Der Arabische Frühling der sunnitischen Heiligen Allianz

Eine Zwischenbilanz der Aufstände in der arabischen Welt

Der Versuch, mehr als anderthalb Jahre nach dem Abgang Mubaraks den Arabischen Frühling zu bilanzieren, ist schwierig. Denn statt einer Summierung der Ergebnisse im Ganzen der arabischen Welt scheint nicht mehr zu resultieren als eine Vielzahl von Teilsummen, die jeweils noch mit Beträgen zu verrechnen sind, die außerhalb ihrer gebildet wurden und werden. Das Interessengeflecht wird im Folgenden nur an wenigen Stellen angehoben und sichtbar, allerdings ergänzt durch einen Blick auf die Geschichte von Revolutionen und Institutionen, welche die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als historisches Vorfeld gegenwärtiger Ereignisse bereithält. So ergibt sich provisorisch der überraschende Befund, dass momentan weder die säkulare Öffentlichkeit noch der politische Islam den Arabischen Frühling für sich reklamieren kann, sondern die sunnitische Heilige Allianz des Golfkooperationsrats. Allerdings sind absolute Monarchen schlechte Modernisierer, weil kein König das gebieten kann, worüber sich Modernisierungsprozesse oft legitimieren, nämlich eine volonté générale. Daran erinnert der historische Blick über den Persischen Golf auf das Schicksal Mohammad Reza Pahlavis.

 

Bewegung im Staat – Ägypten

Mit der Wahl Mohamed Mursis zum ägyptischen Präsidenten, der Tatsache, dass hinter ihm die graue Eminenz der Muslimbrüder Khairat al-Schater steht1, aber auch mit der Suspension der Legislative durch das Verfassungsgericht, hinter der viele mehr als nur die Duldung des Hohen Militärrats sahen, sowie dessen darauf folgende Entmachtung durch den Präsidenten, wird im jahrzehntelangen Kampf zwischen Militär und Muslimbruderschaft ein neues Kapitel geschrieben. Er ist nunmehr ein institutionalisierter Streit um die politische Gewalt und deren strategisch kluge Teilung – ein Kampf, der momentan zur Justiz- und Verfassungskrise, hoffentlich aber nicht zum Bürgerkrieg eskaliert.2 Ihre Widerspiegelung findet diese Geschichte in den Personalien: Al-Schater begann seine politische Karriere in Gamal Abdel Nassers Sozialistischer Jugendorganisation, die er nur ein Jahr später, nach Ägyptens Niederlage im Juni-Krieg von 1967, enttäuscht wieder verließ. Er schließt sich der Studentenbewegung an, die vom Nasserismus politisch frustriert den Islam entdeckt. Al-Schater wird Muslimbruder, zugleich macht er als Geschäftsmann Karriere und wird Millionär. Geschäft und Politik weiß er so zu verbinden, dass er zum mächtigsten Sponsor der Bewegung aufsteigt und seine Geschäfte auch aus der Gefängniszelle heraus führt, in die ihn Mubarak für elf Jahre verbannte und in der er saß, als dieser stürzte. Mursi teilt das Schicksal, die Rebellion als Häftling Mubaraks zu erleben und ihr zugleich die Befreiung zu verdanken.3 Beide kennen auch den Westen. Nach dem Attentat auf Anwar al-Sadat durch den Islamischen Dschihad geht al-Schater 1981 für einige Jahre nach England, um sich dem Zugriff Mubaraks zu entziehen. Mursi weilt sieben Jahre in den USA, studiert dort Ingenieurwissenschaft, arbeitet als Dozent für Werkstoffkunde und beginnt so eine bürgerliche Karriere, die er in Mubaraks Ägypten fortsetzt.

Beide Personalien ergeben ein politisches Charakterbild, das interessieren muss, weil es sich auf eine andere Person beziehen lässt, einen wichtigen konzeptionellen Ideologen ihrer Bewegung: Sajjd Qutb. Dessen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von 1948-1951 gerät zum zweiten Schritt einer weltanschaulichen Eskalation, die ihn vom Bildungsreformer und Literaturkritiker zum scharfen islamistischen Theologen macht. Vorausgegangen war dem die Enttäuschung über die Niederlage im Krieg von 1948/49, in dem sich Israel behaupten konnte. Die Vereinigten Staaten erlebt Qutb als Land des Geldes, von Charakterlosigkeit und Begierde.4 Nach seiner Rückkehr kommt er, wohl nach anfänglicher Sympathie, in zunehmenden Konflikt mit Nasser, der ihn 1955, nach einem Attentatsversuch der Muslimbrüder, im Zuge einer Großrazzia verhaften lässt. Nassers mit islamischen Versatzstücken ausstaffierter machtpolitischer Nationalismus hatte seinen Zorn erregt. Das ist der dritte Schritt. In den folgenden nahezu zehn Jahren führt Qutb sein politisches Geschäft aus der Gefängniszelle: Er schreibt, unbeirrt und umfänglich. Werfen wir einen kurzen Blick auf seinen islamischen Leninismus, der bis heute Gemüter befeuert und doch fragen lässt, ob und, wenn ja, wie er zu obigem Charakterbild seiner Erben noch passt:

Den Christen konzediert Qutb, in Analogie zur Einheit Gottes die Einheit aller Menschen zu denken, er wirft ihnen aber vor, die grundsätzliche Zweiteilung zwischen Gott und Schöpfung zu unterlaufen.5 Die Übertragung göttlicher Prädikate auf den Menschen (etwa im Sufismus) führe zum Mystizismus und der Unfähigkeit, diesseitig zu handeln.6 Das Prinzip der Dreifaltigkeit wiederum, in dem menschliche Prädikate auf Gott übertragen werden, diene diesseitigem Handeln, jedoch zu dem verwerflichen Zweck der Herrschaft von Menschen über Menschen. Dem sei das Christentum verfallen. Die Dreifaltigkeit ist Qutb die Wiederkehr des Heidenglaubens in Gestalt einer Kompromissformel, um über Heiden zu herrschen. Das nun dominierende Christentum konnotiere Naturphänomene religiös, was zum Konflikt mit den fortschreitenden Wissenschaften und letztlich zu theologischen Rückzugsgefechten führe. In der notwendigen Preisgabe des Profanen opfere das Christentum auch das Sakrale. Unfähig zu einer klaren Scheidung würden fallible Erkenntnisse profanen Wissens auf sakrale Gegenstände, wie etwa Letzte Ziele, übertragen, an denen sie nicht spurlos versagten, sondern die sie real schädigten.7 Diese Krisis erfordere praktische Kritik: In Auslegung etwa jener Koranstellen, in denen die Einstellungsänderung Gottes den Menschen gegenüber von jener der Menschen selber abhängig gemacht wird (8:53, 13:11), entwickelt Qutb die Forderung einer darüber hinausgehenden Änderung der Lebensumstände.8 Zu den falschen Lebensumständen gehört, den Islam zum bloßen Glauben gemacht zu haben, woran neben „Orientalisten“ auch ihnen folgende muslimische Gelehrte schuld seien.9 Also radikalisiert Qutb einen weiteren Gedanken der islamischen Tradition, indem er im Passus der Ankündigung Gottes, auf Erden einen Nachfolger (Kalif) einzusetzen (2:30), den Nachfolger als Stellvertreter Gottes interpretiert, in diesem (fast junghegelianisch) niemand anderen als die Menschheit sieht und wohl auch suggeriert, dass Einzelne diese Aufgabe übernehmen können.10 Summa summarum: Das Kalifat liegt im Vermögen eines jeden, der sich der gottgegebenen Aufgabe stellt, die Macht von Menschen über Menschen zu überwinden.

Dass Qutbs Gedanken in unserem Zusammenhang triftig sind, zeigt ihre Passfähigkeit zur Institutionengeschichte und jener der politischen Kämpfe der Zeit: 1952 putscht mit der Armee jene Institution der ägyptischen Monarchie, deren Niederlage im Krieg gegen Israel den Mangel an Modernisierung am deutlichsten zeigte.11 Versagt hatte das antiquierte Königtum, das die Freien Offiziere folglich beseitigen. Die Muslimbrüder sind anfänglich Befürworter ihrer Rebellion sowie des antikolonialen Kurses, den sie steuern. Schnell kommt es jedoch zu Spannungen, die Bruderschaft wird verboten. Sie sieht sich durch den Nasserismus der Früchte ihres jahrelangen Kampfes gegen die Monarchie beraubt, der Land, Religion und Leute akkulturalisiert, d.h. im Namen eines panarabischen oder islamischen Sozialismus an den Westen anpasst. Nasser privatisiert den Islam zur bloßen Glaubenssache, zum orientalischen Ornament einer real an profanen Werten orientierten gesellschaftlichen Umwälzung. Während die akkultualisierten Nasseristen die Religion nicht verstehen, begreifen traditionell eingestellte Muslime nicht die Revolution. Sie wollen – als Normativisten – den veränderten Umständen durch Traditionswahrung beikommen. So nimmt es nicht Wunder, dass die Rechtsprechung an der renommierten Al Azhar, „dem Zentrum islamischer Gelehrsamkeit seit mehr als 1000 Jahren“, durch Gelehrte erfolgt, die im Solde Nassers stehen, wozu auch passt, dass der Scheich von Al Azhar den Sozialismus zum integralen Bestandteil des Islam erklärt.12 Entscheidend ist, dass nach der Abschaffung des Kalifats durch Atatürk 1924 dies als zweiter Schlag gegen den institutionalisierten sunnitischen Normativismus verstanden wird. Der Verlust beider, des Kalifats wie der Al Azhar signalisiert muslimischen Aktivisten – ganz im Sinne der „revolutionären“ Koranauslegung von Sayyid Qutb –, sich der Stellvertreterschaft durch das Establishment zu widersetzen und das Kalifat im Einzelnen, dem Laienbruder zu sehen. Wer sich hier mobilisieren lässt, kann als „Neonormativist“13 gelten, denn er glaubt den Sinngehalt des Koran nur retten zu können, wenn der Islam eine Antwort auf die Herausforderung durch den Westen findet, die eine gesellschaftliche sein muss und eine des individuellen Glaubens allein nicht sein kann.

