Zeit und Raum

Prognosen des globalen Wandels und der Überwindung des Kapitalismus

in (18.01.2019)

Keywords: forecasts, productive forces and relations of production, time-space relations, overcoming of capitalism, transformations of capitalism, globalization, resilience of the nation state

Schlagwörter: Prognose, Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, Wechselbeziehungen zwischen Zeit und Raum, Überwindung des Kapitalismus, Transformationen des Kapitalismus, Globalisierung, Resilienz des Nationalstaats

1   Einleitung

Individuelle und kollektive Annahmen über die nahe wie die fernere Zukunft orientieren ständig unser Handeln im Alltagsleben, in der Politik wie auch in der Wissenschaft. Prognosen beziehen sich im Allgemeinen auf Veränderungen in der Zeit, d.h. wahrscheinliche Entwicklungen in der Zukunft, die von Handlungsstrategien in der Gegenwart abhängen. Weiterhin gehen Entwicklungen in der Vergangenheit in unterschiedlicher Form in unsere Vorstellungen von Zukunft ein – von der Annahme grundlegender Kontinuitäten über Konzepte von sozialem Wandel und die Brüche, die wir uns vorstellen können, bis hin zu den Kategorien, in denen wir Zukunft denken. Dabei wird allerdings häufig übersehen, dass sich im Laufe der Zeit auch die räumlichen Strukturen verändern, die auf die zu prognostizierenden Entwicklungen Einfluss nehmen. Dies gilt etwa für die Prognosen urbanen Wachstums, wenn dieser Wachstumsprozess zu Veränderungen von Wirtschaftsbeziehungen beiträgt, die wiederum die Determinanten des Wachstums verändern. Dieser Prozess kontinuierlicher Wechselbeziehungen zwischen zeitlicher und räumlicher Dynamik hat angesichts der Globalisierung und des Wandels politischer Arenen zu einer gewissen Ratlosigkeit geführt, die beispielsweise in einem Kommentar aus der Frankfurter Rundschau zur zentralen Begleitveranstaltung des Hamburger G20-Gipfels zum Ausdruck kommt:

„Bemerkenswert war, worin sich die Sprecher/innen auf dem Abschlusspodium einig waren: Der Kapitalismus ist am Ende, aber noch gibt es kein neues System, das die Lücke füllen könnte. Dadurch entstehen ein ‘Vakuum’ und viele Unsicherheiten. Es fehlen Utopien und klare Strategien für eine bessere Welt – und das auf allen Seiten, nicht nur bei der Linken!“ (Treu 2017).

Mein Artikel stellt einen Versuch dar, die Ursachen des Fehlens von „Utopien und klaren Strategien“ im Rahmen des angesprochenen Raum-Zeit-Problems und ihrer Komplexität zu analysieren. Schon allein des Umfangs wegen muss ich dabei allerdings an vielen Stellen auf wissenschaftliche Belege verzichten.

Ausgangspunkt ist das Manifest der Kommunistischen Partei (kurz: Kommunistisches Manifest [KM]; Marx & Engels (1977 [1848]), das heute wieder verbreitet auch in nicht-marxistischen Texten zur Globalisierung zitiert wird:

„Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander.“ (Marx & Engels 1977 [1848]: 465f; vgl. ebd.: 459-493).

Bereits 1848 erwarteten Karl Marx und Friedrich Engels eine enorme Entwicklung der Produktivkräfte und damit auch des gesellschaftlichen Reichtums im Kapitalismus, der allerdings aufgrund der Produktionsverhältnisse zur Aneignung des von den ArbeiterInnen produzierten Mehrwerts durch die Eigentümer der Produktionsmittel zu einem sich zuspitzenden Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Arbeiterklasse[1] und zu wachsenden Krisen des Akkumulationsprozesses führen würde. Ihre Prognose der revolutionären Überwindung der Widersprüche kapitalistischer Entwicklung durch eine sozialistische Revolution, die die Voraussetzungen für eine kommunistische Gesellschaftsordnung schafft, beruhte auf einem dialektischen Verständnis der historischen Entwicklung von Gesellschaften, das auf diesem Niveau von Transformationen innerhalb einer Gesellschaftsordnung abstrahierte. In ihren vielfältigen Schriften haben Marx und Engels zwar differenziert die spezifischen Situationen in einzelnen Gesellschaften reflektiert, doch erwarteten sie grundsätzlich, dass die „allseitige Abhängigkeit der Nationen“ zu einer fortschreitenden Annäherung aller Länder an die Strukturen der fortgeschritteneren Gesellschaften führen würde und dass Revolutionen, zwar international miteinander verknüpft, aber doch auf der Ebene von Nationalstaaten stattfänden.

Der Kapitalismus hat sich jedoch im Verlaufe des 20. Jahrhunderts als erheblich anpassungsfähiger erwiesen, als Marx und Engels annahmen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die neomarxistische Diskussion im Westen verstärkt mit dem Wandel und den Bedingungen der Resilienz kapitalistischer Strukturen beschäftigt (etwa mit der Zukunft der Arbeit und der ArbeiterInnenklasse, Informations-/Netzwerkgesellschaft, Reaktion auf ökologische Grenzen usw.). Während diese Diskurse wichtige Beiträge zu den Rahmenbedingungen von post-kapitalistischer Transformation liefern, stehen Prognosen über zukünftige Entwicklungen meist eher im Hintergrund. Damit gerät auch die Bedeutung der Tatsache aus dem Blick, dass sich mit der Entwicklung der Produktivkräfte nicht nur die Widersprüche in ihrer konkreten Ausprägung modifizieren, sondern sich auch die politische Arena verändert, auf der Konflikte um die Transformation von Produktionsverhältnissen ausgetragen werden. Machtstrukturen, die die Chancen und Gefahren zukünftigen Wandels erheblich beeinflussen, wandeln sich, und die Wechselbeziehungen zwischen Zeit und Raum erhalten eine zentrale Bedeutung für Prognosen gesellschaftlicher Transformation.

Für Prognosen post-kapitalistischer Transformation sind vor allem drei Elemente räumlichen Wandels zentral:

  1. Die Transformation formal gleicher Beziehungen zwischen Nationalstaaten in ein Feld ungleicher Entwicklung (vereinfacht: Nord-Süd-Beziehungen);
  2. Prozesse der Zeit-Raum-Kompression, die die Globalisierung beschleunigen und
  3. das Entstehen von Strukturen globaler Politik mit einer wachsenden Vielfalt unterschiedlicher Akteure[2] und Formen globaler Normbildung.

In diesem Zusammenhang verändern sich die räumlichen Dimensionen der Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit ebenso wie die jeweils beteiligten AkteurInnen und deren Beziehungen zueinander.

Um die Möglichkeiten differenzierterer Prognosen zu einem solchen Transformationsprozess auf einer breiteren Grundlage diskutieren zu können, skizziere ich im Abschnitt 2 zunächst unterschiedliche Herangehensweisen an die Entwicklung von Prognosen. Auch wenn es vor allem im Bereich der Futurologie primär um die Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft geht, thematisiere ich damit zugleich die Frage nach der Rolle der Interaktion von Zeit und Raum, – angesichts politisch-gesellschaftlicher Katastrophen wie des Zweiten Weltkriegs und der globalen Umweltproblematik sowie anderer einschneidender Probleme des globalen Wandels (Nord-Süd-Beziehungen, Urbanisierung, Migration). Im Abschnitt 3 stelle ich zentrale Aspekte dieses Zusammenhangs am Beispiel von Global 2000, einer umfangreichen Prognose der voraussichtlichen Auswirkungen des globalen Ressourcenverbrauchs, und anderer Prognosen zur globalen Umweltentwicklung dar. Abschnitt 4 führt zurück auf die Ausgangsfrage post-kapitalistischer Transformation, skizziert die Marx’sche Analyse der Grundstrukturen des Kapitalismus und stellt detaillierter dar, dass auch in der weiteren Diskussion über Perspektiven der Überwindung des Kapitalismus die räumliche Dimension unzureichend berücksichtigt wird. Abschnitt 5 diskutiert die zentralen Tendenzen räumlichen Wandels und Abschnitt 6 die Bedeutung der Migration als einem inhärent räumlichen Phänomen und mit einem engen Bezug zur Transnationalisierung von Gesellschaften. Schlussfolgerungen für die Prognose weltgesellschaftlicher Transformationsprozesse vor dem Hintergrund der räumlichen Transformation vor allem in Bezug auf die Rolle von Territorialstaatlichkeit und die Perspektiven globaler Politik formuliert schließlich Abschnitt 7.

2   Zukünfte

Prognosen, in einem breiten Verständnis „Aussagen über Zukünfte“, stellen zwar zunächst die zeitliche Komponente in den Vordergrund, müssen aber das komplexe Verhältnis von Zeit und Raum in Prozessen gesellschaftlichen Wandels berücksichtigen. Schlaglichtartig wird dies im Phänomen der „ungleichzeitigen Entwicklung“ deutlich: Ähnliche Aspekte gesellschaftlichen Wandels (etwa: Entwicklung bestimmter gesellschaftlicher Institutionen) vollziehen sich in unterschiedlichen globalen Räumen in verschiedenen historischen Zeiten und damit auch unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen und mit unterschiedlichen Konsequenzen. Hier gibt es Anklänge an die Aussagen der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein zur „Relativität der Gleichzeitigkeit“[3].Die Feststellung der „Ungleichzeitigkeit“ hängt allerdings von sozio-kulturell geprägten Wahrnehmungsweisen bzw. theoretischen Konzepten ab (Institutionen, Identitäten, Fortschritt) und ist nicht in naturwissenschaftlichen Zeitkonzepten messbar.

Das betrifft auch die Interaktionen zwischen unterschiedlichen Maßstabsebenen sowohl der Dimension „Zeit“ (einzelne Ereignisse, Tages- und Jahresplanung, Lebenszeit, historische Epochen bis hin zur Erdgeschichte) als auch der Dimension „Raum“ (Nachbarschaft, Gemeinden, Regionen, nationale Territorien, Weltregionen, Welt, Weltraum). Die Beschleunigung vieler Entwicklungen seit der industriellen Revolution (Kompression von Zeit und Raum) – und besonders in den letzten Jahrzehnten (Verkehr, Kommunikation) – hat die Beziehungen zwischen Zeit und Raum grundlegend verändert. Dazu gibt es umfangreiche Diskussionen (s.u., 5.3; als Überblick Rosa 2017).

In der Beschäftigung mit der Zukunft werden verschiedene Perspektiven unterschieden. Jede Aussage über die Zukunft erfolgt notwendigerweise vom gegenwärtigen Standpunkt aus, sodass sich prinzipiell zwei Modalitäten ergeben: einerseits Prognosen, die die voraussichtliche Weiterentwicklung gegenwärtiger Situationen analysieren, und andererseits Utopien/Zukunftsentwürfe, die mögliche zukünftige Situationen entwerfen. In der Literatur wird verbreitet zwischen „gegenwärtiger Zukunft“ und „zukünftigen Gegenwarten“ unterschieden.[4] Im Falle der „gegenwärtigen Zukunft“ wird eine pragmatische Perspektive eingenommen; der künftige Verlauf wird aufgrund vorliegender Daten erfahrungswissenschaftlich vorausberechnet bzw. extrapoliert und bildet oft die Grundlage für die Entwicklung von Handlungsstrategien (Planung). Dabei zeigt sich, dass man bestimmte Ereignisse sehr genau vorausberechnen kann, zum Beispiel die Flugbahnen von Himmelskörpern (zumindest für einige Tausend Jahre, vgl. Wikipedia „Bahnbestimmung“) oder das Schwingen eines Pendels, während andere Bereiche, wie das Wetter, ein chaotisches Verhalten zeigen.

