive adaptierte. Eightballs, Spielwürfel und Flammen gewannen in dem neuen Design an Bedeutung und schufen neue Akzente. Anstelle plumper NS-Parolen und NS-Symbolik setzte die RechtsRock-Szene nun verstärkt auf dezente Bekenntnisse und Codierungen, die nicht zuletzt nach dem im September 2000 verhängten Verbot der deutschen Blood & Honour-Division an Bedeutung gewannen. So nutzen Neonazis die Abbildung des aus dem Billard stammenden Eightballs, um über die darin enthaltene Ziffer 8 die Grußformel “Heil Hitler” zu kodieren – wie im Logo der US-amerikanischen Band Chaos 88. Anhand deren 2002 veröffentlichten Albums “Damaged Goods” lässt sich exemplarisch die Entwicklung einer kodierten Bildsprache veranschaulichen.

Das Cover des Albums “Damaged Goods” spielt mit Motiven aus der Rock-A-Billy-Szene und stellt diese in einen politischen Kontext. Neben unpolitischen Motiven wie Spielwürfeln und Flammen sind darauf auch Motive abgebildet, die ein politisches Statement widerspiegeln, etwa die US-Südstaaten-Flagge. Bei ihr handelt es sich um die Fahne der elf konföderierten Staaten, die auch nach der Wahl des Sklaverei-Gegners Abraham Lincoln zum US-Präsidenten die Sklavenhaltung nicht aufgeben wollten und 1861 den Sezessionskrieg auslösten. Sie wird heute noch von Teilen der extremen Rechten als Symbol angeblicher weißer Überlegenheit und Vormacht genutzt. Die von der Band gewollte rassistische Aussage spiegelt sich auch in ihrem Logo wider, das mit der Abbildung zweier Billard-Kugeln die kodierte Botschaft “Heil Hitler” transportiert.

Produziert wurde das Album von dem inzwischen nicht mehr existierenden Label Hatesounds Records, das von Sven Schneider aus Werder an der Havel betrieben wurde. Nur wenige Wochen nach dem Verbot der deutschen Division von Blood & Honour verschickte dessen ehemaliger Kassenwart über den Aboverteiler von B&H Kataloge seines neuen Versandhandels Hatesounds und dokumentierte die Fortsetzung seiner Aktivitäten im RechtsRock-Geschäft. Neu war hingegen auch das Design seines Firmenlogos, bei dem es sich um eine Adaption des Namensschriftzuges der populären US-amerikanischen HC-Punk-Band Hatebreed handelte, der von Flammen verziert wird und sich zum Markenzeichen der Band entwickelt hat. Durch die Adaption des HC-Designs und Lifestyles bekam die extreme Rechte ein neues Image, sie präsentierte sich modern und trendy.

Synonym für Gewalt

In Kombination mit abgebildeten Waffen entwickelte sich Hate-Core immer mehr zum Synonym für neonazistische Gewalt und sprach speziell die Hardliner der Szene an. “Schau aus Deinem Fenster, und Du kannst es sehen. Was hier in Deutschland los ist, ist nicht gerade schön. Denn hier in unserem Land läuft irgendetwas verkehrt. Linke Zecken, Kriminelle, Drogen sind hier heiß begehrt. Hast Du auch tausend Fragen, hast Du die Schnauze voll. Es gibt nur eine Lösung, White Power... Hatecore.” So verwendete die aus Leipzig stammende Band Solution den Begriff in ihrem im Jahr 2000 veröffentlichten Song “W.P.H.C.” als martialischen Schlachtruf und als Aufruf zur Gewalt. Der alte Slogan “Hardcore is more than music”, den die extreme Rechte, abgewandelt als “Hatecore is more than music”, über Merchandise-Artikel zu vermarkten begann und der fortan als T-Shirt-Motiv auch auf Aufmärschen und Demonstrationen anzutreffen war, bekam hier eine ganz neue Bedeutung: Er wurde zum Bekenntnis für Kampfbereitschaft und politisches Engagement.
Die Szene radikalisierte sich zunehmend, was sich auch in ihrer Musik niederschlug. “Nennt sie Nigger, denn das sind ihre Namen. Hängt die Nigger auf und habt kein Erbarmen. Wir hassen Nigger. Und auch Ihr habt es erfahren. Oder ist es Euch neu, dass wir Rassisten sind?”, heißt es im Refrain des Songs “Nigger”, den die aus Berlin stammende Band White Aryan Rebels auf dem im Jahr 2000 erschienenen Album “Noten des Hasses” veröffentlichte. Noch extremer präsentierte sich im selben Jahr das deutsch-britische Gemeinschaftsprojekt Strength Thru Blood auf seinem gleichnamigen Album. “We believe in National Socialism. We believe in white supremacy. We believe we’ll smash zions occupation. We believe in European destiny. We fly the red, the white and black. We fly the swastika for Europe. We fly the red, the white and black. We’re gonna take our nation back. We believe in blood and honour. We believe in race and national pride” – mit diesen Worten bekennt sich das aus Mitgliedern der deutschen Band Hate Society und der britischen Band Razors Edge bestehende Bandprojekt im Song “We Believe” unverhohlen zum Nationalsozialismus. Die extreme Botschaft des Songtextes spiegelt sich auch im Artwork des Albums wider, auf dessen Cover diverse neonazistische Symbole abgebildet sind.