Der von den Brüdern herbeigesehnte Niedergang des Nasserismus kam in zwei Schritten – erstens der schmachvollen Niederlage im Juni-Krieg von 1967, deren eigentlicher Skandal darin gesehen werden muss, dass hier eine politische Bewegung, die den König (unter anderem) wegen einer Kriegsniederlage entmachtet hatte, selber am gleichen Maßstab gemessen so grandios scheitert, dass nunmehr auch eigenes Territorium an denselben Feind verloren geht. Der zweite Schritt erfolgt mit dem Oktober-Krieg von 1973. Mit ihm hatte Sadat die Israelis zwar das Fürchten gelehrt, die eigene Macht in der Folge Nassers aber nur scheinbar gesichert. Im Vorfeld wie im Krieg selber nutzt Sadat verstärkt islamische Rhetorik, um den eigenen Machtanspruch zu wahren. Der folgende Friedensvertrag mit Israel schien Sadats Reverenzen gegenüber dem Islam als Phraseologie zu entlarven. Die Reverenzen ließen sich aber auch von der Person lösen und im Teilerfolg des Oktober-Kriegs den politischen Aufstieg des Islam verständlich machen.14 Muhammad Abd-al-Salam Faradsch war der Führer des Islamischen Dschihad. Für seine Beteiligung am Attentat auf Sadat, dem dieser zum Opfer fällt, wird er 1982 hingerichtet, ein Jahr nachdem al-Schater ins englische Exil geht und sechzehn Jahre nachdem Faradschs Lehrmeister Sajjd Qutb von Nasser gehängt worden war.15

Politische Prozesse sind nicht vollständig reversibel. Denn in den Versuch ihrer Umkehrung geht das als Bedingung der Aufhebung ein, was umgekehrt werden soll. Das gilt umso mehr, wenn die wiederherzustellende Ordnung die des Propheten Mohammed aus dem 7. Jahrhundert ist und viele heutige Muslimbrüder, wie das Beispiel al-Schater zeigt, erfolgreiche kapitalistische Unternehmer sind. Die Brüder können politische Diesseitigkeit nicht mehr dadurch praktizieren, dass sie Könige entthronen wollen oder Generäle erschießen und damit politische Repressionen auf sich ziehen, die ihnen bisher als Indiz der Krise und als Maßstab der Kritik dienten. Die Entthronung der Generäle lässt dies nicht mehr zu. Auch muss man sehen, dass im Sieg des Muslimbruders Mursi verschiedene politische Willen zusammenkamen, die sich im Zuge der Ereignisse, ausdifferenzierten, das je für sich erstrebte Ergebnis zu erzielen aber nicht stark genug waren und trotzdem einen Wandel zumindest anschieben wollten.16 Entscheidend wird folglich sein, ob die Lösung drängender sozialer Probleme angegangen wird: die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen, der Analphabetismus, insbesondere unter Frauen, das Obdachlosenproblem, insbesondere unter den Kindern Kairos, das hohe Bevölkerungswachstum bei schwacher Wirtschaftsproduktion und geringer Binnennachfrage. Dass al-Schater den hierfür vorgesehenen „Wiedergeburtsplan“ im Mai dieses Jahres an der Amerikanischen Handelskammer in Kairo vorgestellt hat, unterstreicht die von ihm dort gemachte Behauptung, die Entwicklung Ägyptens sei ohne starke wirtschaftliche Bindungen an den Westen nicht möglich.17 Auch das Militär wird dem zustimmen. Das steht zwar jetzt in der zweiten Reihe, ist aber – als eines der größten Afrikas – auf die jährlichen 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe der USA angewiesen und bildet selbst einen erheblichen Wirtschaftsfaktor. Auch Saudi-Arabien war kürzlich mit einer Überweisung von 2,5 Milliarden Dollar hilfreich. Ägypten befindet sich damit in jenem Zangengriff, dem es schon unter Sadat und Mubarak ausgesetzt war. Welchen Atem das dem demokratischen Geist noch lässt, der dem Tahrir-Platz einen arabischen Frühling bescherte, ist offen. Die Antwort setzt die Berücksichtigung jener Machtvektoren voraus, die hier folgend kurz erläutert werden, alle miteinander wechselwirken und das Schicksal der hier aufgeführten Akteure (möglicherweise unkalkulierbar) bestimmen.

 

Bewegung im Stillstand – Palästina/Israel

Den „palästinensischen Frühling“ verkündete im Oktober 2011 ein umjubelter Präsident Abbas in Ramallah. Das geschah, nachdem er in New York die Aufnahme Palästinas in die Vereinten Nationen – auf Grundlage der Grenzen von 1967 – beantragt hatte. Er konnte sich dabei durch Obamas Nahost-Rede vom Mai des Jahres bestärkt sehen, der die Bedeutung zukommt, diese Grenzziehung wieder auf den Tisch gebracht zu haben, nachdem sie von seinem Vorgänger Bush bereits ad acta gelegt worden war. Allerdings hatte Abbas mit seinem Schritt Obama auch übergangen. Er glaubte nämlich, dass dessen Worten keine Taten folgen. Diesen Verdacht hegte er spätestens seit dem amerikanischen Einspruch gegen den Entwurf der Sicherheitsratsresolution vom Februar des Jahres: Der hatte den Amerikanern abverlangen wollen, ihre kritische Position zur israelischen Siedlungspolitik völkerrechtsverbindlich zu machen. Das in Frage stehende symbolische Kapital blieb wegen Obamas Weigerung in der Kasse. Über dessen Wert befinden konnte Obama aber nicht. So schlug Abbas die Verhandlungen mit den Israelis in den Wind, ignorierte die amerikanische Vermittlerrolle und preschte letztes Jahr mit seiner Forderung gewissermaßen direkt auf das Forum der Weltöffentlichkeit. Dort ist er nunmehr wieder erschienen und hat, genau 65 Jahre nach der Verabschiedung des Teilungsplans, von der UN-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit ihrer Stimmen den Beobachterstatus für Palästina erhalten. Dies zeugt vom demokratischen Elan eines oft für farblos, handzahm und berechenbar gehaltenen Politikers, den dieser ohne die Aufstände in der arabischen Welt wohl nicht aufgebracht hätte. Präsident Abbas scheint der einzige während des arabischen Frühlings amtierende arabische Führer zu sein, dessen Ansehen und Einfluss durch diese Umwälzungen statt zu schwinden gewachsen sind. Das aber trifft nicht zu, denn Abbas ist trotz des UN-Votums nicht Präsident eines Staates. Dieser Einwand hat grundsätzliche Bedeutung.

Abbas’ Unduldsamkeit gilt der Umsetzung des Oslo-Friedensprozesses. Nach Jahren der Erfahrung wird nunmehr aber deutlich, dass der politische Fahrplan, der der Oslo-Prozess war, auch einen Begriffsvorrat hat, um zugleich mit dem Fahrplan die spätere Erfahrung seiner Nichteinhaltung, seines Scheiterns zu plausibilisieren. Gemeint ist die in Westeuropa und den Vereinigten Staaten geschätzte Formel „Land gegen Frieden“. Bemerkenswert ist an ihr erst einmal, dass jene, denen Land für Frieden angeboten wurde, schon anfänglich in den Beifall nicht einstimmen mochten. Der Grund ist klar: Das den Palästinensern im Austausch angebotene Land betrachteten sie ohnehin als das ihrige, über das sie nur deshalb nicht verfügen, weil Israel es verwaltet, besiedelt und last but not least beherrscht. Die Formel zu begrüßen hätte für sie einerseits die Blamage bedeutet, die in ihren Augen völkerrechtswidrige Landnahme letztlich doch als rechtens anzusehen, hätte ihnen andererseits abverlangt, in einem Geschäft auf Gegenseitigkeit etwas zu liefern, ohne dafür zu bekommen, was eine Gegenleistung wäre. Diese Befürchtung ist selbst in dem Fall nicht unbegründet, wenn man von der offiziellen israelischen Lesart ausgehend statt von „okkupierten“ von „umstrittenen Gebieten“ spricht: Denn es ist nicht unmittelbar einsichtig, seinem Gegenüber etwas auf Gegenseitigkeit anzubieten, das man selbst als zwischen beiden Seiten strittig betrachtet. Daran ändert selbst die jüngste Entscheidung der Levy-Kommission nichts, dass die israelische Besiedlung der Westbank keine Okkupation sei, weil jordanische Hoheitsansprüche nicht zu Recht bestünden oder bestanden hätten und die israelische Herrschaft über „Judäa und Samaria“ durch die Balfour-Deklaration völkerrechtlich verbindlich sei.18 Das ändert nicht nur deshalb nichts, weil in diesem Falle der fragliche Okkupant selber den Schiedsrichter stellt, sondern auch aus dem thematischen Grund, dass hier der Siedlungsanspruch israelischer Staatsbürger mit dem Verweis auf die ausschließliche Zuständigkeit israelischen Rechts akzeptiert wird, einem Recht also, dem die indigene Bevölkerung unterworfen ist, ohne über dieses Recht, anders als die Siedler, legislativ befinden zu können. Soviel zu dieser, zur „Land“-Seite der Begriffsprägung. Bemerkenswert ist an der Formel aber auch, wie Noam Sheizaf argumentiert19, die Rede vom Frieden. Frieden ist ein politischer Zustand, der zwischen Staaten besteht, und in der Tat sollte ja der Oslo-Prozess letztlich zu zwei nachbarschaftlich existierenden Staaten Israel und Palästina führen. Nur besteht dieser Staat der Palästinenser überhaupt nicht, während die Rede vom „Friedensprozess“ die Parität zweier Staaten suggeriert, von denen der der Palästinenser Frieden schaffen soll, den er, weil es den Staat nicht gibt, auch nicht schaffen kann. Somit stützt die Formel „Land gegen Frieden“ nur die israelische Erzählung: Weil der projektierte Staat der Palästinenser den Frieden nicht im Ansatz liefert, braucht man ihn nicht entstehen zu lassen und man verhindert sein Entstehen, indem ihm das Land, das er um Staat zu sein bräuchte, entzogen wird.