Häufig verwenden Prognosen mathematisch-statistische Verfahren zur Extrapolation empirisch beobachteter Reihen in die Zukunft aufgrund von Regelmäßigkeiten, die aus den Vergangenheitswerten ermittelt wurden, auf der Basis spezifischer Funktionen (lineare, exponentielle Trends). Dies geschieht etwa zur Prognose von Bevölkerungswachstum, Ressourcenverbrauch, Industrieproduktion etc. Schwieriger wird die Anwendung mathematischer Verfahren, wenn die Zusammenhänge zwischen Variablen aufgrund strukturverändernder Innovationen bzw. Katastrophen nicht einer stetigen Funktion folgen. Die Idee der Bifurkation, also Alternativen zukünftiger Entwicklung als Folge solcher Einschnitte, lässt sich durch mögliche alternative Reaktionen auf eine entsprechende Krise darstellen. Auf der Basis einer solchen Antizipation wahrscheinlicher Alternativen können Szenarien entwickelt werden, d.h. Beschreibungen alternativer zukünftiger Situationen sowie Wege, die zu diesen zukünftigen Situationen führen. Der Antizipation sind allerdings Grenzen gesetzt, wenn man in einem konstruktivistischen Verständnis berücksichtigt, dass in jeder historischen Situation die „Ordnung der Dinge“ dem Denkbaren Grenzen setzt (Foucault 1971 [1966]; s. auch Lemke 1997).

Gesetzmäßigkeiten im positivistischen Sinne (in einem jeweils definierten Rahmen historisch invariante Ursachen-Folgen-Hypothesen) implizieren per definitionem Prognosen, weil sie auf der Grundlage von empirischen Analysen einer geringeren oder größeren Zahl von Fällen postulieren, dass unter bestimmten Bedingungen vorhersehbare Folgen zu erwarten sind. Als Beispiele sei auf viele Arbeiten zu den Bedingungen und Krisen von Demokratie verwiesen oder auf die These der Wahrscheinlichkeit von Aufständen und Umstürzen unter den Bedingungen der „relativen Deprivation“ (s. Gurr 1970).

Diese Ansätze, bei denen es um die Konstruktion (häufig: Berechnung) zukünftiger Entwicklungen auf der Grundlage gegenwärtiger Entwicklungstendenzen geht, wurden meist im Hinblick auf spezifische Variablen und Planungen mit dem Ziel entwickelt, Interessen von bestimmten sozialen AkteurInnen zu befördern. Sie unterscheiden sich nicht grundsätzlich von Analysen, auf deren Grundlage (verbindliche oder indikative) staatliche Pläne entwickelt werden. Dabei wird als Ziel ideologisch das „Wohl der Gesellschaft“ behauptet; meist lässt sich aber die Verfolgung dominanter Interessen identifizieren. Auch eine kapitalismuskritische Analyse wird sich zur Prognose einzelner Entwicklungstendenzen dieses Handwerkszeugs bedienen.

Ein völlig anderes Bild ergibt sich im Falle des Entwurfs „zukünftiger Gegenwarten“. Hier wird bewusst ein Gegenentwurf zur jeweils vorherrschenden Realität angestrebt. Utopien sind „Nicht-Orte“. Der Begriff beruht auf dem altgriechischen οὐ (ou) „nicht-“ und τόπος (tópos) „Ort“. Die mit Utopie beschriebene fiktive Gesellschaftsordnung ist meist positiv; so bezeichnet eine „Konkrete Utopie“ (Ernst Bloch) einen „Zustand nach einer real möglichen Gesellschaftsveränderung“. Max Horkheimer versteht Utopie als „die Kritik dessen, was ist, und die Darstellung dessen, was sein soll“ (Horkheimer 1986: 186). Eine pessimistische Beschreibung einer zukünftigen Gegenwart wird als Dystopie bezeichnet (etwa Georgs Orwells 1984 und Aldous Huxleys Brave New World, häufig auch im Bereich von Science Fiction). Meist werden Dystopien in der normativen Perspektive geschrieben, derartige Zustände zu verhindern.

Nach der russischen Revolution entwickelte eine Reihe utopischer Entwürfe Vorstellungen nach-revolutionärer Gesellschaften; Themen sind beispielsweise die Idee des „neuen Menschen“ (Groys & Hagemeister 2005) oder die sozialistische Stadt der Zukunft, aber auch die Idealisierung einer egalitären ländlichen Gesellschaft, verbunden mit einer Darstellung zukünftiger großer Städte als Dystopien (Stites 1989). Konzepte des „Dritten Weges“ sind im Feld zwischen Gesellschaftstheorie und Utopie anzusiedeln (Šik 1972; 1985). Andere Konzepte liegen häufig im Schnittfeld zwischen Utopien (oder auch Visionen) und politischen Strategien (wie etwa Panafrikanismus und self-reliance, eng verbunden mit Julius Nyereres ujama).

Im Rahmen der Zukunftsforschung wurden Versuche unternommen, Entwürfe zu entwickeln, die auf gesellschaftswissenschaftlicher Forschung beruhen, aber dennoch nicht einfach dem Konzept der „gegenwärtigen Zukunft“ folgen. Robert Jungk, Zukunftsdenker und Erfinder von Zukunftswerkstätten, schrieb 1952:

„Das Morgen ist schon im Heute vorhanden, aber es maskiert sich noch als harmlos, es tarnt und entlarvt sich hinter dem Gewohnten. Die Zukunft ist keine sauber von der jeweiligen Gegenwart abgelöste Utopie: die Zukunft hat schon begonnen. Aber noch kann sie, wenn rechtzeitig erkannt, verändert werden.“ (Jungk 1952: 17)[5].

Die Disziplin der Zukunftsforschung entstand seit den 1940er Jahren. Ossip K. Flechtheim wird die Einführung des Begriffs „Futurologie“ (im Jahr 1943) zugeschrieben; er verfolgte auch in seiner Zeit an der FU Berlin eine „humanistisch-demokratische“ Zukunftsforschung (s. Flechtheim 1970). Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde die Zukunftsforschung durch das Buch The Year 2000 von Herman Kahn (einem Physiker, der an der Entwicklung der Wasserstoffbombe beteiligt war und sich später, u.a. im Rahmen der Rand Corporation, mit Zukunftsforschung beschäftigte) und Anthony K. Wiener (1967). Die ZEIT (1/1999) macht sich über die teilweise absurd klingenden Vorhersagen lustig, z.B. dass künstliche Monde die Nachtseite der Erde beleuchten würden. Allerdings entwickelte sich Zukunftsforschung in dieser Zeit zu einer wissenschaftlichen Disziplin, mit der sich viele Institute beschäftigen und in der man akademische Abschlüsse erwerben kann. Rolf Kreibich (1968 als wissenschaftlicher Assistent zum FU-Präsidenten gewählt), definiert Zukunftsforschung als „die wissenschaftliche Befassung mit möglichen, wünschbaren und wahrscheinlichen Zukunftsentwicklungen und Gestaltungsoptionen sowie deren Voraussetzungen in Vergangenheit und Gegenwart“ (Kreibich 2006: 3).

Futurologie orientiert sich im Allgemeinen auf Zukünfte in einem weitergedachten Kapitalismus, meist in der Verbindung neuerer Tendenzen sozialen Wandels (Verkehr, Transformation der Reproduktionsarbeit, Globalisierung) mit spezifischen normativen Vorstellungen (häufig im Zusammenhang mit Demokratie). Im Hinblick auf eine Diskussion über die Zukunft gesellschaftlicher Entwicklung in einer kapitalismuskritischen Perspektive erscheinen zumindest drei Themenbereiche wichtig, die hier nur stichwortartig angesprochen werden können:

  1. Perspektiven des sozialer Wandels: Die Diskussion zum „sozialen Wandel“ erlaubt eine umfassendere gesellschaftliche Perspektive, basierend auf der Analyse der Veränderung in der jeweiligen sozialen Einheit in der Vergangenheit und entsprechender Tendenzen in der Gegenwart. Hiervon ausgehend erlaubt eine solche Analyse Prognosen – im Sinne des Konzeptes der „gegenwärtigen Zukunft“ – und Szenarien von Prozessen der Konstitution zukünftiger Strukturen aus vielfältigen aktuellen und erwartbaren Konflikten primär in Bezug auf kurz- bis mittelfristige Entwicklungen. In diesem Rahmen ist ein differenzierterer Umgang mit verschiedenen Möglichkeiten gesellschaftlicher/politischer Reaktionen auf Krisen/Katastrophen möglich als im Falle der Anwendung mathematischer Modelle.
  2. Gesellschaftliche Evolutionstheorien: In längerfristiger Perspektive verlangt die Diskussion zukünftigen sozialen Wandels einen höheren Grad an Abstraktion und die Entwicklung historischer Modelle von „Entwicklung“. Dies kann in Form zyklischer (etwa: Spengler 1918 & 1922), evolutiver (etwa: Elias 1939), und dialektischer Konzepte (Hegel 1997 [1837]; Marxismus) geschehen.
  3. Normativität und Prognosen: Bei der Analyse zukünftiger Entwicklungen geht es nicht nur um eine sich wertneutral präsentierende Prognose, sondern oft auch direkt um Werte, d.h. um die Entwicklung strategischer Handlungskonzepte und die Analyse der Durchsetzungschancen von normativ orientierten Zielen. „Normativ“ bezieht sich primär auf gesellschaftsbezogene Normen (etwa: Verringerung sozialer Ungleichheit; Menschenrechte), aber unter futurologischen Gesichtspunkten fällt die Orientierung an Akteursinteressen (etwa: Profitmaximierung, Verbesserung der städtischen Infrastruktur) in dieselbe Kategorie. Im Mittelpunkt stehen die zukünftig zu erwartenden Bedingungen für die Realisierung eines Ziels einschließlich der Reaktionen anderer AkteurInnen auf die verfolgten Strategien sowie wiederum möglicher Reaktionen darauf im Sinne der Zielerreichung.

Was bedeutet aber all das für Perspektiven post-kapitalistischer Transformation? Vieles spricht dafür, dass das (weitgehende) Ende des „real existierenden Sozialismus“ einschließlich fast aller sozialistischen Experimente im Globalen Süden eine gewisse Ratlosigkeit im Hinblick auf Prognosen der Transformation in eine post-kapitalistische Gesellschaftsordnung sowie Utopien zu deren Strukturen erzeugt hat. Zweifellos sind in den letzten drei Jahrzehnten eine beträchtliche Zahl von profunden, vor marxistischem Hintergrund geschriebenen kapitalismuskritischen Arbeiten vorgelegt worden, doch sie bieten wenig Ansatzpunkt zu den genannten Fragen.

Schließlich: Wo bleibt bei all diesen Ansätzen die Dimension des Raumes? Natürlich gibt es, vor allem bezogen auf den Mesoraum, eine Vielzahl von Arbeiten, die die Perspektiven räumlicher Entwicklung als primären Fokus haben, wie etwa in den Bereichen der Raumplanung, Stadtentwicklung, der Land-Stadt-Migration, Raumwirtschaftstheorien usw. Diese Arbeiten aber sind meist auf spezifische Räume bezogen (Entwicklung nationaler Gesellschaften, Förderung weniger entwickelter Räume einer Gesellschaft, Wandel urbaner Raumstrukturen usw.). Zwar ist per definitionem die Zeitperspektive bei allen solchen Arbeiten wichtig, aber meist werden gesellschaftliche Veränderungen lediglich als Rahmenbedingungen berücksichtigt, nicht aber als Element einer integrierten Analyse raum-zeitlichen Wandels. Andererseits spielen bei Arbeiten, die sich durchaus zentral mit raum-zeitlichem Wandel beschäftigen (und auf die weiter unten noch einzugehen sein wird), Prognosen post-kapitalistischer Transformation praktisch keine Rolle.[6]

3   Globale Umweltpolitik: Prognosen und Transformation

Seit den 1970er Jahren stellen die globale Umweltkrise, die absehbare Ressourcenknappheit und (etwas später) vor allem der Klimawandel zentrale Krisenbereiche gesellschaftlicher Entwicklung dar. Natur in ihren unterschiedlichen räumlichen Ausprägungen, Konsequenzen der Umweltkrise sowie Prognosen sind hier untrennbar miteinander verbunden. Prognosen sind vor allem deshalb zentral, da viele akute Krisenerscheinungen nur in einzelnen Regionen auftreten, aber katastrophale globale Konsequenzen aus den Entwicklungen der vorangegangenen Jahrzehnte extrapolierbar sind. Die Krisenhaftigkeit moderner Entwicklung im Hinblick auf ihre natürlichen Grundlagen und damit auch die Frage nach unterschiedlichen Strategien der Transformation gesellschaftlicher Entwicklung – einschließlich Utopien eines zukünftigen Verhältnisses von Natur und Gesellschaft – stehen hier im Mittelpunkt. Prognosen zu diesem Themenbereich erlauben es somit, die ganze Bandbreite der Vorhersagen gesellschaftlicher Entwicklungen und ihrer Rahmenbedingungen zu untersuchen.

