Glück aus philosophischer Perspektive

Zur Geschichte und Aktualität der Glücksforschung

Mindestens seit der griechischen Antike beschäftigen sich Philosophen und Schriftsteller mit der Frage: Was ist Glück? Insoweit lässt sich von einer langen Tradition und Kontinuität der Glücksforschung sprechen, auf der die heutige, extrem expandierende Wissenschaftsrichtung aufbaut. Simon Duckheim zeichnet die Geschichte des Glücksbegriffs in der Philosophie nach.

 Der Begriff des Glücks hat zur Zeit Hochkonjunktur in der Öffentlichkeit. "Längst scheint das Glück wieder aus der Defensive herausgekommen zu sein - und zwar in der Philosophie, in diversen Wissenschaften wie auch in Politik, in Kultur und Alltag."1 Dabei fällt jedoch auf, dass zumeist lediglich die Subjektivität des Glücksbegriffs herausgestellt wird. Man sucht Antworten auf die Frage, wie das einzelne Individuum imstande sei, unabhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen sein persönliches Glück zu finden. Suggeriert wird eine Beschränkung auf die Innerlichkeit, wenn etwaige ›Glücksformeln‹ ausgearbeitet werden, die die Menschen dabei unterstützen sollen, ein möglichst glückliches Leben zu führen. An einer Heidelberger Schule ist im Jahr 2007 gar das Schulfach Glück eingeführt worden - am englischen Wellington College existiert ein solches Fach mit der Bezeichnung Well-being bereits seit 2006 - das den Schülern bei ihrer individuellen Suche nach dem Glück helfen und ›Lebenskompetenz‹ vermitteln soll.2 Auch die Titel der Ratgeberliteratur, von denen einige Exemplare bis in die Sachbuch-Bestsellerlisten gelangten und in denen Begriffe wie eben "Glücksformel"3, "Gebrauchsanweisung"4 oder auch "Glücks-Faktor"5 auftauchen, zeigen die Richtung der neueren Glücksforschung an.

Subjektives und  objektives Glück

Im Vorwort zu Wilhelm Schmids 2007 erschienenen Buch über das Glück heißt es: "Fluten von Diskursen brechen über die Menschen herein, um ihnen zu sagen, was das Glück denn sei und was der richtige Weg dazu wäre."6 Und Bruno Heller schreibt in seinem Buch Glück. Ein philosophischer Streifzug von 2004: "Man darf wieder nach dem Glück fragen. Seit den 80er-Jahren überschwemmen entsprechende Buchtitel den Markt" - dieser Trend hat sich seit der Jahrtausendwende noch verstärkt - "und auch die Philosophen merken auf. Sie zücken die Feder - beziehungsweise ihren Laptop - und schreiben über das Glück und die Lebenskunst. Meist werden es ziemlich dicke Bücher, und ihr staubtrockener akademischer Stil lässt vermuten, dass es mit der Lebenskunst dieser Autoren nicht weit her ist. Aber sie füllen Marktlücken - wie vermutlich dieses Buch auch. [...] Man kann sich dunkle Gedanken einreden oder heitere. Sie entstehen im Kopf, nicht in der Realität. Die bleibt, wie sie ist. Aber wenn ich sie freundlich ansehe, kann es mir sinnvoll erscheinen, nach den Möglichkeiten des Glückes zu fragen. Und wenn ich düster schaue, kann ich sagen: Glück - das gibt es nicht."7 Die Realität bleibt, wie sie ist; es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man auf sie schaut - die Frage nach dem Glück erscheint hier als eine des je subjektiven Blickwinkels.

Daneben gibt es auch das andere Extrem der heutigen Glücksforschung: den Versuch, das Glück unter Absehen von individuell-subjektiven Aspekten zu objektivieren. Einer dieser Ansätze ist die Reduktion des Glücks auf neurophysiologische Prozesse im menschlichen Gehirn. Ausgehend von Gehirnstrommessungen soll ermittelt werden, wann und unter welchen Umständen der Mensch am glücklichsten bzw. unglücklichsten ist. Weitere Statistiken wollen darlegen, zu wie viel Prozent seines Lebens ein durchschnittlicher Mensch überhaupt glücklich sein könne. Zur Erklärung solcher Statistiken werden biologische bzw. evolutionistische Erklärungen angeführt, wie etwa die, dass Glück ein chemisch übertragenes Signal und insofern grundsätzlich nicht von Dauer sei. Diese ›Signalübertragung‹ könne, so wird postuliert, durch die richtigen Übungen stimuliert und - in den Grenzen, welche die Natur vorgebe - womöglich gar verstärkt und vermehrt werden.