Andererseits versuchen Israels Regierungen, und das mag als Einwand dienen, seit Jahren mit den Palästinensern zu verhandeln – ein Verlangen, das bemerkenswerterweise mit der ersten Intifada entstand und über den Oslo-Prozess hinausführend bis heute anhält. Nur gibt es hierbei das Problem einer „grundlegenden Ungleichheit“ (Sheizaf): Palästinenser erlangen ihre Güter – wenn überhaupt – erst nach den Verhandlungen, während Israel die seinen bereits zu Beginn der Verhandlungen erhält. Wieso gibt es diese Asymmetrie der Güterrealisierung, und um welche Güter geht es?

Was die Palästinenser in den Verhandlungsprozess einbringen, woran also die Israelis interessiert sind, ist Legitimität – was sich von der „Land“-Seite der Begriffsprägung verständlich machen lässt: Dass Palästinenser in den sogenannten Palästinensergebieten leben, stellt selbst bei Zugrundelegung der Umstrittenheitsthese (wie auch des Urteils der Levy-Kommission) kein erweisbares Unrecht dar. Unstrittig ist auch, dass alles, was Israelis dort tun, deren Leben tangiert. Für die internationale Selbstwahrnehmung Israels ist es wichtig, dass ihr Tun dort von diesen irgendwie akzeptiert wird, selbst in der Weise einer als Akzeptanz interpretierbaren Duldung. Weltöffentlich bedeutsam ist dies nun nicht nur als für sich bestehendes Problem, sondern wesentlich auch deshalb, weil die Lösung der (verschiedenen) Nahostkonflikte international eine enorme Bedeutung hat und dafür wiederum die Lösung des Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis entweder die Grundlage oder ein wesentlicher Schritt zu sein scheint. Das Legitimationspotential, das die Palästinenser als Gut besitzen, verdankt sich ihrem symbolischen Kapital – eine Art Kredit an internationaler Anerkennung, das ihnen weltöffentlich zukommt. Fragt man nun, wie sich Israel (im Gütertausch) dieses Kredits bedienen kann, so muss man, weil es die Weltöffentlichkeit nicht gibt, (mindestens) zwei Lesarten unterscheiden: eine okzidentale und eine orientalische.

Der orientalischen Interpretation folgend kann sich Israel des symbolischen Kapitals der Palästinenser nur dann bedienen, wenn diese faktisch einstimmen. Israel wird hier legitimiert, wenn die Palästinenser tatsächlich ihr Tun akzeptieren, wobei „tatsächlich“ und „faktisch“ heißt, dass sie ihre eigene Zustimmung geben, statt dass andere ihre Duldung als Zustimmung interpretieren. Das ist die Deutung der Araber. Der okzidentalen Lesart folgend ist für den Erhalt des symbolischen Kapitals nicht einmal die verhaltenskonkludente Interpretation ihrer Duldung erforderlich, hinreichend ist schon eine hypothetische Einstimmung, dass also das Handeln Israels seitens der Palästinenser hätte akzeptiert werden sollen oder von ihnen (unter bestimmten kontrafaktischen, nicht zustande gekommenen Bedingungen) akzeptiert worden wäre. Das ist die Deutung des Westens. Der Gegensatz beider Seiten ergibt sich unter anderem aus der hier interessierenden Gemeinsamkeit beider Seiten, die darin besteht, Land und Frieden als grundbegriffliche Komponenten der Konfliktinterpretation zu betrachten: Der orientalischen Lesart folgend wird der Land-gegen-Frieden-Tausch einfach umgedreht, Israel in der Friedenspflicht gesehen und das zur Disposition stehende Land als das der Palästinenser verstanden. Hingegen ist der westlichen Vorstellung zufolge Israel allein schon die Verhandlungsbereitschaft zu honorieren, weil es Land abzugeben bereit sei, wozu die andere Seite Frieden zu schaffen und zu wahren habe. Also erst Frieden seitens der Palästinenser, dann Land durch Israel. Wichtig ist nun, dass diese okzidentale Lesart die machthabende ist, weil Israel sowie die palästinensische Autonomiebehörde vom Westen subventioniert werden und auch der (momentan lahmende) diplomatische „Friedens“-Prozess über den Westen läuft. Daher die obengenannte Ungleichheit in der Güterrealisierung. Daher auch das israelische Interesse, Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“ aufzunehmen, sowie das geminderte der Palästinenser, das in dem Maße abnimmt, in dem das israelische Interesse steigt – was dann die israelische Seite ohne weitere Schädigung des Ansehens zur bekannten Formulierung bringt, es gebe für den „Frieden“ keinen Partner. Der israelische Staat erlangt (im Westen) Legitimität dafür, was er getan hätte, weil dieses Tun die andere Seite nicht hätte ablehnen können, wenn sie durch die Schaffung von Frieden in Vorleistung gegangen wäre.

Die kontrafaktische Lesart des Westens ist ein Vorbehalt gegen das tatsächliche Denken und Handeln der Palästinenser und Araber, die faktische der Araber ein solcher gegen das tatsächliche Denken und Handeln des Westens und der Israelis. Interessanterweise funktionieren beide Deutungen selbst bei politisch-diplomatischem Stillstand, denn beide können diesen mit wechselseitigem Schuldverweis erklären, und zwar aus derselben Quelle – der fehlenden faktischen Einstimmung der Palästinenser. So kann man vermuten, dass beide Deutungen nicht Teil der Lösung des Palästinenserkonflikts sind, sondern Teil des Problems. Bedenkt man weiter, dass beide in der Land-gegen-Frieden-Formel gründen und diese Begriffskonfrontation fragwürdig ist, kann man beide Lesarten als rhetorische Munition verstehen, die den Palästinensern nicht hilft. Sie werden dadurch in einen Zugzwang gebracht, der sie faktisch und moralisch überfordert: Die westliche Lesart überfordert sie, weil sie den Staat nicht haben, der Frieden geben könnte, und sie beleidigt sie, weil das Land, das man ihnen verspricht, ihnen keiner zu versprechen hat. Die orientalische Lesart überfordert sie, weil sie das Staatsvolk nicht sind, das Land vermachen könnte, und sie Israels Friedensbereitschaft nicht bewirken können, die von Faktoren abhängt, über die sie nichts vermögen. Diese beidseitige Überforderung wird nunmehr offensichtlich, und das wäre, so könnte, wer optimistisch gestimmt ist, meinen, der arabische Frühling der Palästinenser.

Wir sind damit wieder bei Abbas: Unduldsam geworden und erfüllt vom demokratischen Pathos arabischer Revolten wollte er unmittelbar da vorstellig werden, wo das symbolische Kapital seiner palästinensischen Klientel scheinbar ruht: bei der Weltöffentlichkeit. Gleichzeitig zur Forderung der internationalen Anerkennung Palästinas soll er aber auch die Abschaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde angedroht haben.20 Das sind Absichten, die widersprüchlicher nicht sein können. Dennoch ergeben sie Sinn, wenn man in beiden Fällen Israel nicht als politische persona non grata sondern wider Erwarten als Adressaten sieht. Unliebsamer als ein von breiter Zustimmung der UN-Vollversammlung getragenes und mit dem Veto der Vereinigten Staaten abgewiesenes Ersuchen um Vollmitgliedschaft vor dem Weltsicherheitsrat ist Israel nur die Übernahme aller Verwaltungs- und Fürsorgepflichten, die sich aus einer Selbstabschaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde ergäbe: Das Gut, das Palästinenser im Gegenzug zur Legitimierung israelischer Politik einfordern, sind Bürgerrechte.

Jüngst hat der bekannte amerikanische Zionist Alan Dershowitz vorgeschlagen, Israel möge den Siedlungsbau in der Westbank einstellen, sobald die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückkehren, und ihn für die Zeit aussetzen, die sie am Verhandlungstisch bleiben.21 Dershowitz erhärtet damit den Verdacht, dass Israel mehr an Verhandlungen interessiert ist, als an deren Ausgang. Allerdings hat Abbas Zustimmung signalisiert.22 Er tut dies möglicherweise deshalb, weil er in Übernahme einer bewährten israelischen Verhandlungsstrategie hiermit eine Position in der Erwartung billigt, dass die Gegenseite sie ohnehin ablehnt. Abbas wird daraus bestenfalls wiederum symbolisches Kapital schlagen, jedoch kein materielles, das er dringend braucht, wie die jüngsten Demonstrationen zeigen, aber auch die Wirtschaftsprobleme, auf die sie reagieren. Die desolate ökonomische Situation deutet auf den wirklichen Adressaten jener bürgerrechtlichen Ansprüche. Die Autonomiebehörde ist durch die Oslo-Abkommen in zentralen Wirtschaftsfragen auf die Pariser Protokolle verpflichtet und dadurch an Entscheidungen gebunden, die einzig Israel trifft: entweder primär binnen-, nämlich haushaltspolitischer Gründe wegen oder direkt in der Absicht, die Palästinenser zu sanktionieren. Letzteres gilt für die Zollgebühren, die Israel für palästinensische Handelsgüter einnimmt, deren Übergabe sie jedoch von deren Wohlverhalten abhängig macht. Ersteres betrifft wesentlich die Bindung der palästinensischen Mehrwertsteuer und die des Benzinpreises an jene Israels.23 Zwischen Jordan und Mittelmeer besteht ein haushaltspolitischer Binnenraum, in dem die Interessen von mehr als drei Millionen Einwohnern nicht angemessen berücksichtigt sind, weil sie im Wechselspiel zwischen einer insuffizienten und gespaltenen Selbstverwaltung und einem sich der Rechenschaftspflicht entziehenden Staat auf der Strecke bleiben.

