Biene Maja ohne Milben?

Bienen sind eine recht populäre Insektenart. Zumal die Westliche Honigbiene hat es dank ihres süßen goldgelben Produkts, das auf den meisten Frühstückstischen zum Standard gehört, zu erheblicher allgemeiner Beliebtheit gebracht. Nach dem literarischen Welterfolg der „Biene Maja und ihrer Abenteuer“ (1912) von Waldemar Bonsels und dem bekannten tschechischen Schlagerhit von Karel Gott sind längst auch die Theater-Bühnen und die Musical-Industrie auf den fliegenden Vegetarier aufmerksam geworden. In Deutschland betätigt sich jeder tausendste Bürger als Imker. Die Zahl der von ihnen gehaltenen Bienenvölker liegt bei etwa einer Million.
Natürlich sind Bienen auch Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen. Die weltweit etwa 20.000 verschiedenen Arten bieten Stoff ohne Ende und angesichts der ökologischen Bedeutung der Biene als Bestäuber und damit auch Erhalter von Wild- und Kulturpflanzen ist ihre Erforschung zweifellos alles andere als nebensächlich. Doch nun ist eine einzigartige Studie erschienen, die uns mit überraschenden neuen Informationen über das „Summ, summ, summ“-Tierchen beglückt und möglicherweise sogar das schwedische Nobelpreis-Komitee interessieren könnte, wenn man dem Ergebnis denn trauen könnte. Wir verdanken diese neue „Erkenntnis“ einer 18-jährigen Schülerin aus Niedersachsen, die sich die durchaus löbliche Frage stellte, was denn der Mensch für die Gesundheit der Bienen tun könnte. Sie interessierte sich besonders für die Varroamilbe, einen von Imkern gefürchteten Parasiten, der zu seuchenartigem Bienensterben führt. Die von der Milbe ausgelöste Bienenkrankheit Varroose ist in Österreich sogar anzeige- und in der Schweiz meldepflichtig. So hatte unsere Abiturientin sich also ein gutes Ziel gesetzt.
Natürlich gibt es bereits eine ganze Palette von Maßnahmen gegen die gefährliche Bienenkrankheit. Dem wollte die Schülerin offenbar Neues hinzufügen und versuchte es mit einem homöopathischen Mittel. Wissenschaftlich ausgebildete Berater hätten ihr vielleicht schon bei diesem Entschluss den Hinweis geben können, dass sich der Aufwand nicht lohnen würde, da der Homöopathie wissenschaftliche Annahmen zugrunde liegen, die noch nie bewiesen werden konnten. Der Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) hatte ab 1796 damit begonnen, Grundsubstanzen zu potenzieren, das heißt wiederholt mit Lösungsmitteln zu verschütteln oder mit Zucker zu verreiben. Das geschieht meist im Verhältnis 1:10 oder 1:100 und führt dazu, dass bei mehrfacher Wiederholung des Vorganges in dem Endprodukt, eben dem homöopathischen Präparat, keinerlei Bestandteile des ursprünglichen „Wirkstoffes“ der Grundsubstanz mehr enthalten sind. Dass dennoch eine Heilwirkung zu erwarten sei, begründete Hahnemann mit einer „im innern Wesen der Arzneien verborgenen, geistartigen Kraft“, die dann zum Tragen komme. Totaler Humbug, würden wir heute im Lichte gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse sagen.
Die Jungforscherin wollte es trotzdem an Bienen ausprobieren. Also bitte! So fütterte sie rund ein Jahr lang drei Bienenvölker mit einem Gemisch ihres Präparates „T100“ mit Zuckerwasser und gleichzeitig drei weitere Bienenvölker nur mit Zuckerwasser. Jeden vierten Tag zählte sie nun die toten Milben, die aus den Bienenstöcken gefallen waren. Und zu welchem Schluss gelangte sie nach dem Ende des Experiments? „Das homöopathische Präparat kann Vitalität und Abwehrkraft der Bienen tatsächlich stärken“. Nun könnte man dieses Resultat unbeachtet als vermutlichen Fehlschlag beiseite tun. Auf einen Anhänger der Homöopathie mehr oder weniger kommt es nun wahrlich nicht mehr an, nachdem heute jeder vierte Deutsche zu den Befürwortern homöopathischer Heilmethoden gerechnet wird. Doch unsere Abiturientin reichte die Arbeit bei „Jugend forscht“ ein, dem renommierten Wettbewerb für naturwissenschaftliche und technische Arbeiten junger Leute.