Beiden Extremen gemeinsam ist die Annahme, ein jeder Mensch habe die Möglichkeit, in dieser Welt glücklich zu werden, sofern er sich für das Glück entscheide und dementsprechend sein Leben einrichte. "Dem Grundgedanken folgend, alles sei abhängig von den eigenen Gedanken, ist Autosuggestion die zentrale Methode dieser Bücher. [...] Was Glück genau ist, wird dabei gerade nicht allgemeinverbindlich definiert, vielmehr der individuellen Deutung überlassen. [...] Statt den Anspruch zu erheben, eine objektive EURheit zu besitzen, verweisen die Ratgeber nun auf die je subjektive EURheit der Leser/innen."8 Kritik an den objektiven gesellschaftlichen Verhältnissen, die unter Umständen das allgemeine Glück im emphatischen Sinne a priori verhindern, wird aus der Diskussion verdrängt. Diese Ansichten missachten den Doppelcharakter des Glücks als zugleich subjektiv und objektiv. Als objektives ist es an die gesellschaftliche Realität und an einen objektiven Gehalt gebunden, als subjektives abhängig vom jeweils individuellen Empfinden und aus philosophischer Sicht auch und vor allem vom subjektiven Streben nach Erkenntnis.

Glücksbegriff der Antike

Es fällt auf, dass viele der neueren philosophischen Arbeiten zum Glücksbegriff zuvörderst auf die Philosophie der Antike rekurrieren, in der das Glück bzw. die Glückseligkeit gemeinhin als eines der höchsten Ziele menschlichen Lebens gilt. Die antike Philosophie geht zumeist von einem Begriff des Glücks aus, der eine dauerhafte Zufriedenheit meint, im Gegensatz zum glücklichen Zufall oder momenthaften angenehmen Gefühlslagen. Denn "wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht", heißt es beispielsweise bei Aristoteles, "so macht ein Tag oder eine kurze Zeit noch niemanden glücklich und selig."9 Das Glück bzw. die Glückseligkeit sei einerseits abhängig vom Schicksal bzw. vom göttlichen Wohlwollen, andererseits - und dies ist der entscheidendere Aspekt - könne man dieses Wohlwollen beeinflussen, man könne es sich durch ein tugendhaftes Leben ›erarbeiten‹, sei in diesem Betracht also selbst für sein Glück verantwortlich. "Seit dem historischen Sokrates und seit Demokrit besteht in der antiken Philosophie eine Tendenz zur Verinnerlichung, Intellektualisierung und zur Moralisierung des Glücksverständnisses."10 Vor allem die Tendenz zur Verinnerlichung findet sich in der neuen Glücksforschung wieder. Auch auf den Zusammenhang von Glück und tugendhaftem Leben bzw. Lebenskunst - der Moralisierung - wird in der heutigen Diskussion immer wieder Bezug genommen. Kaum beachtet dagegen wird die Intellektualisierung, die insbesondere bei Platon von entscheidender Bedeutung ist. "Für das gute und glückliche Leben soll allein entscheidend sein, ob jemand Weisheit erlangt. [...] Die Kompetenz für die Bestimmung und Herbeiführung des Glücks liegt bei der Philosophie: Sie spielt die Rolle einer Lebenskunst."11

Aristoteles relativiert die Verinnerlichung des Platonischen Glücksverständnisses, indem er darüber hinaus die Rolle der äußeren Güter betont und damit dem Glück bereits eine gewisse Objektivität zuschreibt: als eine Art negatives Kriterium, das für das Erreichen des Glücks zwar nicht hinreichend sei, aber durchaus ein Mittel zu deren Zweck sein könne. Aristoteles verweist auch auf die Bedeutung der Sozialität: Polis, Familie und Freundschaft sind für ihn ebenfalls Faktoren für ein gelungenes und damit glückliches Leben. Damit "geht Aristoteles über seine individualistisch geprägten Vorgänger hinaus und liefert wichtige Impulse gegen die Sozialvergessenheit so mancher zeitgenössischer Glücksratgeber [...]."12 Nichtsdestoweniger wird auch die Intellektualisierung des Glücks von Aristoteles fortgeführt. Die Glückseligkeit der theoriá allerdings bleibe als reine den Göttern vorbehalten, der Mensch als an die Zeitlichkeit Gebundener könne sie nur intermittierend erreichen, was dem Begriff der Glückseligkeit als einem dauerhaften Glück offenkundig widerspricht. Bedingung der Möglichkeit für das Erreichen der eudaimonía ist nach Aristoteles - wie schon nach Platon - die sophía, die Weisheit; den Weg zur Weisheit allerdings müsse der Einzelne für sich selbst finden, allgemeinverbindliche und letztgültige Vorschriften, wie dieser zu finden sei, kann und will auch Aristoteles nicht geben.