 

Bürgerkrieg im Schatten der sunnitischen Heiligen Allianz – Syrien

Syriens Probleme drohen im Geflecht regional-, aber auch weltpolitischer Interessen unkenntlich zu werden. Wie kein anderes Land des sogenannten Arabischen Frühlings reflektiert Syrien die Interessen und Abhängigkeiten anderer. Es kommt deshalb schwerlich anders als in diesen Spiegelungen zur Erscheinung. Um nur einige zu nennen:

1. Die Türkei unterhielt abwechslungsreiche Beziehungen zu Assads Syrien, die in letzter Zeit eher eng waren. Erdogan brauchte aber nach Beginn der syrischen Aufstände nicht lange, um auf Konfrontation umzuschalten. Es gibt dafür u.a. möglicherweise ein weniger bekanntes ethnisch-religiöses Motiv: Aleviten. Diese sind von Alawiten (Nusairiern) zu unterscheiden, d.h. Arabern einer schiitischen Minderheit, die in der Assad-Dynastie eine Versicherung gegen ihre religiöse und soziale Unterdrückung gesehen haben. Beheimatet sind diese auch im Libanon und in der Türkei, dort vornehmlich in der südlichen Küstenregion Hatay, dem ehemals osmanischen Sandschak Alexandrette nördlich des Libanons. Deren Bevölkerungsanteil ist hier mit ca. 0,5% marginal. Aleviten hingegen sind ethnische Türken und Kurden, die den arabischen Alawiten insofern nahestehen, als sie ebenfalls eine schiitische Splitterkonfession sind. Deren Bevölkerungsanteil in der hauptsächlich sunnitisch geprägten Türkei beträgt erhebliche 15 bis 20%.24 Hinzukommen Kurden, die in Syrien eine ethnische Minorität von 8% bilden und zu Assad ein gespaltenes Verhältnis haben. Die wesentlich in der Türkei aktive und dort auf kurdische Sezession drängende PKK besteht zu erheblichen Teilen aus syrischen Kurden. Das erklärt sich daraus, dass die Organisation von Assads Vater Hafez umfänglich unterstützt wurde. Dieser hatte mit seinem Engagement vermutlich beabsichtigt, das eigene Kurdenproblem in Richtung Türkei zu dirigieren. Mit dem türkisch-syrischen Abkommen von Adana 1998 hat er die PKK dann schließlich doch exiliert. Denn die Türken, denen die syrische Kurdenpolitik untragbar war, hatten Truppen an der Grenze zusammengezogen und mit einer Invasion gedroht.

Der Erhalt der syrischen „Freundschaft“ hätte der Türkei abverlangt, die syrischen Konflikte irgendwie mitzutragen; sie wäre als Regionalmacht sogar diese zu schlichten aufgerufen gewesen. Angesichts der Schärfe der Auseinandersetzung in Syrien und eines in dieser Hinsicht sensibilisierbaren Anteils von ca. 20% der türkischen Staatsbürger wäre dies riskant, weil Erdogan durch Parteinahme und Vermittlung im eigenen Land möglicherweise schlafende Hunde geweckt hätte. Er hat schnell begriffen, dass der syrische Bürgerkrieg das Potential besitzt, dass Kurdenproblem gegen die Türkei zu regionalisieren, offenbar aber auch, ein ebenfalls gefährliches Alevitenproblem zu schaffen: Mehr als andere religiöse Gemeinschaften sind die Aleviten von den Umbrüchen der türkischen Gesellschaft affiziert und reagieren dementsprechend sensibel. Atatürks politische Säkularisierung, aber auch Urbanisierung und Industrialisierung haben ihnen das Verhältnis zur eigenen Tradition erschwert, sie aber auch mehr als andere dazu gebracht, sich im politischen Laizismus einzurichten, sodass manche die Aleviten „als islamisch motivierte Vertreter eines säkularistischen Gesellschaftsentwurfs“ sehen.25 Dem türkischen Ultranationalismus der 1960er und 1970er Jahre begegneten sie, indem sie linke Positionen bezogen. Der neoliberale Umbau der Wirtschaft ab den 1980er Jahren, den die Militärs mit dem Ausbau sunnitischer Institutionen flankierten, führte hingegen in Reaktion zu einer Neubetonung der religiösen Dimension des Alevitentums.26 Die Rückbesinnung auf einen sunnitischen Gehalt des türkischen Nationalismus birgt die Gefahr einer Stigmatisierung der Aleviten als Häretiker, der in der Tat in den 90er Jahren bei einem Brandanschlag in Sivas und blutigen Zusammenstößen in Istanbul Menschen zum Opfer gefallen sind.27

Die Türkei ist zu schwach, um syrische Probleme mitzutragen, und hat doch einen nach Entschlossenheit und Parteinahme verlangenden Machtanspruch. Erdogan hätte sein Engagement für Assad mit der Gefahr ethnischer und konfessioneller Verwerfungen im eigenen Land in dem Maße erkauft, in dem der syrische Konflikt ethnische und konfessionelle Züge annimmt.28 Das ist nunmehr geschehen. Die Gefahr würde im Falle eines regionalen Krieges gegen den Iran enorm steigen. Erdogan wird bei allen Scharmützeln an der Grenze keine offene militärische Konfrontation suchen – auch deshalb nicht, weil er sich demnächst zum Präsidenten wählen lassen möchte, und zwar nicht mehr vom Parlament, sondern vom Volk. Ein Krieg mit Syrien würde Staat und Amt vor eine Zerreißprobe stellen.29

All das übrigens lässt den Kemalismus in einem anderen Licht erscheinen: Dieser gilt heute vornehmlich als gegen den Islamismus gerichteter türkischer Säkularnationalismus, von dem gerade Erdogans muslimische AKP abzurücken scheint. Nun wird möglicherweise deutlich, dass dieses Bild nicht ganz stimmt. Entstanden ist der Kemalismus nämlich als Reaktion auf den nach der Kapitulation von 1918 und dem Vertrag von Sèvres 1920 drohenden Staatszerfall. Kemal hat in politisch höchster Not gegen den Willen des Sultans zum westlichen Prinzip der Volkssouveränität gegriffen – im riskanten Vertrauen darauf, dass diese „Nation“ aus sunnitischen Türken und Kurden, schiitischen Alawiten, türkischen und kurdischen Aleviten sowie christlichen Armeniern eine eben souveräne Chance hat. Man kann vermuten, dass diese kemalistische Urangst als politische Erfahrung immer noch präsent ist. Insofern zeigt sich Erdogan in seinem Verhältnis zu Assad als echter Kemalist.

2. Russland hatte im Frieden von Küçük Kaynarca 1774 das Schutzrecht für die auf osmanischem Territorium lebenden Christen erlangt. Das weckte geopolitische Begehrlichkeiten in Richtung Mittelmeer und Levante, die dann Russland zum Krimkrieg führten. Dieser verlief aber eher ungünstig, vor allem deshalb, weil England und Frankreich militärisch intervenierten, denn das russische Selbstbewusstsein gefiel ihnen nicht. Am vorderasiatisch-nahöstlichen Poker beteiligt blieb Russland trotzdem. Es sollte in das geheime Sykes-Picot-Abkommen einbezogen werden, einen französisch-britischen Teilungsplan der im Ersten Weltkrieg aufgelaufenen osmanischen Konkursmasse – das übrigens im Widerspruch zur Hussein-McMahon-Korrespondenz stand, die den Arabern für ihren Aufstand gegen die Osmanen die Unabhängigkeit verspochen hatte. Franzosen und Engländer leugneten, als er umgesetzt wurde, die Existenz dieses Plans. Aber sie wurden der Lüge überführt, als die russischen Revolutionäre 1917 einer Kopie habhaft wurden und diese prompt veröffentlichten.

Die Sowjetunion knüpfte an nahöstliche Denkspiele der Zarenzeit an, die sie im Kontext der Systemauseinandersetzung des kalten Krieges neu durchdachte. Gegenüber den als Seemacht dominierenden Amerikanern hatte die Sowjetunion das gravierende Problem, nahezu keine eisfreien ozeanischen Häfen zu besitzen. Hier rückte u.a. Syrien ins Visier. Von den beiden hiesigen Stützpunkten Latakia und Tartus wurde letzterer nach dem Zerfall der Sowjetunion unter Putin reaktiviert. Der gegenwärtige Bürgerkrieg bedroht somit nicht nur die Dynastie der Assads sondern auch Russlands erneutes militärisches Engagement in der Levante und damit vermutlich auch seinen dortigen politischen Einfluss. Dass Russland Assad die Treue zu halten scheint und im Weltsicherheitsrat als dessen vetoberechtigter Anwalt auftritt, ist aber nur zum Teil außenpolitisch begründet. Möglicherweise wichtiger sind innenpolitische Motive und die Sorge um die eigene Region: Russland sind im Niedergang der Sowjetunion alle Teilrepubliken weggebrochen, geblieben ist nur die Russische Föderation. Es hat darüber hinaus die Nato-Integration Bulgariens und den Niedergang Serbiens zum Kleinstaat hinnehmen müssen – dies alles sind Rückbildungen seiner einstigen südosteuropäischen Machtstellung. Russland fürchtet nun eine ins Land hineinlaufende Fortsetzung dieser Erosionsprozesse entlang konfessionell und ethnisch erwartbarer Bruchstellen. Wenn dies alles wäre, ließe sich die russische Position so zusammenfassen: Erstens muss die staatliche Einheit Syriens erhalten werden, zweitens ist Assad Verhandlungsmasse, und drittens muss, wer immer zukünftig in Syrien regiert, Russlands Anspruch auf den Marinestützpunkt Tartus anerkennen. Das ist aber nicht alles. Obwohl Russland kein Problem mit dem Sturz Assads per se hat, hat es eins mit dem Sturz der „republikanischen Dynastie“, die Assad verkörpert. Die Sphäre umfasst Karimovs Usbekistan und Nasarbajews Kasachstan. Wichtig sind auch „republikanische Diktaturen“ wie Janukowitschs Ukraine und Lukaschenkas Belorussland.30 Russland versucht mit ihrer Hilfe eine instabile Interessensphäre an seinen unmittelbaren Außengrenzen zu sichern. Putin sieht deshalb die westliche Parteinahme gegen Assad als Angriff auf die regionale Machtrolle Russlands. Er befürchtet wohl zurecht, dass die Syrienpolitik Westeuropas und der Vereinigten Staaten das Ziel hat, einen bestimmenden Einfluss in der Region zurückzugewinnen, Russland aus der Region zu drängen und den Kampf gegen Assad als Vorspiel einer (eher menschenrechtsrhetorisch flankierten wirtschaftspolitischen) Intervention in die russische Peripherie und von dort ins Land selber zu führen.

