Ein unvollendetes Projekt

Postdemokratie, struktureller Populismus und Demokratie im liberalen Staat

Ausgehend von dem Aufstieg populistischer politischer Bewegungen in Europa, den USA und Lateinamerika in den letzten 20 Jahren hat sich eine lebhafte und kontroverse Debatte um die Bestimmung des Populismus-Begriffes, auch in der Zeitschrift Forum Wissenschaft, entwickelt. An frühere Debattenbeiträge knüpft Kai Mosebach an und skizziert einige kritische Bemerkungen zu der Hoffnung, Populismus per definitionem auszutreiben. Nach dem ersten Teil seines Beitrags in Forum Wissenschaft 4/2018 folgt hier der zweite Teil.

Die Definition eines Populisten im Sinne des Vorschlags von Carsten von Wissel als eines Politikers, der versucht "andere Stimmen, die für anderes, als sie das tun, eintreten, zum Schweigen zu bringen oder zu delegitimieren"1, wirft schließlich die Fragen auf, ob sie nur für vermeintlich Rechts- und/oder Linkspopulisten gültig ist oder nicht sogar zur Folge hat, das ganze politische System als populistisch zu bezeichnen. Ist es denn nicht - im Sinne der vorgeschlagenen Definition - ein hochgradig populistisches Verhalten, wenn Angela Merkel zu Beginn ihrer Regentschaft nacheinander politische Konkurrenten mit dezidiert anderen Positionen in Fragen der Steuerpolitik etwa (hier: Friedrich Merz) aus der Parteiführung gedrängt hat? Immerhin hat sie diese parteipolitisch "zum Schweigen gebracht". Von Wissel sitzt hier einer idealistischen Konzeption einer Verhandlungsdemokratie auf, in der die Kraft des besseren Argumentes gilt. Das hat mit der verfassten Wirklichkeit der liberalen Demokratien in den westlichen wohlstandskapitalistischen Gesellschaften allerdings nicht allzu viel zu tun, denn manche Akteure sind gleicher als andere und können über bessere Ressourcen verfügen oder sind einfacher zu organisieren.2 Ganz im Gegenteil leiden die liberalen Demokratien im heutigen Wohlstandskapitalismus3 an einem Mangel wirklicher demokratischer Kontrolle, wie bereits Charles Lindblom früh erkannt hat. Daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert, denn die (wie im ersten Teil ausgeführt thematisch beschränkte) politische Partizipation ist auf Personen aus höheren sozialen Schichten konzentriert.4

Struktureller Populismus als Defekt liberaler Repräsentativdemokratien

Der definitorische Ansatz zur Bestimmung populistischen Verhaltens - nicht nur bei von Wissel - ist auch deswegen ungeeignet, weil er ein strukturelles Merkmal liberaler Demokratien völlig übersieht: die Notwendigkeit populistischer Politik zur Maximierung der Stimmenanteile im politischen Wettbewerb. Der Frankfurter Soziologe Heinz Steinert hat in einem grundlegenden Artikel zum Begriff des Populismus in der Politik auf vier Merkmale populistischer Politik hingewiesen, die keineswegs nur auf (marginalisierte) Links- oder Rechtspopulisten zutreffen, sondern in der institutionalisierten Trennung von Regierenden und Regierten bei Absehung divergierender Interessen in parlamentarischen Massendemokratien strukturell angelegt sind.5 Die Verwendung des Begriffs Populismus ist dabei ein gern genutzter Kampfbegriff, der zumeist von politischen Akteuren eingesetzt wird, um die angegriffene Position zu desavouieren, zu delegitimieren. Populismus setzt somit eine Distanz vom Berufspolitiker zum "Volk" voraus, dessen "Interessen" er populistisch konstruiert.6 Populistische Politik impliziert demnach - erstens - eine Anrufung von Identitätspolitik, die im Gegensatz steht zur (subjektbezogenen) Interessenpolitik und ist dann notwendig, wenn Politiker gegen die (artikulierten) Interessen ihrer Wähler entscheiden (müssen oder wollen). Zweitens verwendet populistische Politik zahlreiche Mechanismen der Kulturindustrie, um die Emotionalität politischer Subjekte besonderer Art zu wecken. Politik wird als Kampf heroischer Gestalten gegen Feinde inszeniert, wobei die Massenmedien keine unwichtige Funktion bei der Inszenierung übernehmen. Drittens ist populistische Politik strukturell mit der Organisation einer (zumindest dem Anspruch nach auftretenden) Volkspartei verbunden, weil in ihr sozioökonomische Interessengegensätze populistisch aufgehoben werden. Die Volksparteien haben sich dabei in medialisierte Organisationen verwandelt, die politisches Marketing als Instrument der Stimmenmaximierung nutzen. Viertens konstituiert sich durch populistische Politik ein "politisches Subjekt eigener Art"7, das die Verfolgung seiner individuellen Interessen zu Gunsten der Zugehörigkeit zu einer (kollektiven, ambivalenten) Identität aufgibt.