Kritik des empirischen  Glücks bei Kant

Die antike Vorstellung, "dass das Glück von den Menschen grundsätzlich erreichbar ist"13, wird später von Immanuel Kant ebenso grundsätzlich infrage gestellt. So spricht er in der Kritik der Urteilskraft vom Begriff der Glückseligkeit als einer "bloße[n] Idee eines Zustandes, welcher er [der Mensch] den letzteren unter bloß empirischen Bedingungen (welches unmöglich ist) adäquat machen will." Und "so würde doch, was der Mensch unter Glückseligkeit versteht, und was in der Tat sein eigener letzter Naturzweck [...] ist, von ihm nie erreicht werden; denn seine Natur ist nicht von der Art, irgendwo im Besitze und Genusse aufzuhören und befriedigt zu werden."14 Glückseligkeit kann es für Kant nur als Idee geben, die immer wieder vor der Empirie zurückweicht und also von dieser niemals erreicht werden kann. Kants Skepsis in Bezug auf das empirische Glück verweist auf die grundsätzliche Unterscheidung von transzendentalem und empirischem Subjekt. Jenes vermag die Idee einer vollkommenen Glückseligkeit zu denken, dieses bleibt gebunden an die empirische Realität, welche die Verwirklichung der Idee verwehrt. Die Erhabenheit des transzendentalen Subjekts, die für Kant in der ein Lustgefühl hervorrufenden Erkenntnis besteht, die Vernunftideen denken zu können, spricht der Vernunft ein Potential zu, hinter dem die Realität notwendigerweise zurückbleibt: die Ideen weisen über das bloß empirisch Gegebene hinaus. Diese Erfahrung ist eine der Freiheit des transzendentalen Subjekts, der Kant hinsichtlich seiner praktischen Philosophie einen höheren Stellenwert zuschreibt als der Glückseligkeit. "Von dieser Verabschiedung der teleologischen Bestimmung der Wirklichkeit zugunsten der Freiheit ist neben dem Glück des praktischen Lebensvollzugs auch das Glück betroffen, das die Theoria vermittelt."15 Die apriorischen Anschauungsformen von Raum und Zeit, in denen dem Subjekt die Dinge gegeben sind, verstellen eine Erkenntnis der Dinge, wie sie an sich sind, wodurch auch das Glück einer reinen Erkenntnis verhindert wird. Solche Beschränktheit des menschlichen Verstandes jedoch kann von der Vernunft zumindest ansatzweise transzendiert werden; deren Ideen aber bleiben regulative, welche in ständigem Widerspruch zur Empirie stehen, die einen dauerhaften Genuss und Besitz - und damit die dauerhafte Glückseligkeit - nicht zulässt.