3. Saudi-Arabien und Katar: Schon aus prinzipiellen Gründen hätten die Saudis Feinde Syriens sein müssen. Denn Alawiten sind für sie Häretiker und die Säkularideologie des Baathismus ist ihnen ohnehin ein Gräuel. Praktisch sah das allerdings ein wenig anders aus: In den frühen 1980er Jahren hatte Vater Hafez Assad die Saudis noch geärgert. Er war im Iran-Irak-Krieg aus der arabischen Einheitsfront ausgeschert, hatte Partei für die iranischen Schiiten ergriffen und Hussein die Kirkuk-Baniyas-Pipeline abgedreht. Anfang der 1990er Jahre schien dies vergessen, als Syrien seine Macht über den Libanon zu sichern begann und dabei die Saudis als Großinvestoren ins Boot stiegen. Ins Boot geholt hatte sie ein milliardenschwerer libanesischer Unternehmer mit saudischem Pass, der in diesen Geschäftsbeziehungen zum Ministerpräsidenten aufsteigen sollte: Rafik Hariri. Es schien ein Deal zum gegenseitigen Vorteil – die Saudis investierten, und Assad sicherte den politischen Rahmen. Das war nur scheinbar so. Saudische Geldströme flossen in die syrische Wirtschaft, aber auch in die Taschen syrischer Politiker und Militärs. Das konnte insbesondere dann problematisch werden, nämlich zu Loyalitätskonflikten führen, wenn die syrischen Empfänger hochrangige Sunniten waren, wie Vizepräsident Khaddam und Stabschef Shihabi. Sohn Bashar hat hier eine Gefahr gesehen, das Personal gewechselt und unter Verletzung des libanesischen Nationalpakts die Erweiterung der Amtszeit von Staatspräsident Lahoud erzwungen. Der Machtkampf zwischen Lahoud und Hariri blockierte die libanesische Gesellschaft.31 In ihm blockierten sich aber auch syrische und saudische Interessen. Der Mord an Hariri löste die Blockade. Syrien wurde international an den Pranger gestellt, verlor einen erheblichen Teil seiner libanesischen Machtbastion und damit auch die Gelder der Saudis. Diese führten Assad vor und hatten gesiegt. Möglicherweise war schon dies, wer Hariri auch immer ermordete, der Anfang vom Ende der Dynastie der Assads.

Wie aber kommt Katar ins Spiel? Um dies zu klären, muss man statt der Personen die regionalen Verschiebungen politischer Kräfteverhältnisse betrachten. In zeitlicher Abfolge lassen sich idealtypisch drei Machtkonstellationen verschiedener arabischer Akteure unterscheiden, d.h. die Region dominierender, aber auch miteinander konkurrierender Staaten.32 Die zwischen Ende der 1950er bis Anfang der 1970er Jahre herrschende Konstellation war das baathistische Dreieck Damaskus – Bagdad – Kairo. Im Zeichen von Panarabismus und Nasserismus wurden Staatsvereinigungen erwogen, vollzogen und rückgängig gemacht. Die Vereinigte Arabische Republik war das kurzlebige Einheitsprojekt zwischen Ägypten und Syrien, ein weiteres zwischen Syrien und dem Irak wurde 1963 zwischen beiden diskutiert. Charakteristisch waren die Ausrichtung auf eine gesellschaftliche Modernisierung, eine zu weiten Teilen übereinstimmende Außen- und Sicherheitspolitik sowie säkulare, antiislamistische Innenpolitiken mit sozialistisch egalitären, u.a. frauenemazipatorischen Anleihen. Charakteristisch für das baathistische Dreieck war ferner die enge Bindung an die Sowjetunion. Aber auch die Gegenseite übte sich in Blockbildung: Im Jahre 1965 fordert der saudische König Faisal gemeinsam mit dem Schah von Persien einen „Islamischen Pakt“, um islamfeindliche Elemente zu bekämpfen – im Widerstand gegen erklärtermaßen volkssouveräne Bewegungen können konfessionelle Differenzen wie hier zwischen Sunniten und Schiiten durchaus zur Nebensache werden.33

Das Dreieck Damaskus – Bagdad – Kairo ist auch geopolitisch interessant, denn im Zentrum der Konstellation stand Israel. Im Sechs-Tage-Krieg von 1967 wird dieses Machtgefüge an der Realität, d.h. seiner programmatischen Feindschaft zu Israel getestet und entwertet. Mit dem Oktober-Krieg von 1973 und dem folgenden Ölembargo zeichnet sich eine neue Konstellation ab: Ägypten und Syrien ziehen wieder gemeinsam gegen Israel in den Krieg – allerdings nun nicht aus panarabischen Motiven sondern aus je eigenen Interessen. Beide wollten ihr von Israel okkupiertes Land zurück. Ägypten erreichte dieses Ziel, denn es hatte sich (bereits vor dem Krieg)34 von der Sowjetunion distanziert – was Syrien nicht tat, womit es sein Ziel verfehlte. Mit dem Ölembargo kommt die Monarchie der Saudis als neuer Akteur ins nahöstliche Machtgefüge. Ägypten und Syrien sind nun als volkssouveräne Konkurrenten arabischer Monarchien nicht mehr zu fürchten, brauchen aber nach dem Krieg das Geld, das die Saudis haben.35 Das nachbaathistische Dreieck Damaskus – Kairo – Riad entsteht.36 Der ehemalige Akteur Irak verschwindet durch Saddam, denn dieser treibt – kurz nach seiner Machtübernahme – mit dem Angriff auf den Iran sein Land in den wirtschaftlichen und moralischen Ruin. Saudi-Arabien stieg auf und war durch seinen enormen Reichtum attraktiv. Aber auch wegen seiner engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wurde es interessant: für Ägypten, um die Verbindungen zum neuen Bündnispartner USA zu festigen, aber auch für Syrien, etwa um über Washington mit den Israelis zu kommunizieren. Auch das geschilderte syrisch-saudische Engagement im Libanon demonstriert den gewachsenen Einfluss der Saudis, der in ihrem Sieg über Assad weiter zunahm. Der Arabische Frühling machte dieser Konstellation ein Ende. Syrien wurde, wie auch Ägypten, von diesen Umwälzungen erfasst und riskiert im Unterschied zu diesem womöglich die staatliche Einheit. Interessanterweise gefährdet der Niedergang der zweiten Konstellation auch Saudi-Arabien: Trotz ihres Reichtums und ihrer nach wie vor exzellenten Verbindungen ins Weiße Haus haben die Saudis nämlich machtpolitisch eklatante Schwachstellen: Saudi-Arabien ist als absolute Monarchie innenpolitisch äußerst unflexibel, vertritt mit dem Wahabismus eine extrem doktrinäre, sozusagen vorsintflutliche Variante des sunnitischen Islam als Staatsreligion und herrscht – als eben wahabitische absolute Monarchie – über eine schiitische Minderheit, die 10 % der Bevölkerung ausmacht und wesentlich in der ölreichen Ostprovinz lebt.

In die Machtlücke rückt der Golfkooperationsrat (GCC), eine Vereinigung der Golfstaaten, deren Mitglied Saudi-Arabien ist und zu der auch Katar gehört. Der GCC ist die dritte, die neue Machtkonstellation. Katar nimmt hier eine bedeutende Rolle ein, es kann, obwohl klein, dank seiner enormen Einkünfte aus dem Öl- und Gasgeschäft, aber auch vermöge seiner verzweigten Handels- und Außenpolitik äußerst einflussreich agieren. Das tut es, und hier muss dann doch wieder von Personen gesprochen werden, unter seinem neuen Machthaber Emir Al Thani. Dieser ist die interessante Figur eines autokratischen arabischen Modernisierers. Er verhält sich gegenüber dem Westen konziliant und engagiert, gegenüber Israel wie auch Iran pragmatisch, handelt in der arabischen Region jedoch hart und entschieden, indem er hier mit nietzscheanischem Pathos auf alles tritt, was wankt. Al Thani schickte seine Luftwaffe gegen Gaddafi, fordert und betreibt als einer der entschiedensten Gegner Assads die Bewaffnung der Opposition und setzt seinen Staatssender Al Jazeera als massenmediale Agitpropwaffe ein, mit regionaler Zerstörungswirkung. Auch eine saudische Personalie ist wichtig: Bandar bin Sultan, der neue Chef des Allgemeinen Gemeindienstes, verfügt über beste Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, denen er bereits bei der Unterstützung der nikaraguanischen Contras und der afghanischen Mujaheddin behilflich war. Die Amerikaner kennen ihn auch als langjährigen saudischen Botschafter in Washington. Bandar war in führender Position an allen Wandlungen der jüngeren Nahost-, speziell aber der Syrienpolitik der Saudis beteiligt und gilt heute als führender saudischer Politiker für die Planung der Ära nach Assad.37

Das überraschende Zwischenergebnis des arabischen Frühlings ist nicht der Sieg der Straße (oder der Tahrir-Platzes), nicht der des politischen Islams sondern jener der sunnitischen Heiligen Allianz des Golfkooperationsrats. Gesiegt hat vorerst der Monarchismus, dem alle Mitgliedsstaaten anhängen, der aber in den Ratsmitgliedern Katar und Saudi-Arabien seine eklatante Widersprüchlichkeit aufzeigt. Bemerkenswert ist dabei, dass die Saudis Marokko und Jordanien den Beitritt zum GCC vorgeschlagen haben.38 Bemerkenswert ist auch, dass auf Anraten des saudischen Königs Abdullah im Dezember 2011 eine Kommission der arabischen Golfstaaten mit dem Ziel gebildet worden war, über eine weitergehende politische und militärische Einheit zu beraten. Dieser Zusammenschluss zu einem monarchistischen Bollwerk ist vorerst vertagt, die Gefahr einer Dominanz des Hauses Saud ist offenbar zu groß.39 Das tangiert aber nicht die Botschaft, welch die GCC-Mitglieder Saudi-Arabien und Katar verkünden: Die arabischen Aufstände seien Revolten gegen säkulare oder häretische Regime, nicht aber gegen sunnitische Monarchien, die sich im Gegenteil als Lösung anbieten. In diesem Sinne war die militärische Intervention Saudi-Arabiens zur Rettung der sunnitischen Herrschaft in Bahrein, die Saudis wittern hier ein „schiitisches Kuba“40, durch den GCC autorisiert: Zuweilen muss der Welt eben nachgeholfen werden, um ihr den eigenen Lösungsvorschlag anbieten zu können.