Fight the System

Neue Wege für die RechtsRock-Szene schlug dann die Band Path Of Resistance ein, als sie 2002 die Demo-CD “Fight The System” einspielte. Die von Mitgliedern der Blood & Honour nahestehenden Nordmacht gegründete Band machte bereits durch die Auswahl ihres Namens ihren starken Bezug zur HC-Szene deutlich: Er ist von einem Side-Projekt der populären US-amerikanischen HC-Band Earth Crisis entliehen. Dies war nicht ihre einzige Adaption aus der HC-Szene. Auch der im Graffiti-Stil gehaltene Schriftzug der Band ähnelt stilistisch demjenigen der New Yorker HC-Band 25 Ta Life, dessen Machart ursprünglich der Hip Hop-Szene entstammt. Der Einfluss der HC-Szene spiegelt sich auch im Outfit von Path Of Resistance wider, mit dem sich die Band im Booklet der CD ablichten ließ. Basecaps, Kapuzenpullover, Jeans und Turnschuhe symbolisieren auch optisch einen Bruch mit dem Skinhead-Kult und untermalen den Anspruch, zum Hardcore übergegangen zu sein. Trotz der neuen Verpackung vertritt die Band inhaltlich allerdings alte Lösungsmodelle. “The system blast. They will full out. We take it from the rich und give it to the poor. No communism. No capitalism. National Socialism” – so propagiert sie im Song “Third Way” den Nationalsozialismus als angeblichen Lösungsweg für die globale Krise.

Anstatt unverhohlen rassistischer Texte verwendete Path Of Resistance in dem Song “Payback Time” als Intro die Einspielung eines Samples aus dem US-amerikanischen Spielfilm “American History X” und verherrlichte und propagierte damit in kodierter Weise rassistische Gewalt. In der betreffenden Filmszene wird ein afro-amerikanischer Autodieb von dem neonazistischen Hauptdarsteller unter Waffengewalt dazu gezwungen, sich auf den Boden zu legen und in die Bordsteinkante zu beißen, bevor ihm der Skinhead durch einen Tritt auf den Hinterkopf tötet. Szenegängern ist der Filmausschnitt geläufig; sie können das eingespielte Sample als politisches Statement decodieren, während es für ein unbefangenes Publikum nur als Hardcore-Stück erscheint. “Das Hauptziel unserer Musik ist es, auch unpolitische Leute oder Vertreter anderer Musikrichtungen zu erreichen und sie für unsere Sache zu begeistern. Insofern hat ja in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden”, äußerten sich Mitglieder der Band 2003 gegenüber dem RechtsRock-Fanzine Der Panzerbär – und verkündeten damit einen Strategiewechsel. Nachdem jahrzehntelang die direkte politische Botschaft im Mittelpunkt des RechtsRock gestanden hatte und dieser sich dadurch zum führenden Ideologieträger der extremen Rechten entwickelt hatte, versuchen nun ausgerechnet NSHC-Bands ihren Hörerkreis dadurch zu erweitern, dass sie trotz ihrer Eigenbezeichnung keine plumpe NS-Propaganda verbreiten und nicht auf Anhieb der RechtsRock-Szene zugeordnet werden können.