3.1 Global 2000: Eine frühe Prognose globaler Ressourcenknappheit und die Berücksichtigung weltweiter Ungleichheit

Im Jahre 1972 erregte die im Auftrag des Club of Rome am Massachusetts Institute of Technology erstellte Studie zu den Grenzen des Wachstums (Meadows u.a. 1972) große Aufmerksamkeit: Auf der Grundlage einer Computersimulationen verschiedener Szenarien stellt sie fest, dass gegenwärtige Trends (Bevölkerungsentwicklung, Industrialisierung und Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion und Ausbeutung natürlicher Rohstoffe) zum Erreichen der absoluten Wachstumsgrenzen der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre führen würden.

Der Bericht Global 2000 (Council on Environmental Quality 1980) wurde von US-Präsident Jimmy Carter 1977 in Auftrag gegeben. Er basiert auf Prognosen verschiedener US-Bundesbehörden zu den in den Grenzen des Wachstums genannten Trends. Sie schildern „… Verhältnisse, die sich wahrscheinlich einstellen würden, wenn es nicht zu politischen, institutionellen oder entscheidenden technischen Wandlungen kommt und wenn es keine Kriege oder andere tiefgreifenden Störungen gibt“ (ebd.: 25). Auf der Basis dieser Einzelprognosen wurde das sog. „Weltmodell der US-Regierung zur Prognose voraussichtlicher Veränderungen der Bevölkerung, der natürlichen Ressourcen und der Umwelt auf der Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts“ entwickelt (ebd.: 908), das als Grundlage für längerfristige Planung dienen sollte. In Bezug auf die angenommenen Trends und erwarteten politischen Interventionen differenziert der Bericht grob zwischen „Industrieländern“ und unterentwickelten Ländern (ebd.: 936-941). Dieser Bericht (in der deutschen Version knapp 1500 Seiten) und der Zusatzband Global Future. Time to Act (Council on Environmental Quality 1981) erlauben aufgrund ihres thematisch umfassenden Charakters, der zusammenfassenden Darstellung anderer Weltmodelle sowie der zeitgenössischen Kritiken eine Reflexion der Zeit- und Raumperspektiven globaler gesellschaftlicher Prognosen und Strategien. Trends des Verbrauchs und der Verknappung von wichtigen Ressourcen für die globale Reproduktion sowie die erwarteten politischen Maßnahmen zur Lösung der prognostizierten Probleme werden mit den Methoden der Analyse „gegenwärtiger Zukunft“ aus der Sicht der späten 1970er Jahre prognostiziert.

Der Anhang A des Hauptberichts diskutiert auch (a) die wahrscheinlichen Reaktionen von AkteurInnen, die ihre Interessen durch entsprechende Maßnahmen gefährdet sehen (ebd.: 1297-1351) und (b) eine möglicherweise verstärkte politische Instabilität in armen Regionen im Rahmen der ökologischen Krisen. Anhang B verweist auf Bedenken einer Gruppe von „Beratern“, die die mangelnde Berücksichtigung plötzlicher Erschütterungen und Diskontinuitäten kritisieren, etwa Naturkatastrophen, den Zusammenbruch von Gesellschaftssystemen sowie weitere Nord-Süd-Konflikte (ebd.: 1357-1361). Beanstandet wird, dass „die Prognosen der Studie weitgehend auf der Extrapolation von Trends und Beziehungen basierten, die nur für die letzten zwei oder drei Jahrzehnte charakteristisch waren“ sowie, „… daß die Studie dazu neige, nur jene Charakteristika… zu verwenden, für die ‘harte’ quantitative Daten direkt erhältlich waren“ (ebd.: 1354).

Wichtig ist schließlich die Frage nach den Interessen, die diese Diskussion über die Ressourcenknappheit und ihre Folgen angestoßen haben. Globale Ungleichheit und der Zusammenhang zwischen Armut und Umweltzerstörung diskutiert der Band Global Future (ebd.: xii-xiv). Dabei geht es hier nicht primär um Solidarität und ethische Motivationen:

„Die US-Regierung hat seit langem erkannt, daß der weltweite ökonomische Fortschritt und der Schutz der globalen Umwelt für die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten von großer Bedeutung ist (sic!). Eine Zunahme von Armut und Elend in großen Teilen der Welt erhöht das Potential für politische Instabilität, beeinträchtigt den Handel (…) und steigert den Drang zu massenhaften Wanderungsbewegungen.“ (ebd.: xxxiii)

3.2 Globale Umwelt, Ungleichheit und Prognosen

Diesem Bezug auf die Sicherheit im Globalen Norden stehen kritische Positionen aus dem Globalen Süden gegenüber: Ressourcenschutz verhindere Entwicklung im Süden; die Länder des Südens könnten nicht verpflichtet werden, auf die Nutzung von Ressourcen zu verzichten, um Schäden zu kompensieren, die durch einen jahrhundertelangen Raubbau zugunsten des Nordens entstanden sind. (Herrera u.a. 1977: lateinamerikanische Perspektive.). Ein umfassenderer Bezug auf die Rolle ungleicher Entwicklung und die Notwendigkeit von (selektivem) Wachstum zur Überwindung von Armut sowie das Recht auf nachholende Entwicklung findet sich allerdings erst ein paar Jahre später im Brundtland-Bericht (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987), der eine wichtige Grundlage der Rio-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von 1992 und damit eine breite Diskussion über eine globale Zukunftsperspektive bildete: „Nachhaltige Entwicklung“, d.h. die Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart, „ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“, ist seither zentrales Thema nicht nur der globalen Umweltdiskussion. Seit Rio 1992 wurden schließlich die „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ (Art. 3, Abs. 1, UNFCCC) für den Klimawandel und seine Bekämpfung international anerkannt. Das bezieht sich einerseits auf Konzessionen gegenüber der Gruppe der Entwicklungsländer in Bezug auf die Forderung nach Minderung der Emission von klimarelevanten Gasen, vor allem aber auf die Verpflichtung der Industrieländer, die Anpassung der Ersteren an die nicht mehr zu vermeidenden Auswirkungen des Klimawandels zu unterstützen (Hein u.a. 2017: 401).

In den letzten Jahrzehnten haben sich verschiedene Weltkommissionen und Weltkonferenzen mit den Problemen und Zielen nachhaltiger Entwicklung beschäftigt und vielfältige Strategien vorgeschlagen, im allgemeinen aber in dem Bewusstsein, dass deren Umsetzung aufgrund der Komplexität weltweiter Interessen, politischer und ökonomischer Strukturen schwer vorherzusehen ist (zu diesem Komplex s. den Beitrag von Georg Simonis in diesem Heft, S. <?>ff). Isoliert (ceteris paribus: „unter sonst gleichbleibenden Bedingungen“) sind vielfältige Aussagen über spezifische Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge möglich (etwa: CO2-Emissionen tragen zur Klimaerwärmung bei; Umweltbedingungen führen zur Reduktion der Artenvielfalt), ohne die Bedingungen einer nachhaltigen Transformation zu analysieren. Auch das Pariser Klimaabkommen von 2015 versucht primär, die weltweite Emission von Klimagasen zu reduzieren. Es geht – wie in einem Abkommen zwischen Regierungen nicht anders zu erwarten – davon aus, dass innerhalb bestehender Produktionsverhältnisse klimapolitisch wirksame Rahmenbedingungen verändert werden. Allerdings haben nicht-staatliche Akteure, die in vielerlei Form untereinander, mit wissenschaftlichen Institutionen und mit umweltbezogenen öffentlichen Institutionen vernetzt sind, einen wesentlichen Einfluss auf staatliche Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene. Simonis spricht von einem transnationalen politisch-ökologischen Komplex.

Eine konsequente Umweltpolitik mit entsprechendem Einfluss auf Lebensformen und Veränderungen im Globalisierungsprozess würde auch die Machtverhältnisse zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften verändern (etwa: Machtverlust von Großproduzenten umweltschädlicher Produkte, Förderung von Dezentralisierung, Regulierung von emissionsintensiven wirtschaftlichen Aktivitäten durch Abgaben bzw. Emissionszertifikate), wodurch weitergehende Transformationsprozesse möglich werden. Eine wichtige Frage betrifft die Interaktion von Prozessen auf verschiedenen Ebenen in Raum und Zeit. Ansätze auf der Mikro- und Mesoebene erfassen meist zunächst Nischenmärkte wie die biologische Landwirtschaft oder begrenzte Regionen oder Sektoren. Das gilt selbst für Utopien wie den Roman Ökotopia (Callenbach 1978 [1975]), der sich auf einen abgespaltenen fiktiven Staat im Nordwesten der USA bezieht, sowie eine Vielzahl von Utopien zur ökologischen Stadtentwicklung. Auf der Makroebene sind grundsätzlich drei Typen von Prozessen zu beobachten: Die Resilienz bestehender Strukturen (hier einschließlich rückwärtsgewandter Perspektiven und Aktivitäten), Ansätze transformativen Handelns in begrenzten spezifischen Sektoren (Energie, Mikroelektronik) und Prozesse struktureller Transformation, d.h. von Institutionen und Normen, die die relative Machtposition von konservativ und transformativ orientierten AkteurInnen verändern.

Aktuell lässt sich vor allem beobachten, dass mächtige Akteure begrenzte Anpassungen anstreben, die grundlegende Transformationsprozesse verhindern, d.h. eine Kombination der ersten beiden der genannten Typen. Die kapitalismuskritische Literatur nimmt die Prognosen zur globalen Umwelt-/Klimaentwicklung auf, diskutiert politische Konzepte wie green growth kritisch und stellt die globale Umweltkrise in den Zusammenhang des Verhältnisses Kapitalismus-Natur und damit auch der Wachstumszwänge des Kapitalismus. Räumliche Transformation wird meist in einem komplexeren Verständnis ungleicher Entwicklung diskutiert, und die Implikationen der Kompression von Zeit und Raum spielen eine zentrale Rolle, gerade auch im Zusammenhang der wachsenden CO2-Emissionen durch Verkehr und Transport (Altvater & Mahnkopf 1999). Allerdings finden sich auch hier kaum weitergehende Transformationsszenarien. Radikale klimapolitische Szenarien (Solargesellschaft) werden kaum mit Szenarien post-kapitalistischer Transformation verbunden. Am weitesten gehen in dieser Hinsicht noch Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf (ebd.), die mit der Diskussion zu global governance die räumliche Transformation der politischen Arena einbeziehen (s.u., 5.4).

4   Grundstrukturen des Kapitalismus und die sich wandelnden Vorstellungen von dessen Überwindung

Um die Fragen nach den Ursachen des „Verlustes“ von Prognosen zur Überwindung des Kapitalismus und nach Ansätzen neuer Visionen weiter zu verfolgen, werde ich in diesem und im folgenden Abschnitt auf den Ausgangspunkt der Marx’schen Kapitalismusanalyse und die unerwarteten Adaptationen des Kapitalismus an die Entwicklung der Produktivkräfte eingehen. Dabei spielt die stabilisierende Wirkung ungleicher räumlicher Strukturen eine wichtige Rolle.