Rechtspopulistische und linkspopulistische Bewegungen sind dieser Analyse zufolge auch eine Konsequenz des strukturellen Populismus in repräsentativen Massendemokratien, wenn sozioökonomische oder kulturelle Interessen nicht angemessen repräsentiert und ausbalanciert werden.8 Es gibt daher auch einen Populismus der Mitte. Eine solche Diagnose geht konform mit der These vom Ende des keynesianischen Zeitalters, das Colin Crouch identifiziert und dessen klassenübergreifendes Bündnis auch Karin Priester in ihrer Analyse des europäischen (Rechts-)Populismus als ein funktionales Äquivalent für populistische Integration betrachtet, in dem es gelingt, verschiedene Interessen über Parteien zu auszubalancieren, ohne sie schlicht populistisch zu vereinnahmen.9 In der Krise des Fordismus haben sich die Legitimationsressourcen der "fordistischen Demokratie" erschöpft und sind einer marktkonformen Demokratie gewichen.10 Hier setzt das Konzept einer popularen Politik von links an, welches die (ignorierten bzw. marginalisierten) "Erfahrungen der Unteren so zur Sprache bringen [will], dass sie ihnen nicht enteignet werden. Und trotzdem eine Bearbeitung entwickeln [möchte], die nicht einfach nach dem Munde redet."11 Allein mit Heinz Steinert mag man skeptisch bleiben, ob ein solcher progressiver Linkspopulismus möglich ist. Eine große Alternative im Rahmen parlamentarischer Massendemokratien bleibt indes nicht.

Demokratisierung des liberalen Staates ein unvollendetes Projekt

Eine letzte Frage liegt damit auf der Hand: wie kann man den strukturellen Populismus in parlamentarischen Massendemokratien überwinden? Einen (unfreiwilligen) Hinweis auf den Ansatzpunkt gibt von Wissel in seinem Beitrag, in dem er auf das Konzept des liberalen Staates verweist.12 Zwar war der historische Ursprung des liberalen Staates weder durch demokratische noch sozialstaatliche Normen geprägt, sondern gewährleistete exklusiv das Privateigentum und die Vertragsfreiheit bürgerlicher Subjekte, war also als staatsformunabhängiger bürgerlicher Rechtsstaat konstituiert.13 Carsten von Wissel bezog sich aber wohl - das wollen wir ihm mal unterstellen - auf den sozialen und demokratischen Rechtsstaat, der im Grundgesetz kodifiziert ist. Dem aufgeklärten (Sozial-)Liberalismus war dabei stets klar, dass die staatsbürgerliche Gleichheit immer durch sozioökonomische Ungleichheit infrage gestellt werden kann, weshalb die soziale Demokratie als eine notwendige Voraussetzung der Universalisierung liberaler Demokratie angesehen wurde.14 Diese Schlussfolgerung deckt sich auch mit der historischen Tatsache, dass der demokratische Wohlstandskapitalismus - insbesondere in Europa - von der politisch und gewerkschaftlich organisierten Arbeiterbewegung erkämpft wurde und seine Konturen sich zweifellos nicht auf einen liberalen Staat reduzierten.15 Dies verweist auf die weithin geteilte Erkenntnis, dass liberale Demokratien sich entleeren, wenn kein politischer Druck aus der Gesellschaft stattfindet. Das ist keineswegs eine irgendwie geartete (neo-/post)marxistische Sichtweise (auch wenn diese hier mit solchen neopluralistischen Überzeugungen kongruent geht), sondern gut verstandene neopluralistische Demokratietheorie.16 Eine Möglichkeit, diesen gesellschaftlichen Druck zu institutionalisieren, ist zweifellos die Ausweitung partizipatorischer Politikformen und institutionalisierter Mitentscheidungsmöglichkeiten jedes einzelnen Citoyens. Aber die Chancen, daran teilnehmen zu können sind sozialstrukturell vertikal ungleich verteilt - Beteiligung erfordert neben Interesse zweifellos auch Kapital in all seinen Formen (kulturell, ökonomisch, sozial und zeitlich) - und dieses ist eben sozial ungleich verteilt.17 Salopp formuliert geht es darum, die Beteiligungschancen für alle sozialen Schichten zu erhöhen und das geht erkennbar nicht ohne die "Lösung" der sozialen Frage.