Auch die 2004 zusammen mit der aus Altenburg stammenden Band Moshpit veröffentlichte Split-Single von Path Of Resistance erweckt optisch nicht den Eindruck einer NS-Produktion. Auf dem Cover ist der Namensschriftzug von Moshpit in einer Banderole vor einem blutenden Herz abgebildet, das von einer an eine Billardkugel angeketteten Rasierklinge angeritzt ist. Anstatt plumper NS-Symbolik wird moderner HC-Lifestyle geboten, der unpolitisch daherkommt und sich politisch nicht einordnen lässt. Dazu passen auch die von der Band ausgesuchten Cover-Songs. Neben “It’s My Life” von der britischen Pop-Band The Animals hat die Band auch “Smash Your Enemies” von der US-amerikanischen HC-Band Hatebreed ausgesucht. Beide sind beliebig interpretierbar. “I hope I’m alive. To witness your demise. Make you feel my sorrow. Encompass all my pain. That I’ve felt for years. Dreading each dying day… I’ve tried to be strong. I’ve tried to overcome but I don’t think I possess the strength to carry on. I’m torn between, and there’s no right choice. I’ve gotta fight back. I won’t be scarred for life”, heißt es im Song “Smash Your Enemies”, von dessen universeller Botschaft sich auch Neonazis angesprochen fühlen und sich mit ihr identifizieren können. Lediglich die Grußliste der Band macht deutlich, aus welcher Szene Moshpit stammt und sie angehört. Neben den vom Hammerskin Malte Redeker in Ludwigshafen betriebenen RechtsRock-Label Gjallarhorn Klangschmiede finden sich darin auch das von Yves Rahmel von Chemnitz aus geleitete Label PC Records, sowie die Bandnamen der befreundeten “Lokalmatadoren” von Brainwash und Wewelsburg. Eindeutiger positionierten sich die Bandmitglieder im selben Jahr gegenüber dem US-amerikanischen Fanzine Morrigan Rising, als sie über ihre Musik sagten: “We play NS-Hardcore.”

Morbide Bilder

In den letzten Jahren entwickelte sich NSHC zur Eigenbezeichnung einer neuen Generation von RechtsRock-Bands und wird seitdem als Image entsprechend reproduziert. Ein spezielles Gimmick ließ sich 2006 die aus Magdeburg stammende Band Race Riot für die Vinyl-Version des Albums “Downfall Of Your Infected World” einfallen. “Das besondere ‘etwas’ an der Sache ist, dass die Platte einseitig bespielt ist und auf der anderen Seite in wochenlanger Handarbeit besprüht wurde. Das ganze ist natürlich streng limitiert. Weiß, mit NSHC auf 127 Stück, schwarz mit NSHC auf 88 Stück und schwarz mit Skull auf 265 Stück”, beschreibt die Band im Interview das Artwork des aufgesprühten “NSHC-Cross”, dessen Buchstaben N und S vertikal und die der Buchstaben H und S horizontal angeordnet sind und so ein Kreuz symbolisieren. Auch bei dieser Symbolik handelt es sich um eine Adaption aus der HC-Szene, die ursprünglich als “NY-HC-Cross” schon in den 1980er Jahren von der New Yorker HC-Szene verwendet wurde und nun von der NSHC-Szene als neonazistische Variante adaptiert worden ist. Dabei steht die auf der Langspielplatte hinterlassene politische Botschaft des “NSHC-Cross” nur im scheinbaren Widerspruch zu der unpolitischen Gestaltung des Album-Covers. Auf dessen Front-Cover ist eine Zeichnung der Apokalypse mit biblischen Motiven abgebildet, es setzt den gesellschaftskritischen Albumtitel “Downfall Of Your Infected World” künstlerisch um.

Die Verwendung von düsteren bis morbiden Bildern hat sich in den letzten Jahren zum charakteristischen Merkmal der NSHC-Bands entwickelt. Mit ihnen bringen sie ihre Art von Kultur- und Gesellschaftskritik zum Ausdruck. Selbst Bands mit eindeutigen politischen Textbotschaften greifen auf eine unpolitische Verpackung für ihre Tonträger zurück, etwa die aus Bayern stammende Band Burning Hate für ihr 2008 veröffentlichtes Album “This Is The End Of Our Days”. Auf dem Cover des Albums ist lediglich eine in grünlicher Farbe gehaltene Fratze abbildet, die aus einem Horror- oder Splatterfilm stammen könnte und ein beklemmendes Bild von Bedrohung und Gefahr widerspiegelt. Während sich die Band mit dem Artwork nicht eindeutig politisch positioniert, sondern sich ein künstlerisches Flair verleiht, bezieht sie im Text des Titelsongs offen politisch Stellung. “Same old story, same old game. I feel so painful again. Red media make a fucking lies. Dirty propaganda have to die… This is the end of our days. Riot-riot-riot-riot. Race riot” – mit diesen Worten ruft die Band unverhohlenen zum “Rassenkampf” auf.