Nietzsche

Hinsichtlich jenes "praktischen Lebensvollzugs" vertritt die aktuelle Glücksforschung eine ähnliche Auffassung. Zu einem großen Teil besteht sie in einer Ratgeberliteratur, die den Menschen erklären will, welche Übungen - dieser Begriff taucht auffallend häufig auf - vonnöten seien, um sich einem glücklichen Leben zumindest anzunähern. Mit Friedrich Nietzsche ließe sich auf solche Tendenzen erwidern: "Dem Individuum, sofern es sein Glück will, soll man keine Vorschriften über den Weg zum Glück geben: denn das individuelle Glück quillt aus eigenen, Jedermann unbekannten Gesetzen, es kann mit Vorschriften von Außen nur verhindert, gehemmt werden. [...] Nur wenn die Menschheit ein allgemein anerkanntes Ziel hätte, könnte man vorschlagen ›so und so soll gehandelt werden‹: einstweilen gibt es kein solches Ziel."16 Zwar geht es auch Nietzsche um die Frage, die die heutige Ratgeberliteratur stellt: "Was kann der Mensch tun, um Ja zu Leben zu sagen, um jeden Augenblick so zu leben, dass er als glücklicher erlebt werden kann?"17 Seine Antwort jedoch besteht keineswegs in Ratschlägen an das je einzelne Individuum, sondern steht in einem wesentlich größeren und lebensphilosophischen Zusammenhang. "Die geistige Entwicklung [...] sah Nietzsche bereits mit den Augen der beginnenden Psychoanalyse, aber in einem viel weiteren Kontext: Die Arbeit an sich selbst, Wissen, Wissenschaft, Erkenntnis, das Aushalten der Einsamkeit sind die Voraussetzungen dafür, dass eine Gesellschaft sich nicht über Institutionen und Verbände definiert."18 Nietzsche zufolge kann es keine allgemeingültigen Gesetze geben, die das Individuum, das sie befolgt, glücklich machten. Diese Vorstellung wäre Ausdruck einer von ihm verachteten ›Herdenmoral‹, dem er ein Streben nach Glück entgegensetzt, das im Standhalten der Realität des vereinzelten Individuums bestünde. Glück ist für Nietzsche ein Glück der Erkenntnis jenseits jeglicher Realitätsflucht und ist für ihn daher nicht zu trennen von der individuellen Fähigkeit des Leidens. "Es ist das Glück des Leichtwerdens der schwersten Erkenntnis und ein Glück nur für den, der sie kennt und ihr standhält."19 Nietzsche selbst formuliert: "Das Glück der Erkennenden mehrt die Schönheit der Welt und macht Alles, was da ist, sonniger; die Erkenntnis legt ihre Schönheit nicht nur um die Dinge, sondern auf Dauer, in die Dinge"20. Das Streben nach Erkenntnis wird zur Glückssuche, insofern erst das Erkennen dem Individuum die Möglichkeit eines geglückten Lebens eröffne. Leben ist für Nietzsche ein sowohl individualistischer als auch höchst emphatischer Begriff; allgemeinverbindliche Übungen zum richtigen Leben muss Nietzsche ablehnen. Für ihn ist das Leben selbst ein ständiges ›Versuchen‹, das prinzipiell mit einer Gefährlichkeit einhergeht, gegen die man sich durch keine Übungen absichern kann. Nur ein riskantes und gefährliches, von allgemeinen Vorschriften und Ratschlägen ungedecktes Leben wäre ein Leben im emphatischen Sinn - gleiches freilich gilt fürs Denken, welches selbst ein wesentlicher Teil solchen Lebens ist.

Adorno

Hier knüpft Theodor W. Adorno an, der die Theorie als "ein Stück Praxis"21 bezeichnet. Auch Adorno will sich einen emphatischen, durch philosophische Theorie vermittelten [i]objektiven[/i] Glücksbegriff nicht ausreden lassen. "Die Stellung des Gedankens zum Glück", schreibt er in der Negativen Dialektik, "wäre die Negation eines jeglichen falschen. Sie postuliert, schroff wider die allherrschende Anschauung die Idee von Objektivität des Glücks [...]." 22 Ähnlich wie Nietzsche insistiert Adorno auf dem Glück der Erkenntnis, das eines des Standhaltens der Realität wäre. Und auch für ihn ist solches Glück notwendigerweise vermittelt mit Leiden. Nur durch die Erkenntnis der Negativität des Bestehenden könnte sich eine Perspektive ergeben, aus der, wenn auch nur um ein Minimales, über jene Negativität hinausgeblickt werden könnte. Im Anschluss an Kant ist für Adorno dies die Freiheit des Denkens, die Glück bedeute: das "Glück der winzigen Freiheit, die im Erkennen als solchem liegt"23, welches auch das Erkennen der schmerzlichen EURheit wäre, dass die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse solche der Glücksversagung sind und deshalb zu verändern wären. Die Vermitteltheit von Glück und Leiden entspricht Adornos negativ-dialektischem Denken, das die widersprüchliche gesellschaftliche Realität reflektiert. Solche Dialektik jedoch würde gemeinsam mit dem schlechten Zustand aufgehoben, insofern der emphatische objektive Begriff des Glücks zu sich selbst käme und nicht länger abhängig vom individuellen Leiden wäre. In dieser gesellschaftskritischen und zugleich utopischen Vorstellung geht Adorno sowohl über das Glücksverständnis Nietzsches als auch über das Kantische hinaus. Der Pessimismus Kants, wie Adorno ihn interpretiert, trägt den antagonistischen gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung, die auch die Trennung von transzendentalem und empirischem Subjekt bedingen, welche gemeinsam mit den schlechten Verhältnissen aufgehoben werden könnte. Das "allgemein anerkannte Ziel" der Menschheit, von dem Nietzsche spricht, wäre für ihn ein gesellschaftliches "Gesamtsubjekt"24, welches die gesamte Menschheit einschlösse und allen Individuen ein glückliches Leben gewährte. Das erste, wenngleich negative Kriterium des objektiven Glücks wäre, "dass keiner mehr hungern"25 müsste. Dies wäre ein Zustand, welcher der Möglichkeit nach bereits hier und jetzt verwirklicht werden könnte, insofern die materiellen Bedingungen vorhanden wären, ein Leben ohne den Mangel am Nötigsten für alle Menschen zu gewährleisten, was jedoch zugleich von den Produktionsverhältnissen verhindert wird, welche die Individuen zu einander feindlichen machen. Dadurch wiederum werde, so Adorno, jedes Glück zu einem bloß individuellen und damit zu einem falschen, da es tendenziell das Unglück des Anderen bedeute. Dem setzt Adornos einen allgemein-objektiven Glücksbegriff entgegen, über den es in der Negativen Dialektik heißt: "Glück wäre erst die Erlösung von der Partikularität als dem allgemeinen Prinzip, unversöhnlich mit dem einzelmenschlichen Glück jetzt und hier"26, welches insofern zu verwerfen sei. Zugleich aber sei es zu behaupten27, da es das einzige an Glück sei, was den Subjekten in dieser Gesellschaft bleibe.