 

Verfeindung der Peripherie – Iran/Israel

Die Aufstände in der arabischen Welt und der Iran sind aus zwei Gründen nicht zu trennen: einerseits des hegemonialen iranischen Interesses wegen, das sich als jener viel beschriebene schiitische Halbmond über Syrien bis zum Libanon zeigt; dann aber auch durch das wachsende Spannungsverhältnis zu Israel, das mittlerweile das Potential eines unkalkulierbaren militärischen Schlagabtauschs besitzt.

Israel und Iran leben unter arabischen Nachbarn, zu denen sie angespannte bis feindselige Beziehungen unterhalten. Beide Staaten befinden sich aber in verschiedenen Regionen, zwischen ihnen sind weder Grenzen noch natürliche Ressourcen strittig. Auch gibt es keine „offenen Rechnungen“, die als Altlasten früherer Konflikte das gegenseitige Verhältnis bis hin zur permanenten Verfeindung trüben könnten.41 Im Falle eines iranisch-israelischen Krieges würde sich dies ändern, was eigentlich ein weiterer, ein vorbeugender Grund für Toleranz, wenn nicht gar für Kooperation wäre. So war es in der Tat für einige Zeit.

Israels Sicherheitskonzeption ruht traditionell auf drei Pfeilern:42 dem Bündnis mit einer Großmacht, der Beziehung zur Peripherie und der nuklearen Ambiguität. Die Anbindung an eine Großmacht ist das älteste der drei Prinzipien und geht der Staatsgründung voraus, reicht zurück auf Theodor Herzl, der in dieser Absicht Kontakte u.a. zu Sultan Abdülhamid II. und Kaiser Wilhelm II. suchte. Nach Herzls Tod 1904 konnte 1917 bekanntlich Großbritannien für die Errichtung einer „jüdischen Heimstätte“ gewonnen werden. Den Briten folgten nach dem Zweiten Weltkrieg – kurz, aber in der formativen Phase von Staatsgründung und Unabhängigkeitskrieg wichtig43 – die Sowjetunion, dann quasi kohabitativ Frankreich und die Vereinigten Staaten und später die USA allein. Das Prinzip der Peripherie stammt von David Ben Gurion, der ausgehend von der Tatsache, dass Israel von feindlich gesonnenen arabischen Staaten umgeben ist, nach Bündnispartnern jenseits unmittelbarer Nachbarschaft suchte. Kandidaten waren nichtarabische Staaten, die dem damals gefährlichen Panarabismus gegenüber immun, aufgrund der Entfernung zu Israel aber friktionsresistent waren, sich andererseits wirtschaftlicher und anderer Zusammenarbeit gegenüber aufgeschlossen zeigten, zugleich aber potentiellen Angreifern Israels eine zweite Front signalisieren sollten. Die Peripheriestrategie folgt der Maxime, dass mein Freund sein kann, wer Feind meines Feindes ist. Das Prinzip der nuklearen Abschreckung wiederum verdankt sich ebenfalls Ben Gurion, dessen Zauberlehrling Shimon Peres 1956 in Geheimverhandlungen in Sèvres die Franzosen zum Bau einer Nuklearanlage bei Dimona gewinnen konnte. Hinter dieser Entscheidung stand die Überlegung, dass Israel nicht über die Ressourcen verfügt, um die Araber entscheidend schlagen bzw. ein konventionelles Wettrüsten auf Dauer durchstehen zu können.44 Dem entsprechen auch, eingedenk der engen territorialen Grenzen, die Maximen israelischer Kriegsführung:45 Kriege sind erstens eigenständig, zweitens auf dem Territorium des Gegners zu führen und zu entscheiden. Kriege müssen drittens von kurzer Dauer sein und sollten viertens mit der eindeutigen Niederlage des Gegners enden. Sie sind darüber hinaus, soweit bündnispolitisch vertretbar, als Präventivkriege zu eröffnen. Das Nuklearpotential hat dementsprechend abzuschrecken und soll verhindern, dass entweder Kriege auf das eigene Territorium übergreifen oder eine solche Verlängerung intensiver Kampfhandlungen droht, die Israel durchzustehen nicht die Ressourcen besitzt. Die Nuklearambiguität, d.h. die Strategie, die Verfügung über eigene Nuklearwaffen weder zu bestreiten noch zu bestätigen, bringt den Vorteil, mit diesem Potential drohen zu können, ohne sich dem Drängen auf Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag aussetzen und sich für eine Verbreitung von Nuklearwaffen in der Region verantworten zu müssen – möglicherweise auch ohne das Potential überhaupt zu besitzen. Die Nukleardrohung ergänzt das Konzept mangelnder Tiefenverteidigung, denn Nuklearschläge setzen aufgrund ihres Zerstörungs- und Drohpotentials keine Raumtiefe voraus, sondern schaffen sie. Sie führt auch zu einer engeren Bindung der loyalen Großmacht, die im Falle einer Gefährdung Israels dem drohenden Einsatz der israelischen Kernwaffe durch intensivierte politische und militärische Unterstützung auch deshalb zuvorkommen muss, um die eigenen Interessen nicht aufs Spiel zu setzen. Im Yom-Kippur-Krieg hat dieser Mechanismus funktioniert und die gegenwärtige israelische Führung hofft auf ihn auch im Konflikt mit dem Iran.

Der Iran war (u.a. neben der Türkei) zentrales Element besagter Peripheriestrategie. Bis zum Sturz des Schahs unterhielten Israel und Iran enge und vielseitige, wenngleich kaschierte wirtschaftliche, militärische und geheimdienstliche Beziehungen. Der Schah sah nach der Entzauberung des Panarabismus im Sechs-Tage-Krieg, dem britischen Rückzug aus der Golfregion Anfang der siebziger Jahre und der sich zur gleichen Zeit abzeichnenden west-östlichen Entspannungspolitik die Möglichkeit einer Annäherung an die arabische Welt, und zwar aus einer Position der Stärke: als wirtschaftliche und politische Regionalmacht mit besten Verbindungen ins Weiße Haus. Zugleich wollte der Schah mit diesem Manöver das Verhältnis zu Israel entschlacken, das mit seinem schnellen und klaren Sieg im Sechs-Tage-Krieg eine zu starke Position erlangt habe.46 Höhepunkt dieser Neujustierung war das Abkommen von Algier aus dem Jahre 1975, mit dem Iran und Irak einen Interessenausgleich suchten. Israel musste überrascht zur Kenntnis nehmen, dass im Vollzug des Abkommens der iranische Geheimdienst einseitig und umgehend die gemeinsam mit Israel betriebene Unterstützung der Kurdenrebellion im Nordirak einstellte, die daraufhin zusammenbrach. Allerdings hatte sich nicht nur Israel, sondern auch der Iran verrechnet: Das Ende des Kurdenaufstands führte zu einer Schonung militärscher und wirtschaftlicher Ressourcen. Das waren die Bedingungen, die Hussein brauchte, um fünf Jahre später den Iran anzugreifen.

Der Schah wurde vieler Gründe wegen gestützt, nicht aber, weil er etwa rückständig war und nicht allein der Brutalität seiner Geheimpolizei wegen. Der hier interessierende Grund für den Sieg der Grünen Revolution war das Scheitern der Weißen Revolution, des ehrgeizigen Modernisierungsprogramms, das der Schah verordnet hatte. Auch für dieses Scheitern gibt es viele Gründe. Hier interessiert ihre Parallele zu Zionismus und Kemalismus: Wie die Letzteren war die iranische Weiße Revolution47 ein ambitioniertes nationalistisches Modernisierungsprojekt. Weil aber kein König eine volonté générale gebieten kann, konnte die Revolution des Schahs – anders als Zionismus und Kemalismus – das Volk nicht auf die Idee der Volkssouveränität einschwören.48 „Die Grundlage der türkischen Staates ist die Souveränität des Volkes“49 – eine dieser kemalistischen Formel analoge Symbolisierung der iranischen Revolution war dem Schah nicht möglich. Mohammad Reza konnte seinen demokratischen Rivalen Mohammad Mossadegh, den er gestürzt hatte, nicht beerben. Diese Legitimationsschwäche der Monarchie ließ sich nicht lange kaschieren. Ali Schariati kam als konzeptiver Ideologe in spe im Paris der 1960er Jahre mit dem Marxismus in Berührung, brachte seine europäische Erfahrung in den schiitischen Islam ein und vermochte so, die junge iranische Intelligenz zu begeistern: Nicht Frömmigkeit, nicht Sich-Fügen zeichnen den Islam aus, sondern dessen Vermögen, gesellschaftliche Verhältnisse, um sie zuträglich zu machen, zu revolutionieren50 – der Soziologe Schariati war das schiitische alter ego des sunnitischen Laienbruders Qutb.51 Aber auch Kleriker erkannten, dass sich der Islam republikanisch gegen den Schah in Stellung bringen lässt. In den Jahren 1963 und 1964, zu Beginn der Revolution par ordre du mufti, musste einer ihrer Kritiker mehrerer leidenschaftlich aufsässiger Reden wegen, die ihn als Geistlichen aus der quietistischen Masse seiner Berufskollegen heraushoben, das Land verlassen. 1979 kehrt Ayatollah Khomeni als Führer der Grünen Revolution zurück. Er und Schariati waren die Nemesis für die Verstiegenheit einer höfisch verfügten Modernisierung, gegen die sich der Islam republikanisch politisieren konnte. Der Schock saß so tief, dass sich im Gefolge der iranischen Revolution im Jahre 1981 der Golfkooperationsrat bildet, jene sunnitische Heilige Allianz, die später zur dritten arabischen Machtkonstellation aufsteigen sollte.