4.1 Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse

Die zentrale These von Marx und Engels ist einfach und kann, selbstverständlich verkürzt, wie folgt zusammengefasst werden: Die umfassende, fortwährend revolutionierte Durchsetzung kapitalistischer Produktionsverhältnisse schafft einerseits die Voraussetzung für eine weiterhin rasante Entwicklung der Produktivkräfte, führt andererseits aber zu einer Zuspitzung der Widersprüche zwischen beiden. Kurz: bürgerliche Revolutionen führen zur Durchsetzung des bürgerlichen Staates und damit zu entsprechenden „Produktions- und Verkehrsverhältnisse(n)“ (Marx & Engels (1977 [1848]: 467) auch in bisher zurückgebliebenen Gesellschaften; das Privateigentum an Produktionsmitteln wird abgesichert „und die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet“ (ebd.: 464). Die „Feudalbande“ und andere Formen persönlicher „Knechtschaft“ werden zerrissen, wodurch ein „freies“ Proletariat entsteht, das seine Arbeitskraft an die Eigentümer der Produktionsmittel verkaufen muss, um zu überleben. Die Entwicklung der Produktivkräfte erzeugt einen enorm wachsenden gesellschaftlichen Reichtum, der aber durch die Aneignung des von den LohnarbeiterInnen produzierten Mehrwerts im Wesentlichen den Eigentümern von Kapital und Boden zugutekam. Die extrem ungleiche Aneignung von Reichtum, Überproduktionskrisen, Kriege zwischen Nationen und die Erschöpfung natürlicher Ressourcen[7] verschärfen die Widersprüche und den Klassenkampf und führen schließlich zu einer revolutionären Überwindung kapitalistischer Produktionsverhältnisse.

Das KM prognostizierte eine grenzenlose Ausdehnung des Kapitals. Dies hat sich weitestgehend bestätigt und ist in vielerlei Hinsicht über das hinausgegangen, was damals vorhersehbar war. Bei Marx überwog jedoch zunächst die Annahme einer Homogenisierung des globalen Raumes als einer fortschreitenden kapitalistischen Entwicklung in allen nationalen Gesellschaften, einschließlich zukünftiger postkolonialer Gesellschaften (s. Schriften über Indien) an die Strukturen der entwickelteren Gesellschaften: „Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zukunft.“ (Marx 1962 [1867]: 12)

So blieben auch in der gesamten frühen Zeit der marxistischen Diskussion die Nationalstaaten der Ausgangspunkt revolutionärer Transformation der Produktionsverhältnisse. Im 19. Jahrhundert wurde weitgehend die Prognose als selbstverständlich angenommen, dass die Revolution von den Ländern mit entwickelter Ökonomie ausgeht – der theoretischen Annahme entsprechend, dass die Zuspitzung der Widersprüche zunächst dort zum Entstehen einer starken Arbeiterklasse führen werde. Im KM heißt es weiter:

„Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden.“ (Marx & Engels 1977 [1848]: 473)

„Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder.“ (ebd.: 493)

Die weitere historische Entwicklung revolutionärer und restaurativer Prozesse im Kapitalismus führte zwar zu erheblichen Modifikationen der Vorstellungen über die Überwindung des Kapitalismus und den Aufbau des Sozialismus (s. den folgenden Abschnitt), doch blieb bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine marxistische Diskussion über eine Transformation der Produktionsverhältnisse innerhalb des Kapitalismus weitgehend aus. Reformistische Strategien, die sich primär auf die Vertretung von Positionen der Arbeiterklasse im bürgerlichen Staat konzentrierten, entstanden bereits im 19. Jahrhundert (etwa Ferdinand Lassalle) und führten schließlich zur Spaltung der Arbeiterbewegung und ebenso zu einer Spaltung der marxistischen Diskussion über Arbeiterklasse und die Transformation der Produktionsverhältnisse.

Entscheidend, oder besser gesagt, lähmend für die weitere Diskussion über Prognosen post-kapitalistischer Transformation waren aber – neben dem Zusammenbruch des „real-existierenden Sozialismus“ und dem Ende von Entwürfen zu dessen Transformation – inner-kapitalistische Veränderungen der Produktionsverhältnisse. Das betraf primär (aber nicht nur, s.u.) die räumliche Dimension. Zum einen geht es dabei um globale ungleiche Entwicklung und das Entstehen verschiedener Formen des „peripheren Kapitalismus“: Dadurch wurde das „Entstehen einer starken Arbeiterklasse“ in großen Teilen der Welt verhindert oder zumindest erschwert. Zum anderen führte die Globalisierung zum Entstehen von Formen globaler Staatlichkeit und zur Begrenzung nationaler Souveränität. Die Komplexität der realen Entwicklung impliziert eine Resilienz der kapitalistischen Produktionsweise, die Mitte der 19. Jahrhunderts so nicht vorhersehbar war. Die abstrakte Kategorie ungleicher räumlicher Entwicklung spielte daher in der marxistischen Diskussion lange Zeit keine zentrale Rolle und wurde erst seit Ende der 1970er Jahre vor allem von französischen und englischen Autoren intensiver reflektiert (Henri Lefebvre, David Harvey, Doreen Massey).

4.2 Ungleichheit zwischen Nationen und der Wandel der Revolutionstheorie

Nach den Marx’schen Vorstellungen war es sehr unwahrscheinlich, dass die erste sozialistische Revolution in einem relativ wenig entwickelten Land wie Russland stattfinden würde. Die katastrophale Situation des Landes zu Beginn des Jahres 1917 – der Krieg schien verloren, die russische Ökonomie war nicht mehr in der Lage, weitere militärische Anstrengungen zu finanzieren, der Widerstand gegen das zaristische Regime wuchs und führte in der Februarrevolution zu dessen Sturz – hatte jedoch eine revolutionäre Situation entstehen lassen. Tatsächlich konnten die Bolschewiki um Lenin mit der Oktoberrevolution die Führung des revolutionären Prozesses übernehmen. In diesem Kontext entwickelte Lenin die These von der Revolution im schwächsten Glied der Kette. Dieses schwächste Glied musste nicht zwingend das am wenigsten entwickelte Land sein, die These verwies aber darauf, dass der relativ niedrige Stand der industriellen Entwicklung bei einer situationsbedingten Schwächung der herrschenden Ordnung kein Hindernis für eine sozialistische Revolution darstellte. Nachdem die zunächst erwartete Kettenreaktion in westeuropäischen Ländern (vor allem in Deutschland) ausblieb, erklärte Stalin 1924 nach dem Tode Lenins das Ziel der „Entwicklung des Sozialismus in einem Land“, veröffentlicht 1926 in der Schrift Zu den Fragen des Leninismus.

Die chinesische Revolution schien die These vom „schwächsten Glied“ zu bestätigen. Mao Zedong verschob mit dem Fokus auf die Dritte Welt als Ausgangspunkt zukünftiger Revolutionen (Theorie der Dörfer und Städte) den räumlichen Schwerpunkt der Revolutionstheorie noch weiter in Richtung auf den Zusammenhang „Unterentwicklung-Krise“. Marxistisch orientierte Autoren des lateinamerikanischen Dependenzansatzes (vor allem Andre G. Frank) knüpften an dieser Perspektive an. Die Ausbeutung der Dritten Welt erlaube in den Metropolen Kompromisse mit der Arbeiterklasse und verhindere dort revolutionäre Prozesse. Auch wenn der Sieg der Arbeiterbewegung aufgrund der Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen langfristig weiterhin als unausweichlich angesehen wurde, wird die konkrete Entwicklung dahin zunehmend als nicht prognostizierbar angesehen. Eine Reihe der ehemals ärmsten Länder sind inzwischen zu Regionalmächten innerhalb des kapitalistischen Weltsystems aufgestiegen, allen voran China.

Aus der Position eines Landes in der Hierarchie globaler Ungleichheit lassen sich offenbar keine generellen Prognosen über die Wahrscheinlichkeit revolutionärer Prozesse ableiten. Globale Krisen bringen meist vielfältige lokale Konflikte hervor, globale Strategien von Systemerhaltung bzw. zur Systemüberwindung interagieren mit komplexen Konfliktstrukturen auf unterschiedlichen Ebenen. David Harvey interpretiert die Konflikte in einzelnen gesellschaftlichen Bereichen sowie zwischen diesen und der Gesamtheit kapitalistischer Beziehungen

„…entsprechend ihrer Funktionsweise, diese zu erhalten und zu reproduzieren… Diese Beziehungen sind jedoch nicht notwendigerweise in Einklang miteinander. Sie sind häufig widersprüchlich und aus diesem Widerspruch ergeben sich Konflikte. Transformationen entstehen durch die Lösung dieser Konflikte, und mit jeder Transformation wird die Gesamtheit der Beziehungen (the totality) restrukturiert. Diese Restrukturierung wiederum verändert die Definition, Bedeutung und Funktion der Elemente und der Beziehungen innerhalb des Ganzen.“ (Harvey 1973: 289, Übersetzung W.H.)

Politische Auseinandersetzungen beziehen sich auf spezifische räumliche, kulturelle, ökonomische und politische Bedingungen, die zum einen im Detail analysiert, zum anderen aber auch im Zusammenhang mit den kapitalistischen Grundstrukturen gesehen werden müssen, um Prognosen zur Restrukturierung gesellschaftlicher Beziehungen auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen machen zu können.

Die Rede von „einzelnen Elementen“ verlangt eine detailliertere Positionierung dieser Elemente in der Totalität der Zusammenhänge kapitalistischer Reproduktion. Die Entwicklungen der vergangenen hundert Jahre bestätigen einerseits die Erwartung des KM im Hinblick auf die „kosmopolitische“ Expansion des Kapitalismus, verweisen aber andererseits auf die fundamentale Bedeutung von Ungleichheit, weltweit ebenso wie in Bezug auf die nationalen Entwicklungspfade der Dynamik von Klassenkämpfen und Kompromissen in nationalen Transformationsprozessen im Globalen Norden. Aber auch die Prognosen der Überwindung des Kapitalismus durch „die Revolution im schwächsten Glied der Kette“ bzw. in den „Dörfern der Welt“ haben mittelfristig angesichts der globalen Dominanz kapitalistischer Akkumulation keinen Bestand gehabt: Der „real existierende Sozialismus“ in der Sowjetunion und ihren osteuropäischen Satelliten brach zusammen; in China und Vietnam kam es schließlich zu einer (weitgehend erfolgreichen) Re-Integration in das kapitalistische Weltsystem. Letztlich beruhten die Erfolge sozialistischer Revolutionen in einzelnen weniger entwickelten Ländern eben mehr auf spezifischen historischen Konstellationen, die nicht die im KM prognostizierte „Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder“ (Marx & Engels (1977 [1848]: 493) hervorbrachten. Auch wenn sich Lenin und Mao auf Marx beriefen, hat die spätere Entwicklung in beiden Ländern eine Marx’sche Prognose bestätigt:

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft ausgebrütet worden sind.“ (Marx 1971 [1859]: 9)

Für den Zusammenhang zwischen Entwicklung der Produktivkräfte, ungleicher Entwicklung und Prognosen zur Transformation und zum Untergang der kapitalistischen Gesellschaftsformation von großer Bedeutung ist Rosa Luxemburgs These von der „fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation“ (Luxemburg 1970 [1913]), d.h. der fortgesetzten „Enteignung der Arbeitsmittel von den eigentlichen Produzenten“ als Voraussetzung für die erweiterte Reproduktion des Kapitals. Das betrifft die Aneignung von Rohstoffquellen ebenso wie die Aneignung der Arbeitskraft von Menschen unter ihrem Wert, da die Reproduktionskosten nicht oder nur teilweise durch Arbeitslohn finanziert werden müssen. Sobald die ganze Welt kapitalistisch ist, „erreicht der Kapitalismus seine objektive historische Schranke.“ (ebd.: 478). Doch bevor diese ökonomische Schranke erreicht sei, werde der Militarismus die „Rebellion der internationalen Arbeiterklasse gegen die Kapitalherrschaft zur Notwendigkeit machen“ (ebd.: 379f). Auch Luxemburg unterschätzte die Fähigkeit des Kapitalismus zu einer immanenten Transformation der Produktionsverhältnisse.[8] Der Versuch, diese Fähigkeit zu verstehen, führte in der westlichen marxistischen Diskussion dazu, dass die Analyse der Transformationen des Kapitalismus zwischenzeitlich eine größere Rolle spielte als Prognosen seiner Überwindung.

5   Der Wandel des globalen Raumes: Globalisierung, ungleiche Entwicklung und der Nationalstaat

Die politische Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien führte zunächst dazu, dass auch deren Führer meist in den industriell entwickelteren Ländern „das Bild der eigenen Zukunft“ sahen. Die Schwächung der ökonomischen Abhängigkeit von den Kolonialmächten erleichterte einerseits den Marktzugang anderer Industrieländer, stärkte andererseits aber die Bemühungen um die eigene „Entwicklung“. Die fortgesetzte ursprüngliche Akkumulation bot die Möglichkeit, mit billigen Rohstoffen und niedrigen Löhnen wettbewerbsfähig zu sein, und so mit der Eingliederung der neuen Staaten in eine ungleiche internationale Arbeitsteilung den Akkumulationsprozess zu fördern. Die fragmentierte Staatlichkeit wiederum verhinderte eine Infragestellung nationaler Identitäten und politischer Kompromisse im Globalen Norden.