Die Glücksratgeberliteratur, die sich konsequent auf jenes "einzelmenschliche Glück jetzt und hier" beschränkt, unterminiert damit jegliche kritische, insbesondere gesellschaftskritische Betrachtung des Glücksbegriffs. An der Philosophie wäre es, dieser Unterminierung, die mit einer Verflachung des Begriffs einhergeht, entgegenzutreten, unter anderem, indem sie sich in Zeiten eines sich ausbreitenden Relativismus der Preisgabe eines emphatischen EURheits- und Erkenntnisbegriffs verweigert. Erst solche Philosophie könnte auch das Glück auf seinen emphatischen Begriff bringen.

Anmerkungen

1) Dieter Thomä, Christoph Henning, Olivia Mitscherlich-Schönherr: "Einleitung", in: Dies. (Hg.): Glück. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart: 7.

2) Vgl. Ernst Fritz-Schubert 2010: Schulfach Glück. Wie ein neues Fach die Schule verändert, Freiburg.

3) Vgl. Stefan Klein 2002: Die Glücksformel. Wie die guten Gefühle entstehen, Reinbek.

4) Vgl. Wolf Schneider 2007: Glück! Eine etwas andere Gebrauchsanweisung, Reinbek.

5) Vgl. Martin E. P. Seligmann 2011: Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben, Bergisch-Gladbach.

6) Wilhelm Schmid 2007: Glück. Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist, Frankfurt a. M.: 7

7) Bruno Heller 2004: Glück. Ein philosophischer Streifzug, Darmstadt: 116 f.

8) Stefanie Duttweiler 2011: "Figuren des Glücks in aktuellen Lebenshilferatgebern", in: Glück. Ein interdisziplinäres Handbuch: 308 f.

9) Aristoteles 1985: Nikomachische Ethik, Hamburg: 1098a19-21.

10) Christoph Horn 2011: "Glück bei Platon", in: Glück. Ein interdisziplinäres Handbuch: 117.

11) Ebd.: 117 f. Hervorhebung S. D.

12) Christiane Bindseil 2011: Ein theologischer Entwurf im Gespräch mit Bonhoeffer und Adorno, Neukirchen-Vluyn: 46.

13) Horn 2011: 117.

14) Immanuel Kant 1974: Kritik der Urteilskraft, Frankfurt a. M.: A 385.

15) Mitscherlich-Schönherr 2011: "Glück bei Kant", in: Glück. Ein interdisziplinäres Handbuch: 183.

16) Friedrich Nietzsche 1999: Morgenröte, München: 95 f.

17) Hans-Joachim Simm 2001: "Vorbemerkung", in: Ders. (Hg.), Formel meines Glücks. Aus Friedrich Nietzsches Werken und Nachlaß, Frankfurt a. M: 11.

18) Ebd.

19) Werner Stegmaier 2011: "Glück bei Nietzsche", in: Glück. Ein interdisziplinäres Handbuch: 214.

20) Nietzsche 1999: Morgenröte: 320.

21) Theodor W. Adorno 1997: Negative Dialektik, Frankfurt a. M.: 243.

22) Ebd.: 347.

23) Adorno 1980: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt a. M.: 27.

24) Adorno 1970: Ästhetische Theorie, Frankfurt a. M.:359.

25) Adorno 1980: Minima Moralia: 178.

26) Adorno 1997: Negative Dialektik: 346.

27) Vgl. Adorno 1980: Minima Moralia: 137.



Simon Duckheim, Magister, wissenschaftliche Hilfskraft an der Ruhr-Universität Bochum, zur Zeit Arbeit an einer Dissertation über Glück und Hoffnung bei Theodor W. Adorno und Walter Benjamin.