Mit der Grünen Revolution verließ der Iran den sicherheitspolitischen Orbit der israelischen Peripherie. Beide Staaten waren nun Gegner. Aber Rivalen wurden sie erst durch die militärische Intervention der Vereinigten Staaten in der Region, die einerseits zu einer erheblichen Stärkung der iranischen Position führte, diese gleichzeitig aber auch bedrohte, wogegen sich der Iran aus seiner nunmehr gestärkten Position heraus wenden wollte. Mit der Entmachtung Saddam Husseins im Irak und der (möglicherweise nur vorübergehenden) Verdrängung der Taliban in Afghanistan hatten die Amerikaner zwei der größten Widersacher Irans neutralisiert.52 Dass die als moderat geltende Khatami-Regierung im Jahre 2003 ein Verständigungsangebot unterbreitete, wurde ihr von der Regierung Bush als Schwäche ausgelegt und nicht honoriert. Das war wahrscheinlich ein weiterer Fehler der US-Regierung, denn die Iraner zeigten sich hier, offenbar mit Billigung des Religionsführers Khamenei, verhandlungsbereit bis hin zur Frage der Anerkennung Israels.53 Die Moderaten in Teheran, welche Motive sie auch immer hatten, wurden durch die Ignoranz der Amerikaner nachhaltig geschwächt. Bereits die stillschweigende iranische Kooperation mit den Amerikanern im Kampf gegen die Taliban war von Bush zu Anfang des Jahres 2002 dadurch beantwortet worden, Iran der „Achse des Bösen“ zuzuschlagen.54 So war der weitere Abweis im nächsten Jahr möglicherweise einer zu viel. Der sich vom Persischen Golf zur Levante erstreckende schiitische Halbmond ist, wenn man die territoriale Ausdehnung statt als konfessionell-demographische Naturgegebenheit als Ergebnis politischer Mobilisierung betrachtet, nicht zuletzt Resultat der Interventionspolitik von Präsident George W. Bush.

Die Interessen und Befürchtungen der Kontrahenten sind vielgliedrig. Ein differenzierender Blick schützt vor Pauschaldiagnosen: Israel fürchtet erstens den gezielten Angriff iranischer Nuklearraketen, zweitens die Stärkung regionaler Verbündeter des Irans gewissermaßen unter dessen Nuklearschirm und drittens als regionale Gegenreaktion den Erwerb von Kernwaffen durch Dritte, befürchtet damit ein instabiles, weil multipolares Bedrohungsgeflecht. Man kann diese Befürchtungen ihrem Wahrscheinlichkeitsgehalt nach abstufend einschätzen und zu der Überzeugung gelangen, dass die dritte in der Sache am schwersten wiegt, die erste am wenigsten. Allerdings sagt dies nichts gegen die Realität allein der Angriffsbefürchtung. Denn die reicht hin, um so zu handeln, als ob die Befürchtung zutrifft. Dass sozusagen die Befürchtung für die befürchtete Sache selbst einstehen kann, macht ein Handeln aus dieser Befürchtung heraus schwer kalkulierbar. Möglicherweise ist dieses Kalkulationsproblem gewollt.

Gleich Israel befürchten die Vereinigten Staaten, dass der Iran nach Nuklearwaffen strebt und dass die Nuklearisierung Irans zu einer regionalen Verbreitung von Kernwaffen führt. Der Iran wiederum befürchtet, dass die amerikanische Iranpolitik auf einen Regimewechsel zielt. Bushs Kriege gegen die Taliban und Saddam, also gegen die Nachbarn Irans, sowie seine Achse-des-Bösen-Erklärung geben den Iranern allen Grund dazu. Man kann annehmen, dass der Iran hier, bei allen sonstigen Unterschieden, der Strategie Israels folgt – nämlich ernsthaft glauben machen will, über Atomwaffen zu verfügen, ohne dass wirkliche Beweise dafür aufweisbar sind.

Die iranische Republik sucht einerseits nach Einfluss in der arabischen Welt. Sie steht damit, wie wir sahen, in der Tradition des Schahs und verdankt die Chance, in dieser Weise an ihn anschließen zu können, der Interventionspolitik der USA. Zugleich sucht sie aber ihre Herrschaftsordnung und die staatliche Integrität zu sichern, und sieht sich darin durch die USA bedroht. Die Amerikaner haben – nicht in der Absicht, aber doch in der Konsequenz ihres Handelns – die Iraner dort gestärkt, wo deren Stärke problematisch wird: Sie haben nämlich den iranischen Ausgriff auf die Levante, auf Syrien und den Libanon, befördert. Zugleich haben sie – nicht nur in der Konsequenz, sondern auch in der Absicht ihres Handelns – die Iraner dort gefährdet, wo ihr Handeln autonom bleiben sollte: nämlich in Hinblick auf die Innenpolitik und die Sicherheit ihrer Grenzen. Positiver und negativer Einfluss der Amerikaner bedeuten eine Verkehrung der politischen Vernunft und beleuchten zugleich das Vorliegen nicht eines Interesses, sondern verschiedener iranischer Interessen, von denen die Realisierung des einen das andere ermöglicht, ohne aber von dessen Ermöglichung abhängig sein zu müssen. Wer Letzteres glaubt, beschwört die Konsequenzen, die er nicht wollen kann.

Nicht nur ein Akt politischer Unvernunft, sondern auch der eigenen Unklugheit wäre somit ein eigenmächtiger Angriff Israels auf den Iran. Denn in einer solchen Auseinandersetzung wären alle vier der obengenannten Maximen israelischer Kriegsführung hinfällig: Dieser Krieg wäre letztlich nicht eigenständig führbar, die Auseinandersetzung würde nicht auf das Territorium des Gegners beschränkt werden können, er wäre nicht von kurzer Dauer und würde nicht mit der eindeutigen Niederlage des Gegners enden. Ein amerikanischer Angriff wiederum hätte die schon bei einem israelischen Angriff bestehende Gefahr einer regionalen Eskalation zur nahezu sicheren Konsequenz.55 Auch wäre unklar, ob die Vereinigten Staaten gegenwärtig überhaupt noch die Mittel besitzen, einen solchen Konflikt durchzustehen und die dann erforderliche wirtschaftspolitische und diplomatische Nachsorge zu betreiben. Jedes dieser Szenarien wird den Iran zum Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag bewegen und birgt die Gefahr der Aufhebung der Wirtschaftsblockade wie die Aussicht auf einen globalpolitischen kalten Krieg – den die Amerikaner dann mit den Ressourcen führen müssten, die ihnen nach der iranischen Operation noch blieben. Auch die jüngst geäußerte Hoffnung auf die Forcierung von Unruhen durch die Wirtschaftsblockade56, gerade im Blick auf die iranischen Parlamentswahlen im Juni 2013 Jahr, ist vermutlich trügerisch. Dem Westen wird es schwerlich gelingen, die Kritik der iranischen Öffentlichkeit von den Wirtschaftssanktionen, unter denen die Iraner leiden, auf das Atomprogramm zu lenken, auf das sie stolz sind. Summa summarum bergen all diese Maßnahmen die Gefahr, das Gegenteil des Beabsichtigten zu bewirken; jede macht die iranische Bombe wahrscheinlicher.

Hier zeigt sich nun die Verkehrung der politischen Vernunft aus einer anderen Perspektive: Der sicher geglaubte Besitz der Nuklearwaffe würde den iranischen Staat vor einem Angriff der USA schützen, er würde ihn aber in der Region gefährden, weil benachbarte Rivalen vermutlich genau das täten, was die Iraner zu tun den Verdacht erregen. Saudi-Arabien hatte bereits 2009 für diesen Fall die nukleare Nachrüstung angedroht.57 Die Konsequenzen wären katastrophal: Die Saudis würden den Atomwaffensperrvertrag verlassen und mit ihnen vermutlich alle übrigen Regionalmächte. Die Amerikaner wären weder in der Lage, die Entstehung eines nuklearen Bedrohungsgeflechts zu verhindern noch diesem Stabilität zu verleihen. Andererseits dürfte bereits die Unterstellbarkeit einer iranischen Absicht, Nuklearwaffen zu bauen, bei nachgewiesener technologischer Kompetenz dafür hinreichen, die politische Vernunft der Amerikaner einzuklagen und von ihnen Garantien für den Verzicht auf einen Regimewechsel einzufordern. Eine Proliferation von Nuklearwaffen am Golf würde unterbleiben. Fraglich ist allerdings, ob die USA zu Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Obama der Verlockung wiederstehen können, den syrischen Bürgerkrieg als Waffe gegen den Iran einzusetzen, statt letzteren (gemeinsam mit Russland) zur Lösung des ersteren zu engagieren, das bilaterale Verhältnis damit zu entspannen und die Kriegsgefahr in Nahen Osten zu mindern.

 

Anmerkungen

1          Christoph Ehrhardt, Bärtig, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.8.12.

2          Mona El-Ghobashy, Egyptian Politics Upended, August 20, 2012, in: Middle East Research and Information Project, http://www.merip.org/mero/mero082012.

3          David D. Kirkpatrick, Keeper of Islamic Flame Rises as Egypt’s New Decisive Voice, New York Times, 12.3.12; Rainer Hermann, Ein gebrochenes Versprechen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.4.2012.

4          Sayyid Qutb, „The America I Have Seen“: In the Scale of Human Values, in: Kamal Abdel-Malek (Hg.), America in an Arab Mirror. Images of America in Arabic Travel Literature, New York 2000, 9–27.

5          Albert J. Bergesen, Qutb’s Core Ideas, in: ders., The Sayyid Qutb Reader. Selected Writings on Politics, Religion, and Society, New York and London 2008, 16.

6          Francis Robinson, Other-Worldly and This-Worldly Islam and the Islamic Revival, in: Journal of the Royal Asiatic Society, Series 3, 14, 1, 2004.

7          Sayyid Qutb, The Islamic Concept and its Characteristics, Chapter 1.

8          Siehe Sayyid Qutb, Milestones, New Delhi 2001, 61, 63; vgl. Yvonne Yazbeck Haddad, The Qur’anic Justification for an Islamic Revolution: The View of Sajjd Qutb, in: The Middle East Journal, vol. 37, no. 1, Winter 1983, 22ff.

9          Qutb, Milestones, 75f.

10        Jaafar Sheik Idris, Is Man the Vicegerent of God?, in: Journal of Islamic Studies 1, 1990.

11        Ahmed S. Hashim, The Egyptian Military, Part One: From the Ottomans through Sadat, Middle East Political Council, Vol. XVIII, No. 3, Fall 2011, 63ff.

12        A. I. Dawisha, Egypt in the Arab World. The Elements of Foreign Policy, London, Basingstoke 1976, 90.

13        Für die Termini Akkulturalisten, Normativisten und Neonormativisten siehe Yvonne Yazbeck Haddad, The Islamic Alternative, in: The Link, vol. 15, no. 4, September/October 1982, 4ff.; und dies., The Qur’anic Justification, 15ff.

