Ein katastrophales Klima

Hefteditorial iz3w 340 (Januar/Februar 2014)

Am 8. November traf der Taifun Haiyan die Ostküste der Philippinen mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 380 Kilometern pro Stunde. Zurück blieben eine zerstörte Infrastruktur, über drei Millionen Obdachlose und tausende Tote. Nicht nur auf den Philippinen, wo über die Hälfte der Menschen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen muss und die Häuser dementsprechend billig gebaut sind, hätte ein solcher Sturm verheerende Auswirkungen gehabt.

 

An Nothilfemaßnahmen, auch unter Beteiligung von AkteurInnen aus dem Norden, geht derzeit auf den Philippinen kein Weg vorbei. Jedes Menschenleben, das gerettet oder ein kleines bisschen erträglicher gemacht werden kann, spricht dafür. Dennoch ist auch bei dieser Katastrophe erschreckend, wie sehr sich bei den Hilfsaktionen die globalen Machtverhältnisse spiegeln, ähnlich wie schon beim Erdbeben in Haiti. Nach dem Taifun war in den hiesigen Medien unisono zu vernehmen: Hilfeleistungen sind stark erschwert, weil die Infrastruktur mangelhaft ist und die philippinischen Behörden bürokratisch und unfähig sind. Der Subtext war überdeutalich: Die Filipinos sind unfähig, diese Katastrophe zu bewältigen, daher brauchen sie uns, damit sie lernen, wie das geht. Im heute-journal beispielsweise durfte sich der Geschäftsführer der deutschen Hilfsorganisation Humedica ernsthaft darüber echauffieren, dass die entsandten ÄrztInnen bei der Einreise in Manila ihre Approbationen vorlegen mussten.

Binnen Jahresfrist werden viele Sturmopfer vergessen sein, die internationale Gemeinschaft und die an möglichst spektakulären Bildern und Geschichten interessierten Medien werden sich kaum mehr um die BewohnerInnen der Zeltlager scheren, die vielerorts zur Dauerbehausung werden. Auch eine sinnvolle Katastrophenprävention lässt sich medial kaum zum Verkaufsschlager stilisieren. Die Zahl der Toten nach einer Naturkatastrophe hat mehr Einfluss auf die Spendenbereitschaft als die Zahl der Überlebenden, so jedenfalls steht es in einer Studie der Rotterdam School of Management, die im Wissenschaftsmagazin Psychological Science veröffentlicht wurde. Die Zahl der Überlebenden von Katastrophen hatte hingegen keinen Einfluss auf die Spendenhöhe.

 

Niemand kann derzeit genau beweisen, dass die außergewöhnlich große zerstörerische Wucht von Haiyan eine unmittelbare Folge des Klimawandels ist. Noch weniger aber kann das Gegenteil bewiesen werden: Dass die Häufigkeit und die Schwere der vielen extremen Wetterereignisse in jüngerer Zeit nicht auf den Klimawandel zurückgehen.

 

Der Tropensturm entfaltete seine zerstörerische Wirkung kurz vor Beginn des Weltklimagipfels in Warschau und wurde dort zum Auftakt das beherrschende Gesprächsthema. Zum ersten Mal bei einer solchen Konferenz wurde eine solche Katastrophe als Folge verfehlter Klimapolitik ausbuchstabiert. Denn auch der jüngste Bericht der Weltklimarats IPCC stellt die Fragen um den Klimawandel als nunmehr mit Sicherheit geklärt so dar: Der Mensch ist für den Anstieg des Weltklimas voll verantwortlich. Ließe sich der Temperaturanstieg bis zur Jahrhundertwende auf zwei Grad Celsius begrenzen, so könnte das die größten Risiken des Klimawandels abwenden. Derzeit wird ein Anstieg von 3,5 Grad prognostiziert. Die Folgen sind unter anderem eine dramatische Erhöhung des Meeresspiegels und die Erwärmung und Versauerung der Ozeane. Ebenso ist der Anstieg von Extremwetterereignissen wie Haiyan eine Auswirkung.

 

Yeb Sanio, der philippinische Delegierte beim Klimagipfel, erregte weltweit Aufmerksamkeit, als er in seiner Rede ankündigte: »Aus Solidarität mit meinen Landsleuten, die um Nahrung ringen, werde ich während der Klimakonferenz so lange nichts essen, bis wir ein Ergebnis bei den Gesprächen hier erreicht haben.« Solidarität erfuhr er vor allem von den Delegierten aus anderen Ländern des Südens. Sie wissen, dass der Klimawandel vor allem im Norden produziert wird und die katastrophalen Folgen im Süden erlitten werden. Doch das hielt auch in Warschau AkteurInnen aus dem Norden nicht davon ab, sich als Retter, als »Club der Energiewende-Staaten« aufzublasen.

Nichts ist unberechtigter als das. Der Weltklimarat stellt zwar die Energiewende als technisch und politisch machbar dar: Die EU könnte 2014 ambitionierte Ziele zur Treibhausgasreduktion, für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz festlegen. Aber wenn es konkret wird, dann kneifen die maßgeblichen Staaten, wie zum Beispiel Deutschland. Die Große Koalition bremst jetzt erstmal das Tempo bei der Umstellung auf die Erneuerbaren Energien, sie will damit die Kosten »auf einem vertretbaren Niveau stabilisieren«. In Nordrhein-Westfalen will Ministerpräsidentin Hannelore Kraft keine Kohlegruben schließen. Umweltminister Peter Altmaier sabotiert derweil auf EU-Ebene strengere Abgasvorschriften für (deutsche) Automobile. Durch die Presse ging er mit Sätzen wie »Deutschland steht zu seinen Klimazielen.«

 

Solange solche Heucheleien unwidersprochen durchgehen, solange gibt es nicht die geringste Berechtigung, sich über philippinische Behörden zu erheben, findet

 

die redaktion