Zwitschernde Müllstationen

in (10.12.2009)

„Zwitschermaschine“, „Müllstation“, „Größenwahn“, „Paranoia“, „Die letzten Recken“, „Wutanfall“, „Planlos“, „Schleim-Keim“… man kann sich bildlich vorstellen, wie schon die Namen dieser Punkbands in der DDR auf große Irritation bei der Nomenklatura wie der Bevölkerung gestoßen sind.

Ganz abgesehen vom normabweichenden Auftreten der jugendlichen Subkultur, die es seit den späten siebziger Jahren gab: Nietenhosen, Lederjacken, hochgestellte Hahnenkämme, abrasierte Haare… das passte nicht ins Bild der sozialistischen Jugend, deren Lebensweg von der Gesellschaft vorgezeichnet war. Auf den Kindergarten folgte die Schule, dort erst die Pionier-, dann die FDJ-Arbeit, anschließend wartete (für die Männer) die Armee, gefolgt vom Alltag in der sozialistischen Produktion. Wer Glück hatte (und zum Beispiel Eltern, die selber Arbeiter und unstudiert waren) oder aber sich für eine dreijährige Armeezeit verpflichtete, konnte studieren. Doch selbst dort stand die „Bildung zur sozialistischen Persönlichkeit“ nicht an letzter Stelle auf dem Studienplan, sondern war ideologisch integraler Bestandteil eines jeden Studiums.

Wer ausbrechen wollte, hatte nur wenige Möglichkeiten und setzte nicht selten seine Zukunft aufs Spiel. Bereits in den sechziger Jahren verfolgten die staatlichen Organe die sogenannten
„Gammler“ – Jugendliche mit langen Haaren, die westlichen Modetrends folgten – als „unangepasste Jugendliche“. Auf ein kurzes kulturpolitisches Tauwetter ab 1971, nachdem Erich Honecker Walter Ulbricht als Vorsitzender der SED abgelöst hatte und verkündete,
es komme nicht darauf an, was einer auf dem Kopf trage, sondern was er im Kopf habe, folgt mit dem Verbot der Klaus Renft Combo 1975 und der Ausbürgerung von Wolf Biermann eine neue kulturelle Eiszeit. Zwischenzeitlich erblühte die sogenannte Tramperbewegung – eine Art ostdeutscher Blumenkinder, die John Lennon und Yoko Ono und ihren Idealen von Love und Peace folgten und dabei jederzeit in Konflikt mit der Staatsmacht geraten konnten.

Besonders hart traf die staatliche Repression die erste Generation der DDR-Punks, die sich in den späten Siebzigern gründete und bis 1984 hielt. Noch 1977 wurde in DDR-Zeitschriften der beginnende westliche Punk als „Mittel im Arsenal bürgerlicher Ideologien, mit denen die Volksmassen manipuliert werden“ erwähnt. Nur wenige Jahre später sah man sich mit Punks im eigenen Land konfrontiert und reagierte entsprechend: Die Kategorisierung als „asoziales Pack“ stand schnell fest, „Härte gegen Punks“ wurde ausgerufen und entsprechend durchgesetzt.

Insbesondere im Jahr 1983 gab es eine Repressionswelle: „Zur Klärung eines Sachverhalts“ wurden Punks in die Verhörzimmer geladen, „Berlin-Verbote“ ausgesprochen, „Arbeitsplatzanbindungen“ verhängt, Zwangseinberufungen zur Nationalen Volksarmee folgten, und nicht wenige wurden verhaftet oder zur Mitarbeit bei der Staatssicherheit angeworben. Diejenigen, die noch übrig waren, reisten aus, orientierten sich um, einige wandten sich der Skinbewegung zu, wenige retteten sich in die zweite DDR-Punkbewegung.

Diese wuchs in den 80er um einiges, nicht mehr nur in Berlin und Leipzig, sondern in den meisten größeren Städten bildete sich eine nicht mehr nur kleine Punkszene, sondern eine Gegenkultur mit vielen Subszenen: Punks, Peacepunks, Hardcorepunks, Artpunks und auch Skinheads… In Kellern, Wohnzimmern oder Künstler-Ateliers fanden Konzerte ebenso statt wie unter dem Schutz der Kirche. Letzteres führte auch dazu, dass Punks in Kontakt mit oppositionellen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen gelangten. Gleichwohl blieb der Punk ein kleines, subkulturelles Milieu – dem ein kommerzieller Erfolg, anders als beispielsweise den Toten Hosen in der Bundesrepublik, nicht beschieden war. Aber darum ging es ja auch nicht.