14        Haddad, The Islamic Alternative, 7.

15        Bergesen, Qutb’s Core Ideas, 5f.

16        El-Ghobashy, Egyptian Politics Upended.

17        http://www.amcham.org.eg/events_activities/events/details/Default.asp?ID=510&P=1.

18        J. J. Goldberg, Report Seeks To Erase Occupation, The Jewish Daily Forward, 13. Juli 2012, http://forward.com/articles/159262/report-seeks-to-erase-occupation/?p=all; Nadav Shragai, The Edmond Levy revolution, Israel Hayom, 13. Juli 2012, http://www.israelhayom.com/site/newsletter_article.php?id=5042.

19        Die Blogs, auf die ich mich beziehe, wobei ich eigene Überlegungen anschließe und der Argumentation auch nicht überall folge, sind: Noam Sheizaf, It’s not about peace: http://www.promisedlandblog.com/?p=2259, ders., Direct negotiations: Recipe for prolonging the occupation: http://972mag.com/direct-negotiations-the-recipe-for-prolonging-the-occupation/35308/, ders., Ending the occupation: No way around direct pressure on Israel: http://972mag.com/ending-the-occupation-no-way-around-direct-pressure-on-israel/40025/, ders., One or two states? The status quo is Israel’s rational choice, in: http://972mag.com/one-or-two-states-the-status-quo-is-israels-rational-third-choice/39169/.

20        U.S., Jordan urge Abbas to refrain from threats to dismantle Palestinian Authority, Haaretz, 12. März 2012, http://www.haaretz.com/misc/article-print-page/u-s-jordan-urge-abbas-to-refrain-from-threats-to-dismantle-palestinian-authority-1.417968?trailingPath=2.169%2C2.240%2C2.371%2C; Palestinians deliver letter from Abbas to Israel’s Netanyahu, Washington Post, 17. April 2012, http://www.washingtonpost.com/world/middle_east/palestinians-deliver-letter-from-abbas-to-israels-netanyahu/2012/04/17/gIQAtTHmOT_story.html.

21        Alan Dershowitz: Israel should propose settlement freeze to restart peace talks, Haaretz, 4. Juni 2012, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/alan-dershowitz-israel-should-propose-settlement-freeze-to-restart-peace-talks-1.434397.

22        Chemi Shalev, Abbas adopts ‚Dershowitz‘ Formula’ for resuming talks with Israel, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/abbas-adopts-dershowitz-formula-for-resuming-talks-with-israel.premium-1.466794.

23        The Economic Protocol – 1994. Veröffentlicht in Arie Arnon et al., The Palestinian Economy. Between Imposed Integration and Voluntary Separation, Leiden, New York, Köln 1997, 239ff., online auch unter http://www.nad-plo.org/userfiles/file/Document/ParisPro.pdf. Der Wirtschaftsraum Israel und Palästina hat den Charakter einer Zollunion. Dies entsprach der Maßgabe von Premierminister Rabin, der das Alternativmodell einer Freihandelszone ablehnte. Letzteres hätte die Festlegung von Grenzen zwischen den Partnern der Freihandelszone erforderlich gemacht – was Rabin aus naheliegenden Gründen nicht wollte, die Palästinenser derselben Gründe wegen sehr wohl, weshalb sie ursprünglich einer Freihandelszone den Vorzug gaben. Siehe dazu Arnon et al., The Palestinian Economy, 107–116.

24        Markus Dreßler, Die alevitische Religion, Würzburg 2002, 10, gibt den Bevölkerungsanteil mit 20 % an, im Jahre 2008 dann aber mit 15 % (Religio-Secular Metamorphoses: The Re-Making of Turkish Alevism, Journal of the American Academy of Religion, Vol. 76, No. 2, June 2008, 281).

25        Dreßler, Die alevitische Religion, 257.

26        Dreßler, Re-Making of Turkish Alevism, 283ff.

27        Udo Steinbach, Geschichte der Türkei, München 2010, 113.

28        Diese kluge Zurückhaltung hat ihr Vorbild in der Entscheidung König Husseins von (Trans-)Jordanien aus dem Jahre 1988, alle Ansprüche auf die Westbank (Cisjordanien) aufzugeben. Er tat dies vor dem Hintergrund der im Jahr zuvor ausgebrochenen ersten Intifada, deren Übergreifen auf Transjordanien er befürchten musste.

29        Zvi Bar’el, Turkish attack on Syria may play into Assad’s hands, Haaretz, 4.10.12, http://www.haaretz.com/misc/article-print-page/turkish-attack-on-syria-may-play-into-assad-s-hands.premium-1.468251?trailingPath=2.169%2C2.216%2C2.295%2C.

30        Siehe Nikolas K. Gvosdev, No switching sides in sight, Al Ahram, 5–11 July 2012, Issue No. 1105, http://weekly.ahram.org.eg/2012/1105/sc122.htm.

31        Mahjoob Zweiri et al., Fragile States and the Democratization Process: A New Approach to Understanding Security in the Middle East, EuroMeSCo Paper, November 2008, 18.

32        Für das baathistische Dreieck siehe: Curtis Ryan, The New Arab Cold War and the Struggle for Syria, in: Middle East Research and Information Project, Nr. 262, Spring 2012; für das nachbaathistische Dreieck siehe Fouad Ajami, Stress in the Arab Triangle, in: Foreign Policy, No. 29, Winter 1977/1978, 90–108; Gawat Bahgat, Nuclear Proliferation. The Case of Saudi Arabia, Middle East Journal, vol. 60, 3, 2006, 429; für den Golfkooperationsrat siehe Mehran Kamrava, The Arab Spring and the Saudi-Led Counterrevolution, Orbis 56/1l, 2012, 96–104.

33        Dawisha, Egypt in the Arab World, 46f., 149.

34        Akiva Eldar, Days of awe, days of war, Haaretz, 8. Oktober 2000.

35        „Yesterday’s ideologues were now dependent on the good will of the oil states“, Ajami, 101. Wichtig war bereits die Karthumkonferenz der Arabischen Liga vom August 1967, die diesen Politikwechsel einleitet. Dazu Dawisha, Egypt in the Arab World, 52ff.

36        Fred Halliday, A Curious and Close Relation: Saudi Arabia’s Relations with the United States, in: Tim Niblock (ed.), State, Society and Economy in Saudi Arabia, London 1982, 132.

37        Zvi Bar’el, CIA’s favorite Saudi prince is laying the groundwork for a post-Assad Syria, Haaretz, 25.7.2012.

38        Curtis Ryan, The New Arab Cold War and the Struggle for Syria, Merip 262.

39        Andrew Hammond, Saudi Gulf union plan stumbles as wary leaders seek detail, Reuters, 17. Mai 2012.

40        Neil MacFarquhar, Saudi Arabia Scrambles to Limit Region’s Upheaval, New York Times, 27. Mai 2011.

41        Israel and Iran. A Dangerous Rivalry, RAND National Defense Institute, Santa Monica 2011, 55.

42        Dazu Yoav Ben-Horin, Barry Posen, Israel’s Strategic Doctrine, Santa Monica 1981.

43        Dan Diner, Zwischen den Zeiten. Die Gründung des Staates Israel als Ergebnis unvorhergesehener historischer Umstände, Neue Zürcher Zeitung, 10.5.2008.

44        Avner Cohen, Israel and the Bomb, New York 1998, 9ff.

45        Siehe dazu Uzi Dayan, Dore Gold et al., Israel’s Critical Security Requirements for Defensible Borders. The Foundation for a Viable Peace, Jerusalem 2011.

46        Zum Gesamtkomplex: Trita Parsi, Israel and the Origins of Irans’s Arab Option: Dissection of a Strategy Misunderstood, Middle East Journal, Bd. 60/3, Summer 2006, 493ff., insbes. 495–497; Coping with a Nuclearizing Iran, RAND National Defense Institute, Santa Monica 2011, 5.

47        Zur Weißen Revolution siehe Ervand Abrahamian, A History of Modern Iran, Cambridge UK 32012, 123ff.

48        Man kann fragen, ob der Zionismus wirklich in diese Kategorie (der demokratischen Mobilisierung einer traditionalen indigenen Bevölkerung) fällt, denn historisch war er ein westliches Projekt europäischer Einwanderer. Allerdings interessiert hier dessen Durchsetzung gegenüber den ins Land gebrachten Mizraim, also (mehrheitlich) arabischen Juden.

49        Steinbach, Geschichte der Türkei, 26.

50        Hierzu die Vorlesungen und Aufsätze von Ali Shari’ati, On the Sociology of Islam, übers. v. Hamid Algar, Oneonta 1979.

51        Zu Ali Schariati siehe Abrahamian, A History, 143–146; Sandra Mackey, The Iranians. Persia, Islam and the Soul of a Nation, New York 1998, 264–265.

52        Coping with a Nuclearizing Iran, 8.

53        Glenn Kessler, 2003 Memo Says Iranian Leaders Backed Talks, The Washington Post, 14. Februar 2007; Trita Parsi, Treacherous Alliance. The Secret Dealings of Israel, Iran, and the U.S., New Haven, London 2007, 341ff.

54        In seiner State of the Union Address vom 29. Januar 2002.

55        U.S. strike on Iran could lead to all-out Mideast war, experts say, Haaretz 13.09.2012, http://www.haaretz.com/news/middle-east/u-s-strike-on-iran-could-lead-to-all-out-mideast-war-experts-say-1.464670.

56        Ari Shavit, A grave warning on Iran from ‚the decision maker‘, Haaretz, 11. August 2012. Bei der hier im Interview geheimnisvoll „Entscheidungsträger“ genannten Person handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Ehud Barak.

57        Chemi Shalev, Dennis Ross: Saudi king vowed to obtain nuclear bomb after Iran, Haaretz, 30.5.2012, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/dennis-ross-saudi-king-vowed-to-obtain-nuclear-bomb-after-iran-1.433294.

 

Dr. Veit Friemert, Philosoph, Berlin

aus: Berliner Debatte INITIAL 23 (2012) 4, S. 50-66