Erst jetzt beginnt der eigentliche Skandal: sie wurde nämlich mit ihrem opus zu einem der sieben Sieger des Landes Niedersachsen gekürt. Nachdem das bekannt wurde, meldeten sich umgehend kritische Kommentatoren. Der Biologe Dr. Erich Eder von der Universität Wien erklärte, dass man mit einer so kleinen Gesamtheit von nur je drei Bienenvölkern und über einen so kurzen Zeitraum von nur einem Jahr keine aussagekräftigen Ergebnisse erzielen könne. Die wissenschaftlichen Vorhaben zur Zucht resistenter Bienenvölker erstrecken sich regelmäßig über mehrere Jahrzehnte unter Einbeziehung tausender Völker. Die Signifikanz der Resultate lässt sich mangels konkreter Zahlenangaben nicht beurteilen. Selbst das verwendete Mittel „T100“ bleibt diffus. Unter den homöopathischen Standardmitteln kommt es jedenfalls nicht vor. Die Berichte über die Arbeit geben auch keinerlei Auskunft darüber, ob das Experiment als Blindversuch durchgeführt wurde, bei dem der Experimentator selbst nicht weiß, welche der Proben er gerade vor sich hat. Dieses in der medizinischen Forschung notwendige und übliche Verfahren soll ausschließen, dass Erwartungshaltungen des Experimentators die Ergebnisse beeinflussen.
Der Wissenschaftliche Beirat der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) wendete sich deshalb im Juli 2015 an die „Stiftung Jugend forscht e.V.“, legte die bereits aus dem bekannten Kurzbericht über die Arbeit in der Projektdatenbank von „Jugend forscht“ ersichtlichen methodischen Schwächen dar und verlangte die vollständige Versuchsdokumentation zur Einsicht. In dem Schreiben heißt es unter anderem: „Die wissenschaftliche Methodik hat das Ziel, verlässliche Erkenntnisse von bloßen Behauptungen zu unterscheiden. Wir wünschen uns, dass diese Forschungsweise auch und vor allem der engagierten Jugend vermittelt wird.“ Doch der Geschäftsführer von „Jugend forscht“, Herr Dr. Sven Baszio, scheint das Anliegen des Schreibens nicht richtig verstanden zu haben. Er könne nicht nachvollziehen, hieß es in seiner Antwort vom 29. Juli, „dass eine junge Frau nur deshalb nicht gefördert werden soll, weil sie ein kontroverses Thema aufgreift“. Die Jungforscherin habe ihre Arbeit vorurteilsfrei ausgeführt, das Echo auf ihre Arbeit nähme er nicht in jeder Hinsicht so wahr. Die GWUP gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und fragte nach, wie bei „Jugend forscht“ eigentlich geprüft werde, ob die angewendete Methodik zur aufgeworfenen Forschungsfrage passt und welche Maßnahmen „Jugend forscht“ ergreift, um Jungwissenschaftler mit wissenschaftlichen Standards vertraut zu machen und wie man dort sicher stellt, dass diese Standards auch eingehalten werden. Immerhin lesen wir auf der Website von „Jugend forscht“: „Voraussetzung für eine adäquate Bearbeitung ist die gründliche Recherche, um den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend zu berücksichtigen, um auf diesem aufbauen zu können.“
Recht so, doch genau dies scheint die Bienenforscherin nicht getan zu haben. Und keiner von den Betreuern oder Juroren hat es bemerkt? Andere kritische Briefe an die Stiftung wurden nichtssagend und ausweichend beantwortet. Man bitte um Verständnis, „dass die Bundesjury im Nachgang des Wettbewerbs keine Stellungnahme zu Arbeiten an Dritte abgibt.“ Die Bitte haben wir vernommen, nur können wir sie nicht erfüllen – wir haben kein Verständnis! Bisher ist der Text der preisgekrönten Arbeit weiterhin öffentlich nicht zugänglich und die Namen der Juroren ebenso wenig. Deshalb muss man sich nicht wundern, dass in einschlägigen Blogs drastische Urteile gefällt werden. So wurde bereits gefragt, ob es nächstes Jahr womöglich heißen könnte „Schülerin findet Gold mit Wünschelrute“ oder „Schüler baut in Garage Perpetuum mobile“? Ganz so übertrieben, wie es klingt, ist das allerdings nicht. Für „Akupunktur bei Pflanzen“ hat es immerhin bei „Jugend forscht“ bereits 2009 einen Preis gegeben.