Kodierte Symboliken und subtile Botschaften gehören zum Habitus der heutigen NSHC-Bands und spielen für ihr Bestreben, auch abseits der RechtsRock-Szene Verbreitung zu finden, eine wichtige Rolle. Dies betrifft vor allem die bei der Internet-Community MySpace angemeldeten NSHC-Seiten. Über Verlinkungen und über das “adden” von Freunden wird versucht, unter den MySpace-Mitgliedern neue Fans zu erreichen. Dabei spielt die richtige Verpackung eine entscheidende Rolle. Deutlich wird dies etwa im Fall des betont unpolitisch gehaltenen Video-Clips “Caught Between Two Hells” der Band Moshpit, der als Bonusmaterial auf dem 2007 veröffentlichten Debüt-Album “Mirror Of An Unbroken Faith” veröffentlicht wurde. Aus Nebelschwaden hervorschreitend, betritt die Band in dem Clip eine Halle und spielt dort ihren Song live, aber ohne Publikum ein. Anders als bei tatsächlichen Live-Konzerten von Moshpit verrät der Clip auch durch keinerlei einschlägige Symbolik die Identität der NSHC-Band oder ihren politischen Background. Ein anderes Bild zeigt Moshpit beim Auftritt der Band am 13. September 2008 in Altenburg beim “Fest der Völker”. “Europa ist angetreten für die Freiheit”, lautet das Motto des Bühnentransparents, auf dem Soldaten mit Schwertern und Schilden abgebildet sind; auf den Waffen wiederum sind die Flaggen derjenigen Staaten zu sehen, die als “Brudervölker” gelten. Auf dem von NPD und “Freien Kameradschaften” organisierten Festival waren Skinheads und “Autonome Nationalisten” anwesend, die sich sämtlich offen zur extremen Rechten oder zum Nationalsozialismus bekannten.

Motor der RechtsRock-Szene

Die Auftritte von Moshpit und Brainwash beim “Fest der Völker” in Altenburg dokumentieren den Stellenwert, den deutsche NSHC-Bands inzwischen in der RechtsRock-Szene einnehmen. Nicht nur national, sondern auch international sind NSHC-Bands made in Germany inzwischen gefragt. Wie bei der am 7. Februar dieses Jahres in Pensylvenia veranstalteten  vierten Auflage des US-amerikanischen “Uprise”-Festivals, das zu den größten Events der dortigen RechtsRock-Szene zählt und zu dem sowohl Moshpit als auch Brainwash eingeladen waren.

Auch in NRW gibt es aktuell eine NSHC-Band, die sich bereits über die Landesgrenze hinaus ein gewisses Renomée erspielt hat. Libertin lautet der Name der nach Eigenangaben 2008 gegründeten Band, deren Mitglieder aus dem Raum Hagen und dem Kreis Recklinghausen stammen. Nach einigen Auftritten in der Region, etwa am 4. Oktober 2008 in Dortmund und zu Silvester 2008 in Bochum, folgte am 7. Februar 2009 ein erstes Gastspiel im Ausland. Im Anschluss an den Trauermarsch zu Ehren von General Lukov trat die Band am Abend in Sofia auf und konnte die anwesenden Nazis auch überzeugen. “Dann kam die erste Band Libertin. Sie spielten wie gewohnt ihren geilen Sound und die Halle tobte”, heißt es im Konzertbericht des neonazistischen Thiazi-Forums. Der Auftritt in Bulgarien sollte nicht das einzige Gastspiel der Band im Ausland bleiben. Nachdem sie am 22. August bei einem Konzert, das Hammerskins zur Unterstützung des angeblichen “Antikriegstages” der extremen Rechten in Dortmund veranstaltet hatten, in Bevel (Belgien) aufgetreten war, führte ihr Weg sie vor kurzem erneut nach Belgien. Am 10. Oktober war sie zum “Jeugdcongres 2009” der Nieuw-Solidaristisch Alternatief nach Oostkamp eingeladen worden und trat dort beim “Rock Tegen Kapitalisme” auf.

Auch wenn die NSHC-Bands innerhalb der RechtsRock-Szene im Vergleich mit den R.A.C.-Bands noch eine verhältnismäßig kleine Gruppe darstellen, so befindet sich ihr Style doch eindeutig im Aufwind. Zudem wirkt er auch fernab der Musik als Motor für die “Modernisierung” der extrem rechten Szene.


Aus: Lotta - antifaschistische Zeitung aus NRW, Nr. 37/Winter 2009