smrt postnazismus im Buch

in (21.02.2011)

Ein Begriff wie Postnazismus versuche die Tatsache zu fassen, „dass 1945 zwar das Morden geendet hat, aber nicht die viel beschworene ‚Stunde Null' stattfand." In der Einleitung zu dem von Stephan Grigat herausgegebenen Band ist dies einer der wenigen Sätze, gegen die nichts zu sagen wäre. Denn schon bald mündet der editorische Kampf gegen Antisemitismus in Gleichsetzungen des Herausgebers, die jeder Grundlage entbehren und letztlich auf eine Verharmlosung des NS-Regimes hinauslaufen: Die fetischistische Revolte gegen das Kapital, die sich im nationalsozialistischen „Vernichtungsantisemitismus" geäußert habe, artikuliere sich „heute unter anderem in jenem moralischen Antikapitalismus, wie er mit unterschiedlichen Ausprägungen für linke Globalisierungskritiker und rechte Kulturkämpfer, christliche Moralisten und islamische Faschisten, Nazis und andere Antiimperialisten typisch ist." Ausgehend von der - im Band von Florian Markl vorgetragenen - These, im Begriff der „antisemitischen Gesellschaft" (Horkheimer/Adorno) verdichte sich die ganze Kritische Theorie, versucht das Buch offenbar, so etwas wie deren einzig wahre Erbschaft anzutreten. Etwas weniger doktrinär, aber auch mit Max Horkheimer argumentiert die Gruppe kittkritik. In spannenden Einzelstudien wird in deren Sammelband untersucht, wie und inwiefern sich kulturindustrielle wie auch künstlerische Produkte als „Kitt für den nationalen Mythos" erwiesen haben. Dieser bestehe in der postnazistischen Gesellschaft u.a. darin, das Verstehen der TäterInnen zur Voraussetzung für die Bewältigung der Vergangenheit zu machen, in der die Deutschen dann auch noch als Opfer anzuerkennen sind. Dies sei das „geschichtspolitische Erfolgsmodell" der Berliner Republik, an dessen Verbreitung Rundfunk, Film und Fernsehen nicht wenig Anteil hatten. Insofern hat sich auch eine neue „Basiserzählung" durchgesetzt, deren Untersuchung weniger als deren Kritik sich der Band Der Krieg der Erinnerung widmet. Im europäischen Vergleich wurden die permanenten „Deutungskämpfe und Neuverhandlungen" erforscht, in denen der Holocaust nicht nur zum wesentlich Bestandteil einer „transnationalen Erinnerungskultur", sondern auch noch zu einem „'negativen Gründungsmythos' Europas" werden konnte. Dass auch künstlerische Arbeiten an solchen Verhandlungen wie auch an solchen (Ent-)Mythologisierungen Anteil haben können, zeigt Luisa Ziaja im Anschluss an die „poststrukturalistische Kritik am Objektivitätsparadigma der Geschichtswissenschaft" in ihrem Beitrag in Recollecting auf. Der Katalog versteht sich wie die ihm zu Grunde liegende Ausstellung (im Wiener MAK, 2008/09) nicht nur als Dokumentation des gegenwärtigen Stands der Restitution der von den Nazis geraubten Kunstwerke, sondern auch als „Intervention in eine zentrale gesellschaftliche Debatte" (Ziaja). Politische Verschiebungen dieser Debatten im Zuge des Kalten Krieges und der antikolonialen Befreiung zeichnet auch der Historiker Dan Diner in seinem starken Essay nach. Die Bedeutung des Holocaust, mahnt Diner auch vor dem Hintergrund der arabisch-islamischen Erinnerungen an das Weltkriegsende, erschließe sich nicht durch Kritik an der westlichen Moderne und anthropologische, auf das allgemein menschliche Leid gerichtete Sichtweisen, sondern allein durch ein „in historischen Unterscheidungen argumentierendes Denken."


Dieser Text erscheint in Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst, Wien, Frühjahr 2011, „smrt postnazismus".




Dan Diner: Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen 2008 (Vandenhoeck und Ruprecht Verlag).

Stephan Grigat (Hg.): Feindaufklärung und Reeducation. Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus, Freiburg 2006 (Ça Ira Verlag).

kittkritik (Hg.): Deutschlandwunder. Wunsch und Wahn in der postnazistischen Kultur, Mainz 2007 (Ventil Verlag).

Alexandra Reininghaus (Hg.): Recollecting. Raub und Restitution, Wien 2009 (Passagen Verlag).

Harald Welzer (Hg.): Der Krieg der Erinnerung. Holocaust, Kollaboration und Widerstand im europäischen Gedächtnis, Frankfurt a.M. 2007 (Fischer Verlag).