Krieg im 21. Jahrhundert

Rezension zu: WeltTrends e.V. (Hrsg.): WeltTrends Nr. 35: Krieg im 21. Jahrhundert, Berlin 2002, 200 S. (12 EUR)

Die Beiträge dieser Ausgabe der Zeitschrift für internationale Politik und vergleichende Studien reflektieren die aktuell höchst diffuse weltpolitische Situation und geben Einblick in die Denkstrukturen Krieg treibender Akteure. Verfolgt man nach der Lektüre mit geklärtem Blick die Nachrichtenbilder, so wirken diese wie makabre Illustrationen. So kann der aggressive Werbefeldzug des amerikanischen Präsidenten um Verbündete als Beispiel für Carlo Masalas Beschreibung des Dilemmas gelten, in dem heutzutage militärische Koalitionen agieren. Wo traditionell eine als gemeinsam empfundene Bedrohung Staaten dazu veranlaßte, militärisch zu koalieren, kann in einer post-bipolaren, globalisierten Welt kaum mehr von direkter regionaler Bedrohung gesprochen werden. Im Vordergrund steht nunmehr die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, ein weniger heroisches Motiv. Masala entschlüsselt das Wirken moderner schwerer plausibel zu machen. Wir erfahren dann, daß unsere interessierte Nutzung der medialen Informationsquellen und unser möglicher Widerstand bereits Bestandteil der modernen Kriegführungsstrategie sind, nämlich des Kampfes um die Meinungsführerschaft. Die Taktik besteht darin, die öffentliche Meinung der eigenen oder gegnerischen Bevölkerung zieladäquat zu instrumentalisieren. Um nun den Eingriff in fragwürdige ausländische Verstrickungen zu rechtfertigen, wird zunehmend zur Form der mittelalterlich anmutenden Dämonisierung des Gegners gegriffen. So dies gelingt, wird zwar die zustimmende Überzeugung der Bevölkerung erlangt, jedoch bedarf diese Strategie dann auch der endgültigen Auslöschung des "Dämons".

Hier behindert die zunächst funktionale Argumentation eine vorzeitige diplomatische Beendigung des kriegerischen Aktes, die nun schwierig zu rechtfertigen ist. Der Begriff "internationaler Terrorismus", der momentan für sämtliche Konflikte undifferenziert herhalten muß, ist ein solcher "Dämon". Wir befinden uns im Zeitalter der Informationskriegsführung. In der Volksrepublik China wurden 1999 sogar, so der Autor Junhua Zhang, digital ausgerüstete Miliztruppen geschaffen, die quasi vom heimischen Laptop aus, die Mobilisierung einer computerisierten, digitalisierten Bevölkerungsgruppe führen sollen. In China hat wiederum der Informationskrieg Tradition. Dort blickt man auf das kriegstheoretische Werk des Strategen Sunzi zurück, der den Sieg der Intelligenz gegenüber dem der materiellen Kraft favorisierte, "denn nur, wenn man durch ausgeklügelte Ideen und Pläne seine Feinde gegen sich selber kämpfen läßt und dadurch ihre Kraft schwächt, verdiene man sich ein Lob."

Einen Einblick in die Arbeit der internationalen Organisationen und Mandatsträger der UNO, mit ihren teilweise undurchdachten Handlungskonzepten in der komplizierten regionalpolitischen Realität von Bosnien und Herzegowina, gewährt Friedrich C. K. Haas, selbst Angehöriger einer eingreifenden Truppe. So man sich durch die geheimdienstlich- militärisch geprägte Sprach- und Kürzelwelt nicht beirren läßt, offenbart sich hier das Dilemma der post-bipolaren Umorientierung. Kabarettistisch erscheinen aus der Ferne peinliche Verständigungsschwierigkeiten in Ermangelung von Sprachkenntnissen, Verwirrungen im Abkürzungsdschungel und Entscheidungsunfähigkeiten. Doch in derart brisanter Situation kosten solche Unzulänglichkeiten Menschenleben.

Insgesamt bieten die neun Beiträge einen ergiebigen Exkurs in politikwissenschaftliches und kriegstheoretisches Denken mit sehr aktuellen Bezugnahmen.

in: UTOPIE kreativ, H. 149 (März 2003), S. 283/284