Heroin statt Abstinenz

in (10.12.2009)
Nach dem langjährigen Modellversuch zur heroingestützen Behandlung von HeroinkonsumentInnen hat der Bundestag endlich einer staatlichen Abgabe von Heroin an „Schwerstopiatabhängige“ zugestimmt. Doch auch diese Entscheidung reiht sich nahtlos in die repressive Drogenpolitik der Bundesrepublik ein.


Die Illegalisierung von Drogenkonsum stellt eine Fremdbestimmung über den eigenen Körper dar. Erst sie produziert negative Folgen der „Drogenabhängigkeit“ wie Krankheitserscheinungen (durch Streckmittel), Kriminalisierung, finanziellen Bankrott und soziale Ausgrenzung.

Die Debatte um die repressive Drogenpolitik wird in Deutschland schon lange geführt. Heute weniger präsent im öffentlichen Diskurs, steckt sie dennoch in jeder Drogeneinrichtung, jedem Therapiezentrum und jedem Druckraum. Am meisten vertreten sind hierbei abstinenzorientierte und präventive Einrichtungen, zu der auch der Modellversuch der heroingestützten Behandlung zählt. Institutionen, die eine akzeptanzorientierte Drogenpolitik vertreten, sind selten.

Der Beschluss des Bundestages, Heroin an „Schwerstopiatabhängige“ zu vergeben, erscheint daher irritierend, passt er doch nicht in ein System der staatlichen Verfolgung von Konsumentinnen. War gestern Heroin noch die „Teufelsdroge“, die beim ersten Konsum abhängig machte und unweigerlich zum „Goldenen Schuss“ führte – der Inbegriff der Droge also –, scheint es heute legal konsumierbar. Es wirkt, als sei der Startschuss für die Legalisierung aller Drogen gefallen.

Hochschwelligkeit

Gekennzeichnet durch einen Ansatz des Förderns & Forderns wird die Vergabe von Heroin an hohe Voraussetzungen geknüpft. Zugang zu dem ärztlich vergebenen Heroin haben nur „Schwerstopiatabhängige“, d.h. Konsumenten, die mindestens seit fünf Jahren heroinabhängig sind und zwei Therapien, davon eine mit psychosozialer Betreuung, abgebrochen haben. Die damit verbundene Absurdität besteht darin, dass eine Heroinabhängigkeit erst mit der Volljährigkeit anerkannt wird, die Vergabe von Heroin also erst ab 23 Jahren in Anspruch genommen werden kann. Das neue Heroingesetz zeichnet sich folglich durch Hochschwelligkeit aus.

Pathologisierung & Medizinisierung

Schwerwiegend ist auch die mit dem Konzept verbundene Pathologisierung und Medizinisierung. Das neue Konstrukt der „Schwerstabhängigkeit“ erschafft einen „staatlich registrierten und kontrollierten Kranken“. Unter einem ausgefeilten Kriterienkatalog wird ein Teil der bisherigen Suchtkranken mit einem „Gütesiegel“ versehen, dass ihnen den Genuß weiterer staatlicher Maßnahmen ermöglicht. Es entsteht eine doppelte Diskriminierung, zunächst als drogenkrank, dann als schwerstabhängig. War bisher das Etikett der Drogenabhängigkeit noch etwas, gegen das es sich zu wehren galt, um nicht in ein System staatlicher Repressionen zu fallen, müssen sich nun Konsumentinnen selbst pathologisieren, um Zugang zu weiteren Ressourcen zu erlangen.
Als individuelle Hilfesuchende müssen sie den aufgestellten Forderungen nachkommen, um in die Gunst der Förderung zu gelangen. Diese besteht im Falle der neuen Heroinvergabe in einer ärztlichen, letztinstanzlichen Behandlung. Wenn die Therapien versagt haben, wird versucht, die Abstinenz über medizinisch überwachten Heroinkonsum herbeizuführen. KonsumentInnen werden nun als KlientInnen gehandhabt. Dass in diesem Machtverhältnis zwischen Ärztin und Klient die Mitbestimmung zu kurz kommt, ist kaum verwunderlich.

Freie Vergabe tut Not

Es ist notwendig, Heroin nicht nur an Konsumentinnen zu vergeben, die in das geschaffene Raster fallen. Mit der freien Vergabe von Heroin sind Junkies nicht mehr den negativen Resultaten der Illegalisierung ausgesetzt. Cleanes Heroin zu realistischen Preisen bedeutet körperliche Gesundheit und finanzielle Sicherheit.