Dass die zunehmende soziale Ungleichheit eine Gefährdung für die liberalen Demokratien, wenn nicht sogar eine autoritäre Versuchung bedeuten, ist nun wirklich keine neue Erkenntnis, auch wenn sie von liberalen Polyarchieapologeten gern verdrängt wird.18 Wie kann man diese Erkenntnis aber mit der Notwendigkeit zur Überwindung von strukturellem Populismus in der parlamentarischen Massendemokratie verbinden? Heinz Steinert beispielsweise legt nahe, die Aushandlung der konkreten Interessen einer jeden einzelnen Bürgerin oder Bewohnerin zum Ausgangspunkt zu machen, um den strukturellen Populismus zu überwinden. Das würde eine radikale Demokratisierung nicht nur des demokratisch-liberalen Staates, sondern eben auch der antagonistischen Gesellschaft (in Kultur und Wirtschaft) erfordern. Bei aller Kritikwürdigkeit, die dem Parabel-Modell der Demokratie von Colin Crouch entgegengehalten werden kann, etwa dass es die fordistisch-keynesianische Demokratie ob seiner Kompatibilität mit sexistischen und rassistischen Ausgrenzungspraktiken in ihrer normativen Vorbildlichkeit überbewerte, bleibt eine zentrale Schlussfolgerung seiner Analyse jedoch unbestreitbar. Das seiner Analyse zugrunde gelegte (neo)pluralistische Konsensmodell der (egalitär verstandenen) Demokratie erfordert die Anerkennung bislang marginalisierter politischer, ökonomischer und kultureller Interessen auch gegen die herrschenden Eliten (Hegemonie!). Wie soll dies möglich sein, ohne politische, ökonomische und kulturelle Ausgrenzungsprozesse umzukehren, zu denen unzweifelhaft jene Mechanismen (Elitisierung der Politik, Privatisierung öffentlicher Politik, steigende sozioökonomische Ungleichheit, politische Korruption und Lobbyismus) beitragen, auf denen die Postdemokratie-These ruht?

Mag sein, dass ein auf die Massenmedien ausgerichteter Linkspopulismus allein die Probleme vergrößert, indem er einfache Antworten auf komplexe Fragen gibt; die hiergegen notwendige emanzipative Ausweitung politischer, ökonomischer und kultureller Rechte von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen muss aber scheitern, wenn die soziale Frage unbeantwortet bleibt. Eine liberale Demokratie, ein liberaler Staat ist in einer antagonistischen Gesellschaft, die durch große ökonomische Ungleichheit und politische Ohnmacht geprägt ist (wobei Ersteres oft Letzteres gebiert), stets in der Gefahr des Zerfalls oder der autoritären Versuchung.19 Das lehrt nicht nur die Geschichte, sondern auch eine aufgeklärte liberale oder (neo)marxistische Demokratietheorie.20 Dass bei der Suche nach Wegen, die soziale Frage zu beantworten, keine Zuflucht gesucht werden sollte, überwunden geglaubte Debatten um einen Hauptwiderspruch wieder aufzunehmen, sollte selbstverständlich sein.21 Mit diesem Truismus ist aber die notwendige Auseinandersetzung um Gewichtungen theoretischer Ansätze zur Erklärung bzw. zum Verstehen des "populistischen Moments" keinesfalls beantwortet. Ohne Zweifel dürften rassistische und sexistische Ideologeme und Diskurse bei der Verbreitung rechtspopulistischen Gedankenguts eine große Rolle spielen; das "globale Phänomen" der populistischen Infragestellung liberaler Demokratie verweist aber auf die Bedeutung des sozioökonomischen Kontextes und unterstreicht die Gefährlichkeit nationalistischer Standortpropaganda, die bei bestimmten sozialen Gruppen extremistische Züge annehmen kann, wenn die ideologischen Inklusionsversprechungen ausbleiben und konkurrenzgetriebene Exklusionserfahrungen überhand nehmen.22 Formale Populismus-Definitionen und inhaltlose Debatten bringen uns daher nicht weiter. Wir müssen schon ins begriffliche und inhaltliche Getümmel steigen und uns auf die Suche nach der "richtigen" emanzipatorischen Politik begeben. Die Diskussion um eine popular-progressive Politik von "links" ist daher notwendig, aber sicher noch nicht am Ende.