5.1 Historische Phasen kapitalistischer Entwicklung

Die Regulationstheorie (s. etwa Jessop 2001) betont seit den 1970er Jahren den Zusammenhang zwischen der Lösung von Konfliktkonstellationen und spezifischen historischen Phasen in der Entwicklung des Kapitalismus. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg betonte die Sozialimperialismusthese (John Hobson, Rudolf Hilferding, vgl. dazu Wehler 1969) die Möglichkeit, im Kampf zwischen Kapital und Arbeit in den imperialistischen Ländern durch Zugeständnisse in der Sozialpolitik Kompromisse zu erzeugen – basierend auf Ressourcen, die durch Ausbeutung der Kolonien und ungleiche Handelsbeziehungen gewonnen und durch nationalistische Ideologien politisch abgesichert wurden. Es gibt also Brüche innerhalb der kapitalistischen Entwicklung und eine sukzessive Dominanz unterschiedlicher Akkumulationsmodelle. Der Fordismus wurde als das „Goldene Zeitalter des Kapitalismus“ (Marglin & Schor 1990; Hobsbawm 1995: 20, 285ff) bezeichnet, was allerdings bestenfalls für Nordamerika und Westeuropa (und evtl. Japan) gelten kann. Wir sehen hier die komplexe Wirkungsweise der ungleichen Entwicklung: Während in den Industrieländern die Ausweitung der Sozialpolitik ein auf billigen, weitgehend importierten fossilen Rohstoffen und industrieller Massenproduktion basiertes Wachstum ermöglichte, förderte eben diese Entwicklung Marginalisierungsprozesse in den Ländern des Globalen Südens.

Die Grenzen der fordistischen Expansion zeigten sich in den 1970er Jahren mit der wachsenden Verschuldung als Folge einer zunehmend kreditfinanzierten Expansion sowohl international und national. Die globale Umweltkrise machte die Grenzen einer auf fossilen Rohstoffen beruhenden Wegwerfgesellschaft deutlich. Neoliberalismus und fortschreitende Globalisierung wurden zur Grundlage eines neuen postfordistischen Akkumulationsmodells. Eine erhöhte Mobilität des Kapitals, globale Produktionsverlagerung auf der Basis einer flexiblen Strategie des global sourcing (s. Fröbel u.a. 1977), die Verstärkung transnationaler Wertschöpfungsketten und ungleiche Inklusion und Exklusion erlaubten eine Beschleunigung kapitalistischer Akkumulation. Sie schufen aber auch neue Formen der Ungleichheit, die einerseits den markanten Nord-Süd-Gegensatz zugunsten einer differenzierteren Struktur ungleicher Entwicklung in Frage stellen, andererseits zunehmend aber wieder Tendenzen sozialer Desintegration im Globalen Norden stärken (s. etwa Altvater & Mahnkopf 2002).

Auch wenn eine generelle Übereinstimmung in der Charakterisierung des Fordismus und dessen Krise besteht, werden (a) kaum Vorstellungen zu einer post-kapitalistischen Transformation entwickelt und gehen (b) die Überlegungen zum Postfordismus weit auseinander: Vorgeschlagene Konzepte sind u.a. Toyotismus (flexible Spezialisierung, just-in-time), Akkumulationsregime des Vermögensbesitzes (Aglietta 2000 [1997/98]), (Postnational) workfare-state (Jessop) oder neoliberale Globalisierung. Eine normativ orientierte Strategie mit prognostischen und utopischen Elementen einer inner-kapitalistischen Transformation mit Fokus auf nachhaltiger Entwicklung und die Überwindung fossilistischer Strukturen stellt die Studie Zukunftsfähiges Deutschland (BUND u.a. 2008) dar.

5.2 Aspekte der Veränderung des globalen Raumes – ungleiche Entwicklung

Verschiedene historische Phasen des Kapitalismus sind offenbar mit einschneidenden Veränderungen räumlicher Strukturen verbunden. Dies weist auf die Notwendigkeit einer systematischen Analyse ungleicher Entwicklung und damit des Verhältnisses zwischen Kernstrukturen und konkreten Erscheinungsformen in der Gesellschaftsanalyse hin. Es gibt viele theoretische Ansätze zum Verständnis und zur politischen Reaktion auf ungleiche Entwicklung in unterschiedlichen Disziplinen (Ökonomie, Geographie, Soziologie, Raumplanung). Diese Konzepte beziehen sich auf ganz unterschiedliche Aspekte wie Standortfaktoren, Regionalpolitik, räumliche Dynamik von Investitionen, Umweltentwicklung (s. etwa Kappel 1995). Bestehende Machtstrukturen fördern Analysen, die der Perspektive der „gegenwärtigen Zukunft“ entsprechen und die Konzipierung „zukünftiger Gegenwarten“ ins Reich der „Phantasie“ verweisen. Spezifische Krisen und Umbrüche sind bestenfalls sehr kurzfristig prognostizierbar oder aber in ihren Ursachen retrospektiv rekonstruierbar. Die Strukturen kapitalistischer Akkumulation lassen allerdings eine Tendenz zu einer langfristigen Reproduktion von ungleicher Entwicklung erwarten.

Viele Ansätze zur Raumforschung weisen eine funktionalistische Perspektive auf. Strategien zur Förderung regionaler Entwicklung implizieren meist verschiedene Formen von Staatsintervention, wobei deren Grenzen selten klar definiert sind. Häufig werden weder Interessen und Macht der beteiligten AkteurInnen noch systembedingte Mechanismen berücksichtigt. Zudem wird die Verbesserung der Standortbedingungen oft als ein technisches Problem aufgefasst. Selbst im „real existierenden“ Sozialismus mit dem Anspruch einer weitgehenden zentralen Planung und politischer Steuerung hat sich die Marktlogik des kapitalistischen Weltsystems als begrenzende Bedingung erwiesen – und entweder zum Zusammenbruch der Systeme oder zu einer erheblichen Anpassung an kapitalistische Regelungsmechanismen geführt (China, Vietnam).

Interessant sind eine Reihe von Arbeiten zur Entwicklung spezifischer Raumstrukturen im Postfordismus wie etwa die sog. Archipel-/Netzwerkökonomie, gekennzeichnet durch Netzwerke von global cities und zunehmend marginalisierten Netzwerkzwischenräumen.[9]

Die im Kolonialismus etablierte, ungleiche internationale Arbeitsteilung und ihre Rolle für die fortgesetzte ursprüngliche Akkumulation in der postkolonialen Welt haben eine nachholende Entwicklung und das Entstehen der Voraussetzungen einer sozialistischen Revolution, wie sie von Marx zunächst angenommen wurden, weitgehend verhindert. Strukturen entstanden, die eine eigenständige nationale Entwicklung der Produktivkräfte kaum zuließen und Klassenstrukturen hervorbrachten, welche sich von denen des Globalen Nordens erheblich unterschieden (Stichworte: Kompradorenbourgoisie, meist relativ kleine ArbeiterInnenklasse, großer Subsistenzsektor, teilweise große Gruppen indigener Bevölkerung).[10]

Unterschiedliche Strukturen der lokalen Bevölkerung, aber auch der Integration in das kapitalistische Weltsystem mit differenzierten Formen der Artikulation zwischen lokalen Lebens- und Produktionsformen und den Strukturen kolonialer und post-kolonialer Ausbeutung sowie unterschiedliche politische Entwicklungen (assoziative Politiken oder eher dissoziative Regime mit starker staatlicher Lenkung, z.T. unterstützt durch das sozialistische Lager, revolutionäre Staaten) haben allerdings auch innerhalb des Globalen Südens zu sehr ungleichen Entwicklungen geführt.

Der Prozess der neoliberalen Globalisierung, weitgehend vermittelt über die Verschuldungskrise und die Strukturanpassungspolitik der internationalen Finanzinstitutionen, erzwang in den meisten Ländern des Globalen Südens eine wirtschaftliche Öffnung gegenüber einem zunehmend international operierenden Kapital (im Sinne des oben genannten global sourcing nach optimalen Produktionsstandorten im Rahmen von transnationalen Wertschöpfungsketten und der Suche nach neuen Rohstoffen). Er brachte eine weitere Differenzierung und Heterogenisierung innerhalb des Globalen Südens mit sich, so dass schließlich verbreitet vom „Ende der Dritten Welt“ gesprochen wurde, und zwar in doppeltem Sinne: Zum einen verschwand die Perspektive national-revolutionärer Umbrüche in Form eines Aufstands der „globalen Dörfer“. Zum anderen ist globale ungleiche Entwicklung zunehmend durch weltweit ungleich verteilte Zentren internationaler Dienstleistungen und industrieller Produktion sowie durch die Exklusion von verarmten Zwischenräumen auf praktisch allen geographischen Ebenen gekennzeichnet („Archipelisierung“).

5.3 Aspekte der Veränderung des globalen Raumes: Zeit-Raum-Kompression

Marx sprach bereits im Zusammenhang mit dem Ziel, die Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals zu erhöhen, von der „Vernichtung des Raums durch die Zeit“ (Marx 1983 [1857/1858]: 430). Er meint damit, das Kapital strebe danach, „die Zeit, die die Bewegung von einem Ort zum anderen kostet, auf ein Minimum zu reduzieren“ (ebd.: 445). Die Entwicklung der Eisenbahn und der Dampfschifffahrt, die eine erhebliche Beschleunigung des Transports mit sich brachten, geht auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Beschleunigung (und Verbilligung) von Transport (Containerschifffahrt, Luftverkehr) und Kommunikation (Telegraphie, Telefon, Internet) und deren ökonomische, soziale und kulturelle Auswirkungen führten zu umfassenden Veränderungen gesellschaftlicher Beziehungen und zu einer Beschleunigung des Globalisierungsprozesses vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Unter dem Begriff der time-space-compression hat sich vor allem David Harvey (1989a) in seinem Buch The Condition of Postmodernity intensiv damit auseinandergesetzt. Die Beschleunigung gesellschaftlicher Beziehungen ist ein zentraler Aspekt der Diskussion über die Postmoderne.[11] Sie schafft wesentliche Voraussetzungen für die Globalisierung, nämlich eine Verdichtung ökonomischer, aber auch anderer gesellschaftlicher Beziehungen im transnationalen Raum, ermöglicht transnationale Netzwerkstrukturen und eine zunehmende Standortkonkurrenz. Das impliziert auch Veränderungen der Arena politischer Auseinandersetzungen. Die Frage nach den Auswirkungen der Zeit-Raum-Kompression auf Klassenstrukturen und politische Allianzen ist eines der zentralen Themen der Diskussion über die Postmoderne. In einem Artikel zur Zeit-Raum-Analyse von Harvey heißt es:

„Im Rahmen dieser Form von lokalem Unternehmertum, in dem zunehmend Standorte weltweit in direkten gegenseitigen Wettbewerb versetzt wurden, gewannen ortsbezogene klassenübergreifende Allianzen im Vergleich zum Klassenkampf an Bedeutung – und verdeutlichten damit, wie räumliche Beziehungen die gängigen Marx’schen Prinzipien verkomplizierten.“ (Harvey 1989b, zit. in: Sheppard 2006: 129, Übersetzung W.H.)

