Demokratische Lackschäden

Es sind die großen Feindschaften, die es in die Geschichtsbücher bringen. Nur wer hassen kann, wird wahrgenommen. Sagen sich jedenfalls die vielen politischen Geister in diesem Land. Das glauben nicht nur die subventionierten Damen und Herren in den Parlamenten, sondern es zeichnet auch den mündigen Bürger aus. Gegen jemanden oder etwas zu sein, ist der Stoff aus denen Gesinnungen gemacht werden und Politik begründet wird. Das Freund-Feind-Schema erlebt gegenwärtig seine politische Renaissance. Was zeichnet diesen Prozeß aus?

Bisher war es den Außenpolitikern vorbehalten, ihre politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entscheidungen aus dem Freund-Feind-Schema zu legitimieren. Mit ihrem Ansatz der polarisierten Welt, sprich der guten Westen und der böse Rest, schufen sie sich einen Automatismus, der jegliche Form von Gewalt erlaubte. Bisher praktizierte demokratische Instrumente wurden ausgehebelt. Ob der Citoyen diese Gewalt in seinem Namen an jedem Ort dieser Welt für statthaft hielt, war der politischen Klasse egal. Das fehlende Instrument der Volksabstimmung auf Bundesebene macht es den politischen Akteuren einfach, einen anders bestimmten einmaligen Wahlakt dazu zu nutzen, um jede ihrer kriegerischen Handlungen zu legalisieren. Dieser Geist ist nach jeder Wahl für vier Jahre aus der Flasche, und für daraus resultierende Schäden übernimmt niemand die Haftung. Die Opfer in der ganzen Welt bezahlen dafür.

Derzeit setzt sich dieses Prinzip innenpolitisch immer mehr durch. Schon mit Schröder und Fischer wurden damals so die Hartz IV- Gesetze legitimiert. Der Mechanismus funktioniert aber nur dann, wenn es gelingt, eine soziale Gruppe und deren Lebensprinzip als asozial zu definieren. Dabei müssen die Politiker darauf achten, daß diese Gruppe kein hohes Widerstandspotential akquirieren kann. Denn ein massenhafter Widerstand gegen die Politik bedeutet bei den nächsten Wahlen Stimmenverlust. Rot-Grün unterlief dieser Fehler, da sie ein Drohpotential aufbauten, welches mit wenigen Ausnahmen die Mehrheit der Menschen erschreckte. Die Linken und Frau Merkel nutzten dies.

Mit schwarz-gelb als politische Grundierung weitet sich das Schema aus. Dabei ist Westerwelle eine zu vernachlässigende Größe. Mit seinen abstrusen Ansagen bedient er sich den traditionellen rot-grünen Erklärungsmustern. So gesehen beweist er nur, daß bis auf die Linken jeder mit jedem koalieren könnte.

Und trotzdem findet etwas Beängstigendes in der Republik seinen Platz. Die vor Jahrzehnten ausgerufene moralische Wende erreicht die Menschen. Die Menschen werden in Freund und Feind unterteilt. Nicht allein von den Politikern, sondern auch vom Citoyen. Das Web bringt es an den Tag. In den Foren von Spiegel oder Bild tummelt sich der Zeitgeist. Ob Afghanistan oder Hartz IV, zunehmend werden die Kritiker der Politik diffamiert. Es wird am Feind im eigenen Land gebastelt. Vielen steht schon wieder der Schaum vorm Maul. Sie geifern gegen jeden, der sich dieser Logik des Freund-Feind-Schemas entzieht. Der demokratische Lack dieser Republik ist nur dünn aufgetragen. An manchen Stellen platzt er ab. Darunter verbirgt sich Rost.