Die Basis als Fremdkörper

In Freiburg wurde eine DGB-Hochschulgruppe vom Regionalsekretär aufgelöst. Sie missfiel dem DGB aufgrund basisdemokratischer Ansätze

Der DGB ist demokratisch aufgebaut. Zumindest auf der ersten Seite der Satzung ist dies zu lesen. Wie das genau gemeint ist, konnte die DGB-Hochschulgruppe in Freiburg jetzt direkt erfahren. Der Regionalsekretär des DGB-Regionalverbands Südbaden, Jan Wieczorek, hatte der Hochschulgruppe die Verteilung eines satirischen Flugblattes zum 1.Mai verboten. Begründung: Es könne dem DGB schaden.

Die radikalste Forderung war dabei das „equal pay“, welches im Kontext auch als Forderung nach einem Einheitsstundenlohn verstanden werden konnte. Warum dies dem DGB schaden sollte, konnte der Regionalsekretär der Hochschulgruppe nicht ausreichend erklären. Die Gruppe entschied sich aber, der Anweisung trotzdem zu folgen und führte ihre Flugblattaktion am 1. Mai nicht durch. So weit nichts Besonderes. Der Regionalsekretär beschließt, die Basisgruppe gehorcht.

Doch ohne es selbst zu ahnen, hatte sich die Hochschulgruppe bereits von einer geförderten Aufbauorganisation des DGB zu einem nicht mehr tolerierbaren Fremdkörper im DGB entwickelt. Im Zuge der schwierigen Kommunikation mit den Funktionären des Regionalverbandes traf sich die Hochschulgruppe am Vorabend des 1. Mai zu einem gruppeninternen Krisentreffen, ohne die Funktionäre darüber zu informieren. Auf diesem Treffen wählte die Hochschulgruppe basisdemokratisch zwei SprecherInnen und führte verbindliche Regeln ein, die eine herrschaftsfreiere Redekultur auf den Treffen schaffen sollte.

Als der Regionalsekretär auf dem nächsten gemeinsamen Treffen von dem „Geheimtreffen“ und von der Wahl der SprecherInnen erfuhr und ihm ferner erklärt wurde, dass er sich nun in die Redeliste einzureihen habe und die Mitglieder der Hochschulgruppe ausreden lassen müsse, platzte ihm wohl der Kragen. Jan Wieczorek erklärte, dass er wütend sei, da die Gruppe wohl vergessen habe, wer „hier den Hut aufhabe“. Dies zeigte der Sekretär kurzerhand, indem er die DGB-Hochschulgruppe mit sofortiger Wirkung auflöste und die verdutzten AktivistInnen sitzen ließ.

Dass dies keineswegs eine Überreaktion eines in seiner Autorität verletzen Funktionärs war, bestätigte der Regionalvorsitzende des DGB Südbaden, Jürgen Hofflin, einige Tage später in einem Interview mit Radio Dreyeckland. Der DGB könne es nicht dulden, wenn Gruppen innerhalb des DGB Wahlen abhielten, ohne zuvor die Erlaubnis der zuständigen nächsthöheren Instanz zu haben, in diesem Fall des Kreis- oder des Regionalverbandes, so die Klarstellung des Funktionärs.

Klar ist dies allerdings nur für diejenigen, die sich bereits den demokratischen Aufbau des DGB genauer angeschaut haben. Bei Tarifverhandlungen werden Entscheidungen ausschließlich von einer von oben eingesetzten Tarifkommission gefällt. Der kämpfenden Basis wird auch hier keine Entscheidungskompetenz zugetraut. Auch wenn der DGB also nicht in einem progressiven Sinn demokratisch ist, schon gar nicht basisdemokratisch, so verwundert doch die Härte, mit der in diesem Fall vorgegangen wurde. Freie Wahlen in Basisgruppen sind für die DGB-Funktionäre anscheinend ein rotes Tuch. Eine einfache Rüge oder eine Aufhebung der Wahl waren ob der beigemessenen Größe des Falls anscheinend keine Option mehr.

Die Vehemenz, mit der scheinbar aus Sicht der Funktionäre gegen basisdemokratische Strukturen vorgegangen werden muss, zeigt sich auch darin, dass das Angebot der Hochschulgruppe, mit Hilfe einer Mediation eine Lösung für das Problem zu finden, mit einem lapidaren „die ehemalige Hochschulgruppe kennt meinen Standpunkt, was gibt es da noch zu vermitteln“ von Wieczorek abgetan wurde.

Für die Mitglieder der ehemaligen DGB-Hochschulgruppe ist klar, dass sie weiterhin gewerkschaftlich an der Universität aktiv sein werden. Dabei muss sich zeigen, ob das basisdemokratische syndikalistische Konzept, in dem souveräne Entscheidungen an der Basis kein Auflösungsgrund, sondern das fundamentale Organisationsprinzip sind eine Alternative für die studentischen KollegInnen sein könnte.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Direkte Aktion 213 – September/Oktober 2012