Wenn Harvey recht hat, dann hat die Zeit-Raum-Kompression die „kosmopolitische Gestaltung von Produktion und Konsumtion aller Länder“ in einer Weise intensiviert, dass der räumliche Bezugspunkt politischer Allianzen eben nur noch bedingt die „Länder“ (d.h. Nationalstaaten) sind, sondern die Beziehungen zwischen Produktionsstandorten mit den Konflikten im transnationalen Raum. Kapitalistische Entwicklung produziert weiterhin extreme Ungleichheit, aber die Bedeutung des Klassenkampfs zwischen Bourgeoisie und Arbeiterklasse tritt in der sich verändernden politischen Arena in den Hintergrund. Dabei stellt sich die Frage, was die „kosmopolitische Gestaltung“ mit der nationalstaatlichen politischen Organisation tut. Diskussionen über die Transnationalisierung gesellschaftlicher Strukturen entstehen in den 1990er Jahren. In Bezug auf eine globale Wissensgesellschaft führt Robert Reich (1993 [1991]) die Kategorie der Symbolanalytiker (Verfügung über Spezialwissen zur Identifizierung und Lösung von Problemen in einer vernetzten Weltwirtschaft: Topforscher, -manager etc.) als privilegierter Schicht in der Weltgesellschaft ein. Kees van der Pijl (1998) und Leslie Sklair (2001) diskutieren die Bildung transnationaler Klassen, vor allem das Entstehen einer transnationalen Klasse von KapitalistInnen. Können Akkumulationskrisen bewältigt werden, indem Strategien zu ihrer Bekämpfung in einem globalisierten Herrschaftssystem ausgehandelt werden? Haben fragmentierte Staatlichkeit und damit auch die Priorisierung des Ziels nationaler Entwicklung im Süden einerseits, die Aufrechterhaltung nationaler Kompromisse im Norden andererseits angesichts der Ansätze neuer globaler Klassenbildung eine Zukunft? Dies sind zentrale Fragen, mit denen sich Prognosen über die zukünftige Transformation des Kapitalismus und deren Grenzen auseinandersetzen müssen.

5.4 Globalisierung und Nationalstaat

Die neue Stufe des Globalisierungsprozesses, „entfesselt“ durch die neoliberale Zurückdrängung des fordistischen Interventionsstaats und die genannten Entwicklungen von Transport und Kommunikation, impliziert eine wachsenden Bedeutung internationaler Beziehungen und Institutionen, aber auch eine Stärkung der globalen Zivilgesellschaft. Internationale Abkommen zur Liberalisierung der Weltwirtschaft (Welthandelsorganisation, multilaterale Handelsabkommen) werden vereinbart, ergänzt durch vielfältige Regelungen in einzelnen Bereichen, die die globalen Wirtschaftsströme vereinfachen bzw. gegen Krisen absichern sollen.

Beschleunigte Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten erleichtern die transnationalen Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Gruppen und epistemic communities in vielen Bereichen (Menschenrechte, Umwelt, Armutsbekämpfung, Gesundheit, Bildung, Katastrophenhilfe usw.). Diese Gruppen reagierten vor allem auf die teilweise katastrophalen sozialen Folgen der neoliberalen Strukturanpassungspolitik und übten einen erheblichen Druck auf die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) aus, die seit Mitte der 1990er Jahre ihren Fokus von einer rein neoliberalen Strukturanpassung auf Armutsbekämpfung verlegten. Die internationalen Finanzorganisationen folgen damit der älteren Logik der Bekämpfung von Gefahren „aus dem Süden“ – vor allem einer verstärkten Unsicherheit durch militante Konflikte (s. Hein & Mutter 2011) – für die Interessen der Metropolen. Im Bereich der Umweltpolitik führten die Prognosen einer globalen Umweltkrise zu politischen Strategien, die im Globalen Süden zunächst als Gefahr für die eigene Entwicklung gesehen wurden (s.o., 3.2), die aber seit Rio 1992 eine im Anspruch kooperative Politik der nachhaltigen Entwicklung anstreben. Prognosen sehen in einer solchen Politik eine letzte Chance in Bezug auf den Klimaschutz, weisen gleichzeitig aber auch auf ihre Konflikthaftigkeit hin (s. Georg Simonis in diesem Heft, S. <?>ff). Das Konzept der neoliberalen Gouvernementalität kennzeichnet eine solche Struktur, die AkteurInnen, welche eine Politik der Inklusion fordern und ökologische Folgen anprangern, Raum und Legitimität gibt, aber die tatsächlich die Krisen produzierende Dynamik perpetuieren (s. Lemke 1997; Timpf 2003). Trotz dieser global vereinbarten Ziele dominiert letztlich die Logik der Kapitalverwertung, häufig verwoben mit korrupten politischen Systemen, ethnisierten Konflikten zwischen Warlords und opportunistischen Strategien von Unternehmen zur Rohstoffsicherung und zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit durch den fortschreitenden Einbezug billiger Arbeitskräfte in kapitalistische Verwertungsketten. Aber: Bedeutet dieser Prozess nicht, dass wir uns dem „historischen Ende“ kapitalistischer Akkumulation nähern, wie Luxemburg es prognostiziert hat? Tatsächlich bringen arbeitssparende Innovationen eine erneute Freisetzung von Arbeitskräften mit sich und schaffen damit wiederum – auch in Verbindung mit dem Bevölkerungswachstum – neue Quellen der Integration marginalisierter Arbeitskräfte und damit der Fortsetzung ursprünglicher Akkumulation. Neoliberale Globalisierung hat zwar den weltweiten Akkumulationsprozess beschleunigt, aber letztlich auch zu einer Globalisierung der Unsicherheit geführt (Einkommen, Finanzkrisen, Gesundheit, militante Konflikte, s. etwa Altvater & Mahnkopf 2002), einschließlich der Tendenzen zur Annäherung der Situation in den alten Industrieländern an den Globalen Süden: Bröckeln der Sozialstaats, Privatisierung, zunehmende Exklusion sind die Stichworte.

Was ist von Prognosen zu halten, die eine Transformation eines primär von Nationalstaaten geprägten internationalen Systems in ein System globaler Politik für wahrscheinlich halten? Die Ebene zentraler gesellschaftlicher Konflikte und Kompromisse verschiebe sich von den Nationalstaaten hin zur Ebene globaler Politik (s. Held u.a. 1999). „Globale Politik“ impliziert einen gewissen Machtverlust der Nationalstaaten und eine verstärkte Rolle der globalen politischen Arena. Die Diskussion darüber verbindet die Analysen von Kräfteverhältnissen zwischen Nationalstaaten und von transnationalisierten gesellschaftlicher Strukturen in den Bereichen des Krisenmanagements und der globaler Normbildung, die sowohl ökonomische als auch politische und soziale Normen umfasst und damit einen institutionellen Rahmen für transnationale governance bildet. Einen wichtigen Bereich im Hinblick auf Normbildung stellen die Menschenrechte dar.

Die Menschenrechtsverträge kodifizieren Normen, die teilweise der Dynamik des globalen Kapitalismus diametral widersprechen. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der UN-Charta, der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und in verschiedenen verbindlichen Menschenrechtskonventionen allgemeine Bestimmungen für alle Unterzeichnerstaaten (und das sind auch bei den Sozialrechten die meisten UN-Mitglieder) formuliert, doch setzt dies vor allem im Bereich der Sozialrechte (Internationaler Pakt über ökonomische, soziale und kulturelle Rechte von 1966) das Vorhandensein entsprechender Ressourcen voraus. Jeder Unterzeichnerstaat ist verpflichtet, diese Rechte („im Rahmen seiner Möglichkeiten“) zu gewährleisten. Zwar fordern Art. 55 und 56 der UN-Charta die Mitgliedsstaaten dazu auf, zur „Lösung internationaler Probleme wirtschaftlicher, sozialer, gesundheitlicher und verwandter Art“, „gemeinsam und jeder für sich“ mit den UN zu kooperieren, doch hat dies bekannterweise extreme Armut und Ungleichheit nicht beseitigt. Aufgrund der Souveränität der Mitgliedsstaaten – ein Prinzip, das nur in Bezug auf das Verbot von Angriffskriegen eingeschränkt wurde – konnte kein Nationalstaat gezwungen werden, einen effektiven Beitrag zur Lösung der genannten Probleme zu leisten, trotz aller, seit der Jahrtausendwende häufiger diskutierten sog. exterritorialen Verpflichtungen (s. Steiner & Alston 2000: 1327-1334).

Daher stehen Vorhersagen einer globalen Steuerung sozialpolitischer Maßnahmen, die eine effektive international kontrollierte und globale Ungleichheit signifikant reduzierende Umverteilung beinhalten, auf schwachem Fuß. Dies hängt im Wesentlichen mit der zentralen Rolle der Nationalstaaten des Globalen Nordens für die Aufrechterhaltung kapitalistischer Herrschaftsstrukturen (einschließlich der damit verbundenen gesellschaftlichen Kompromisse) zusammen, wobei vor allem fünf Zusammenhänge zu nennen sind:

  1. Ungleiche Entwicklung ist auch innerhalb des Nordens eine zentrale Ursache ökonomischer und politischer Instabilität (Immobilienblase in den USA und internationale Finanz- und Bankenkrise, Krise des Euro, Migration und Ungleichheit innerhalb der EU als Triebkräfte des Brexits). Der Nationalstaat ist hier von großer Bedeutung für das Vertrauen in die Stabilität sozialer Kompromisse und gleichzeitig für die Verteidigung einer dominanten Position in der globalen Ökonomie, die wiederum für die Erhaltung eines als legitim betrachteten Lebensstandards zentral ist – daher auch die geringe Bereitschaft zu Politiken, die die materielle Grundlage dieser Kompromisse in Frage stellen.
  2. Der gesellschaftliche Zusammenhalt basiert auf der Konstruktion von Nationen als „imagined communities“, bestärkt durch eine Geschichte sozialer Kompromisse und die Entwicklung einigermaßen funktionierender Sozialsysteme. Der formellen Zugehörigkeit zu einer nationalen Gesellschaft wird somit ein konstruiertes historisches Bewusstsein unterlegt, was auch den Hintergrund für ein rassistisches Verhalten gegenüber MigrantInnen bildet.
  3. Die Nationalstaaten des Globalen Nordens hatten eine wichtige Vorbildfunktion für die postkoloniale Staatsentwicklung im Globalen Süden und konnten durch ihre strukturbildende Rolle im internationalen System postkoloniale Staaten zur Übernahme entsprechender Strukturen als Voraussetzung für deren Anerkennung als (formal) gleichberechtige Akteure nötigen.
  4. Die global operierenden Konzerne nutzen die Konkurrenz zwischen Nationalstaaten, um ihre Verwertungsbedingungen zu optimieren und so ihre Profite zu maximieren.
  5. Transnationale governance kann als ein Streben nach einer globalen Anpassung der Produktionsverhältnisse gesehen werden (einschließlich der Sicherung des Privateigentums an Produktionsmitteln durch Vereinbarungen zur Sicherheit von Investitionen). Dies impliziert auch gewisse Kompromisse zwischen den beteiligten AkteurInnen, aber führt im Wesentlichen zu einer Stabilisierung der Hegemonie und der wirtschaftlichen Privilegien des Globalen Nordens.

Transnationale governance ist verbunden mit Diskussionen über „globale Staatlichkeit“ und die Möglichkeit bzw. Wünschbarkeit eines Weltstaats. An normativen Utopien zu Letzterem ist bereits seit Kants Schrift Zum ewigen Frieden kein Mangel. Ist aber – ausgehend von den aktuellen Strukturen der Kapitalakkumulation und der globalen Politik – eine neue Phase kapitalistischer Akkumulation denkbar, in der globale ökonomische Ungleichheit nicht mehr der Dynamik der Akkumulation unterliegt, sondern innerhalb autoritativer politischer, also weltstaatlicher Strukturen verhandelbar (und damit auch abbaubar) ist?

Otfried Höffe (1999) sieht die „Demokratie im Zeitalter der Globalisierung“ als eine Weltföderation auf der Basis des Subsidiaritätsprinzips, die aber die Souveränität im Hinblick auf die Garantie der grundlegenden materiellen Voraussetzungen für menschliches Handeln auf eine „Weltrepublik“ überträgt. Diese Forderung impliziert viele Probleme, aber sie verweist auf die grundlegende Bedeutung einer politischen Garantie von Grundrechten, wie sie in recht umfassender Form auch 2015 in den Sustainable Development Goals (SDGs) formuliert wurden.

Eine Umsetzung dieser Ziele durch eine international akzeptierte, souveräne globale Instanz liegt aber offenbar in weiter Ferne. Die Bereitschaft, umfassende souveränitätsbegrenzende Kompetenzen an multilaterale Institutionen abzutreten, ist seit der Jahrtausendwende eher gesunken. Inwieweit soziale Bewegungen, eine kritische globale Zivilgesellschaft, eine solidarische Ökonomie und eine „solare Gesellschaft“ (Altvater 2005) tatsächlich zu einer effektiven Überwindung derjenigen kapitalistischen Strukturen und Dynamiken führen, die immer wieder Politiken der Lösung globaler Probleme, die Überwindung sozialer Ausgrenzung und die Kontrolle des Klimawandels bei universeller „Befriedigung der Bedürfnisse der Gegenwart“ behindern, muss bezweifelt werden. Nötig wäre eine Entwicklung der Produktivkräfte in einer Weise, die nicht mehr darauf beruht, dass die einigermaßen gesicherte Bedürfnisbefriedigung eines Teiles der Weltbevölkerung auf ungleichen Beziehungen bzw. der Ausgrenzung des anderen Teiles beruht.

Eine (wie auch immer) politisch erzwungene globale Umverteilung im entsprechenden Ausmaß würde soziale Kompromisse auf nationaler Ebene im Globalen Norden, damit auch politische Stabilität in Frage stellen. So wird Inklusion im Sinne der SDGs zwar grundsätzlich unterstützt, aber ökonomisch lediglich in homöopathischen Dosen gefördert. Wer im „falschen“ Teil der Welt geboren wird (und dort nicht in einer der wenigen wohlhabenden Familien), hat wenig Chancen, die Befriedigung seiner Bedürfnisse zu verbessern. Migration allerdings kann eine individuelle Strategie darstellen, Menschenrechte in Anspruch zu nehmen – und in den letzten zwei Jahrhunderten ist es Vielen geglückt, sich in anderen Weltregionen eine bessere Existenz aufzubauen. Damit stellt sich jedoch auch das Problem des Rechts auf Migration und umgekehrt des Rechts von Staaten auf die Zurückweisung von MigrantInnen. Die Annahme einer weltweiten Freizügigkeit von Arbeitskräften könnte ein zentrales Element kapitalistischer Herrschaft in Frage stellen, nämlich den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den mächtigsten Staaten des Globalen Nordens.

6   Migration/Mobilität von Arbeitskräften und die Transformation des Raumes

Wenn im Folgenden von Migration bzw. der Mobilität von Arbeitskraft die Rede ist, dann geht es um die strukturelle Bedeutung von Migration für globale Ungleichheitsverhältnisse und damit um die Grundstrukturen kapitalistischer Akkumulation. Die konkrete Analyse von Prognosen über zukünftiges Migrationsgeschehen (z.B. über die wahrscheinliche Zahl und Herkunft von MigrantInnen in den kommenden zehn Jahren; Auseinandersetzungen über die Effektivität von Frontex) soll hier nicht Thema sein. Vielmehr interessieren mich hier Szenarien der Transformation von räumlichen Strukturen kapitalistischer Entwicklung – bzw. der Mangel an solchen.

Als Migration wird üblicherweise der „dauerhafte Wohnortwechsel von Menschen“ bezeichnet. Damit handelt es sich um ein inhärent räumliches Phänomen. Die Migration großer Zahlen von Menschen ist im Allgemeinen mit einem tiefgreifenden Strukturwandel verbunden (z.B. Land-Stadt-Migration im Zusammenhang mit der Industrialisierung; Migration in außereuropäische Regionen im 19. Jahrhundert als Element politischer oder sozioökonomischer Kolonisation). Zwar gibt es eine umfangreiche Forschung auch in Bezug auf Migrationsprognosen, aber in den großen Zukunftsentwürfen gesellschaftlicher Entwicklung wurde „Migration“ meist als ein Randphänomen behandelt – selbst in vielen Prognosen zur demographischen Entwicklung wird ihre Rolle eher heruntergespielt.

Internationale Migration im Allgemeinen und auch umfangreichere Migrationsbewegungen aus ärmeren Weltregionen in Länder des Globalen Nordens sind ein bekanntes Phänomen; Millionen von Menschen migrierten nach der Unabhängigkeit aus den ehemaligen Kolonien in die Kolonialmächte, Arbeitskräfte aus Südeuropa wurden in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern angeworben, was zunächst ein erwünschtes Reservoir an billigen Arbeitskräften darstellte. Die Krise des Fordismus ging seit Ende der 1960er Jahre jedoch mit Problemen der Arbeitslosigkeit, Ansätzen einer Krise der Sozialsysteme und sozio-kulturellen Konflikten einher. Das Vertrauen in die Erhaltung des fordistischen sozialen Kompromisses nahm ab.

Damit trat ein grundsätzliches Strukturelement der kapitalistischen Weltgesellschaft, das einen der zentralen Aspekte der Ungleichheit des globalen Raumes bildet, stärker in den Vordergrund politischer Auseinandersetzungen: die Souveränität von Nationalstaaten, verbunden mit einer weitgehenden Kontrolle der Mobilität von Menschen entsprechend ihrer Staatsangehörigkeit. Das betrifft ihren Aufenthaltsstatus und damit ihre Rechte, von den Resultaten des jeweils erreichten sozialen Kompromisses zu profitieren. Prinzipiell gilt das sowohl für die BesitzerInnen von Arbeitskraft als auch die KapitaleigentümerInnen, wobei der Verkauf von Arbeitskraft jedoch von deren physischer Präsenz abhängt, während die Mobilität des Kapitals grundsätzlich nicht an die „Leiblichkeit“ (Marx 1962 [1867]: 181) der KapitaleigentümerInnen gebunden ist. Die Zugehörigkeit von Menschen als StaatsbürgerInnen ist konstitutiv für die Existenz von Nationalstaaten und deren institutioneller Ordnung. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die sozialen Rechte bekommen mit dem Ausbau des Sozialstaats eine zunehmende Bedeutung (s. Hein 2005; 2016). Der Staat ist der institutionelle Ort für verbindliche Entscheidungen und deren Implementierung (und damit auch für Kompromisse zwischen Kapital und Arbeit). Nationale Grenzen stellen in diesem Sinne einen zentralen Faktor gesellschaftlicher Integration dar, denn die sozialstaatlichen Funktionen und die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs sind zentrale Elemente einer durch staatsbürgerliche Zugehörigkeit bestimmten territorialen Fragmentierung der Weltgesellschaft (s. Hein 2005; 2016). Unkontrollierte Migration wird so als potenzielle Gefährdung der „national community“ angesehen. Die Rede von der „Einwanderung in die Sozialsysteme“, die als ureigenste Errungenschaft der nationalen Gesellschaften des Nordens angesehen werden, gewinnt so ihre Bedeutung.

Die Freizügigkeit von Arbeitskräften innerhalb der EU stellte den bisher umfassendsten Versuch dar, nationalstaatliche Kompetenzen auf eine supranationale Institution zu übertragen. Bei einer weiterbestehenden Verantwortung der Mitgliedsstaaten für ihre Sozialpolitik, deren Niveau die ökonomischen Ungleichheiten reflektiert, führte dies jedoch zu erheblichen Spannungen (s.o., Brexit-Referendum). Die Diskurse über eine vertiefte EU-Integration sind eher durch regressive Tendenzen als durch progressive Lösungen, etwa mögliche Schritte zu einer effektiven Sozialpolitik auf EU-Ebene und institutionelle Entwicklungen zur Stärkung der europäischen Identität, gekennzeichnet.

Ungleichheit der Entwicklung, verbunden mit einer wachsenden Kluft zwischen reichen und sehr armen Ländern, politische Krisen und Kriege, die nach dem Zweiten Weltkrieg primär im Globalen Süden stattfanden, eine mangelnde Gesundheitsversorgung und die Auswirkungen des Klimawandels in Verbindung mit wachsenden Informationsmöglichkeiten über die Lebensbedingungen in anderen Weltregionen sowie verbesserte Transportmöglichkeiten haben Migration bzw. Flucht für viele Menschen als einzige Möglichkeit des Überlebens zunehmend als eine Option erscheinen lassen. Allerdings haben die Immigrationsländer (EU, USA, Australien) seit den 1990er Jahren wachsende Barrieren aufgebaut, die bis vor wenigen Jahren die Zahl von MigrantInnen und Flüchtlingen aber nicht haben reduzieren können. Der Prozentsatz der MigrantInnen an der Weltbevölkerung ist von 2,3 % im Jahre 1985 auf 3,3 % im Jahre 2015 gestiegen, wobei die Länder mit hohem Einkommen 1990 49,3 %, 2017 56,3 % der MigrantInnen aufgenommen haben – in absoluten Zahlen ein Anstieg von 75,2 auf 164,8 Mio. (IOM 2017: 15; UN DESA 2017: Table 1).

Vor allem die Flüchtlingspolitik ist durch Spannungen zwischen einer Reihe von Normen gekennzeichnet: Menschenrechte, Recht auf politisches Asyl und Rechte des Familiennachzugs einerseits, andererseits aber auch die Infragestellung der Souveränität in Bezug auf die Kontrolle der Grenzen, die staatliche Kontrolle über sozialpolitische Ressourcen sowie staatliche Aufgaben der sozialen Integration und des sozialen Friedens im nationalen Raum. Dabei ist zu berücksichtigen, dass trotz der hohen Flüchtlingszahlen in den vergangenen Jahren der soziale Kompromiss in den reichen Ländern bisher keineswegs materiell in Frage stand.

Der liberale Mainstream versucht mit der Widersprüchlichkeit zwischen globaler Akkumulation und nationalen Institutionen zu leben, meist mit Positionen, die die Dynamik globaler räumlicher Strukturen ignoriert, wie die Forderung nach „Fortschritt“ in den Emigrationsländern, um die Ursachen der Migration zu bekämpfen. Strategien und Prognosen zur Zukunft der Migration beschäftigen sich im Allgemeinen mit kurz- bis mittelfristigen, meist unidimensionalen Perspektiven: Migration und Integration, Migration und Arbeitsmarkt, Migration und Bevölkerungsstruktur, wie etwa: „Wie können und wie wollen wir in Zukunft in diesem Land zusammenleben?“ (Hanewinkel & Oltmer 2017) Migration und Flucht als Ausdruck der Transformation globaler Räume wird ignoriert zugunsten einer Konzentration auf das Problem der Gefährdung sozialer Kompromisse in den Einwanderungsländern des Nordens – wobei allerdings die Prognose im Vordergrund steht, dass das Problem zu bewältigen ist („Wir schaffen das“).

Dazu gehört allerdings weiterhin die Erwartung, dass die Kontrolle der Mobilität an den Grenzen des Schengen-Raumes im Prinzip weiterhin gesichert werden kann, wenn nötig eben durch weitere repressive Maßnahmen. Dies verweist darauf, dass auch die „liberale“ Position der Sicherung nationaler Souveränität im Konflikt mit effektiv universellen Menschenrechten steht, um territoriale Strukturen zur Garantie von sozialen Rechten in einigen Teilen der Welt zu verteidigen. Im Jahre 2017 sind von weltweit 6.163 auf der Flucht ums Leben gekommenen MigrantInnen/Geflüchteten gut die Hälfte (3.139) auf das Konto der EU-Abschottungspolitik im Mittelmeer gegangen (https://migrationdataportal.org/themes/migrant-deaths-and-disappearances; letzter Aufruf: 18.9.2018).

Neue Formen des Rechtspopulismus (teils unter Inkorporation von Teilen traditioneller Sektoren der Arbeiterklasse, deren nationale Organisationsstrukturen erheblich an Macht verloren haben) sind als sich radikalisierende Strategien der Verteidigung nationaler Strukturen entstanden. Dahinter steht die Dystopie des Verlustes nationaler Identität und der Aufgabe der sozialen Sicherung derjenigen, die angeblich im nationalen Raum (der „Heimat“) allein ein Recht darauf haben. Rechtspopulistische Strömungen kämpfen gegen diese Dystopie, indem sie diese den gewachsenen Restriktionen durch internationale Verpflichtungen (auf regulativer wie auch auf unmittelbar finanzieller Ebene) anlasten, ohne die Vorteile inter- und transnationaler Kooperation sowie die Rolle von Menschenrechten zu berücksichtigen. Sie sind aber Ausdruck einer allgemeineren Tendenz, mit der die konfliktiven Elemente zwischen Globalisierung und der Resilienz von Nationalstaaten wieder stärker in den Mittelpunkt treten und internationale Umverteilungsansprüche abgelehnt werden.

Internationale Migration verdeutlicht in besonderem Maße die widersprüchlichen Tendenzen der räumlichen Entwicklung: Die Globalisierung der Produktivkräfte brachte eine extrem ungleiche Entwicklung mit sich; insbesondere verhinderte sie eine eigendynamische Entfaltung kapitalistischer Strukturen in einer wachsenden Zahl von neuen Nationalstaaten, in denen ein neues „Proletariat“ mit einer „eigenen Bourgeoisie“ hätte fertig werden können. Trotz des Entstehens einer globalen politischen Arena erweisen sich die Nationalstaaten als resilient, da sie für die Verteidigung der Privilegien des Globalen Nordens weiterhin von zentraler Bedeutung sind. Es fehlen Ansätze einer radikalen Futurologie: eine Verbindung der vielfältigen analytischen Möglichkeiten der Prognose mit Utopien einer politischen Transformation auf globaler Ebene. Nationale Machtstrukturen in einer globalisierten Welt schaffen hier offenbar Grenzen des politischen Denkens.

7   Schlussfolgerungen: Prognosen und Utopien

Handlungsstrategien beruhen auf Annahmen über zukünftige Entwicklungen und die Möglichkeiten, diese zu beeinflussen. In diesem Artikel habe ich auf die enorme Komplexität vor allem längerfristiger Prognosen verwiesen, die ohne Abstraktion von Prozessen auf niedrigeren Maßstabsebenen nicht möglich sind. Andererseits trägt, wie David Harvey betonte (s.o., 4.2), die Vielfalt dieser Prozesse sowohl zur Reproduktion von Strukturen als auch zur Veränderung dieser Strukturen bei. In diesem Artikel habe ich gezeigt, dass Prognosen und Strategien gesellschaftlicher Entwicklung folgende Elemente verlangen:

  1. eine kritische Analyse der aktuellen Situation als vorläufigem Endpunkt ihrer historischen Konstitution: die soziale Konstruktion der Wirklichkeit begrenzt den Möglichkeitsrahmen von Prognosen und Utopien.
  2. die Analyse jeweils eigener Interessen im aktuellen Kontext und die Bereitschaft zu Kompromissen zur Herrschaftssicherung bzw. der Verbesserung der Lebensbedingungen, die zumindest kurz- oder mittelfristig Stabilität ermöglichen.
  3. die Untersuchung von Macht- und Hegemoniestrukturen, die die Fähigkeit zur Durchsetzung von Eigeninteressen, ggf. durch strategische Kompromisse beeinflussen. Das hängt mit Fragen der Gouvernementalität zusammen (s.o., 5.4), wobei sich Prognosen allerdings auch mit der Entwicklung von Widerstandspotenzial auf der nationalen wie auf der globalen Ebene beschäftigen müssen.
  4. eine Verknüpfung der Analyse der historischen Konstitution der Gegenwart mit theoretisch fundierten Annahmen über Zukunftsperspektiven gesellschaftlicher Entwicklung (Szenarien zukünftiger Gegenwart). Die gesellschaftliche Akzeptanz von Szenarien hängt von der Definitionsmacht der AkteurInnen ab. Die aktuellen Arenen von Konflikten um globale Transformation sind von dem Verhältnis zwischen Staaten und globaler Politik im Rahmen ungleicher Entwicklung geprägt: Hier gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen, Interessen und Handlungsoptionen.

Die Globalisierung kapitalistischer Akkumulation wurde in ihren Grundzügen bereits vor 170 Jahren im KM prognostiziert. Im 19. Jahrhundert waren jedoch die Dynamik räumlicher Ungleichheit und deren Auswirkungen auf die politische Entwicklung in Europa kaum vorhersehbar. Die Produktivitätsgewinne der Globalisierung und deren ungleiche Verteilung haben es den Bourgeoisien im Globalen Norden ermöglicht, sozialpolitische Kompromisse einzugehen, die dort die prognostizierte Zuspitzung des Klassenkampfes verhinderten. Verheerende Kriege haben zwar zu Revolutionen in einigen der „schwächsten Glieder“ geführt, in den fortgeschrittensten kapitalistischen Gesellschaften aber die Integrationskraft der Nationalstaaten gefestigt. Nach 1945 wurden diese zwar durch ein zunächst gestärktes sozialistisches Lager herausgefordert, die globale Kapitalakkumulation profitierte allerdings durch eine angepasste Entwicklung der Produktivkräfte von der räumlichen Ungleichheit und deren erweiterter Reproduktion (durch einzelne erfolgreiche Akkumulationspole). Die globalen Machtverhältnisse haben auch sozialistischen Ansätzen im Globalen Süden keine Chance gelassen. Das Ergebnis war nicht eine Zuspitzung des Klassenkampfes, sondern es entstanden lediglich weitgehend isolierte lokale bzw. regionale militante Konflikte.

Was bedeutet dies nun für Prognosen mittel- bis langfristiger globaler Entwicklung? Die Spannung zwischen Globalisierung, ungleicher Entwicklung und der Resilienz der Nationalstaaten wird sich in absehbarer Zeit nicht in Wohlgefallen auflösen. Kurzfristige Strategien der Armutsbekämpfung und der Bekämpfung von Exklusion im globalen Rahmen sind aus den genannten Gründen weitgehend wirkungslos. Die Realisierung einer verbindlichen globalen Sozialpolitik, die globale Ungleichheit effektiv abbaut, müsste eine Begrenzung nationaler Souveränität im Sinne einer einklagbaren Verpflichtung zu Nord-Süd-Transferleistungen und eine weitgehende Veränderung der internationale Arbeitsteilung mit sich bringen.

Eine konkrete Utopie ist vonnöten, die in einer von hoher Kapitalmobilität und Resilienz nationalstaatlicher Strukturen geprägten Welt Vorstellungen über starke globale Institutionen zur Steuerung nachhaltiger Entwicklung, d.h. globaler sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit, durchsetzen kann, also letztlich die Souveränität der Nationalstaaten politisch einschränkt (s.o., 5.4; Höffe 1999). Ansätze existieren in der Tat, stellen aber auch sehr umkämpfte Prozesse dar: Entwicklungen in einzelnen Politikbereichen (globale Sozial- und Gesundheitspolitik, Bildungspolitik, Stärkung nationaler governance-Strukturen, Umwelt- und Klimapolitik, kurz: hartnäckige Forderungen nach einer Umsetzung der SDGs) könnten bei einer weiteren Stärkung der globalen Zivilgesellschaft zu einer radikaleren Infragestellung neoliberaler Dogmen und zur weiteren Delegitimierung ungleicher Entwicklung führen. Die einzelnen ProtagonistInnen und ihre Interessen sind identifizierbar, ebenso wie kurz- bis mittelfristige Konfliktlinien, die gewisse Szenarien zukünftiger Entwicklungen in diesen Bereichen ermöglichen.

Eine Chance auf einen entsprechenden Wandel globaler Institutionen besteht aber nur, wenn dessen Vorteile nicht nur im politischen Diskurs thematisiert werden, sondern auch im Bereich der Lebensführung und -perspektiven der großen Mehrheit der Menschen erfahrbar werden. Eine „Weltgesellschaft von unten“ könnte Tendenzen der Auflösung nationaler-partikulärer Gesellschaften und auf diese bezogene Identitäten verstärken. Dies setzt einen Transformationsprozess von Konsumformen und Werten voraus, von dem Ansätze erkennbar sind (Entschleunigung, bewussterer Umgang mit Ressourcen etc.), deren Generalisierung aber noch recht weit entfernt scheint. Migration und die Infragestellung nationaler Abgrenzung im Rahmen eines zunehmend integrierten Weltzusammenhangs könnte durchaus den Ausgangspunkt für eine Transformation grundlegender weltgesellschaftlicher Strukturen, möglicherweise jenseits des Kapitalismus, bilden.

Die Ergebnisse dieser Konflikte im Hinblick auf Systemerhaltung, Kompromisse und strukturverändernde Transformationen oder aber resultierende Katastrophen (wie etwa Weltkriege, aber auch die Auswirkungen des Klimawandels) sind im Hinblick auf die Entstehung einer neuen totality im Sinne Harveys jedoch nicht prognostizierbar. Die historische Erfahrung lässt erwarten, dass dies nicht ohne Krisen passieren wird; eine entsprechende Utopie sollte allerdings eine Perspektive der Transformation ohne globale Katastrophen beinhalten.

Elmar Altvater stellt am Ende seines Gesprächs mit Raul Zelik über „Mythen des Kapitalismus und die kommende Gesellschaft“ fest:

„Umso notwendiger ist die Utopie des Ausbruchs aus dem Käfig der [Internet] Community. Aber eine konkrete Utopie muss es sein. Sie muss von den gegebenen Verhältnissen ausgehen, den Weg aus den ‘Systemzwängen’ weisen und das anpeilen, was schon heute imaginierbar und mehr noch, was heute bereits machbar ist. Das Utopische…ist politisch, weil es in unserer Hand liegt, was wir daraus – kollektiv – machen.“ (Zelik & Altvater 2016: 232)

Wer sind „wir“? Und was genau liegt „in unserer Hand“? Wohin „brechen wir aus“? Wofür sind die materiellen Existenzbedingungen „im Schoß der alten Gesellschaft ausgebrütet“? Die Produktivkräfte erlauben grundsätzlich eine Erfüllung der Grundbedürfnisse aller Menschen, aber sie sind gefesselt in einem System, das es auch seinen KritikerInnen leichter macht, neue Phasen kapitalistischer Entwicklung zu imaginieren, als eine neue Form der Organisation kollektiver Produktion und kollektiven Lebens.

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Anschrift des Autors:
Wolfgang Hein
Wolfgang.Hein@giga-hamburg.de

Peripherie, Nr. 152, 38. Jg., 3/2018, Verlag Barbara Budrich, Leverkusen.

 

[1]       Hier und in den weiteren Fällen verwende ich diesen wie auch den Ausdruck „Arbeiterbewegung“ entsprechend der allgemeinen Gepflogenheit in der marxistischen Literatur.

[2]       Wo es sich um Institutionen bzw. Staaten handelt, ergibt eine gegenderte Schreibweise keinen Sinn. In solchen Fällen verwende ich das grammatische Maskulinum.

[3]       Als eine (relativ) allgemeinverständliche Einführung s. Norton 2014.

[4]       Zur Begrifflichkeit „gegenwärtige Zukunft“/„zukünftige Gegenwart“ vgl. Picht 1971; Luhmann 1976; 2009; Popp & Schüll 2009, darin vor allem Grunwald 2009.

[5]       S. auch http://www.zwnetz.de/jungk, letzter Aufruf: 25.10.2018.

[6]       S. etwa Giddens 1981; Harvey 1973; 1989a; Altvater 1992; Altvater & Mahnkopf 1999.

[7]       Marx Einschätzung zur Rolle der Natur im Kapitalismus wurde häufig missverstanden. Bereits im „Kapital“ wurde mehrfach auf den Widerspruch zwischen grenzenlosem Profitstreben und Natur verwiesen: Erschöpfung der Bodenfruchtbarkeit (Marx 1962 [1867]: 528), Rohstoffe (Marx 1969 [1894]: 270). Im Zusammenhang mit Differentialrente und Grundeigentum formulierte Marx: „Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als gute Eltern den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“ (Marx 1969 [1894]: 784); s. dazu Schmidt 2016 [1962]; Saito 2016.

[8]       Für eine detailliertere kritische Auseinandersetzung mit dem Ansatz der „fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation“ fehlt hier der Platz.

[9]       Zu Netzwerkgesellschaft s. Castells 2001-2003 [1996-1998]; zu Global Cities s. Sassen 2001; zu Archipelisierung s. Hein 2002.

[10]      Zur Dependenzdiskussion und zur fortgesetzten ursprünglichen Akkumulation s. verschiedene Beiträge in Backhouse u.a. 2013.

[11]      S. auch Giddens 1981: „time-space distanciation“; Castells 2001-2003 [1996-1998], vor allem Bd. 1.