Warum sie fliehen mussten

Editorial zum Dossier der iz3w 356 (Sept./Okt. 2016)

»Flucht geht uns alle an. Sie ist ein Spiegel der Welt, in der wir leben. Wir sind im Jahr 2016, in einer hoch technologisierten Ära der menschlichen Zivilisation. Aber mehr als 65 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Was für eine Art von Entwicklung haben wir erreicht?« Mit diesen Worten verdeutlicht der aus Sri Lanka geflohene Aktivist Krishan Rajapakshe, warum es auch im sicheren Deutschland vonnöten ist, sich mit Fluchtursachen zu befassen.

»Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört« – dieser Slogan der Flüchtlingsorganisationen Karawane und The Voice mag nicht für alle Geflüchteten uneingeschränkt zutreffen, aber er benennt die Mitverantwortung der mächtigen Länder des Nordens. Mittels selbst oder stellvertretend geführter Kriege, durch Rüstungsexporte, Umweltzerstörung oder Ausbeutung sorgen westliche Staaten ganz erheblich mit dafür, dass viele Menschen keine Zukunft mehr am Ort ihrer Herkunft sehen. Ihre Fluchtgründe sind immer triftig, denn »niemand flieht ohne Grund«, wie es ein weiterer Slogan der Refugee-AktivistInnen auf den Punkt bringt.

»Fluchtursachen bekämpfen« – diese Parole ist mittlerweile zwar auch von staatlichen AkteurInnen übernommen worden. Deren Beweggründe liegen manches Mal aber eher in der Flüchtlingsabwehr als in der Hilfe. Das Gebot der Stunde bleibt die Schaffung von menschenwürdigen Verhältnissen weltweit. Darin sind sich die AutorInnen unseres Dossiers über Fluchtursachen einig.

Verteilt über das Dossier finden sich vier Fluchtgeschichten. In ihnen erzählen Geflüchtete wie Krishan Rajapakshe, warum sie ihr Zuhause verlassen mussten. Bebildert wird dieses Dossier mit einer Comic-Reportage, die ebenfalls die Beweggründe für eine Flucht schildert. Gezeichnet hat die Geschichte von Pouya aus Afghanistan Samuel Boeck, ein Student der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Augsburg. Sein Comic entstand im Rahmen eines Projektes zum Thema »Flucht und Asyl«.

Recherchiert haben die Studierenden im Augsburger »Grandhotel Cosmopolis«, einem selbst organisierten Zufluchtsort für Geflüchtete. In dem Gebäude finden sowohl zahlende Hotelgäste in von BewohnerInnen und KünstlerInnen gemeinsam gestalteten Zimmern ihren Platz als auch Geflüchtete. Im Cafébereich fanden die Begegnungen statt, aus denen acht Comics mit unterschiedlichen zeichnerischen und thematischen Ansätzen entstanden. Gedruckt wurden sie in dem liebevoll gestalteten, sehr empfehlenswerten Band »Geschichten aus dem Grandhotel«. Wir danken Samuel Boeck und dem Wißner-Verlag herzlich für die Abdruckerlaubnis.

die redaktion

Mike Loos (Hg.): Geschichten aus dem Grandhotel. Comic-Reportagen von Augsburger Design-Studierenden. Wißner Verlag, Augsburg 2016. 98 Seiten, 12,80 Euro.