Gentech-Risikoforschung: Das Zweifeln nimmt kein Ende

Séralini-Artikel zurückgezogen

Die Redaktion des Fachmagazins, in dem vor mehr als einem Jahr der umstrittene, gentechnik-kritische Artikel von Séralini und KollegInnen erschienen ist, hat die Veröffentlichung zurückgezogen und damit die Diskussion um die Rolle der Wissenschaft bei der Beurteilung gentechnisch veränderter Organismen

Mehr Infos: www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/221

Der im September 2012 veröffentlichte, wissenschaftliche Artikel „Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize“ des französischen Molekularbiologen Gilles-Eric Séralini und seiner KollegInnen, der erhebliche Zweifel an der Sicherheit gentechnisch veränderter Organismen (GVO) geltend macht, ist von der Redaktion des Fachmagazins Food and Chemical Toxicity (FCT) zurückgezogen worden. Als Begründung werden „many concerns about the quality of the data“, also Zweifel an der Qualität der Daten genannt. In einem Schreiben an Séralini, das dem GID vorliegt, hatte die Redaktion der Fachzeitschrift den AutorInnen des Artikels zuvor nahegelegt, den Beitrag selbst zurückzuziehen - das hatte Séralini abgelehnt. Er zieht im Gegenteil nun in Erwägung, gerichtlich gegen die Redaktion vorzugehen.

Argumente gegen den Rückzug

Bekanntlich war es unmittelbar nach der Veröffentlichung des Artikels im September 2012 weltweit zu vehementen Diskussionen über die Sicherheit von GVO und der in vielen Fällen mit ihnen korrespondierend eingesetzten Unkrautvernichtungsmittel gekommen.(1) Schon damals waren die Qualität der Untersuchung, deren Ergebnisse und die daraus gezogenen Schlüsse diskutiert worden. Nun sind erneut Streitigkeiten entbrannt, in deren Zentrum die Frage steht, ob der Rückzug des Artikels gerechtfertigt ist oder nicht.

Gegen den Rückzug werden derzeit drei Argumente ins Feld geführt: Zum einen verletze die Redaktion die von ihr akzeptierten Regeln für den Rückzug von Fachartikeln. Nach dem internationalen Regelwerk des Committee on Publication Ethics (COPE) sei dies nur dann möglich, wenn ein Plagiat vorliege, wenn Ergebnisse einer Untersuchung eindeutig nicht korrekt seien oder wenn nachgewiesen werde, dass es sich um unethische Forschung gehandelt habe. Keine dieser Voraussetzungen für den nachträglichen Rückzug eines Artikels läge im Fall der Séralini-Veröffentlichung vor.

Anstoß nehmen KritikerInnen des Rückzugs auch an einer der Begründungen: In ihrem Schreiben hatte die FCT-Redaktion unter anderem argumentiert, die Ergebnisse der Untersuchung von Séralini und KollegInnen seien nicht schlüssig („inconclusive“). Das ENSSER-Netzwerk für Verantwortung in der Wissenschaft macht in einer Stellungnahme darauf aufmerksam, dass schlüssige („conclusive“) Ergebnisse in der Wissenschaft selten seien. Vor allem aber sei es nicht Aufgabe eines Redakteurs in Kooperation mit einer - mit unbekannten Personen besetzten - Gruppe, auf der Basis nicht genannter Kriterien und Methoden darüber zu entscheiden, was schlüssig ist und was nicht. Werde ein derartiges Vorgehen von der Wissenschaft akzeptiert, so warnt das ENSSER-Netzwerk, sei es mit ihrer Unabhängigkeit vorbei.

Zum dritten wird - wie schon in den Diskussionen direkt nach der Veröffentlichung im vergangenen Jahr - betont, dass Séralinis Studie strenger bewertet werde als viele Untersuchungen, die von Seiten der Gentech-Industrie vorgelegt worden seien. Das ist möglicherweise kein Zufall: Mitglied der FCT-Redaktion ist seit einigen Monaten der ehemalige Monsanto-Mitarbeiter Richard Goodman. Auf die Kritik an seiner Berufung reagierte Goodman mit einer Stellungnahme zu seiner Rolle in der Redaktion - auf einer Internetseite, die von der Biotech-Industrie finanziert wird.(2)

Christof Potthof ist Mitarbeiter des GeN und Redakteur des GID.

Fußnoten:

(1)  Zu der Veröffentlichung und der daran anschließenden Diskussion vgl. den Schwerpunkt „Séralini et al. - Forschung schlägt hohe Wellen“ im GID Nr. 216 vom Februar dieses Jahres.

(2)  Nach Darstellung von Goodman ist er „Associate Editor to handle the review process for manuscripts related to biotechnology“ in der Redaktion der Zeitschrift. Die Internetseite, auf der er sich zu seiner Rolle in der FCT-Redaktion äußert, wird vom Council for Biotechnology Information finanziert, dem die Unternehmen BASF, Bayer CropScience, Dow AgroSciences, DuPont, Monsanto Company und Syngenta angehören. Goodmans Stellungnahme im Netz unter www.gmoans wers.com oder www.kurzlink.de/gid221_r.

Quellen:

Brief der FCT-Redaktion an Séralini vom 19.11.13

ENSSER-Stellungnahme vom 29.11.13, www.ensser.org

Offener Brief ISIS, 04.12.13, www.i-sis.org