Anmerkungen

1) Carsten von Wissel 2017: "Teil des Problems. Warum Linkspopulismusnicht Teil der Lösung sein kann", in: Forum Wissenschaft 2/2017: 44-47, hier: 46.

2) Fritz W. Scharpf 1975: Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, Konstanz; Josef Esser 1985: "Staat und Markt", in: Iring Fetscher / Herfried Münkler (Hg.): Politikwissenschaft. Begriffe - Analysen - Theorien. Ein Grundkurs, Reinbek bei Hamburg: Rowohlts Enzyklopädie: 224ff.

3) Vgl. Stephan Lessenich 2009: "Mobilität und Kontrolle. Zur Dialektik der Aktivgesellschaft", in: Klaus Dörre / Stephan Lessenich / Hartmut Rosa: Soziologie, Kapitalismus, Kritik. Eine Debatte, Frankfurt am Main: 126-177; und Stephan Lessenich 2016: "Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis", Berlin.

4) Vgl. zur Empirie der partizipatorischen Demokratie in Deutschland: Petra Böhnke 2011: "Ungleiche Verteilung politischer und zivilgesellschaftlicher Partizipation", in: APuZ 1-2/2011: 18-25; Helmar Schöne 2015: "Deutschland auf dem Weg zur Postdemokratie?", in: Politikum. Analysen, Kontroversen, Bildung 1(4): 5-17.

5) Heinz Steinert 1999: "Kulturindustrielle Politik mit dem Großen & Ganzen: Populismus, Politik-Darsteller, ihr Publikum und seine Mobilisierung", in: Internationale Politik und Gesellschaft 4/1999: 402-413.

6) Vgl. ebd.: 403.

7) Ebd.: 409.

8) Der Begriff des Interesses ist allerdings nicht ganz unproblematisch. Heinz Steinert unterstellt implizit, dass es einen objektiven Kern dieses Begriffes gibt. Mutmaßlich ist das sozioökonomische Interesse gemeint, dass einer ökonomischen Position entspricht. Der britische Politikwissenschaftler Colin Hay weist jedoch zurecht darauf hin, dass sich ökonomische Interessen nicht automatisch aus einer ökonomischen Position heraus ergeben, sondern diskursiv konstruiert werden (vgl. Colin Hay 2002: Political Analysis. A Critical Introduction, Houndmills/New York: 178ff.). Daher dürfte eine Erklärung für den derzeitigen hegemonialen Aufstieg rechtspopulistischer bis offen rechtsextremer Parteien darin zu suchen sein, dass die Akteurinteressen bestimmter sozialer Schichten im Gegensatz zur Hoffnung Steinerts eine diskursive Artikulation vermeintlich objektiver ökonomischer Interessen mit nationalistischen und rassistischen Ideologemen erfahren haben. Auch wenn derzeit kaum Studien vorliegen, legen sprach- und sozialwissenschaftliche Forschungen zur Erklärung der Pogrome von Hoyerswerda und Rostock zu Beginn der 1990er Jahre eine solche Interpretation nahe (Siegrid Jäger / Jürgen Link (Hg.) 1993: "Die Vierte Gewalt. Rassismus und die Medien", Duisburg: DISS, URL: http://www.diss-duisburg.de/wp-content/uploads/2016/04/DISS-Jaeger-Link-Die-vierte-Gewalt-1993.pdf [02.09.18]). Dies bedeutet aber auch, dass die ökonomischen und kulturellen Interessen nicht repräsentiert wurden und den jüngsten Aufschwung rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien und politischer Gruppierungen (zumindest mit)befördert haben.

9) Karin Priester 2005: "Der populistische Moment", in: Blätter für deutsche und internationale Politik 49(3): 301-310, hier: 302; siehe auch: Karin Priester 2006: "Der Populismus des 21. Jahrhunderts", in: Blätter für deutsche und internationale Politik 50(11): 1319-1333.

10) Vgl. die in der Sache konvergenten, wenn auch aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven argumentierenden Analysen von Joachim Hirsch 1995: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, Amsterdam / Berlin; Frank Deppe 1997: Fin de Siécle. Am Übergang ins 21. Jahrhundert, Köln; Colin Crouch 2008: Postdemokratie, Frankfurt a. M.; Bob Jessop 2016: "Liberal Democracy, Exceptional States, and the New Normal", in: ders.: The State. Past, Present, Future, Cambridge/Malden: Polity Press: 211-237 und Wolfgang Streeck 2016: "Die Demokratie in der Krise", in: Daniel Brühlmeier / Philippe Mastronardi (Hg.): Demokratie in der Krise. Analysen, Prozesse und Perspektiven, Zürich.

