Der Museums- oder Ausstellungsraum
schließt wie ein Rahmen ein und stellt etwas zur Schau. Er trennt ein Innen von
einem Außen, schließt dieses Innen in sich selbst ab und umgibt es mit Wert.
Das Museum kann diesen Schnitt von Innen und Außen nur durch den Ausschluss
dessen setzen, was in einem Willkürakt als nicht museumswürdig klassifiziert
wird. Auch wenn sich der „Kanon" gleichsam erweitert, sind dennoch Ein- und
Ausschlussverfahren für die Institution Museum konstitutiv.[iii]
In einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, der Etablierung der bürgerlichen
Gesellschaft, hatten die Museen des 19. Jahrhunderts vor allem die Funktion,
kollektive - nationale, regionale oder gruppenspezifische - Identitäten zu
stiften. Die Identitätskonzepte basierten dem Denken der Moderne entsprechend
auf der Konstruktion von Differenzen, wobei Identität in Abgrenzung zu einem Anderen, das zumeist als Negation gedacht ist, definiert
wurde. Jedes Statement, jede Repräsentation schließt zwar andere Varianten aus,
aber das, was gezeigt wird und das, was unsichtbar bleibt, ist unlösbar
miteinander verbunden.[iv] Als
Repräsentationsorte von gesellschaftlichen Eliten wurden Museen daher immer
wieder für unterschiedliche marginalisierte Gruppen zu Kristallisationspunkten
in der Auseinandersetzung um kulturelles und soziales Kapital. Sichtbarkeit ist in den letzten Jahrzehnten zu einer
zentralen Kategorie oppositioneller politischer Rhetoriken aufgestiegen. Das
hat auch damit zu tun, dass feministische, antirassistische/postkoloniale
Theorien wesentlicher Antrieb für die Entwicklung zentraler Fragestellungen im
Hinblick auf die visuelle Kultur waren. Zumeist wird davon ausgegangen, dass
mehr Sichtbarkeit auch mehr politische Präsenz, mehr Durchsetzungsvermögen
bedeutet.[v] Bei den Einschlussforderungen rekurrierten die
VertreterInnen marginalisierter Gruppen auf den demokratischen Anspruch, dass
Museen der gesamten Gesellschaft verpflichtete Orte des kulturellen Erbes
seien. Wichtig für die Betroffenen war
die Erfahrung, dass auch alltägliche und partikulare Lebenserfahrungen „wert
waren" vermittelt zu werden. Im Unterschied zu museal vernachlässigten sozialen
Schichten - wie ArbeiterInnen, die bis in die 1970er Jahre kaum in Museen
vertreten waren, oder MigrantInnen, die bis heute in den meisten Museen fehlen
- stellte sich die Repräsentation von Frauen und ethnischen Gruppen etwas
anders dar. Insbesondere Kunstmuseen
waren immer schon voll von Frauenbildern. Die Frage war hier vielmehr jene nach
der Verfügungs- und Deutungsmacht. So stellte die Kunsthistorikerin Viktoria
Schmidt-Linsenhoff fest, dass Frauen als Subjekte abwesend seien, während gleichzeitig Weiblichkeit im Objektstatus für Männer verfügbar gemacht werde.[vi] Das Ziel vieler marginalisierter Gruppen war es
daher, eigenbestimmte Bilder zu produzieren. So sind Gegenerzählungen
von den „gesellschaftlichen Rändern" her entstanden. Indem jedoch der Fokus
dabei vielfach auf die jeweils vernachlässigten Fragestellungen gerichtet
wurde, blieben die übergreifenden politischen und sozio-ökonomischen Strukturen
oftmals ausgeblendet. Darstellungen von VertreterInnen marginalisierter
Bevölkerungsgruppen garantieren nicht, dass deren Geschichtsbilder
„authentischer", im Sinne von näher an einer wie auch immer definierten
„historischen Realität" wären. Doch durch die Einbeziehung weiterer, oftmals
gegenläufiger Sichtweisen werden die bisherigen Präsentationen als
hinterfragbare Positionen markiert. Der Einschluss marginalisierter Erzählungen
ist nicht immer ein Akt des Empowerments, ihm kann auch eine
„Entlastungsfunktion" zukommen. Nämlich dann, wenn damit das Unbehagen, das dem
Vergessenmachen anhaftet, durch einen symbolischen Akt entschärft wird.[vii]
Es stellt sich also die Frage, wie
erfolgt visuelle Minorisierung und Majorisierung in Museen und Ausstellungen?
Wie sind Bilder an der Aufrechterhaltung eines visuellen Status quo beteiligt?
Wie können vor allem minorisierte Existenzweisen und Subjektpositionen
anerkennend zur Anschauung gebracht werden, ohne dass durch die Art der
Darstellung der Status Quo bestätigt wird. Gerade in aktivistischen politischen
Zusammenhängen ist der Reflexion darüber, wie - im Gegensatz zu was - dargestellt wird,
immer noch nicht selbstverständlich.[viii] Doch
nur wenn sich Museen und Ausstellungen als aktive Teilnehmer an der
„configuration of memory"[ix] begreifen,
können sie zu Orten der gesellschaftlichen
Auseinandersetzung werden, wo Geschichtsbilder, Wissenskategorien und
ästhetische Praktiken immer neu zur Disposition stehen.
Dieser Text erscheint in BILDPUNKT. Zeitschrift der IG Bildende Kunst, Wien,
Frühling 2010 „Regimestörungen".
[i] Vgl. Regina Wonisch: Museum und Blick. http://www.iff.ac.at/museologie/service/lesezone/imblick.pdf
[ii] Vorwort von Christian Kravagna. In: Christian Kravagna (Hg.): Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur. Berlin 1997, S. 8.
[iii] Die folgenden Ausführungen basieren auf dem einleitenden Kapitel in: Roswitha Muttenthaler/ Regina Wonisch: Gesten des Zeigens. Zur Repräsentation von Gender und Race in Ausstellungen. Bielefeld 2007, S. 13-68.
[iv] Sabine Offe: Ausstellungen, Einstellungen, Entstellungen. Jüdische Museen in Deutschland und Österreich. Berlin/ Wien 2000, S. 301.
[v] Johanna Schaffer: Ambivalenzen der Sichtbarkeit. Über die visuellen Strukturen der Anerkennung. Bielefeld 2008, S. 36.
[vi] Viktoria Schmidt-Linsenhoff: Sexismus und Museum. In: kritische berichte, 3/1985, S. 42-50, hier S. 47.
[vii] Irit Rogoff: Von Ruinen zu Trümmern. Die Feminisierung von Faschismus in deutschen historischen Museen, in: Silvia Baumgart u.a. (Hrsg.): Denkräume zwischen Kunst und Wissenschaft, Berlin 1993, S. 258f.
[viii] Schaffer, Ambivalenzen der Sichtbarkeit, S. 44.
[ix] Offe, Ausstellungen, S. 134.