11) Christina Kaindl 2017: "In die Mitte des Handgemenges. Warum die Linke Kämpfe auch führen muss", in: Forum Wissenschaft 1/2017: 8-11, hier: 11. Vgl. auch: Andreas Nölke 2017: Linkspopulär. Vorwärts handeln, statt rückwärts denken, Frankfurt a.M.

12) Carsten von Wissel 2017 (siehe Fn 1): 47.

13) Vgl. Franz L. Neumann 1980: Die Herrschaft des Gesetzes. Eine Untersuchung zum Verhältnis von politischer Theorie und Rechtssystem in der Konkurrenzgesellschaft, Frankfurt a.M.: 203ff.

14) Vgl. klassisch: Ralf Dahrendorf 1994: Der moderne soziale Konflikt. Essays zur Politik der Freiheit, München; Thomas Marshall 1982: Bürgerrechte und soziale Klassen. Zur Soziologie des Wohlfahrtsstaates, Frankfurt a.M. / New York.

15) Vgl. Arthur Rosenberg 1989 [1937]: Demokratie und Sozialismus. Zur politischen Geschichte der letzten 150 Jahre, Bodenheim; Luciano Canfora 2006: Eine kurze Geschichte der Demokratie, Köln.

16) Vgl. Fritz W. Scharpf 1975 (siehe Fn 2) und ders. 1999: Regieren in Europa. Effektiv und demokratisch?, Frankfurt a.M. / New York.

17) Dies ist eine Anlehnung an den Kapitalbegriff von Pierre Bourdieu [1987: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a.M.: bes. II. Teil], der um die Idee des Zeitkapitals erweitert wurde. Der Kapitalbegriff von Marx ist vor allem ein makrosoziologisches bzw. makroökonomisches Konzept; dessen Begriff von Kapitalformen (Geldkapital, Warenkapital, Produktivkapital) beziehen sich auf den "Kreislaufprozess des Kapitals" und sollten mit den voranstehend genannten Konzepten nicht verwechselt werden. Die Kapitalbegriffe von Bourdieu und Marx beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte gesellschaftlicher Realität und schließen sich folglich keineswegs aus.

18) Vgl. zur These des Aufstieg des "autoritären Kapitalismus" Frank Deppe 2012: Autoritärer Kapitalismus. Demokratie auf dem Prüfstand, Hamburg und Bob Jessop 2016: (Fn 10).

19) Das war die grundlegende historische Erkenntnis und politische Arbeitshypothese des "Partisanenprofessors", wie Wolfgang Abendroth von seinem Habilitanden Jürgen Habermas liebevoll bezeichnet wurde (vgl. Wolfgang Abendroth 1968: Politische Demokratie und antagonistische Gesellschaft, Darmstadt; siehe auch: Herbert Marcuse 1965: "Der Kampf gegen Liberalismus in der totalitären Staatsaufassung", in: ders.: Kultur und Gesellschaft I, Frankfurt a.M.: 17-55.)

20) Vgl. ebd. und Colin Crouch 2008 (siehe Fn 10), sowie ders. 2011: Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus - Postdemokratie II, Berlin. Dass dabei auch sozialpsychologische Mechanismen und (diskursiv bestimmte) Charakterstrukturen in einer Gesellschaft eine Bedeutung zukommt, hat in Bezug auf den Aufstieg des Nationalsozialismus zum Beispiel der Sozialphilosoph und Psychoanalytiker Erich Fromm in seinem Buch über die "Furcht vor der Freiheit" herausgearbeitet (vgl. Erich Fromm 1993 [1941]: "Die Furcht vor der Freiheit", München).

21) Vgl. Emma Dowling / Silke van Dyk / Stefanie Graefe 2017: "Rückkehr des Hauptwiderspruchs? Anmerkungen zur aktuellen Debatte um den Erfolg der Neuen Rechten und das Versagen der ›Identitätspolitik‹", in: Prokla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 47 (3): 411-420 sowie die weiteren Beiträge in dieser Ausgabe der Prokla.

22) Vgl. hierzu beispielsweise die Studie von Dieter Sauer u.a. 2018: Rechtspopulismus und Gewerkschaften. Eine arbeitsweltliche Spurensuche, Hamburg.

Dipl. Pol. Kai Mosebach ist Politikwissenschaftler und Dozent an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein.